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Oberschwingungsströme in Niederspannungsanlagen
ep3/2004, 5 Seiten
Wesen der Oberschwingungen Oberschwingungen liegen vor, wenn die Wechselspannung oder der Wechselstrom nicht der Sinusfunktion folgt. Die Spannung bzw. der Strom setzt sich dann aus einer sinusförmigen Grundschwingung und unendlich vielen Oberschwingungen, deren Frequenzen ganze Vielfache der Frequenz der Grundschwingung (Grund, Nennfrequenz) sind, zusammen. Die Ordnungszahl einer Oberschwingung ist das Verhältnis von deren Frequenz zur Grundfrequenz; so gilt f3/f1 = 150 Hz/50 Hz = 3 für die Oberschwingung 3. Ordnung mit einer Frequenz von 150 Hz bei einer Grundfrequenz von 50 Hz. Treten ausschließlich Oberschwingungen mit ungerader Ordnungszahl auf (meist der Fall), haben die Halbwellen eine symmetrische Gestalt, wie z. B. die Kurven mit zwei Höckern je Halbwelle im Bild . Geradzahlige ergeben dagegen unsymmetrische Halbwellen. Je nachdem, ob sie die Spannung oder den Strom betreffen, unterscheidet man Spannungs- und Stromoberschwingungen. Bei Größenangaben spricht man von Oberschwingungsspannungen und -strömen. Beide Arten können sich gegenseitig bedingen und darum zusammen auftreten. Die meisten Rechenregeln der Wechselstromtechnik gelten nur für oberwellenfreie (rein sinusförmige) Spannungen und Ströme. Die Zeigerdiagramme sind nur auf die Grundschwingung anwendbar. Entstehung von Oberschwingungsströmen 2.1 Durch Betriebsmittel Oberschwingungsströme werden u. a. durch folgende Betriebsmittel hervorgerufen: · nicht lineare Widerstände, z. B. Varistoren, Dioden, Gleichrichter von USV-Anlagen, · elektronische Vorschaltgeräte, z. B. in Kompakt-Leuchtstofflampen, · elektronische Netzteile („Schaltnetzteile“), z. B. in Geräten der Unterhaltungselektronik und Computertechnik, · Dimmer, z. B. für Beleuchtungsanlagen und in Elektrowerkzeugen und -haushaltsgeräten mit Drehzahlsteuerung, · steuerbare Umrichter, z. B. für die Drehzahlsteuerung von Antrieben. Die unentbehrlichen Glättungskondensatoren in den elektronischen Vorschaltgeräten, Netzteilen und dgl. treiben die Oberschwingungsströme sehr in die Höhe [5]. Eine ähnliche Wirkung haben Akkumulatorenbatterien, z. B. in USV-Anlagen und hinter Ladegeräten. 2.2 Durch Oberschwingungsspannungen Betriebsmittel, die von sich aus keine Oberschwingungsströme bewirken, können solche führen, wenn die anliegende Spannung oberschwingungshaltig ist. Das kann z. B. gemäß Bild von einem parallel geschalteten Betriebsmittel, das Oberschwingungsströme hervorruft, verursacht sein. Auswirkungen von Oberschwingungsströmen 3.1 Allgemeine Auswirkungen Die Oberschwingungsströme belasten die Anlagenteile (z. B. Transformator, Kabel, Leitungen, Schalter) zusätzlich, wodurch deren Auslastbarkeit reduziert wird. Zudem verursachen sie zusätzliche Verluste. Sie bewirken die Übertragung einer Oberschwingungs-Blindleistung (auch „Verzerrungs-Blindleistung“ genannt), die nutzlos ist. Der Leistungsfaktor folgt den Gleichungen (1) und (2). Er ist nur dann gleich dem Verschiebungsfaktor cos , wenn der Strom ober- Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 3 224 FÜR DIE PRAXIS Installationstechnik Oberschwingungsströme in Niederspannungsanlagen E. Hering, Dresden Zunehmend werden Betriebsmittel eingesetzt, die Oberschwingungsströme hervorrufen [1] bis [6]. Diese haben nachteilige und mitunter gefährliche Auswirkungen auf Anlagen und andere Betriebsmittel. Manche Messmittel zeigen nur die Grundschwingung an. Infolgedessen werden die Oberschwingungsströme oftmals nicht ausreichend oder überhaupt nicht beachtet. Der Beitrag erläutert ihre Ursachen und Wirkungen, ihre messtechnische Erfassung und ihre Berücksichtigung bei der Planung neuer und der Nutzung bestehender Anlagen. Autor Dipl.