Blitz- und Überspannungsschutz
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Fachplanung
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Elektrotechnik
Überspannungsschutz für Call-Center
ep4/2001, 4 Seiten
1 Bauliche Voraussetzungen Der Vorteil von Call-Centern besteht darin, dass sie nicht am gleichen Ort wie ihre Kunden (z. B. Direktbanken, Automobilhersteller, Versandhäuser, Reiseveranstalter, Fluggesellschaften, Telefongesellschaften) angesiedelt sein müssen. Das eröffnet zum einen die Möglichkeit, aus Ballungszentren auszuweichen. Zum anderen erlaubt dies, in den entsprechenden Standorten auf bereits vorhandene, günstige Bürofläche zurückzugreifen. Nicht immer erfüllen diese Standorte von vornherein die Bedingungen der Informationstechnik(IT)-Sicherheit, die für Call-Center Voraussetzung sind. Brandschutz, Schutz gegen Löschwasser, Brandgase und Staub, Schutz vor Einbruch, Vandalismus und Fremdzugriff sowie nicht zuletzt Schutz vor elektromagnetischen Störfeldern und HF-Störern müssen für den Betrieb von Call-Centern sichergestellt sein. Zusätzlich dazu sind natürlich die Versorgungssysteme des Call-Centers (Energieversorgung, Telekommunikation) mit entsprechender Sicherheit und Redundanz zu versehen. Bestehende Gebäude, in denen der Betreiber eines Call-Centers einzelne Stockwerke mietet, sind aufgrund baurechtlicher Richtlinien im Allgemeinen bereits mit einer Blitzschutzanlage versehen. Diese nach VDE 0185 Teil 1 [1] ausgeführte Blitzschutzanlage mit ihren Bestandteilen „Äußerer Blitzschutz“ und „Innerer Blitzschutz“ ist jedoch ausschließlich eine Personen- und Brandschutzmaßnahme. Sie stellt den Schutz des Gebäudes vor Brand und mechanischer Zerstörung sicher, schützt die Elektroinstallation im Gebäude vor Überschlägen und bewahrt Personen innerhalb des Gebäudes vor Verletzungen durch den Blitzstrom. Durch die vorhandene Blitzschutzanlage am Gebäude ist ein wichtiger Beitrag zum vorbeugenden Brandschutz geleistet. Ein Schutz der Telekommunikationseinrichtungen, dem Herzstück des Call-Centers, vor den Auswirkungen der elektromagnetischen Felder einer Blitzentladung und transienter Überspannungen ist jedoch nicht gegeben. Dazu sind weitere, auf den Gebäude-Blitzschutzmaßnahmen aufbauende Schutzmaßnahmen im Inneren des Gebäudes notwendig. Diese betreffen sowohl die Starkstromanlage als auch die Telekommunikations- und Datensysteme. 2 Schutzkonzept Der Schutz der energie- und informationstechnischen Installationen und Anlagen gegen elektromagnetische Blitzeinwirkungen ist Gegenstand von VDE 0185 Teil 103 [2]. Das Schutzprinzip besteht in der Reduzierung feld- und leitungsgeführter Störungen, welche durch Blitzentladungen oder Schalthandlungen hervorgerufen werden. Diese transienten Störgrößen müssen so verringert werden, dass die elektromagnetische Verträglichkeit der informationstechnischen Anlagen und Systeme sichergestellt ist. Das kann durch die folgenden Maßnahmen [3] erreicht werden: · Elektromagnetische Schirmung von Gebäuden, Räumen und Geräten zur Reduzierung der elektromagnetischen Felder. · Errichtung eines komplexen Potentialausgleich-Netzwerks im Gebäude zur Vermeidung von Potentialdifferenzen zwischen den Geräten. · Einsatz koordinierter Überspannungs-Schutzeinrichtungen für Starkstromanlagen und Informationstechnik zur Reduzierung der leitungsgeführten Störungen. · Einsatz von Leitungsschirmen und kontrollierte Leitungsführung. Der erste Schritt für den Aufbau eines Schutzkonzepts ist die Einteilung des Gebäudes in Blitz-Schutzzonen. Der äußere Gebäudeblitzschutz bildet dafür die Grundlage. 2.1 Äußerer Gebäudeblitzschutz In der Blitz-Schutzzone 0 (BSZ 0) außerhalb des zu schützenden Gebäudes ist die elektromagnetische Blitz-Störquelle uneingeschränkt wirksam. Blitz-Schutzzone 0A (BSZ 0A) kennzeichnet diejenigen Bereiche, in denen direkte Blitzeinschläge möglich sind und das ungedämpfte elektromagnetische Blitzfeld herrscht. Mit Hilfe des Blitzkugel-Verfahrens [4] wird die Blitz-Schutzzone 0B (BSZ 0B) ermittelt. In der BSZ 0B sind direkte Blitzeinschläge ausgeschlossen, aber es wirkt das ungedämpfte elektromagnetische Blitzfeld. Durch die Fangeinrichtungen am Gebäude wird erreicht, dass sich die Dachaufbauten in BSZ 0B befinden. 