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Betriebsführung

Wann Überziehungszinsen zulässig sind

ep8/2007, 2 Seiten

Der Kontokorrentkredit – in der Bankfachsprache Dispositionskredit – lässt sich auch beim Unternehmer kaum mehr wegdenken. Der „Dispo“ ist unter Umständen für ihn eine sinnvolle „Liquiditätsreserve“. Bei den Banken ist der Kredit mit den teuren Zinsen als gute Einnahmequelle ebenfalls sehr beliebt. Manchmal allerdings bedienen sich die Kreditinstitute allzu üppig, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 18.03.2003 (Az XI ZR 202/02) gerügt hat.


Wann Überziehungszinsen rechtens sind Der Dispositionskredit wird fast von jedem privaten Bankkunden genutzt. Auch die meisten Firmenkunden des Kreditinstituts haben ihn auf dem Geschäftskonto. Der Kontokorrentkredit, so der Dispositionskredit in der Bankfachsprache, kann für den Unternehmer als „Liquiditätsreserve“ sehr sinnvoll sein, wenn er diesen richtig einsetzt. Für die Banken ist der Dispo mit den attraktiven Zinsen ebenfalls eine gute Einnahmequelle. In manchen Fällen bedienen sich die Kreditinstitute jedoch zu üppig, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 18.03.2003 (Az XI ZR 202/02) gerügt hat. Der konkrete Streitfall Die Klägerin, ein Unternehmen aus der Elektrobranche, stritt mit einer Sparkasse über die Abrechnung mehrerer Kontokorrentkonten. Unter anderem ging es um die Finanzierung eines Bauvorhabens. Dafür richtete die Sparkasse für die Klägerin im Jahre 1992 ein Baukostenkonto ein, das ab September 1992 in Anspruch genommen wurde. Auf diesem Konto gewährte die Sparkasse dem Unternehmen per Vertrag einen bis 30.06.1994 befristeten, variabel verzinslichen, Kontokorrentkredit. Der Kreditvertrag sah vor, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten - der Sparkasse - Vertragsbestandteil seien. Die bundesweit einheitlichen AGB der Sparkassen haben in Nr. 18 diese Regelung: „Für Inanspruchnahmen des Kontos, die nicht durch ein Guthaben oder einen eingeräumten Kreditrahmen gedeckt sind (geduldete Überziehungen), sind die im Preisaushang aufgeführten Überziehungszinsen zu zahlen. Dies gilt auch für Geschäftskunden.“ Das Bauvorhaben wurde in der Folgezeit durchgeführt. Allerdings zog es sich länger hin. Für die Zeit ab dem 01.07.1994 bis zur Schließung des Kontos am 30.06.1996 berechnete die Sparkasse über den vereinbarten Zinssatz hinaus zusätzlich Überziehungszinsen in Höhe von 4 %. Gegen diese Forderung wendete sich das Unternehmen. Vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht (OLG) Jena verlief der Prozess erfolgreich für das Unternehmen. Überziehungs- oder doch Verzugszins? Hiergegen wendete sich die Sparkasse mit ihrer Revision vor dem Bundesgerichtshof. Die Bundesrichter mussten klären, ob die Klausel in den AGB die Sparkasse dazu berechtigte, Überziehungszinsen für die Zeit nach Ablauf des befristeten Kredites zu nehmen. Es war weiterhin zu prüfen, ob das Unternehmen in Verzug war und deswegen nur den Verzugszins, nicht aber der (höhere) Überziehungszins verlangt werden konnte. Die drei Leitsätze des BGH Auch der BGH entschied den Fall zugunsten des Unternehmens. Mit drei Leitsätzen wiesen die Karlsruher Richter die Banken in die Schranken: 1. Die Überziehungsklausel in den AGB begründet für die Sparkasse keinen Anspruch gegen den Darlehensnehmer auf Zahlung von Überziehungszinsen nach Ablauf des Kreditvertrages. 