-Ing. (FH) Enno Hering ist Mitglied des AK „Starkstromanlagen bis 1000 V“ des VDE-Bezirksvereins Dresden. 360° t ------ 0° 30° 60° 90° 120° 150° 180° 210° 240° 270° 300° 330° 360° 30° 60° IV1 I3N = - (I31 + I32 + I33) IV2 IV3 I13 I12 I11 I31; I32; I33 Diagramm der Ströme über der Zeit eines Drehstromsystems mit der 3. Oberschwingung I11, I12, I13 Grundschwingungen der Außenleiter; IV1, IV21, IV3 verzerrte Schwingungen der Außenleiter; I31, I32, I33 die dritten Oberschwingungen der Außenleiter; I3N die dritte Oberschwingung im Neutralleiter * Zur Wahrung der Übersichtlichkeit ist der weitere Verlauf nicht dargestellt. Verursachendes Betriebsmittel V, dessen oberschwingungshaltiger Strom IV dem Spannungsfall UZ und dadurch auch der Betriebsspannung UB Oberschwingungen hinzufügt, so dass der Strom IB des beeinflussten Betriebsmittels B ebenfalls oberschwingungshaltig ist G Stromquelle mit oberschwingungsfreier Urspannung UG Z Impedanz (Scheinwiderstand) der Stromquelle und der Leitung schwingungsfrei (rein sinusförmig) ist und somit der Verzerrungsfaktor v die Größe 1 hat. = P / S (1) = v · cos (2) Leistungsfaktor P Wirkleistung S Scheinleistung Phasenverschiebungswinkel zwischen den Grundschwingungen der Spannung und des Stroms cos Verschiebungsfaktor v Verzerrungsfaktor. Bei oberwellenhaltigem Strom ist der Verzerrungsfaktor v kleiner als 1, wodurch lt. Gl. (2) auch kleiner als cos ist. Nach Gl. (3) ergibt sich daraus eine größere Scheinleistung: S = P / = P / (v · cos ) (3) 3.2 Besondere Belastung der Außenleiter Die Außenleiter werden (abgesehen vom Grundschwingungsstrom) von den Oberschwingungsströmen a) der zwischen ihnen (also an 400 V im 230/ 400-V-Netz)angeschlossenen Betriebsmittel und b) der mit dem Neutralleiter verbundenen Betriebsmittel durchflossen. 3.3 Besondere Belastung des Neutralleiters Sind in einem Drehstromsystem einphasige Verbraucher einerseits an die drei Außenleiter (L1, L2, L3) und andererseits an den Neutralleiter (N) angeschlossen, so heben sich ihre Ströme mehr oder weniger gegenseitig auf. Wenn alle drei Ströme gleich groß sind und die gleiche Phasenverschiebung gegenüber ihrer Spannung haben, können sie sich völlig aufheben, so dass der Neutralleiter stromlos ist. Das gilt jedoch nur für die Grundschwingung. Alle Oberschwingungsströme, deren Ordnungszahl durch drei teilbar ist, addieren sich im Neutralleiter. Von ihnen ist im Allgemeinen der Oberschwingungsstrom 3. Ordnung besonders stark [1] bis [4]. Bei einem hohen Anteil solcher Oberschwingungsströme kann - wie im Bild - der Strom im Neutralleiter größer als in den Außenleitern sein. Schon bei Gleichheit der Stromstärken und der Querschnitte von Außenleitern und Neutralleiter kann eine in üblicher Weise für drei belastete Adern bemessene und abgesicherte Leitung thermisch überlastet werden, weil 4/3 der zugrunde gelegten jouleschen Wärme hervorgerufen wird. Noch viel kritischer ist die Situation natürlich, wenn der Neutralleiter stärker als die Außenleiter belastet wird oder wenn er nur den halben Querschnitt der Außenleiter hat ([2], Abschn. 