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Veranstaltung | Elektrotechnik

VDE-Kongress 2004 in Berlin - Innovationen für Menschen

ep1/2005, 3 Seiten

Ganz im Gegensatz zu den Meinungen der unlängst in Deutschland befragten Bürger (vgl. ep 12/2004, S. 937) nimmt die heimische Elektro- und Informationstechnik auf wichtigen Technikfeldern eine Spitzenposition ein. Den Beweis liefern der wiederum gewachsene Export und auch die 150 Fachbeiträge, die den etwa 1200 Experten der Branche auf dem VDE-Kongress in Berlin geboten wurden.


Deutsche Elektroindustrie im Innovationswettbewerb Schwerpunkte dieses Berichtes sind die Innovations-Initiative sowie einige Beiträge zur Energie- und zur Automatisierungstechnik. Daneben standen Medizintechnik, Mikro- und Nanotechnik, Leistungselektronik und nicht zuletzt Informationstechnik auf dem Programm des Kongresses. Ausgangspunkt für die Tagung in Berlin war das so genannte „VDE-Technologie-Barometer“ - eine Studie auf Basis von Expertenbefragungen und Erhebungen aus den 1250 Mitgliedsunternehmen des VDE. Über die Ergebnisse berichteten ausführlich Prof. Dr. Klaus Wucherer, damaliger VDE-Präsident und Mitglied des Zentralvorstandes der Siemens AG, Jörg Thieles, Direktor im IBM-Entwicklungslabor und Vorsitzender der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE (ITG) und Dr. Gerd Teepe, Direktor Dresden Design Center, AMD Advanced Micro Devices (Bild ). Der internationale Vergleich zeigt, dass Deutschland im Wettbewerb Spitzenpositionen in wichtigen Feldern erreicht hat. Danach ist die Elektro- und Informationstechnik der Innovationsmotor nahezu aller Zukunftstechnologien. Das gilt vom Automobil- und Maschinenbau über Medizin-, Verkehrs- und Energietechnik bis hin zu Bio-, Mikro- und Nanotechnik. 70 % der VDE-Mitgliedsunternehmen sind sogar überzeugt, dass Deutschland und die EU in der Elektrotechnik, Automatisierungs-, Produktions- und Medizintechnik über die höchste Innovationskraft weltweit verfügen und diese Position bis zum Ende des Jahrzehnts halten werden. Ebenso viele definieren die Informationstechnik als wichtigste Triebfeder innerhalb der kommenden beiden Jahre. In den Bereichen Mikroelektronik sowie Mikro- und Nanotechnik wie auch in Telekommunikation und Multimedia erwarten 80 % der VDE-Experten innerhalb des laufenden Jahrzehnts ein durchschnittliches jährliches Wachstum von über 5 %. Insgesamt hängen mehr als 50 % der deutschen Industrieproduktion und über 80 % der Exporte von Elektro- und Informationstechnik ab. Mit einem jährlichen Forschungs-und Entwicklungsaufwand von 8 Mrd. Euro und etwa 76000 Beschäftigten in diesem Bereich gehört die deutsche Elektro- und Elektronikindustrie laut VDE weltweit zu den forschungsintensivsten und innovationsstärksten Branchen. Die Überzeugung der weltweit überlegenen elektrotechnischen Innovationskraft des vereinten Europas ist nach der VDE-Studie auch in der Prognose ungebrochen. Allerdings sprechen die VDE-Experten auch deutliche Warnungen aus: 80 % der Unternehmen sehen in den gesetzlichen Rahmenbedingungen und in der Bürokratie die größten Innovationsbarrieren. 21 bzw. 14 % befürchten aber auch konjunkturelle Einflüsse bzw. das gesellschaftliche Klima als Bremsklotz. An der positiven Entwicklung sind an verschiedenen Standorten auch ausländische Unternehmen mit ihren Töchtern beteiligt. Dazu gehören die US-Konzerne IBM und AMD, die in Dresden Forschungszentren und Chipfabriken errichteten. Zusammen mit der deutschen Infineon und zahlreichen neuen mittelständischen Unternehmen wurde damit auf dem Gebiet der Mikroelektronik Deutschland die Nr. 1 in Europa und Dresden der größte deutsche Standort. „Deutschland ist in der Mikroelektronik wieder neu präsent“, sagte Dr. Gerd Teepe, AMD. „Wir gehen auch für die kommenden zehn Jahre von einer Verdopplung der integrierten Bauteile alle 18 Monate aus.