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Normen und Vorschriften | Blitz- und Überspannungsschutz | Fachplanung | Elektrotechnik

Überspannungsschutz nach Blitzschutz-Zonenkonzept

ep8/2004, 5 Seiten

Der Überspannungsschutz ist im Blitzschutz die Maßnahme, die als notwendige Ergänzung heute unumstritten für den Geräteschutz eine dominierende Rolle spielt. In den folgenden Ausführungen wird die Anwendung des Blitzschutz- Zonenkonzepts für den wirtschaftlichen Überspannungsschutz nach der aktuellen Vornorm DIN V VDE V 0185 dargelegt.


Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 8 637 Blitz- und Überspannungsschutz FÜR DIE PRAXIS Aktueller Stand der Normung Mit dem Erscheinen der aktuellen neuen Vornormen zum Blitzschutz DIN V VDE V 0185 · Teil 1: Allgemeine Grundsätze [1] · Teil 2: Risikomanagement; Abschätzung des Schadensrisikos für bauliche Anlagen [2] · Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen [3] · Teil 4: Schutz von elektrischen und elektronischen Systemen in baulichen Anlagen [4] wurden alle anderen Normen, Vornormen und Entwürfe bezüglich des Blitzschutzes in Deutschland außer Kraft gesetzt bzw. zurückgezogen. Obwohl Vornormen normalerweise nicht bzw. noch nicht zum Normenwerk des VDE dazugehören, ist es in diesem Falle so - weil es ansonsten keine andere Blitzschutznorm mehr gibt -, dass die Vornorm [5] anzuwenden ist. Alte Anlagen genießen Bestandsschutz, neue Anlagen müssen nach der Vornorm ausgelegt und errichtet werden. Gerade im Bau oder noch in der Planung befindliche Vorhaben sollten auch schon nach der neuen Vornorm ausgeführt werden, es sei denn, dass mit dem Auftraggeber die Anwendung der alten Norm vereinbart wurde. Teil 3 von VDE V 0185 [3] spricht in erster Linie den Anwenderkreis für den Äußeren Blitzschutz an. Weil etwas umständlich gegliedert und die Sachverhalte schwer auffindbar, wurde für den Praktiker ein Stichwortverzeichnis erarbeitet mit Hauptabschnitts-, Abschnitts-und Seitenangaben und zusätzlichen Anmerkungen zu wesentlichen Abweichungen gegenüber früheren Festlegungen. Teil 4 von VDE V 0185 [4] beschreibt in erster Linie die Planungsmethode des Überspannungsschutzes nach dem Blitzschutz-Zonenkonzept. Die Installation der Überspannungsschutzgeräte hingegen behandelt DIN V VDE V 0100-534, weil sie zum Problemkreis der Errichtung von NS-Aanlagen gezählt werden muss. Vollständigkeitsprinzip Schnell sind Sprüche zu hören, wie „Gegen den Direkteinschlag ist noch kein Kraut gewachsen“ oder noch schlimmer „Wenn der Blitz erst einschlägt, ist der Schutz machtlos“. Wird jedoch das Vollständigkeitsprinzip beachtet, d. h., Ausführung des Äußeren und Inneren Blitzschutzes für alle Netze, so sind diese Sprüche ad absurdum zu führen. Die Anlagen sind dann sicher geschützt. Beispiel. Durch einen Direkteinschlag in die Außenbeleuchtung von vier Silos wurden viele elektrische Geräte beschädigt (Außenbeleuchtung, Silo oben; Füllstandssensoren, Klemmkästen, Hauptschalter, SPS, Heizungsregler, Steckvorrichtungen, Sammelschienen u. a.). Hierdurch entstanden kostenintensive Produktionsausfälle. Markant war die Stromübertrittsstelle am Starkstromkabel durch einen rückwärtigen Durchschlag (Bild ). An diesem Objekt war nur der Äußere Blitzschutz ausgeführt, denn aufgrund der Bauart war dieser leicht zu realisieren (Stahlbau, Fundamenterder). Der Innere Blitzschutz fehlte fast vollständig. Nach dem Schaden wurde ein Blitzschutzzonenkonzept erstellt, das schrittweise umgesetzt werden sollte. Aufgrund zwischenzeitlich noch verbliebener Lücken, kam es schon vor der endgültigen Fertigstellung zu weiteren Schäden. Es trat somit auch in diesem Falle eine ungewollte Verletzung des Vollständigkeitsprinzips auf. Ermittlung der Blitzschutzklasse Über die Anwendung von Blitzschutzmaßnahmen (Blitzschutzbedürftigkeit) entscheidet man am besten über eine Risikoanalyse, d. h. über das Produkt aus Blitzeinschlaghäufigkeit und möglicher Schadenshöhe (Zerstörung der Sache, eingeschlossen gesundheitliche Schädigungen) oder Ausfallkosten (Verfügbarkeit einer Dienstleistung oder einer Produktionseinrichtung). Ohne auf Einzelheiten eingehen zukönnen, ist das komplizierte Verfahren am Beispiel eines Wohnhauses in Tafel dargestellt. Die eingetragenen Zahlenwerte sind der Norm entnommen [2]. Das Resultat der Berechnung ist der Vergleich zwischen berechnetem - zunächst noch ohne Blitzschutzmaßnahme - und dem akzeptierten Risiko (R = 1,39·10-4 > Ra = 1·10-4). Es müssten weitere Rechengänge bei Erhöhung der Blitzschutzklasse (lt. Norm Schutzklasse) Schritt für Schritt folgen, bis R Ra = 1·10-4 ist. Ri wird durch Überspannungsschutz und Schirmungsmaßnahmen reduziert. Eine Beispielsammlung nach Vorstellung des VdS [6], s. Tafel , ist anstelle der Berechnung eingeschränkt verwendbar. Der Entscheidungsträger ist immer der vom möglichen Schaden Betroffene (auch Versicherungen) und zum anderen der Gesetzgeber (im Sinne der Hütung des Gemeinwohls). In der Norm [1] heißt es dazu „Wenn nationale Vorschriften Blitzschutzmaßnahmen fordern, müssen solche installiert werden“. In Deutschland werden sie in Richtlinien zur Bauordnung gefordert für Versammlungsstätten, Verkaufsstätten, Hochhäuser, Krankenhäuser und Schulen sowie für besonders gefährdete Anlagen nach dem Gerätesicherheitsgesetz. Soweit die Vorschriften keine Spezifikation der Blitzschutzmaßnahmen enthalten, wird mindestens ein Blitzschutzsystem der Schutzklasse III [3] empfohlen. Die Blitzschutzklasse verkörpert einen Satz von Konstruktionsregeln (z. B. Abstände, Maschenweite, Schutzwinkel, Überspannungsschutzmaßnahmen), ausgelegt für einen jeweils zugelassenen Gefährdungspegel (Tafel ). Ihre Wirksamkeit nimmt von Blitzschutzklasse I zu Blitzschutzklasse IV ab. Um die technisch und wirtschaftlich optimalen Schutzmaßnahmen festzulegen, wird das zu schützende Objekt nach der Norm [3] in eine (vereinfachtes Verfahren) oder mehrere (detailliertes Verfahren) Blitzschutzzonen (BSZ) unterteilt. Für diese sind sowohl geometrische Grenzen als auch maßgebliche elektrische Bedrohungsdaten und die mögliche Schadensart festzulegen. Beim vereinfachten Verfahren wird das Schadensrisiko im Allgemeinen überbewertet, weil für alle Parameter immer der ungünstigste Fall angenommen wird. Bei mehreren Blitzschutzzonen innerhalb einer baulichen Anlage könnte für jede Blitzschutzzone eine andere Blitzschutzklasse angewendet werden, vorausgesetzt, dass dies sich realisieren lässt unter Berücksichtigung gegenseitiger Abhängigkeiten. Überspannungsschutz nach Blitzschutz-Zonenkonzept W. Naumann, Dresden Der Überspannungsschutz ist im Blitzschutz die Maßnahme, die als notwendige Ergänzung heute unumstritten für den Geräteschutz eine dominierende Rolle spielt. In den folgenden Ausführungen wird die Anwendung des Blitzschutz-Zonenkonzepts für den wirtschaftlichen Überspannungsschutz nach der aktuellen Vornorm DIN V VDE V 0185 dargelegt. Autor Dr.