2.2 Innerer Gebäudeblitzschutz Ausgehend von schutztechnischen und wirtschaftlichen Erwägungen werden daran anschließend die inneren Blitz-Schutzzonen für die informationstechnischen Anlagen und Systeme festgelegt. Die Grenzen der Blitz-Schutzzonen bilden dabei Gebäude-, Raum- und Geräteschirme. Insbesondere bei bereits existierenden Gebäuden sind Gebäudeschirme kaum realisiert. Sollen dann nachträglich komplexe informationstechnische Anlagen installiert werden, Überspannungsschutz Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 4 294 Dipl.-Ing. Veiko Raab und Manfred Kienlein, staatl. geprüfter Elektrotechniker, sind Mitarbeiter der Firma Dehn + Söhne, Neumarkt/Opf. Autoren Überspannungsschutz für Call-Center V. Raab, M. Kienlein, Neumarkt/Opf. Jedes fünfte Unternehmen in Deutschland plant heute bereits ein Call-Center. Realisiert werden diese meist durch externe Dienstleistungsunternehmen. Die Anforderungen an die Verfügbarkeit sind hoch. Ziel ist es, dass der Service 24 Stunden am Tag und 7 Tage in der Woche zur Verfügung steht. Als Ausfallzeiten werden max. 7 min im Monat toleriert. Der Betreiber ist deshalb darauf angewiesen, dass ihm eine Energieversorgungs- und Telekommunikationsinfrastruktur zur Verfügung steht, die den hohen Ansprüchen gerecht wird. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Schutz vor transienten Überspannungen. Schutz vor elektromagnetischen Störfeldern durch IT-Sicherheitsraum (Quelle: Lampertz Gmb H & Co. KG) muss auf die Ausbildung von Raumschirmen besonders geachtet werden. Diese sind mit hohen Dämpfungswerten auszulegen. Aus Gründen der bereits eingangs erwähnten IT-Sicherheitsanforderungen werden für Rechenzentren, Server, unterbrechungsfreie Stromversorgungen oder Back-up-Systeme IT-Sicherheitsräume errichtet. Diese Räume (Bild ) sind vom Baukörper unabhängige „Haus-im-Haus“ Konzepte. Sie bieten neben dem Schutz vor Feuer, Einbruch, Fremdzugriff und Löschwasser auch den Schutz vor magnetischen Störfeldern. Diese Sicherheitsräume sind sehr gut in das Blitz-Schutzzonenkonzept einzubeziehen. Ebenso lassen sich IT-Funktionssafes, d. h. speziell gesicherte Schränke für 19-Zoll-Netzwerk-Racks, in das Blitz-Schutzzonenkonzept integrieren. Zusätzlich dazu gibt die Norm EN 50174 [5] Hinweise, wie bei der EMV-gerechten Installation der Kommunikationsverkabelung zu verfahren ist. 3 Lösungsbeispiel 3.1 Konzept Die Kommunikationsverkabelung von Call-Centern wird heute als strukturiertes Verkabelungssystem nach EN 50 173 [6] ausgeführt. Pro Arbeitsplatz werden jeweils zwei informationstechnische Anschlussdosen vorgesehen. Dabei ist eine der beiden Dosen für den Telefonanschluss des Arbeitsplatzes vorgesehen, die andere stellt die Verbindung zum Datennetzwerk her. Bild zeigt den prinzipiellen Aufbau der informationstechnischen Systeme eines Call-Centers und deren Zuordnung zu den Blitz-Schutzzonen. Aufgrund der notwendigen sehr hohen Verfügbarkeit der Systeme wurde sowohl für alle aktiven Komponenten des Telekommunikationssystems als auch des Datennetzwerkes die Blitz-Schutzzone (BSZ) 2 festgelegt. Dies sind: · TK-Anlage · Etagenverteiler mit HUB · Arbeitsplatz. Damit sind alle in die BSZ 2 hineinführenden und abgehenden Leitungen mit entsprechenden Überspannungs-Schutzeinrichtungen zu versehen. Ebenso ist die Beschaltung der Leitungen beim Blitz-Schutzzonen-Übergang von BSZ 0 auf BSZ 1 erforderlich. 