“ Nächster Schritt wird voraussichtlich in Dresden die Errichtung eines „Forschungszentrums für nanoelektronische Technologien zusammen mit AMD sein“. Inzwischen baut AMD eine zweite Fabrik für 1000 Mitarbeiter. Auch der Chiphersteller ZMD baut in den nächsten Jahren seine Produktion aus. Sorge um den Nachwuchs Während die Elektro- und Informationsbranche für das vergangene Jahr ein Wachstum von 5 bis 8 % erwartet, fehlen ihr zunehmend Experten. Mehr als 85 % der VDE-Mitgliedsfirmen sehen im Nachwuchsmangel einen Standortnachteil für große und vor allem auch für mittelständische Unternehmen. 31 % der Unternehmen klagen konkret über einen Mangel an Elektro-Ingenieuren und IT-Experten - die Anstellung von etwa 10000 ausländischen Informatikern in den vergangenen Jahren reicht offensichtlich nicht aus. Ursache für diese Entwicklung, die u. a. auch Elektrofachkräfte für die Energiewirtschaft, im Maschinenbau und andere Fachrichtungen betrifft, ist die geringe Zahl an Studenten. Um diesen Zustand zu verbessern, haben VDI und VDE seit Jahren viele Aktivitäten - beispielsweise zur Industriemesse in Hannover - gestartet. Unterstützend dazu bot der VDE gleich am ersten Tag in Berlin einen „e-student-day“ plus Schülerforum an, den weitgehend Hochschüler und Absolventen gestalteten. Auf der Tagesordnung standen neben fachspezifischen Vorträgen Tipps für Berufseinstieg und Arbeitsmöglichkeiten. Eine Firmenbörse bot Studierenden erste Kontakte zu Unternehmen an. Daneben wurden auch die Aktivitäten des Jahres 2004 zur Gewinnung von jungen Schülern für das Ingenieurstudium fortgesetzt. Dazu waren Jugendliche geladen, die sich aktiv an der Organisation des Kongresses und an dem Schülerwettbewerb des vergangenen Jahres beteiligten. Als Teilnehmer der Plenartagung zur Eröffnung der Konferenz saßen sie zusammen mit den Festrednern in der ersten Reihe. In dieser Umgebung wurden auch drei Schülerteams aus Gymnasien für ihre Mikrochip-Entwürfe ausgezeichnet. Den 1. Platz erreichte ein Team vom Faustgymnasium in Staufen. Ihr patentverdächtiger Chip wird künftig den gefürchteten Sekundenschlaf eines Kfz-Fahrers auf drei redundanten Wegen überwachen und damit einen Beitrag zur Reduzierung der Unfallgefahren leisten. Die Gewinner sind Teilnehmer eines jährlich stattfindenden und vom VDE initiierten Wettbewerbs, an dem im vergangenen Jahr 122 Gruppen mit etwa 1000 Schülern teilgenommen haben. Die von den drei Schülerteams entwickelten Chips stehen kurz vor ihrer Kommerzialisierung. Innovationen sichern Arbeitsplätze Der Titel des Kongresses „Innovation für Menschen“ und die Sicherung von Arbeitsplätzen spielten bei der Auftaktveranstaltung, in zahlreichen Diskussionen und in der Eröffnungsrede des Bundeskanzlers eine zentrale Rolle. Gerhard Schröder, der als erster Kanzler einen VDE-Kongress besuchte, hatte schon vor mehreren Monaten eine Innovationsoffensive von der Industrie gefordert und wurde deshalb vom Plenum mit viel Beifall bedacht. Auch der VDE-Vorsitzende begrüßte die Initiative und bot unter Beifall die Mitwirkung der 33000 VDE-Mitglieder an. Dabei verwies er auch auf die Unterstützung durch den Bundeskanzler bei verschiedenen Industrieprojekten in der Welt. Allerdings gab Wucherer in seiner Ansprache auch kritische Hinweise über Fehlentwicklungen, die nicht nur Innovationen behindern. So meldete er Zweifel an, dass der Pisa-Schock heilsam genug war. Der VDE-Präsident forderte bessere Start-Chancen für den Nachwuchs, Investitionen im Hochschulbereich und die Sicherung der besten Köpfe im internationalen Wettbewerb. Er sprach sich gegen eine Ingenieurausbildung mit Abschlüssen nach internationalem Vorbild aus und für die Beibehaltung der Diplom-Studiengänge. Gleichzeitig forderte er weniger Verbote und mehr gestalte-Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 