-Ing. Werner Naumann ist Mitarbeiter der Firma DEHN + SÖHNE Gmb H + Co.KG, Neumarkt/Opf., Büro Dresden. Rückwärtiger Durchschlag vom geerdeten Stahlseil in die Adern der Gummileitung beim Masteinschlag Beispiel: · Ein Krankenhaus wird unterteilt in BSZ 0B (Bereich auf dem Dach), BSZ 1 (allgemeiner Teil im Gebäudeinneren) und BSZ 2 (Räume für OP und Intensivbehandlung). · Das Gebäude erhält einen Äußeren Blitzschutz in BSKL II, so auch die besonderen Räume der BSZ 2 (Abhängigkeit). · Der Bereich auf dem Dach wird bemessen für BSKL III (Blitzkugelradius, Schutzwinkel, Fangmasche). Der Vergleich der Blitzschutzzonen zeigte in diesem Fall, dass die hohen Schutzanforderungen der BSKL II von den Räumen OP und Intensivbehandlung auf den allgemeinen Teil zu übernehmen waren, nicht so für den Bereich auf dem Dach. Widersprechende Forderungen, die eine Höherstufung einzelner Blitzschutzmaßnahmen erfordern würden, traten nicht auf. Anwendung des Blitzschutz-Zonenkonzepts Die bauliche Anlage soll mit einem sogenannten LEMP-Schutz nach VDE V 0185 Teil 4 [4] gegen wirtschaftliche Verluste und Verlust von Menschenleben geschützt werden - LEMP (Lightning elektromagnetic Impuls) sind die Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 8 638 FÜR DIE PRAXIS Blitz- und Überspannungsschutz Risiken Definition und Werte für das Beispiel Wohnhaus Option R = Rd + Ri Rd Schadensrisiko durch Direkteinschlag in bauliche Anlage Ri Schadensrisiko durch indirekten Einschlag neben bauliche Anlage Rd = RA + RB + RC RA Schadensrisiko elektrischer Schock RA = RC = 0 Rd = 0,205·10-4 RB Schadensrisiko physikalische Schäden RC Schadensrisiko für elektrische und elektronische Systeme RB = ND·PB·f·h ND jährliche Einschläge ND = Ng·A = 0,0205 h = 1 RB = 2,05·10-5 PB = 0,01 Wahrscheinlichkeit physischer Schäden durch Direkteinschlag Erhöhungsfaktor für f ·= 0,1 Schadensfaktor für Feuer, Explosion, mech., chemische Schäden wirtschftl. Verluste PB = pf · pr· [1 - (1 - ps·rs) rs Reduktionsfaktor für ein Blitzschutzsystem (rs = 1 kein Blitzschitz, rs = 0,02 für BSKL I) rf, re = 1 ·(1 - pe·re)] ps einfache Wahrscheinlichkeit für die Schirmung der baulichen Anlage (ps = 1 für Mauerwerk) kein Feuer; keine pf = 0,01 einfache Wahrscheinlichkeit für die Funkenbildung Überspannungspe einfache Wahrscheinlichkeit für die Schirmung der Leitungen (pe = 1 keine Schirmung) schäden Ri = RU + RV + RM + RW + RZ RU Schockrisiko infolge Direkteinschlag in eingeführte Leitung RU = 0, RM = 0 Ri = 1,18·10-4 RM Störungsrisiko durch Einschläge neben der Anlage für elektrische, elektronische Systeme RW = 0; RZ = 0 RW Überspannungsrisiko für elektrische, elektronische Systeme bei Direkteinschlag in Leitungen RZ Überspannungsrisiko für elektrische, elektronische Systeme bei Direkteinschlag in Erdboden RV = NL·PV·f·h RV Schadensrisiko - physikalische Schäden durch Direkteinschlag in Versorgungsleitungen f·h = 1 RV = 1,18·10-4 NL = 0,1182 jährliche Einschläge in die eingeführten Versorgungsleitungen sonstige Verluste, PV = 0,01 Wahrscheinlichkeit physikalischer