2. Trifft die Sparkasse mit dem Kreditnehmer ausdrücklich oder stillschweigend eine Vereinbarung, dass dieser trotz Ablauf des Kreditvertrages bis auf Weiteres zur vertraglichen kapitalen Nutzung im bisherigen Umfang berechtigt sein soll, kann die Sparkasse weiterhin die vertraglich vereinbarten Zinsen verlangen, grundsätzlich aber nicht Überziehungszinsen. 3. Ein Anspruch auf Zahlung von Überziehungszinsen besteht in diesem Fall nur, wenn und soweit die Inanspruchnahme des Kredits durch den eingeräumten Kreditrahmen nicht gedeckt ist. Der BGH stützte seine Entscheidung auf mehrere Argumente: Zum einen umfasst der klare Wortlaut der AGB-Klausel nur „geduldete Kontoüberziehungen“, das sind nach der eigenen Definition der Bank solche, „die nicht durch Guthaben oder einen eingeräumten Kreditrahmen gedeckt sind“. Gemeint sind also nur Überziehungen über den Betrag eines vereinbarten Kredites. Selbst wenn man aber die Klausel so lesen wollte, dass die Überziehungszinsen für den Fall vorgesehen sein sollen, dass die Befristung des Kredites überzogen wird, könnte die Sparkasse keine Überziehungszinsen geltend machen. Über eine solche Klausel war bereits in vorherigen BGH-Entscheidungen festgestellt worden, dass eine Bank sich nicht im „Kleingedruckten“ für die Zeit nach Ablauf des Kreditvertrages und nach Verzugseintritt Vertragszinsen genehmigen darf, die normalerweise deutlich höher liegen als der Verzugszins (BGH, Urteil vom 28.04.1988 - III ZR 120/87). Juristisch sauber Juristisch richtig ist diese Lösung: Zahlt der Kreditnehmer ein bis zu einem kalendermäßig festgelegten Termin gewährtes Darlehen bei Fälligkeit nicht zurück, so gerät er automatisch und ohne Mahnung in Verzug. Für die Zeit nach Verzugseintritt kann die Sparkasse dann nur noch Schadensersatz beanspruchen, nicht jedoch vertraglich vereinbarte Zinsen zuzüglich Überziehungszinsen (BGH, Urteil vom 07.11.1986 - III ZR 128/84). Eine Formularklausel, die der Bank hier pauschal mehr Zinsen als den wirklich entstandenen Verzugsschaden einräumt, ist rechtswidrig. Macht Duldung der Bank Schuldnerverzug hinfällig? Spitzfindig wollte die Sparkasse gegen dieses Argument anführen, dass es ja an einem Verzug des Kreditnehmers fehle, wenn die Sparkasse die Überschreitung des Fälligkeitstermins noch dulde. Dem hielten die Karlsruher Richter entgegen: Durch eine bloße Duldung der zeitlichen Überschreitung der Kreditbefristung wird die Fälligkeit der Rückzahlungsverpflichtung auch bei einem befristeten Kontokorrentkreditvertrag nicht berührt und der Verzug des Kreditnehmers nicht beendet. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Sparkasse mit dem Kreditnehmer eine Vereinbarung trifft, dass er trotz Ablauf des Kreditvertrages zur vertraglichen Kapitalnutzung im bisherigen Umfang bis auf Weiteres berechtigt sein soll. In diesem Fall ist der Darlehensrückzahlungsanspruch der Sparkasse nicht mehr fällig und der Kreditnehmer zur weiteren Nutzung des Darlehens berechtigt. Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 8 670 BETRIEBSFÜHRUNG Wann Überziehungszinsen zulässig sind Der Kontokorrentkredit - in der Bankfachsprache Dispositionskredit - lässt sich auch beim Unternehmer kaum mehr wegdenken. Der „Dispo“ ist unter Umständen für ihn eine sinnvolle „Liquiditätsreserve“. Bei den Banken ist der Kredit mit den teuren Zinsen als gute Einnahmequelle ebenfalls sehr beliebt. Manchmal allerdings bedienen sich die Kreditinstitute allzu üppig, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 18.03.2003 (Az XI ZR 202/02) gerügt hat. EP0807-658-671 23.07.2007 