1 BRANCHE AKTUELL VDE-Kongress in Berlin: Innovationen für Menschen Ganz im Gegensatz zu den Meinungen der unlängst in Deutschland befragten Bürger (vgl. ep 12/2004, S. 937) nimmt die heimische Elektro- und Informationstechnik auf wichtigen Technikfeldern eine Spitzenposition ein. Den Beweis liefern der wiederum gewachsene Export und auch die 150 Fachbeiträge, die den etwa 1200 Experten der Branche auf dem VDE-Kongress in Berlin geboten wurden. J. Thieles (IBM), Dr. G. Teepe (AMD), VDE-Präsident Prof. Dr. K. Wucherer (Siemens) und VDE-Pressesprecher Dr. W. Börmann (von links): „Die Elektro- und Informationstechnik ist der Innovationsmotor nahezu aller Zukunftstechnologien“ rische Freiheiten im Hochschulbereich. Schließlich mahnte er einen neuen Gesellschaftsvertrag für die Technik-, Bildungs- und Nachwuchsförderung an. „Deutschland und Europa müssen in den Zukunftstechnologien die Nr. 1 sein. Nur wenn wir in Forschung und Entwicklung Weltspitze sind, wird es uns gelingen, auch die Produktion hier zu halten und damit die Arbeitsplätze zu behalten“, so Wucherer. Energieversorgung heute und morgen Auch die Fachleute der inzwischen 30 Jahre alten Elektrotechnischen Gesellschaft (ETG) im VDE boten ein reichhaltiges Zukunftsprogramm. Auf drei Fachtagungen informierten und diskutierten Energieversorger mit Vertretern aus Wissenschaft und Industrie über eine im Wandel begriffene Stromwirtschaft, über moderne elektrische Antriebe und über neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Leistungselektronik. Erster Schwerpunkt der ETG-Tagung war neben den Entwicklungstendenzen im Bereich von Übertragungs- und Verteilnetzen die Stromerzeugung. Dazu gehörte vor allem die Weiterentwicklung der konventionellen fossilen Kraftwerke, die bei der bevorstehenden Erneuerung des teilweise veralteten deutschen Kraftwerkparks wiederum die dominierende Technologie sein wird. Schwerpunkt der Entwicklungen, die gleichfalls den Export sichern sollen, sind die Verbesserung der elektrischen Wirkungsgrade und der Brennstoffausnutzung (vgl. ep 9/04, S. 682). Auch die Windenergie war ein zentrales Thema. Bereits zu Beginn der ETG-Tagung wies N. König, Mitglied des Bereichsvorstandes der Siemens Power Generation, in seinem Beitrag zu den „Entwicklungstendenzen in der Stromerzeugung“ auf die zunehmende Bedeutung Erneuerbarer Energien (EE) und den Energiemix hin. Gleichzeitig verwies er auf die „bestechenden Vorteile“ von Wind und Sonne: „Im Vergleich zu herkömmlichen fossilen Energien sind sie praktisch unerschöpflich“ - ein wichtiges Argument bei steigenden Preisen der Energieträger und Gefahren durch Terroristen. EE sind für König „heimische“ Energieträger, die keinen Bezugsrisiken unterliegen und so zur Versorgungssicherheit beitragen. Nicht nur er wies aber auch darauf hin, dass die Kosten der Windstromerzeugung noch sehr hoch sind und unter Einbeziehung der EEG-Förderungen erst langfristig sinken. Die Kosten erhöhen sich durch die Notwendigkeit, die unsichere zeitliche Verfügbarkeit der Windenergie durch andere Stromquellen zu stützen. Windenergie auf dem Prüfstand Die in Deutschland installierte Windenergie hat inzwischen die Grenze von 16 GW „onshore“ (auf dem Festland installiert) überschritten und könnte nach den bisherigen Einschätzungen bis 2030 etwa 22 GW erreichen. Zum gleichen Zeitpunkt dürften weitere 26 GW „offshore“ (installiert innerhalb der deutschen 12-Seemeilen-Zone in Ost- und Nordsee) die deutsche Stromerzeugung stärken - zusammen ein weltweit bisher einmaliges Vorhaben. Dieses Konzept war Ausgangspunkt einer Untersuchung durch T. Hasse und H. Weber (Uni Rostock) sowie T. Hamacher (Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching), deren Ergebnisse zum VDE-Kongress vorgestellt wurden. Ziel der Arbeit ist die Ermittlung des Einflusses von Windenergie auf die Struktur des