Schäden durch Direkteinschlag in die Standardwert Versorgungsleitungen R = Rd + Ri Ra = 10-4 akzeptiertes Schadensrisiko R = 1,39·10-4 R > Ra ? Ja, erneute Berechnung Tafel Risikoanalyse wirtschaftlicher Verluste für BSZ 1 für ein Wohnhaus zur Bestimmung der Blitzschutzklassen nach [2] Objekt Gebäude Äußere Blitzschutzanlage Überspannungsschutz Mehrfach- (-teil, -bereich, BSKL Prüfintervalle erfor- Ausführung nach VDE nennungen -einrichtung nach in Jahren der- 0100 Teil 443 und 534, möglich sowie Kenndaten) DIN VDE (Empfehlung der lich DIN VDE 0185, DIN 0185 Versicherer) VDE 845 sowie VdS 2031 und zusätzlich Anlagen für Druck-, brennbare Regelanlagen II 3 X Online-Überwachung Gase Verdichterstationen Lager > 1000 kg II 3 X Ex-Bereiche I 1 X Archive III 5 Bäder Hallenbad III 5 X Freibad III 5 Kombi(Spaß-)bad II 5 Bahnhöfe III 3 X Banken X Nutzfläche VdS 2569 > 2000 m2 III 3 X Bauliche Anlagen II 3 X der chem., Online-Überwachung petrochem. Explosionsgefahr I 1 X Industrie Tafel Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz für Objekte (VdS-Merkblatt 2010) Parameter Gefährdungspegel Bemessungsgrößen Bemessungswerte I II III - IV Stoßstrom I 200 150 100 in kA Spez. Energie W/R 10 5,6 2,5 in MJ/ Ladung QImpuls in As 100 75 50 Ladung QLangzeit in As 200 150 100 Tafel Maximale Blitzstrom-Parameter nach nationaler/internationaler Normung Zonenübergang bzw. Maßnahmen Ableiterbezeichnung Zonenschnittstelle 0A - 0B Isolierte Fangeinrichtung Blitzstromableiter B (Typ 1) 0A - 1 Hauptpotentialausgleich Blitzstromableiter B (Typ 1) 0A - 2 Hauptpotentialausgleich, Überspannungsschutz, Kombiableiter B (C, D) (Typ 1) 0B - 1 Örtlicher Potentialausgleich, Überspannungsableiter C (Typ 2) 1 - 2 Örtlicher Potentialausgleich, C (Typ 2) oder Überspannungsableiter D (Typ 3) 2 - 3 Örtlicher Potentialausgleich, Überspannungsableiter D (Typ 3) Tafel Maßnahmen an zonenüberschreitenden Leitungen transienten Erscheinungen bei Blitzeinschlägen (Blitzströme, Felder, induzierte Spannungen). Mit dem Blitzschutz-Zonenkonzept für die bauliche Anlage soll erreicht werden, dass feld- und leitungsgebundene Störungen durch Blitzentladungen und Schalthandlungen in den elektrischen Netzen soweit reduziert werden, dass elektrische und insbesondere elektronische Geräte am Aufstellort ordnungsgemäß arbeiten können. Die Störungen zu reduzieren und die Störfestigkeiten der Geräte zu erhöhen, sind Aufgaben der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV). Man spricht auch vom EMV-orientrierten Blitzschutz-Zonenkonzept. Mit ihm wird das elektromagnetische Klima geschaffen, in dem sich die Geräte „wohlfühlen“ können. 4.1 Einteilung der Blitzschutzzonen Die Blitzschutzzonen (BSZ) werden eingeteilt in Äußere Zonen und Innere Zonen. Definition der Äußeren Zonen LPZ 0A Belastet durch direkte Blitzeinschläge, durch Impulsströme bis zum vollen Blitzstrom und durch das volle Feld des Blitzes. LPZ 0B Geschützt gegen direkten Blitzeinschlag. Belastet durch Impulsströme bis zu anteiligen Blitzströmen und durch das volle Feld des Blitzes. LPZ 0C Belastet durch Berührungs- und Schrittspannungen für Lebewesen. Definiert auf Erdniveau innerhalb einer Höhe von 3 m und einem Abstand von 3 m außerhalb einer baulichen Anlage (siehe VDE V 0185 Teil 3). Die Abgrenzung der Zone 0A von 0B ist durch getrennte