15:45 Uhr Seite 670 Hier hätte die Sparkasse weiterhin die vertraglich vereinbarten Zinsen berechnen können. Zusätzliche Überziehungszinsen kommen dann aber auch nicht in Betracht, da ja die zeitliche „Überziehung“ vertraglich vereinbart und nicht bloß „geduldet“ war. Im vorliegenden Fall aber hatte sich die Bank nicht auf diesen Standpunkt gestellt und konnte damit diesen Anspruch nicht mit Erfolg einklagen. Zwei Formen des Kontokorrentkredits Nach einer Grundsatzentscheidung des BGH lassen sich zwei Formen von Kontokorrentkrediten unterscheiden (Urteil vom 24.01.1985, AZ XI ZR 65/84). 1. Dispokredit als „vereinbarte Überziehung“ Dem Dispositionskredit als „vereinbarte Überziehung“ bis zu einer bestimmten Kreditlinie liegt dabei ein Krediteröffnungsvertrag zugrunde. Der Krediteröffnungsvertrag ist eine Art (verbindlicher) Rahmenvertrag, innerhalb dessen Grenzen später die jeweils eigenständigen, einzelnen Kreditgeschäfte abgewickelt werden. Die Bank gibt damit ein dauerhaftes und bindendes Angebot zu dem jeweiligen Kreditvertrag ab, das der Kunde jederzeit einseitig annehmen kann. Insofern besteht für ihn im Rahmen des Krediteröffnungsvertrages ein Anspruch auf den entsprechenden Kredit. 2. Überziehungskredit als „geduldete Überziehung“ Beim einfachen Überziehungskredit liegt im Vergleich zum Dispositionskredit keine Verpflichtung der Bank auf Kreditauszahlung nach Anforderung vor. Gibt sie hier eine „Kreditlinie“ vor, soll es sich lediglich um eine bankinterne Festlegung handeln. Wichtig: Der Kunde hat hier keinen Anspruch auf Kreditauszahlung und steht damit in großer Abhängigkeit der jeweiligen Entscheidung seiner Bank über jede Kontobewegung. Fazit Wer einen Kontokorrentkredit in Anspruch nimmt, sollte eine passende Kreditlinie vereinbaren. Wer dauerhaft darüber liegt, sollte mit der Bank verhandeln, damit diese Linie hochgesetzt wird oder anderweitig umschulden. Eine dauerhafte, nur „geduldete“ Überziehung ist teuer und für den Kunden gefährlich. K. Linke Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 8 671 IM ÜBERBLICK Wann die Finanzierung mit einem Kontokorrentkredit sinnvoll ist · Kontokorrentkredite schaffen für ein Unternehmen die nötige Flexibilität bei kurzfristigen Forderungsausfällen oder unvorhergesehenen Sonderausgaben. Die Möglichkeit, ein vereinbartes Kreditlimit auszuschöpfen, sollte sich deswegen jedes Unternehmen bei seiner Bank einräumen lassen. · Keinesfalls sollte man längere Zeit sein Konto „im Minus“ fahren. Ein Kontokorrentkredit muss „schwanken“, also nur kurzfristige Liquiditätsengpässe ausgleichen. Ansonsten stimmt etwas mit der Finanzlage des Unternehmens nicht. Gegebenenfalls muss umfinanziert werden, wofür allerdings Provisionen anfallen. · Langfristige Investitionsgüter sollten nicht mit einem Kontokorrentkredit finanziert werden, da die Zinsen viel höher liegen als bei einem langfristigen Kredit. · Die Finanzierung mit einem Kontokorrentkredit ist unsicher, da die Bank diesen Kredit jederzeit ohne Begründung und Frist kündigen kann. Wer also mit seinen Kontoständen dauerhaft im Minus schwankt, sollte über eine Umfinanzierung nachdenken. · Geht die Bank auf den Umfinanzierungswunsch nicht ein, ist das ein ernstes Zeichen, dass die Bankbeziehung Krisensymptome zeigt. In dieser Situation sollten die Gründe dafür geklärt oder an einen Wechsel der Bank gedacht werden. EP0807-658-671 23.07.2007 15:45 Uhr Seite 671

Autor
  • K. Linke
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