Kraftwerkparks und des Übertragungsnetzes. Zur Bestimmung des Einflusses wurden zwei Szenarien mit und ohne Windenergie geschaffen, die den gleichen Strombedarf decken und die dazu über einen problemorientiert zugeschnittenen fossilen Kraftwerkpark verfügen. Insgesamt kamen die Referenten zu dem Ergebnis, dass mit den geplanten Windkraftanlagen (WKA) die Leistung des zugehörigen Parks lediglich um 3 % sinkt. Da bis 2030 die heute noch betriebenen Kernkraftwerke laut Vereinbarung zwischen Regierung und Energiewirtschaft stillgelegt werden, rechnen die beteiligten Experten für 2030 mit etwa gleichbleibenden CO2-Emissionen. Gleichzeitig steigen mit dem Einsatz von WKA die Kosten. Dazu gehören auch die des Übertragungsnetzes, das die Windenergie von der Küste in verbraucherstarke Regionen Deutschlands transportieren muss. Insgesamt reduziert sich nach Einschätzung der Experten der Nutzen der Windkraft auf eine etwa 15-prozentige Einsparung an verstromter Braun- und Steinkohle. Ursache dieser wenig befriedigenden Ergebnisse ist die Regelenergie. Bereits Ende 2003 hat der VDE darauf hingewiesen, dass die Windenergie zur Sicherung der Regelenergie eine fast gleichgroße Reservekapazität an konventionellen Kraftwerken benötigt. Als Beleg dafür gilt die Hitzewelle des Jahres 2003, über deren Auswirkung u. a. Dr. J.-H. Stamer (EnBW) Mitte 2004 berichtete (Bild ). Damals haben sämtliche in Deutschland installierte WKA zeitweise nur noch etwa 500 MW geliefert, d. h. weniger als 5 % der installierten Leistung. Demgegenüber berief sich der Bundesverband für Windenergie (BWE) im März vergangenen Jahres auf ein Gutachten des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI) und anderer, demzufolge im Jahr 2010 die zusätzliche Regelleistung mit 6,5 % angesetzt wird - also nur 65 kW pro MW Nennleistung des Windparks. Regelenergie nicht nur von Spitzenlastkraftwerken Regelenergie wird bekanntlich schon vor dem Einsatz von EE zur Stabilisierung des Stromnetzes verwendet. Sie stammt vor allem aus Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 1 14 000 10 000 8 000 6 000 4 000 2 000 Leistung 11 976 MW 595 MW installierte Windkraftleistung Windeinspeisung 28. 04. 29. 04. 30. 04. 01. 05. 02. 05. 03. 05. 04. 05. Schwankungen der Windenergieeinspeisung vom 28.4. bis 4.5.2003 in Deutschland. Ähnliche Verhältnisse erwartet der Referent „bei Winterhöchstlast, die normalerweise bei Hochdruckwetter und sehr tiefen Temperaturen eintritt“. Quelle: EnBW/Stamer mit Erdgas befeuerten Spitzenlast-und aus Pumpspeicherkraftwerken. Beide Stromquellen sind dem Vernehmen nach auch bei der Modellierung berücksichtigt worden. Dennoch ergab die Diskussion in Berlin, dass vermutlich nicht alle Möglichkeiten zur Abdeckung des Bedarfs an Regelenergie berücksichtigt wurden. Es bleibt zu hoffen, dass alle geeigneten Stromquellen in die bisher noch nicht endgültig fertiggestellte Studie „Netzintegration der Windenergie“ der Deutschen Energie-Agentur einbezogen werden. Im Vorgriff auf diese Studie wurden die Möglichkeiten intensiv diskutiert. Dazu gehörten auch Energiespeicher. Sind wie angegeben die Kapazitäten zum Bau weiterer Pumpspeicherwerke ausgeschöpft, könnten Stromimporte aus skandinavischer oder russischer Wasserkraft helfen. Alternativ stehen neuentwickelte Schwungmassenspeicher (ab 2006: 2 MW für 20 s) und Batteriespeicher (mehrfach getestet im Dauerbetrieb bis 1,2 MW) zur Verfügung. Darüber hinaus haben erste Testobjekte bewiesen, dass im Schwachlastbereich gespeicherte und verdichtete Windenergie zeitversetzt Spitzenstrom erzeugt. Wie Tests mit gebäudeintegrierten Brennstoffzellen (BZ) und Blockheizkraftwerken (BHKW) zeigen, eignen sich virtuelle Kraftwerke durchaus auch als Lieferant von Regelenergie (vgl. ep 4/04, S. 257-258, ep 5/04, S. 408). Zum Teil sind sogar PV und eine WKA Teil des virtuellen