Fangeinrichtungen zu realisieren und nach der Bauausführung zu kontrollieren. Neu ist die Blitzschutzzone OC , in ihr dürfen zur Abwendung der Lebensgefahr keine unzulässig hohen Impulsspannungen auftreten, die jetzt nicht, früher in TGL [7] schon definiert sind. Definition der Inneren Zonen (geschützt gegen direkte Blitzeinschläge LPZ 1 Belastet durch Impulsströme und gedämpftes Feld des Blitzes durch mögliche räumliche Schirmung sowie begrenzte Überspannungen durch SPDs (Überspannungs-Schutzgerät) an den Zonengrenzen. LPZ 2..n Belastet durch weiter begrenzte Impulsströme und Spannungsbegrenzung durch SPDs an den Zonengrenzen. Das Feld des Blitzes ist meistens durch räumliche Schirmung gedämpft. Die Anforderungen für die Inneren Zonen müssen entsprechend der Festigkeit der zu schützenden elektrischen und elektronischen Systeme definiert werden. Das Hauptmerkmal der Zone 1 ist die Einschlagfreiheit wie bei Zone 0B aber hier mit zusätzlicher Dämpfung des elektromagnetischen Blitzfeldes. Das Dämpfungsmaß wird nicht direkt vorgeschrieben, indirekt wird es bei der Risikoanalyse berücksichtigt, s. Abschnitt 3. Sie beginnt grundsätzlich hinter der Außenwand im Inneren eines Objekts. Nennenswerte Beeinflussungen der Leitungen innerhalb der BSZ 1 sind nicht auszuschließen: · In der Nähe von blitzstromführenden Leitungen (Fangleitungen im Obergeschoss, Ableitungen längs der Fassade, Leitungen des Erdersystems im Keller- oder Erdgeschoss, Erder- und Potentialausgleichsleitungen sowie Schutzleitern). · Bei Schalthandlungen einschließlich Kurzschlüssen stromführender Leitungen (innere Überspannungen). Die BSZ 2 ist für besondere Räume und Bereiche (z. B. Leitzentralen, Computerräume, Steuerschränke) vorgesehen. Durch sie sollen die Beeinflussungsmöglichkeiten weiter reduziert werden. BSZ 3 steht für Geräte in der BSZ 2 zur Verfügung. 4.2 Maßnahmen an den zonenüberschreitenden Leitungen Vorbereitend für die richtige Auswahl der Überspannungsschutzeinrichtung kann aus den Übergängen von einer zur anderen Blitzschutzzone sofort der geeignete Typ des Ableiters (neue Bezeichnung, früher Anforderungsklasse) bestimmt werden (Tafel ). Bezeichnungen wie Grob-, Mittel-, Feinschutz sollten nicht mehr benutzt werden. 4.3 Verbinden und Ausstülpen von Blitzschutzzonen Die Verbindung von LPZ der gleichen Art kann nötig sein, wenn zwei getrennte bauliche Anlagen durch elektrische oder Datenleitungen verbunden sind oder sie kann verwendet werden, um die benötigte Zahl von SPDs zu reduzieren. Die Ausstülpung einer LPZ in den Bereich einer anderen LPZ kann in speziellen Fällen nötig werden oder kann dazu verwendet werden, die benötigte Zahl von SPDs zu reduzieren. Nachdem einzelne Blitzschutzzonen für eine bauliche Anlage nach sicherheitstechnischen Gesichtspunkten festgelegt worden sind, sollte gleich geprüft werden, ob eine Zusammenlegung von BSZ möglich ist. Das Verbinden von Blitzschutzzonen geschieht in der Regel durch elektrisch durchverbundene armierte Kabelkanäle, metallene Schutzrohre oder Kabelschirme, in Ausnahmefällen auch mitgeführte Schirmleiter. Anwendungsbeispiele für das Blitzschutzzonenkonzept zeigt Bild . Im Beispiel b) ist unbedingt der beidseitige Anschluss des Schirms an das Potentialausgleichsystem auszuführen. Im Beispiel d) kommt die Leitung rechts aus der Zone 0A