1.1). Das vorstehend über den Neutralleiter Gesagte gilt im TN-C-System für den PEN-Leiter. Aus diesen Missständen können Brände, zumindest erhebliche Verkürzungen der Lebensdauer der Leitungen resultieren. 3.4 Besondere Belastung des speisenden Transformators Für die Speisung von Netzen mit Neutralleiter oder PEN-Leiter werden fast ausschließlich Transformatoren mit der Schaltgruppe Dy5 verwendet, d. h. mit Primärwicklung in Dreieckschaltung und Sekundärwicklung in Sternschaltung. Die Sekundärwicklung führt die gleichen Ströme wie die Außenleiter. Die in Dreieck geschaltete Primärwicklung wird nach Maßgabe des Übersetzungsverhältnisses wie folgt belastet: · Durch Ströme, die denen in der Sekundärwicklung proportional sind, und · zusätzlich durch kreisende Oberschwingungsströme mit durch drei teilbaren Ordnungszahlen, die den unter 3.3 behandelten Oberschwingungsströmen proportional sind. Der Verlust durch Wirbelströme, der im oberschwingungsfreien Betrieb etwa 10 % des Gesamtverlusts bei Volllast beträgt, steigt mit dem Quadrat der Frequenz an [6]. Daraus resultiert eine weitere Belastung des Transformators durch Oberschwingungsströme. 3.5 Oberschwingungsspannungen und deren Auswirkungen Durch Spannungsfall an den durchflossenen Anlagenteilen können die Oberschwingungsströme Oberschwingungsspannungen erzeugen. Diese können bei Betriebsmitteln, die gar keine Verursacher von Oberschwingungsströmen sind, solche hervorrufen. Hierdurch sind u. a. folgende Auswirkungen möglich: · Vibrationen mit Lärmemission bei Geräten mit Wicklungen und Eisenkernen. · Herabsetzung des Drehmoments und der Belastbarkeit von Drehstrom-Asynchronmotoren durch zusätzliche Drehfelder, die größere Drehzahlen als das Grunddrehfeld und teilweise gegenläufigen Drehsinn haben [5][6]. · Erhöhte Stromaufnahme und daraus resultierende Beschädigung von Blindstromkompensations-Kondensatoren. · Möglichkeit der Reihenresonanz von Blindstromkompensations-Kondensatoren mit den induktiven Widerständen der speisenden Anlage bei einer der Spannungsoberschwingungen mit daraus resultierender extrem erhöhter Stromaufnahme [5]. 3.6 Störungen durch zusätzliche Nulldurchgänge Durch Oberschwingungen können mehr als zwei Nulldurchgänge von Spannung und Strom pro Periode der Grundschwingung auftreten. Das kann die Funktion von Geräten stören, bei denen Vorgänge durch Nulldurchgänge gesteuert werden [6]. Berücksichtigung beim Messen 4.1 Bedeutung des Effektivwerts Die Stromstärke, mit der die Anlagenbestandteile (z. B. Leitungen, Klemmen, Schalter) be- Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 3 Intelligente Technik, Sicherheit und Effizienz: Damit stellt die Light + Building die Weichen in Richtung Zukunft. Optimale Verbindungen, neue Impulse und lukrative Zusatzgeschäfte erwarten Sie im Bereich Elektrotechnik - z.B. mit den Trends Energieeinsparung und Gebäudesicherheit. Wie Sie diese Gewinn bringend einsetzen, erfahren Sie auf der größten Fachmesse zum Thema Haus- und Gebäudetechnik. Willkommen zum Branchenereignis 2004! Die Nummer eins weltweit: Light+Building in Frankfurt am Main. lastet werden dürfen, wird durch die an deren Wirkwiderstand hervorgerufene Wirkleistung begrenzt, die in Wärmeleistung (Verlustleistung) umgesetzt wird und zur Temperaturerhöhung führt. Die Gl. (4), die das joulesche Gesetz für die entstehende Wärmemenge (joulesche Wärme) wiedergibt, wird mit der Gl. (5) in die Gl. (6) für die Leistung umgesetzt. Q = I2·R·t (4) P = A/t = Q / t = (I2·R·t)/t (5) P = I2·R (6) Q Wärmemenge (thermische Arbeit) A elektrische Arbeit t Zeit P Leistung, bei Wechselstrom die Wirkleistung R Widerstand, bei Wechselstrom der Wirkwiderstand I Stromstärke, bei Wechselstrom deren Effektivwert. Die Gleichungen lassen erkennen, dass die in Wärmeleistung umgesetzte elektrische Leistung quadratisch von der Stromstärke abhängt. Das ist für die weiteren Betrachtungen sehr bedeutsam. Bei Wechselstrom muss in die obigen Gleichungen als Stromstärke I der Effektivwert eingesetzt werden, denn dieser erzeugt an einem konstanten ohmschen Widerstand die gleiche Wärmeleistung wie ein Gleichstrom. Der Effektivwert ist gemäß Gl. (7) die Wurzel aus dem Mittelwert der Quadrate der Augenblickswerte1). (7) i Augenblickswert des Stroms t Zeit T Periodendauer Bei oberwellenfreiem (rein sinusförmigem) Wechselstrom gelten die Gln (8) und (9). (8) î = FS·I = 1,4142·I (9) FS Scheitelfaktor î Scheitelwert des Stroms. Bei oberwellenbehaftetem Strom kann der Scheitelfaktor FS größer oder kleiner sein als nach Gl. (8). Die Frage ist nun, welche Messmittel unter welchen Bedingungen den Effektivwert richtig anzeigen. Zunächst werden die analog anzeigenden betrachtet. · Dreheiseninstrumente zeigen sowohl den Gleichstrom als auch den Effektivwert des Wechselstroms jeder beliebigen Kurvenform - auch bei Überlagerung mit Gleichstrom - richtig an. Das resultiert daraus, dass im Messwerk ein Drehmoment gebildet wird, das dem Quadrat der Stromstärke proportional ist. Dreheiseninstrumente sind also in dieser Hinsicht günstig, jedoch in Ausführungen für den mobilen Einsatz kaum verfügbar. · Drehspulinstrumente für sich allein können keinen Wechselstrom anzeigen. Für die Messungen von Wechselspannungen und Wechselströmen ist ihnen darum eine Gleichrichterbrücke vorgeschaltet. Das ist z. B. bei den althergebrachten Multimetern üblich. Die Skala für die Messung von Wechselspannung und -strom ist so ausgeführt, dass der Effektivwert abgelesen werden kann. Man sagt, sie ist „auf den Effektivwert kalibriert“. Der Effektivwert wird jedoch nur bei der reinen Sinusform richtig angezeigt. Das liegt daran, dass das Drehspulmesswerk in Wirklichkeit nur den Mittelwert der Beträge der Augenblickswerte von Spannung bzw. Strom gemäß Gl. (10) messen kann. (10) IM Betragsmittelwert des Stroms |i|Betrag des Augenblickswerts2) Darum wird der Effektivwert nur bei reiner Sinusform richtig angezeigt. Nur dafür gelten die Gln. (11) und (12). (11) I = FF·IM = 1,1107·IM (12) FF Formfaktor. Bei oberschwingungsbehaftetem Strom kann der Formfaktor FF jedoch wesentlich größer sein als nach Gl. (11). In [7] ist ein Formfaktor von 1,818 als typisches Beispiel für einen Personalcomputer angegeben. Das ist das 1,637-fache des im analog anzeigenden Multimeter der Kalibrierung zu Grunde gelegten Formfaktors FF nach Gleichung (11). Das bedeutet, dass der wirkliche Effektivwert das 1,637-fache des angezeigten Werts beträgt. Die Wärmeleistung, die mit dem Quadrat des Stroms steigt, beträgt somit das (1,637)2-fache, also das 2,68-fache dessen, was man auf Grund der Anzeige annehmen könnte! Eine Leitung, die ausschließlich Verbrauchsmittel mit dem oben genannten Formfaktor speist und auf Grund der falschen Anzeige gerade ausgelastet erscheint, ist also in Wahrheit gewaltig überlastet. 