Kraftwerks. Damit könnte im Kraftwerksverbund die Regelenergie ggf. sogar vor Ort einen Beitrag zur Vergleichmäßigung des Stromangebots von PV und WKA leisten. Schließlich lieferte auch der Windenergieverband in der Diskussion einen Beitrag zur Deckung des Bedarfs an Regelenergie. Der Vertreter erinnerte an ausgewählte Stromverbraucher wie Kühlhäuser und Nachtspeicherheizungen, deren Energiezufuhr problemlos mit Hilfe eines Lastmanagements kurzzeitig unterbrochen werden kann. Die dabei frei werdende Energie kann dann anderweitig genutzt werden. Inwieweit diese oder andere Vorschläge realisierbar sind und welche Kosten dabei entstehen, blieb allerdings offen. WKA auf dem Weg zur Leistungssteuerung Unabhängig von diesem zentralen Problem standen aber auch Fortschritte bei WKA und der Betriebsführung durch die Elektrizitätsversorgung auf dem Vortragsprogramm. So sind WKA der letzten Jahre durch die Integration hochentwickelter Stromrichter- und Regelungstechnik in der Lage, ähnlich wie die bewährten konventionellen Wärmekraftwerke im Bedarfsfall Blind- und/oder Wirkleistung zur Verfügung zu stellen. Ebenfalls positiv wird die höhere Reaktionsgeschwindigkeit bewertet. Diese und andere Eigenschaften machen aus einem Windpark ein virtuelles Kraftwerk, das immer mehr mit konventionellen Kraftwerken konkurrieren kann. Die WKA könnten deshalb an spezifischen Standorten durch Verringerung der Leistung die optimale Nutzung der Betriebsmittel und eine gleichbleibende Versorgungssicherheit gewährleisten. Das veranlasste ein Team aus Windpark- und Netzbetreibern sowie WKA-Herstellern zur versuchsweisen Einbindung eines Windparks in die Netzsystemführung und in das Erzeugnismanagement. Inzwischen wurden die Tests mit einem repräsentativen Windpark nahezu abgeschlossen. Aus verschiedenen Gründen erscheint allerdings die praktische Umsetzung erst mittelfristig möglich. Problembehaftet sind u. a., dass gegenwärtig erst 10 % der WKA am Übertragungsnetz angeschlossen sind, Informationssysteme fehlen und die WKA weiterentwickelt werden müssen. Nicht weniger wichtig ist die Abstimmung mit Windparkbetreibern etc., deren Ertrag durch Leistungsreduzierungen herabgesetzt wird. Auch der Bedarf an Regelenergie verändert sich. Verbrauchsnahe Strom- und Wärmeerzeugung Während der Einsatz der Windparks teilweise kontrovers diskutiert wurde, fand die verbrauchernahe und darum verlustarme Energieerzeugung weitgehend Zustimmung. Ausgangspunkt dieses Teils der Fachtagung war das in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich anhaltende Wachstum an Energieerzeugern wie BZ, BHKW, Biomasse-Kraftwerke sowie Biogas- und PV-Anlagen. Der Zuwachs entspricht einschlägigen Szenarien und EU-Vorgaben und wird gemäß der 2004 fortgeschriebenen Novelle zum EEG weiterhin finanziell gefördert (vgl. ep 11/04, S. 910-911). Allerdings erfordert dieser Leistungszuwachs - wie Dr. Ch. Schwaegerl (Siemens) in einem Grundsatzreferat ausführlich erläuterte - neben Veränderungen in den Verteilernetzen (NS und MS) ein Managementsystem. Ziel ist eine leistungsstarke, zuverlässige, energieeffiziente und kostenoptimierte Versorgung mit Strom und Wärme für die örtlichen Verbraucher. Netzintegration und Managementsystem sollen Strom- und Wärmeerzeugung planbar machen, die geplanten Strombezüge aus überlagerten Netzen sichern und damit letztlich neben einer technischen und wirtschaftlichen Optimierung des Einsatzes der Stromerzeuger helfen, dass die zentral vorgehaltene Reserveleistung minimal gehalten wird. Netzintegration bedeutet neue Netzplanung Voraussetzung für die Realisierung des Konzepts ist die Erweiterung der bisherigen Energieflussrichtung vom Mittel- zum Niederspannungsnetz in umgekehrter Richtung. Mit diesem Übergang auf zwei entgegengesetzt verlaufende Flussrichtungen muss gleichzeitig die ganze Netzstruktur neu geplant