und führt sofort in die Zone 2. Das heißt, hier müssen solche Überspannungsschutzeinrichtungen eingesetzt werden, die als Kombiableiter Anforderungsklasse B und C bzw. Typ 1 und 2 erfüllen. Solche werden derzeit sowohl für die energietechnischen als Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 8 639 Blitz- und Überspannungsschutz FÜR DIE PRAXIS Blitzschutzzonenkonzept - Anwendungsbeispiele a) gebäudeüberschreitende Leitung; b) gebäudeüberschreitende geschirmte Leitung; c) Gebäude mit interner Trafostation; d) Gebäude mit mehreren LPZ-Übergängen LPZ Blitzschutzzone; PAS Potentialausgleichschiene; I Gesamtblitzstrom; I1, I2 Blitzstromaufteilung; SPD Überspannungs-Schutzgerät (Typ I: Blitzstrom-Ableiter); SPD Überspannungs-Schutzgerät (Typ II: Überspannungs-Ableiter) auch für informationstechnischen Netze angeboten. Die Festlegung der Blitzschutzzonen bei einer Trafostation im Objekt (Beispiel c) war lange Zeit umstritten. Einerseits stellt die Trafowicklung eine Entkopplung und galvanische Trennung der Netze dar, andererseits können feldgebunden größere Stoßströme noch übertragen werden. Nach neuesten Erkenntnis sind es bis zu 25 % des von der Einschlagstelle her eingeprägten Blitzstroms. Somit ist ein Blitzstromableiter wie beim Übergang von Blitzschutzzone OA 1 erforderlich. Der Trafo befindet sich in der eingestülpten Blitzschutzzone OA. Davon betroffen wären dann auch alle einzusetzenden Überspannungsschutzgeräte der Leitungen der msr-Technik. Innerer Blitzschutz Aus den vorangegangenen Ausführungen kann für das Arbeiten nach dem Blitzschutz-Zonenkonzept das grundsätzliche Einmaleins des Inneren Blitzschutzes abgeleitet werden: 5.1 Strukturierung Die in einem Objekt auftretenden Funktionseinheiten sind so übersichtlich neben- und übereinander zu ordnen, dass sie mit Linien für Energie- und Informationsleitungen verbunden werden können. Das kann frei oder bereits innerhalb des Umrisses der baulichen Anlage geschehen. Häufig wiederkehrende Funktionseinheiten werden einheitlich bezeichnet und an den Blöcken sowohl Anschlüsse für Einspeisungen und Abgänge als auch für Hilfsenergiezuleitungen und Informationsleitungen bzw. Bus-Anbindungen vorgesehen: Hauptverteilung HV Verteiler innen: Unterverteilung UV Patch-Felder PF Verteiler allgemein V Funktionsgruppen innen: Maschienenarbeitsplatz MA Büroarbeitsplatz BA msr-Anlage msr Telefonzentrale TE Brandmeldezentrale BMZ Einbruchmeldezentrale EBZ Server S Antennenanlage AA Elektroakustikanlage ELA Kassenbereich KA Umrichter UM Stromversorger SV Haustechnik allgem. HT Außenanlage: Verteiler allg. V Beleuchtung B Torsteuerung T Wechselsprechanlage W Sensoren S 5.2 Abgrenzung der äußeren Blitzschutzzonen OB und BSZ 1 Die in einer baulichen Hülle eingeschlossenen Funktionseinheiten werden zur Blitzschutzzone 1 zusammengefasst und die Zusammengehörigkeit besonders hervorgehoben (z. B. durch Ellipse einrahmen), ebenso die im Schutzbereich von Fangeinrichtungen der Äußeren Blitzschutzanlage liegenden Funktionseinheiten unter der BSZ OB. Der Trennungsabstand zwischen Leitungen der Äußeren Blitzschutzanlage und den Funktionseinheiten darf nicht unterschritten werden. 