Grundwissen
Spannungsbetrachtungen in Verteilungsnetzen (1)
luk5/2010, 2 Seiten
Merkmale verschiedener Netze Verteilungsnetze werden abhängig von dem Leistungsbedarf des Versorgungsgebietes, der Leistungsdichte - meist in MW/km2 - und der geforderten Verfügbarkeit in die zwei Grundstrukturen als offene oder geschlossene Netze ausgeführt. Die Versorgung von Tarifkunden nach der AVBElt V1) durch öffentliche Verteilungsnetze erfolgt vorzugsweise für Städte und Gemeinden mit Niederspannung 400/230 V. Industrielle Netze werden zusätzlich auch mit Mittelspannungen von 10 kV oder 20 kV betrieben. Aufgrund der Transformierbarkeit sind die Spannungen einphasige oder dreiphasige Wechselspannungen mit einer Frequenz von 50 Hz. Die Stromsysteme können nach der Leiterzahl oder nach der Anzahl der Phasen bezeichnet werden. Leiterzahl. Entscheidend für die Bezeichnung als Zweileiter- oder Mehrleitersystem ist die Anzahl der betriebsmäßig stromführenden Leiter, das sind die Außenleiter L1, L2, L3 und der Neutralleiter N. Dies gilt auch, wenn im TN-C-System letzterer gleichzeitig die Funktion des Schutzleiters übernimmt und dann als PEN-Leiter bezeichnet wird. Der Schutzleiter (PE), auch die Erdungs- und Potentialausgleichsleiter führen dagegen keinen Betriebsstrom. Sie werden folglich nicht in die Bezeichnung des Systems nach der Leiterzahl berücksichtigt. Anzahl der Phasen. Bei periodischen Schwingungsvorgängen kennzeichnet die Phase den Schwingungszustand zu einem beliebigen Zeitpunkt, der sich jeweils in den Zeitabständen der Periodendauer wiederholt. Haben in einem Wechselstromsystem mit je einer Strombahn für die Hin-und Rückleitung (Zweileitersystem) der Strom zum selben Zeitpunkt die gleiche Phase, wird das System als Einphasensystem bezeichnet. Große Bedeutung in der elektrischen Energietechnik haben Dreiphasensysteme, da mit ihnen räumlich umlaufende magnetische Felder (Drehfelder) erzeugt werden können. Diese typische Eigenschaft erklärt auch ihre Bezeichnung als Drehstromsysteme. Sowohl Einphasen- als auch Dreiphasensysteme werden als offene und geschlossene Netze betrieben. Offene Netze Offene Netze sind dadurch gekennzeichnet, dass die elektrische Energie in allen Netzteilen stets in gleicher Richtung fließt. In der einfachsten Form werden von einer Einspeisung (Transformatorenstation) die Verbraucher durch einzelne sternförmig verlaufende Leitungsstrecken als Stahlennetz (englisch: radial system) versorgt (Bild ). Die einzelnen Leitungsstrahlen (Stichleitungen) können endbelastet sein (A). Häufiger werden die Stichleitungen aufgrund der unterschiedlichen Verbraucherstandorte punktweise belastet (B). Durch eine entsprechende Verteilung kann an jeder beliebigen Stelle der Stichleitung auch ein untergeordnetes, neues Strahlennetz (C) eingespeist werden. Strahlennetze sind übersichtlich aufgebaut. Die Netzüberwachung ist einfach. Nachteilig ist der zum Leitungsende hin zunehmende Spannungsfall mit den damit verbundenen Übertragungsverlusten. Weiterhin ist die Versorgungssicherheit des Netzes gering, weil bei einer Störabschaltung nahe der Einspeisung alle nachgeordneten Verbraucher von der Energieversorgung getrennt sind. Verteilungsnetzbetreiber speisen größere Verbrauchseinheiten sowie abgelegene Verbraucher über Strahlennetze ein. Geschlossene Netze Ein geschlossenes Netz entsteht, wenn eine Leitungsstrecke beidseitig eingespeist wird. Dies kann durch zwei Einspeisungen (Bild ), aber auch durch eine geschehen. Das Netz bildet dann einen Ring (Bild ). Das Ringnetz (englisch: ring