und umgebaut werden. So verändern sich möglicherweise Betriebsmittel und Kurzschlussfestigkeit. Notwendig wird ein bidirektionales Informations-, Kommunikations- und Fernsteuersystem (vgl. ep 12/02, S. 996-1001). Auch die Auswahl neuer Standorte für die Erzeugungsanlagen zwecks Verbesserung der Spannungsqualität oder die Erhöhung der Kurzschlussleistung ist nicht auszuschließen. Mehrere Referenten informierten über die Erhöhung der Kurzschlussleistung durch geeignete Strombegrenzer. Dazu gehörte auch Ch. Meier (RWTH Aachen), der vergleichende Betrachtungen zu unterschiedlichen leistungselektronischen Strombegrenzern für das 10-kV-Netz vorstellte. Der wirtschaftlich begründete Vergleich belegt, dass sich die Varianten erheblich in Investitionskosten und noch mehr in den Betriebskosten unterscheiden. Dabei stellte sich heraus, dass der „aktive Thyristorschalter“ - eine Technologie der 70er Jahre - der wirtschaftlichste ist. Er beruht auf einem nicht löschbaren Thyristor, der durch eine äußere Löschschaltung den Kurzschlussstrom unterbricht. Das können im begrenzten Umfang auch die heute verfügbaren löschbaren Ventile wie GTO und IGBT. Ihr löschbarer Strom reicht aber wegen der Überhitzungsgefahr nicht aus, um einen Kurzschlussstrom zu unterbrechen. Inzwischen arbeiten Forscher der SiCED in Erlangen an einer Hochtemperatur-Leistungselektronik mit Siliziumkarbid (SiC) als Basismaterial. Allerdings sind diese ohne äußere Löschschaltungen arbeitenden Bauelemente noch weit von der Marktreife entfernt. Dazu P. Friedrichs, SiCED: Das Basismaterial „bietet ausgezeichnete Voraussetzungen, um die Anforderungen an höhere Leistungsdichten und erweiterte Bereiche der Betriebstemperatur zu erfüllen. Bipolare SiC-Bauelemente werden erst langfristig als Alternative zur modernen Silizium-Technologie (von heute) in Frage kommen.“ Dezentrales Energiemanagement Voraussetzung für den weiteren Ausbau der verbrauchernahen Energieerzeugung ist ferner ein „Dezentrales Energiemanagement-System“ (DEMS). Seine Aufgabe ist die Optimierung der Zusammenarbeit von Erzeugern, Energiespeichern für Wärme und Strom und Verbrauchern. Sie beginnt bei der Energieprognose und führt über die Berechnung der Einsatzfahrpläne bis zur Überwachung der Leistungsübergabe über geeignete Betriebsmittel. Um die damit verbundenen Probleme abschließend zu klären und regionale Energiemanager in Zukunft mit einer serienreifen Technologie auszurüsten, gibt es schon seit etwa Anfang des Jahrzehnts diverse Test-Projekte. Dazu gehört auch das NRW-Projekt Kon Werl 2010, das Dr. Ch. Schwaegerl vorstellte. Realisiert wurde eine durchgängig innovative Lösung, beginnend bei Mess- und Prozesstechnik über Kommunikation und Information bis zu einer technisch/wirtschaftlichen Energieoptimierung. EE (WKA, PV, Biomassekraftwerk mit einer Nennleistung von knapp 2,3 MW) versorgen verschiedenartige elektrische Verbraucherstrukturen - einen großen Gebäudekomplex, ein Hotel, einen Industriebetrieb und Haushalte mit einer Anschlussleistung von 2,5 MW. Im Betrieb liefern die Stromerzeuger neben Laststrom bevorzugt auch Regelleistung für WKA und PV. Das bedeutet, dass die Lastversorgung an zweiter Stelle rangiert und ständig Leistungsreserven vorgehalten werden müssen. Damit kann der vor Ort gewonnene Stromerzeugungsmix „in vergleichbarer Weise zur allgemeinen Energieversorgung beitragen wie konventionelle Kraftwerke“. Zusammenfassend stellte die Referentin fest, dass die technische Machbarkeit bereits heute gegeben ist. Zur Umsetzung des vorgestellten Versorgungskonzepts im liberalisierten Strommarkt bedarf es jedoch noch gesetzlicher Rahmenbedingungen und wohl auch der notwendigen Finanzmittel. H. Kabisch Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 1 BRANCHE AKTUELL

Autor
  • H. Kabisch
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