5.3 Abgrenzung der inneren Blitzschutzzonen BSZ 2 Die Einschätzung der Beeinflussung der einzelnen Verbindungswege nach den Kriterien · Länge der Leitung und · beeinflussende benachbarte Leitungen entscheidet, ob eine weitere Zone 2 um die Funktionseinheit herum eingefügt werden muss. Das Hindurch- oder Hineinführen einer Blitzstrom führenden Leitung in die Zone 2 ist verboten. Es können weitere Zonen 3 bzw. sogar 4 innerhalb der Zone 2 notwendig sein, wenn die Risokoanalyse [2] es so verlangt. 5.4 Erstellen einer Checkliste für den Überspannungsschutz Für alle aktiven Leitungen von Zone zu Zone werden Überspannungsschutzgeräte für den Potentialausgleich vorgesehen und in die vorgeschlagene Checkliste für den Überspannungsschutz eingetragen. Alle metallenen Leitungen oder Kabelschirme müssen außerdem an den Potentialausgleich angeschlossen werden. 5.5 Verbinden von Blitzschutzzonen Vor dem Ausfüllen der Checkliste ist die mögliche Zusammenlegung von gleichen Blitzschutzzonen aus wirtschaftlichen Gründen zu prüfen (z. B. Außenanlage im Bild ). Es ist nicht ratsam, nur aus Gründen der Senkung der Investitionskosten zu viele Zonen zusammenzulegen, ohne die Voraussetzungen geprüft zu haben. Bei der sogenannten kundenwunschgerechten Billiglösungen sollte man stets an spätere Reklamationen und Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 8 640 FÜR DIE PRAXIS Blitz- und Überspannungsschutz BSZ Anlagenbezeichnung: industrielle Eiersortieranlage BSZ (1) Energieleitungen (2) Informationsleitungen Checkliste für den Überspannungsschutz - Planung nach dem Blitzschutz-Zonenkonzept Planungsvorhaben Projekt: Eiersortieranlage Planer: ................................. Auftraggeber: ........................ Datum: ................................. Seite: ......... 1 ........ 2 .......... Potentialausgleich in der BLZ Anschluss Erdungsanlage: ....mm2 ....... Anschluss PE/PEN: Anschluss Ableiter (1): ... mm2; Länge: ... m Anschluss Ableiter (2): ... mm2; Länge: ... m Anschluss Kabelschirme: ..................... mm2 Anschluss Schirmung Fußboden: .......... mm2 Anschluss Schirmung Wände: ............... mm2 weitere metall. Installationen: ............ mm2 Auswahl Überspannungsableiter: Anforderungsklasse (Wellenform 10/350 bzw. 8/20); Einbaumöglichkeit; Betriebsgrößen: Un; In, fn; Bitrate Leitungs- Zonen- Überspannungs- Anzahl Bemerkungen bezeichnungen Schnittst. schutzgerät/Zubehör Leitung 1: 230/400 V 0A 1 DEHNbloc 3-polig 1 TN-C-Netz-Einsp. Leitung 2: 230/400 V 0A 1 DEHNbloc 3-polig 1 TN-S-System DEHNbloc 1-polig 1 Leitung 3: 24 V 1 1 Nicht erforderlich Übersp.-Schutz entfällt, IT-System Kabel geschirmt, Schirm an PA Leitung 4: Feldbus 0A 1 Blitzductor CT B 110 V 1 Hutschienenmontage Hutschiene erden! Leitung 5: Telefon 0A 1 Blitzductor CT B 110 V 1 Hutschiene erden! analog Übergang XX/X Leitung 6: Telefon 0A 1 Blitzductor CT B 110 V 1 Hutschiene erden! ISDN Übergang XX/X Antennenkabel 7 0A 1 DEHN GK/N 1 Funkantenne bis 1 GHz (1) (2) Regressansprüche denken und sich durch eine Vereinbarung absichern. Die beschriebene Vorgehensweise für einen wirtschaftlichen Entwurf des Überspannungsschutzes einer baulichen Anlage ist in den Bildern und beispielhaft ausgeführt. Es handelt sich immer um eine einpolige Darstellung ohne die maßstabsgerechte räumliche Anordnung der Funktionseinheiten zu berücksichtigen. Das heißt, die Verbindungswege und die Leitungsführung können dem Strukturbild nicht entnommen werden. Auch die genaue