4.2 Digital anzeigende Messgeräte Die einfachen Versionen zeigen (wie die Drehspulinstrumente mit vorgeschalteter Gleichrichterbrücke) nur den auf Effektivwert kalibrierten Mittelwert der Beträge bei reiner Sinusform an. Die Angabe „Effektivwertmessung“ ohne Zusatz darf nicht für bare Münze genommen werden, denn sie trifft auf diese Geräte nicht zu. Korrekt sind die Angaben · „Mittelwertmessung“, · „für Sinusform“ und · „Effektivwertmessung bei Sinusform“. Manchmal wird die Angabe weggelassen, was irreführend sein kann und darum bedenklich ist. Solche Geräte sind in Anlagen mit Oberschwingungen unbrauchbar! Die Angabe „RMS“ (englisch root mean square) für Effektivwert bezeichnet Geräte, die den Effektivwert von Wechselspannungen und -strömen auch mit Oberschwingungen richtig anzeigen, jedoch überlagerte Gleichspannungen bzw. -ströme nicht berücksichtigen. Die Geräte mit der Angabe · „Echt-Effektivwertmessung“, · „Echt-Effektivwert“, · „TRMS“ (true root mean square) oder · „True RMS“ messen den Effektivwert auch von Wechselspannungen und -strömen mit Oberschwingungen sowie mit überlagerten Gleichspannungen bzw. -strömen richtig. Zu den Geräten mit RMS und TRMS nennen manche Hersteller auch folgende Größen: · Scheitelfaktor FS, bis zu dem die Messung an der oberen Grenze des Messbereichs genau ist. Er soll mindestens 3 betragen [7]. · Frequenzbereich. Er soll sich mindestens bis zur 50. Ordnung, d. h. bis zu 2500 Hz, erstrecken [7]. 4.3 Über Stromwandler angeschlossene digital anzeigende Messgeräte Das vorstehend unter 4.2 Gesagte gilt auch für die Strommessung bei Anschluss über einen Stromwandler. Allerdings können transformatorische Stromwandler (einschließlich solcher Zangen-Stromwandler) und flexible Stromwandler (Rogowski-Spulen) keinen Gleichstrom übertragen. Wenn ein überlagerter Gleichstrom auftritt und mit erfasst werden soll, sind nur Stromwandler (auch Zangen-Stromwandler) geeignet, die nach dem Prinzip des Halleffekts funktionieren und dadurch auch den Gleichstrom übertragen können. 4.4 Zangen-Strommesser Sie vereinigen einen Zangen-Stromwandler und das eigentliche Messgerät in sich. Für die analog anzeigenden gilt das im Abschn. 4.1 über die Messinstrumente Gesagte. Für die digital anzeigenden treffen die Aussagen des Abschn. 4.2 zu. Geräte für Echt-Effektivwertmessung (TRMS = True RMS), die auch überlagerten Gleichstrom erfassen, besitzen einen Zangen-Stromwandler, der auf dem Halleffekt beruht. 4.5 Oberschwingungsanalyse Die Oberschwingungsanalyse besteht hauptsächlich in der Messung der Oberschwingungsspannungen und -ströme, sowohl insgesamt als auch getrennt für jede Ordnung, sowie in der Ermittlung der Scheitelfaktoren. Sie ermöglicht es u. a., die Qualität der Netzspannung und die Belastungsverhältnisse zu beurteilen. Daraus können wichtige Schlussfolgerungen für erforderliche Maßnahmen FF = = /( ) , 2 2 1 1107 I i dt T FS = = 2 1 4142 I i dt T Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 3 226 FÜR DIE PRAXIS Installationstechnik 1) Durch das Quadrieren spielen die Vorzeichenunterschiede der beiden Halbwellen keine Rolle. 