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Leuchtmittel | Licht- und Beleuchtungstechnik | Lichtsteuerung

Aus dem Facharchiv: Leseranfrage

Falsches Licht zur falschen Zeit

07.02.2023

Welche Lichtfarben (Spektren) sollten Leuchten für den Einsatz an nächtlichen Arbeitsplätzen abstrahlen?

Frage:
In ep 03/20 wurde im Fachbeitrag „HCL – Das richtige Licht zur richtigen Zeit“ [1] über die biologische Lichtwirkung sehr ausführlich berichtet und erörtert, welche Auswirkung falsches Licht zur falschen Zeit haben kann. Mich interessiert, wie Sie folgenden Sachverhalt sehen. Zum einen ist die Gesundheit des Menschen ein allgegenwärtig zu schützendes Gut. Jedoch wenn nun diese Arbeitsplätze z. B. bei Wachaufgaben oder an Betriebsstätten mit Werkzeugmaschinen und sogenannter 24/7-vollkontinuierlichen Betriebsweise damit auch nachts beleuchtet werden müssen, ist der Einsatz einer Beleuchtung, welche dem natürlichen (Sonnen-)Licht nachempfunden ist und somit entsprechend o. g. Empfehlung in den Einsatz von warmen, beruhigenden Lichtfarben in der Nacht mündet, nicht zielführend. Im Gegenteil, durch die Erkenntnisse der biologischen Lichtwirkungen sind aus unserer Sicht gerade an solchen Arbeitsplätzen entsprechend aktivierende Beleuchtungssysteme mit hoher Beleuchtungsstärke und eher kälteren Lichtfarben einzusetzen, um Unfallgefahren zu vermeiden. Jedoch werden gerade bei diesen Arbeitsplätzen durch die für den Arbeits- und Gesundheitsschutz verantwortlichen Fachkräfte der genannten Einrichtungen die Beachtung und der Einsatz von HCL-Beleuchtungssysteme mit einer Nachführung der Beleuchtungsstärke und Lichtfarbe entsprechend dem natürlichen Tageslicht zunehmend gefordert. Einem Hinweis einer mit dieser Anforderung der Arbeitsaufgabe widersprechenden Beleuchtungsanlage wird dann oftmals aus „gesundheitlichen Gründen“ nicht gefolgt. Antwort:
In der Tat ist dieses Thema ein sehr wichtiges, da (je nach Quelle) zwischen 13 und 19 % aller Arbeitnehmer in Schichtarbeit arbeiten, rund 8 – 9 % auch regelmäßig in Nachtschicht. Es hilft nicht viel, lange darum herum zu reden: Nachtschicht ist mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden, wenn sie zu einer Störung des circadianen Rhythmus führt. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO hat daher solche Schichtarbeit schon 2007 als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Dies wurde durch eine Arbeitsgruppe der IARC (International Agency for Research on Cancer) im Juni 2019 nochmal deutlich verschärft und allgemein auf „Nachtschicht“ ausgeweitet, da Nachtschicht immer zu einer solchen Störung des circadianen Rhythmus führt [2]. Zu Beginn der 2000er-Jahre, als die neuen Erkenntnisse zur biologischen Wirkung von Licht auf Menschen bekannt wurden, hat man gehofft, damit eine starke Methode in der Hand zu haben, die Menschen an Nachtschichtarbeit anzupassen und die gesundheitlichen Nebenwirkungen in den Griff zu bekommen. Eine Aktivierung mit hellem, tageslichtähnlichem Licht ist möglich und die Müdigkeit während der Nachtschicht wird reduziert. Gleichzeitig wird aber der circadiane Rhythmus auch in Richtung Nachtaktivität verschoben. Das hört sich zwar zunächst erwünscht an, aber das Ziel einer Anpassung des circadianen Rhythmus an die Schichtarbeit wird überhaupt nicht erreicht – nicht einmal annähernd. Bei einer genauen Betrachtung erscheint dies auch kaum möglich. Mit optimalem Licht, genau zur richtigen Zeit geplant und eingesetzt, kann man eine Phasenverschiebung des circadianen Rhythmus von maximal 2,5 bis 3 Stunden je Tag erreichen. Bei einem typischen Wechsel von der Spät- in die Nachtschicht müsste der Rhythmus um acht Stunden verschoben werden. Das erfordert im günstigsten Fall drei Tage, bis das biologische System wieder angepasst ist. Dann erfolgt meistens schon wieder der nächste Wechsel in die Frühschicht. Der biologische Rhythmus rennt also der Schicht eigentlich immer hinterher. Auch das helle Licht in der Nachtschicht kann dieses grundlegende Problem nicht lösen – es verstärkt es eher. Zu der Zeit, wenn man wach und aktiv sein sollte, ist man müde und nicht leistungsfähig. Wenn man frei hat und schlafen sollte, kann man nicht schlafen, weil das biologische System in einem verschobenen Rhythmus läuft. Die Symptome sind ähnlich wie bei einem Jetlag, sodass dies auch als „sozialer Jetlag“ bezeichnet wird [3]. Die Folge ist ein chronischer Schlafmangel bei Schichtarbeitern. In vielen Studien wurde belegt, dass sozialer Jetlag, wie er mit Schichtarbeit verbunden ist, mit zahlreichen negativen Erscheinungen verknüpft ist. Prof. Dr. Jürgen Zulley, einer der bekanntesten Schlafforscher in Deutschland sagt – absichtlich provokant und überspitzt: „zu wenig Schlaf mach dick, dumm und krank“ [4]. Neben eigenen Forschungsarbeiten bezieht er sich dabei auch auf Studien von Prof. Till Roenneberg, welche eindeutige Korrelationen von sozialem Jetlag mit Übergewicht, Rauchen, Alkoholkonsum und den damit verbundenen Folgen belegt haben [5], [6]. Autor: D. Lang Literatur: [1] Lang, D.: HCL – Das richtige Licht zur richtigen Zeit – Human Centric lighting (HCl) – Von der Wissenschaft über die Normung zu Lichtkonzepten und zur praktischen Anwendung; Elektropraktiker, Berlin 74 (2020) 3, S. 182-190. [2] Erren, T. C.; Morfeld, P.; Groß, J. V.; et al: IARC 2019: „Night shift work“ is probably carcinogenic: What about disturbed chronobiology in all walks of life? J Occup Med Toxicol 14, 29 (2019). 
https://doi.org/10.1186/s12995-019-0249-6. [3] Wittmann, M.; et al: (2006). „Social Jetlag: Misalignment of Biological and Social Time.“ Chronobiology International 23((1-2)): 497-509. [4] https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/schlafforscher-juergen-zulley-zu-wenig-schlaf-macht-krank-dumm-und-dick-1920260.html. [5] Roenneberg, T.; et al: (2012). „Social Jetlag and Obesity.“ Current Biology 22(10): 939-943. [6] Kantermann, T.; et al: (2010). „Shift-work research: Where do we stand, where should we go?“ Sleep & Biological Rhythms 8(2): 95-105. Der vollständige Artikel ist in unserem Facharchiv nachzulesen.