system) kann an jeder beliebigen Stelle eine auch mehrere Einspeisungen besitzen. Durch entsprechende Querverbindungen entstehen einzelne Maschen. Die Versorgungsleitungen des Maschennetzes (englisch: meshed system) sind netzartig im Bereich hoher Versorgungsdichte zusammengeschaltet. Das typische Merkmal der geschlossenen Netze besteht darin, dass die Energie in den Streckenabschnitten in Abhängigkeit von den Anschlussleistungen der Verbraucher in unterschiedlichen Richtungen fließen. Eine Änderung der Verbraucherströme kann deshalb in einzelnen Streckenabschnitten zu einer Änderung der Energieflussrichtung führen. Der Vorteil der geschlossenen Netze besteht in einer guten Spannungshaltung mit einer hohen Versorgungssicherheit. Bei steigendem Leistungsbedarf ist eine einfache Anpassung durch zusätzliche Einspeisepunkte gegeben. Nachteilig sind der höhere Aufwand an Schalt- und Schutzeinrichtungen sowie die kompliziertere Überschaubarkeit des gesamten Netzes. Punktweise belastete Stichleitung Am Ende der punktweise belasteten Strichleitung (Bild ) wird an der Laststelle E mit einem Belastungsstrom = 100 A bei einem Leistungsfaktor cos E = 0,8 gerechnet. Der durchgehende Aluminium-Querschnitt des nicht isolierten Leiterseils beträgt 70 mm2 . Es sind die Ströme I1 bis I5 in den Abschnit-Der zunehmende Leistungsbedarf führt in einer punktweise belasteten Stichleitung zum Unterschreiten der Bemessungsspannung an den angeschlossenen Verbrauchern. In Abhängigkeit von den örtlichen Bedingungen kann eine zweiseitige Einspeisung des Netzes wirtschaftlicher als eine Querschnittserhöhung sein. Durch einfache Berechnungen der Ströme und der Betriebsspannungen soll diese Aussage bestätigt werden. Elektrische Netze Spannungsbetrachtungen in Verteilungsnetzen (1) 2 LERNEN KÖNNEN 5/10 (A) (B) (C) Strahlennetz G r u n d w i s s e n L e r n f e l d e r 1 - 5 Ringnetz EI EII Zweiseitige Einspeisung Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (21.7.1979) ten der Stichleitung und der zwischen E und der Einspeisung entstehende Spannungsunterschied zu berechnen. Die verschiedenen Leistungsfaktoren an den Laststellen weisen auf die unterschiedliche Phasenlage der Lastströme hin. Die Ströme müssen deshalb geometrisch addiert werden. Nach dem Knotenpunktsatz ist zum Beispiel der Strom im Leitungsabschnitt 4 bzw. mit den Wirkanteilen Iw = I · cos und den Blindanteilen Ib = I · sin = 129,7 A. Die Phasenverschiebung kann als Leistungsfaktor über den Tangens bestimmt werden. Der Aufwand zur Berechnung der Ströme in den einzelnen Leitungsabschnitten ist relativ hoch. Er verringert sich beträchtlich, wenn · ein einheitlicher Wert der Leistungsfaktoren als arithmetischer Mittelwert angenommen wird oder · durch die Festlegung der Leistungsfaktoren auf cos = 1, damit auch Phasengleichheit der Ströme besteht. Sie können dann arithmetisch addiert werden. Da die Summe phasengleicher Größen stets den größten Betrag ergibt, ist hier die Einschätzung der Rechenergebnisse unkritisch. In Tafel sind die Ströme in den Leitungsabschnitten sowohl als geometrische als auch als arithmetische Summe berechnet worden. Entscheidend für die Beurteilung der Stromwerte der Stichleitung ist der Leitungsabschnitt 1 unmittelbar an der Einspeisung. Er wird unter vereinfachten Rechenbedingungen mit 300 A belastet. Für den Querschnitt des Leiterseils von 70 mm2 ist jedoch nur eine Dauerbelastbarkeit von 270 A zulässig. Da dieser Wert bereits bei einem Gleichzeitigkeitsfaktor von 0,9 nicht überschritten wird, ist die Verlegung des