2) Der Betrag wird eingesetzt, damit die Vorzeichenunterschiede der beiden Halbwellen keine Rolle spielen. und für Planungen gezogen werden. Das ist besonders dann wichtig, wenn der Anschluss von Blindstromkompensations-Kondensatoren oder anderer oberschwingungsempfindlicher Betriebsmittel vorgesehen ist. Dafür werden Oberschwingungsanalyse-Zangen, Oberschwingungsanalysatoren und Netzanalysatoren benutzt. Die meisten dieser Geräte haben auch registrierende Funktion. Maßnahmen gegen das Entstehen von Oberschwingungen Am besten ist es natürlich, wenn schon das Entstehen von Oberschwingungen so weit wie möglich vermieden wird. Diesbezügliche Bemühungen sind jedoch leider wenig Erfolg versprechend, weil der allgemeine Trend gegenläufig ist. Dieser ist zum Teil technisch begründet. In hohem Maße sind aber auch finanzielle Gründe beteiligt. Oftmals werden kurzsichtig nur die Anschaffungskosten der Verbrauchsmittel beachtet. Das hat schon die nachteilige Auswirkung, dass die Betriebsmittel für die Energieübertragung (z. B. Transformator, Schalter, Kabel, Leitungen) stärker dimensioniert werden müssen und/oder der Einsatz von Oberschwingungsfiltern erforderlich wird. Auf die Dauer zahlt sich das meist nicht aus, zumal die Energieverluste größer sind und Störungen auftreten können. Die Planer sollten die technischen und finanziellen Gesichtspunkte unter Berücksichtigung des Vorstehenden abwägen, die Kunden entsprechend beraten und demgemäss projektieren. Nachstehend werden einige Anregungen für Maßnahmen gegen das Entstehen von - Oberschwingungen gegeben, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. 5.1 Dimmer Im privaten Bereich etwas gegen Dimmer zu unternehmen, ist wohl ein hoffnungsloses Vorhaben. In öffentlichen Einrichtungen lässt sich jedoch schon allerhand tun. In Zuschauersälen muss die Beleuchtung allmählich herunter- und hochgefahren werden. Dimmer sollten dafür nur dann verwendet werden, wenn sie immer nur kurzzeitig wirken und nicht auf Zwischenstellungen verbleiben müssen. Eine Minimalbeleuchtung kann unabhängig vom Dimmer geschaltet werden. Für die Steuerung von Bühnenbeleuchtungen werden besser die altbewährten Spar-Stelltransformatoren verwendet. In Räumen des nicht privaten Bereichs sollte eine Änderung der Beleuchtungsstärke durch getrenntes Schalten der Leuchten erfolgen. 5.2 Steuerbare Umrichter für die Drehzahlsteuerung Wo die Drehzahlsteuerung nicht unbedingt stufenlos sein muss, können polumschaltbare Motoren eingesetzt werden. Solche sind vor allem mit getrennten Wicklungen und den Polzahlverhältnissen 1/2, 1/4 und 1/2/8 üblich. 5.3 Gleichrichter von USV-Anlagen Der Anschluss von Computern an USV-Anlagen dient nicht nur der Versorgungszuverlässigkeit und Datensicherung, sondern auch der Reduzierung von Oberschwingungsströmen. Den Gleichrichtern der USV-Anlagen sollten immer Transformatoren vorgeschaltet werden. Sind diese einphasig, so ist es vorteilhaft, ihre Primärwicklung für 400 V zu bemessen und an zwei Außenleiter anzuschließen, damit der Neutralleiter unbelastet bleibt. Noch besser sind Drehstromtransformatoren ohne primärseitigen Neutralleiteranschluss. Am besten ist eine zwölfpulsige Gleichrichterbrücke an einem Transformator mit Sekundärwicklungen in Dreieck- und Sternschaltung nach Bild . Sie verursacht wesentlich weniger Oberschwingungsströme als eine sechspulsige Brücke, wie ein Vergleich im Bild zeigt [6]. Maßnahmen zur Reduzierung von Oberschwingungen Oberschwingungen können mit mehr oder weniger aufwändigen Maßnahmen reduziert werden. Auf die bedeutendsten wird nachstehend kurz eingegangen. 