Anzahl der benötigten Überspannungsschutzgeräte für die Schnittstellenbeschaltung wäre für ein Leistungsverzeichnis noch zu ermitteln. Erreichter Schutz und verbleibende Risiken An dem im Abschnitt 5 ausgeführten Beispiel wird ein normativer Schutz erreicht, der wie bei allen technischen Lösungen nie 100 % sein kann. Es ergeben sich für den Betreiber kalkulierbare Risiken. · Bewusst eingegangenes Risiko aus Kostengründen. Dieses ist gestattet, solange nicht gegen eine Norm verstoßen wird, z. B. durch Weglassen bestimmter Blitzschutzzonen. Hierzu bedarf es immer einer Vereinbarung zwischen Betreiber und Errichter. Im Bild wäre z. B. um die BMZ unbedingt eine Blitzschutzzone zu empfehlen. · Normatives Risiko - entsteht aus der Wahl der Blitzschutzklasse, z. B. beträgt es für BSKL I 2 %, während 98 % durch die technischen Maßnahmen abgedeckt werden. Mit anderen Worten, von fünfzig Blitzeinschlägen könnte noch einer zum Schaden führen, s. VDE V 0185 Teil1 [1]. In den BSKL II sind es 5 %, in III und IV schon 10 %. · Natürliches Risiko - steckt in der zeitlichen und räumlichen Ungleichverteilung der Zahl der Blitzeinschläge in einem Gebiet. Je besser die lokale Erfassung der Blitzeinschläge durch moderne Ortungsverfahren gelingt, um so größer wird die Planungssicherheit und um so kleiner ist das natürliche Risiko. · Technisches Risiko - bezieht sich auf das Versagen einer Blitzschutz- oder Überspannungsschutzeinrichtung durch Abnutzung, Material- und Fertigungsfehler und durch Alterung. Durch planmäßige Inspektionen sollte hier gegengesteuert werden. · „Menschliches“ Risiko - durch die unsachgemäße Planung und Ausführung (Installationsfehler). Sicherheitstechnische Maßnahmen sollten deshalb nur von Fachkundigen ausgeführt und im Übergabe- bzw. Abnahmeprotokoll beurteilt werden. Literatur [1] DIN V VDE V 0185-1:2002-11 Blitzschutz - Teil 1: Allgemeine Grundsätze. [2] DIN V VDE V 0185-2:2002-11 Blitzschutz - Teil 2: Risiko-Management: Abschätzung des Schadensrisikos für bauliche Anlagen. [3] DIN V VDE V 0185-3:2002-11 Blitzschutz - Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen. [4] DIN V VDE V 0185-4:2002-11 Blitzschutz - Teil 4: Elektrische und elektronische Systeme in baulichen Anlagen. [5] Engelmann, E.: Neue Normen für den Blitz- und Überspannungsschutz. Elektropraktiker, Berlin 57(2003)1, S. 39-41 und 2, S. 124-126. [6] VdS 2010 Risikoorientierter Blitz- und Überspannungsschutz; Richtlinien zur Schadensverhütung. Ausgabe: 2002-07. [7] TGL 200-0616 - Teil 2 (1985), Blitzschutzmaßnahmen - Technische Bedingungen. Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 8 641 msr1 msr2 UV2 HV UV1 TE2 UV4 TE1 BMZ UV3 BSZ 1 BSZ 2 BSZ 1 BSZ 0A BSZ 0B Einteilung der baulichen Anlage in drei Blitzschutzzonen 0, 1, 2 am Beispiel einer industriemäßigen Eiersortieranlage HV Hauptverteilung 230/400 V TN-C-System; UV 1 Unterverteilung 230/400 V Maschinenanlage; UV 2 Unterverteilung 230/400 V Nebenanlagen; UV 3 Unterverteilung 230/400 V Bandanlagen draußen; UV 4 Zentrale 24-V-Erzeugeranlage; AA Antennenanlage; msr 1 Steuerung Sortieranlage; msr 2 Heizungsregler; MA Maschinenanlage mit Bedien-Tableau; BA Büroarbeitsplatz; PF Patchfeld; BMZ Brandmeldezentrale; S Serverraum; TE 1; TE 2 Telefonanlage

Autor
  • W. Naumann
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