nächst höheren Nennquerschnitts von 95 mm2 (Dauerbelastbarkeit 340 A) aus sicherheitsrelevanten Gründen nicht unbedingt zu fordern. Wenn der Querschnitt einer Zuleitung im Wesentlichen von der sie belastenden Stromstärke abhängig ist, wird der Spannungsfall über der Leitungsstrecke bzw. der Spannungsunterschied zwischen Einspeisung und Leitungsendpunkt durch den Leitungswiderstand RL damit durch die Länge der Leitung bestimmt. Zur Vereinfachung werden im Wechselstromnetz die Blindwiderstände vernachlässigt. Drehstromnetze werden grundsätzlich als symmetrisch belastet angenommen. Mit der Leitungslänge l, dem Leiterquerschnitt A und der spezifische Leitfähigkeit (Konduktivität) des Leiterwerkstoffs gelten die Gleichungen (1) bzw. (2) für den Leitungswiderstand des Zweileiternetzes (1) und für den Leitungswiderstand des Drehstromnetzes . (2) Der Spannungsunterschied U weicht durch den Cosinus des Phasenverschiebungswinkels vom Spannungsfall I · RL über der Leitung ab. Damit berechnet sich für eine endbelastete Leitung, mithin auch für einen entsprechenden Leitungsabschnitt der Spannungsunterschied U = I · cos RL (3) und mit den Gleichungen (1) und (2) der Spannungsunterschied im Zweileiternetz (4) und der Spannungsunterschied im Drehstromnetz (5) Der Faktor der Gleichung (5) ergibt sich durch den Bezug auf die verkettete Spannung. In der punktweise belasteten Leitung addieren sich die Spannungsunterschiede der Leitungsabschnitte durch die fiktive Reihenschaltung der Leitungswiderstände. (6) Index i = 1; 2; 3; 4; ... n Bei einem durchgehend gleichen Drahtquerschnitt ist dann der Spannungsunterschied im Zweileiternetz (I1 cos 1 l1 cos 2 l2 + I3 cos 3 l3 +...) (7) und der Spannungsunterschied im Drehstromnetz (I1 cos 1 l1 cos 2 l2 + I3 cos 3 l3 +...) (8) Mit den Angaben des Bildes und den Werten der Ströme sowie cos x der Tafel beträgt der Spannungsunterschied des Drehstromnetzes mit dem Aluminiumquerschnitt von 70 mm2 zwischen der Einspeisung und dem letzten Lastpunkt E U = 30,3 V. Bezogen auf die Leiterspannung von 400 V sind das 7,58 %. Die Werte für die Leiterströme und für den Spannungsunterschied des gegebenen offenen Netzes (Bild ) liegen im Grenzbereich. Sie sind für den aktuellen Netzbetrieb noch vertretbar. Um einen möglichen zusätzlichen Energiebedarf abdecken zu können, soll die Einspeisung mit der Laststelle E durch eine Aluminiumleitung ebenfalls von 70 mm2 verbunden werden. Es ist eine Entfernung von l6 50 m zu überbrücken. Durch diese Verbindung ist ein geschlossenes Netz (Ringnetz - Bild ) entstanden. H. Spanneberg ( ) ( ) = + + + = + + = = = + + + = = = = = Elektrische Netze LERNEN KÖNNEN 5/10 E D Einspeisung IC = 50 A IB = 60 A IA = 60 A IE = 100 A ID = 30 A l5 = 80 m l4 = 50 m l3 = 30 m l2 = 80 m l1 = 50 m cos = 0,6 cos = 0,84 cos = 0,85 cos = 0,7 cos = 0,8 E D IC = 50 A IB = 60 A IA = 60 A IE = 100 A ID = 30 A l6 = 50 m l4 G r u n d w i s s e n L e r n f e l d e r 1 - 5 phasenverschobene Ströme Ix Leistungsfaktor phasengleiche Ströme Abweichung x = 1...5 cos x bei cos x = 1 I´ /Ix = IE 100 A 0,8 100 A ± 0 % 129,7 A 0,7785 130 A + 0,23 % 179,4 A 0,7900 180 A + 0,33 % 239,3 A 0,8100 240 A + 0,29 % 297,2 A 0,7736 300 A + 0,94 % = + = + = + = + = + = + = + = + Tafel Ströme in den Leitungsabschnitten der Stichleitung Laststellen der Stichleitung Laststellen des Ringnetzes
Autor
- H. Spanneberg
Downloads
Laden Sie diesen Artikel herunterTop Fachartikel
In den letzten 7 Tagen:
Sie haben eine Fachfrage?
Dieser Artikel ist Teil einer Serie.
Lesen Sie hier weitere Teile:
1