6.1 Oberschwingungsfilter Man unterscheidet zwei Grundarten passiver Filter, ferner Aktivfilter. Sperrkreisfilter beruhen auf dem Prinzip des Parallelresonanzkreises, der auf eine bestimmte Oberschwingung, meist der 3. Ordnung, abgestimmt ist. Sie werden in die Leitung eingefügt und sperren die Oberschwingungsströme der betreffenden Ordnung weitgehend. Sie dürfen nicht in den PEN-Leiter vom Netz zur USV-Anlage Zwölfpulsige Gleichrichterbrücke eingefügt werden [8]! Als schädliche Nebenwirkung erhöhen sie die Oberschwingungsspannung der betreffenden Frequenz, was von manchen Betriebsmitteln nicht vertragen wird [3][6][8]. Saugkreisfilter sind auf eine bestimmte Oberschwingung abgestimmte Reihenresonanzkreise. Sie werden in Parallelschaltung an die Leitung angeschlossen, saugen Oberschwingungsströme der betreffenden Frequenz ab und reduzieren dadurch die Oberschwingungsspannungen. Nachteilig ist, dass sie auch Oberschwingungsströme aus fremden Anlagen führen können [4]. Das wird verhindert, wenn Sperrkreis- und Saugkreisfilter gemeinsam eingesetzt werden. Ansonsten gebührt den Saugkreisfiltern der Vorrang. Aktivfilter werden parallel angeschlossen, können Oberschwingungsspannungen eines großen Frequenzbereichs beseitigen und passen sich dem Bedarf an [6][9][10]. Sie sind teuer und erzeugen Geräusche. Näheres erfährt man u. a. von den Herstellern. 6.2 Anlagenentflechtung Die im Abschn. 3.5 beschriebenen Auswirkungen können evtl. dadurch reduziert werden, dass die Verursacher von Oberschwingungsströmen und die gegen Oberschwingungsspannungen empfindlichen Betriebsmittel an getrennte Zuleitungen angeschlossen werden, die möglichst nahe der Stromquelle ihren gemeinsamen Ursprung (z. B. Verteiler) haben. In die Zuleitung der Verursacher können zudem Filter nach Abschn. 6.1 eingebaut werden, bei Bedarf (im krassen Fall) sogar ein Transformator mit der Schaltgruppe Dy5 [6]. Bemessung und Überstromschutz der Anlagen 7.1 Ermittlung der Oberschwingungen Vor der Planung einer Anlage ist eine Prognose der Oberschwingungsströme erforderlich. Am besten sind Messungen einschl. Oberschwingungsanalyse an einer bestehenden Anlage mit gleicher oder proportionaler Bestückung. Wenn sie nicht möglich sind, müssen die Oberschwingungsströme der fest zu installierenden und der an Steckdosen anzuschließenden Betriebsmittel einzeln ermittelt und für jede Ordnung getrennt summiert werden. Zudem muss der zu erwartende Zuwachs berücksichtigt werden. 7.2 Schalter und Außenleiter Bemessung und Überstromschutz sollten unter Berücksichtigung der Abschnitte 3.1, 3.2 und 7.1 dieses Beitrags erfolgen. Wenn erhebliche Oberschwingungsströme im Neutralleiter auftreten oder erwartet werden, müssen dabei vier belastete Adern zu Grunde gelegt werden. Auf die Reduzierung der Oberschwingungsströme durch Filter sollte man sich nicht unbedingt verlassen, diese können ausfallen. 7.3 Neutralleiter in dreiphasigen Anlagen und Stromkreisen Wegen der Belastung durch Oberschwingungsströme kommt ein reduzierter Querschnitt des Neutralleiters (oder PEN-Leiters) überhaupt nicht in Frage [2]. Im Gegenteil, dieser müsste mitunter sogar stärker als die Außenleiter dimensioniert sein. Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Strom im Neutralleiter (oder PEN-Leiter) die Ströme in den Außenleitern übersteigt, sollten Maßnahmen nach Abschn. 5 durchgeführt werden. Falls diese nicht ausreichen, muss ohne Erhöhung des Nennstroms der Überstrom-Schutzeinrichtung die Leitung insgesamt stärker dimensioniert werden, und zwar unter Zugrundelegung von vier belasteten Adern. 7.4 Transformator Der Transformator muss unter Beachtung des Abschn. 3.4 bemessen werden. Im Hinblick auf das allgemein starke Auftreten von Oberschwingungsströmen mit durch drei teilbaren Ordnungszahlen gewinnen verstärkt ausgeführte Primärwicklungen der Transformatoren in der Schaltgruppe Dy5 an Bedeutung. 