3.2 Überspannungsschutz in informationstechnischen Systemen Der Übergabepunkt des öffentlichen Telekommunikations-Diensteanbieters zum Betreiber des Call-Centers ist aus schutztechnischer Sicht der Übergang von BSZ 0 zu BSZ 1 (Bild ). An dieser Stelle erfolgt der Einsatz blitzteilstromtragfähiger Überspannungs-Schutzeinrichtungen. Häufig werden hierzu Gasentladungsableiter verwendet. Vom Übergabepunkt aus werden entweder die TK-Anlage (Telefon, Fax) oder der Router (Datennetzwerk) angefahren. Entsprechend der Definition im Schutzkonzept ist die TK-Anlage als BSZ 2 definiert. Dort ankommende Leitungen müssen über ein Überspannungs-Schutzgerät geführt werden, das ein sehr niedrig begrenzendes Verhalten besitzt. Die von der TK-Anlage abgehenden Nebenstellenleitungen (Blitz-Schutzzonen-Übergang 2 auf 1) werden ebenfalls über Überspannungs-Schutzgeräte geführt. Im Etagenverteiler (BSZ 2) werden die Nebenstellenleitungen dann auf die einzelnen Arbeitsplätze rangiert. Dies geschieht ausschließlich mittels passiver Komponenten. Ein Einsatz von Überspannungs-Schutzgeräten für Nebenstellenleitungen beim Eintritt und beim Verlassen des Etagenverteilers ist deshalb sowohl technisch als auch ökonomisch nicht zu rechtfertigen. Im schutztechnischen Sinne befindet sich dann an dieser Stelle des Etagenverteilers die BSZ 1. Das ist eine durchaus praxisorientierte Vorgehensweise, wenn diese „eingestülpte BSZ 1“ [3] mit geeigneten Schirmungsmaßnahmen von der BSZ 2 des Etagenverteilers abgetrennt wird. In ihrem weiteren Verlauf werden die Nebenstellenleitungen an jedem Arbeitsplatz (Übergang BSZ 1 auf 2) erneut mit den anwendungsspezifischen Überspannungs-Schutzgeräten beschaltet. Der Router des Datennetzwerkes befindet sich bereits im Etagenverteiler (BSZ 2). Deshalb erfolgt unmittelbar vor dem Router die Schutzbeschaltung (Bild ). Die vom Etagenverteiler abgehenden Datenleitungen werden über Überspannungs-Schutzgeräte (Bild ) geführt. Sie werden am Arbeitsplatz nochmals mit Überspannungs-Schutzgeräten in Adapterform beschaltet. Damit ist ein lückenloses Überspannungs-Schutzkonzept der Kommunikationsverkabelung gewährleistet. 3.3 Überspannungsschutz der Starkstromanlage Der Einsatz von Überspannungs-Schutzeinrichtungen in der NS-Verbraucheranlage weist gegenüber anderen Anwendungen keinerlei Besonderheiten auf und ist bereits mehrfach beschrieben worden. Die Anwendung in einem Call-Center ist im Bild dargestellt. Besonders sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, Überspannungsschutz Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 4 296 Aufbau der informationstechnischen Systeme und deren Zuordnung zu Blitz-Schutzzonen Überspannungs-Schutzgerät für Router Überspannungs-Schutzgerät zum Schutz vom Etagenverteiler abgehender Datenleitungen dass die Überspannungs-Schutzeinrichtungen der Anforderungsklasse B ein Blitzstrom-Ableitvermögen aufweisen müssen, das in der Prüf-Wellenform 10/350 µs angegeben wird. Die Überspannungs-Schutzeinrichtungen der unterschiedlichen Anforderungsklassen müssen untereinander koordiniert sein. Zu beachten sind die entsprechenden Hinweise der Hersteller. 4 Zusammenfassung Der Call-Center-Branche wird eine große Zukunft vorausgesagt. Erfolgreich sein kann jedoch nur, wer für seine Kunden immer erreichbar ist. Dementsprechend hoch sind die Anforderungen an die Verfügbarkeit dieser multimedialen Dienstleister. Ein wirksamer, konzeptionell angelegter Überspannungsschutz leistet einen Beitrag zur ständigen Verfügbarkeit dieser Systeme und damit zum Unternehmenserfolg. Literatur [1] DIN VDE 0185 Teil 1:1982-11 Blitzschutzanlage; Allgemeines für das Errichten. [2] DIN VDE 0185-103 (VDE 0185 Teil 103):1997-09 Schutz gegen elektromagnetischen Blitzimpuls; Teil 1: Allgemeine Grundsätze. [3] Hasse, P.; Wiesinger, J.: Blitzschutz der Elektronik: Risikoanalyse, Planen und Ausführen nach neuen Normen der Reihe DIN VDE 0185. Berlin/Offenbach: VDE Verlag.; München: Pflaum Verlag 1999. [4] DIN V ENV 61024-1 (VDE V 0185 Teil 100): 1996-08 Blitzschutz baulicher Anlagen; Teil 1: Allgemeine Grundsätze. [5] pr EN 50174-2:1998 Informationstechnik - Installationsplanung und -praxis in Gebäuden. [6] DIN EN 50173:1995-11 + A1:2000 Anwendungsneutrale Verkabelungssysteme. Überspannungsschutz Einsatz von Überspannungs-Schutzeinrichtungen in der Starkstromanlage im Rahmen des Schutzkonzepts
Autoren
- V. Raab
- M. Kienlein
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