7.5 Kondensatoren Wegen der Oberschwingungsspannungen werden Blindstromkompensations-Kondensatoren mit vorgeschalteten Drosselspulen versehen („verdrosselt“), was auch die Einschaltstromspitzen reduziert. Die Kondensatoren und Drosseln werden so bemessen, dass weder bei der Grundschwingung noch bei einer der Oberschwingungen eine Reihenresonanz mit dem induktiven Widerstand der Anlage einschließlich des Transformators möglich ist. Nebenbei bemerkt: Die Resonanzen müssen auch bei den Frequenzen von Rundsteuersignalen vermieden werden [10]. 7.6 Bestehende Anlagen Viele bestehende Anlagen sind überlastet, weil sie zu Zeiten geplant und errichtet wurden, als die Oberschwingungsströme noch viel geringer waren. Die Leitungen werden von den Überstrom-Schutzeinrichtungen nicht ausreichend geschützt, weil diese den Oberschwingungsstrom im Neutral- bzw. PEN-Leiter nicht berücksichtigen. Es müssen die Effektivwerte der Ströme in allen Leitern einschl. der Neutral- und PEN-Leiter gemessen werden. Dazu kann man mit Recht sagen: „Leicht gefordert, aber schwer ausgeführt“, weil die Anlagen evtl. zum Anschließen der Messmittel vorübergehend außer Betrieb gesetzt werden müssen. Aber was hilft's? Bei Unterlassung droht Brandgefahr! Evtl. kann die Außentemperatur von Leitungen nach längerer Belastung durch Anfassen grob geschätzt werden. Wenn sich eine Überlastung herausstellt, kann vielleicht durch Maßnahmen nach den Abschnitten 5 und 6 Abhilfe geschaffen werden. Sonst ist eine Verstärkung der Anlage erforderlich. Auf jeden Fall müssen Leitungen mit reduziertem Querschnitt des Neutral- oder PEN-Leiters ausgewechselt werden. Literatur [1] Fassbinder, S.: Netzbelastung durch Oberschwingungen. Sonderdruck Nr. s. 182 - 4/98. Deutsches Kupferinstitut (DKI), 40474 Düsseldorf. [2] Hering, E.: Nachteile von Dreieinhalb-Leiter-Kabeln. Elektropraktiker, Berlin 52(1998)6, S. 547-549. [3] Fassbinder, S.: Wir müssen draußen bleiben! Zutritt nur mit 50 Hz! e-Motion, München (1999) 1, S. 32-34. [4] Fassbinder, S.: Wechselwirkungen von Blindstrom-Kompensationsanlagen mit Oberschwingungen. Sonderdruck Nr. s. 185 - 2/2000 3, S. 32-35. [5] Fassbinder, S.: Netzstörungen durch passive und aktive Bauelemente. Berlin/Offenbach: VDE-Verlag 2002. [6] Chapman, D.: Leitfaden Netzqualität; Teil 3.1: Oberschwingungen - Ursachen und Auswirkungen. Düsseldorf: Deutsches Kupferinstitut 2002. [7] West, K.: - ; Teil 3.2.2: Oberschwingungen - Echt effektiv, die einzig wahre Messung. Düsseldorf: Deutsches Kupferinstitut 2002. [8] Hering, E.: Filter zur Reduzierung der 3. Stromoberschwingung. Elektropraktiker, Berlin 55 (2001)7, S. 562-564. [9] Mall, H.G.; Jacobs, J.: Aktives Netzfilter der zweiten Generation. etz 123 (2002)7-8. Sonderdruck der Fa. Frako Gmb H in 79331 Teningen. [10] Netzharmonische verdrosselte Kompensationsanlagen und aktive Leitungsfilter. Druckschrift der Fa. KBR Gmb H in 91126 Schwabach. Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 3 228 FÜR DIE PRAXIS Installationstechnik 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 1 3 5 7 9 11 13 15 17 Ordnungszahl 1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 Ordnungszahl 3 5 7 9 1113 15 17 19 21 23 Typische Verhältnisse der Oberschwingungsströme zum Grundschwingungsstrom nach [6] bei einer sechspulsigen Gleichrichterbrücke (links) und einer zwölfpulsigen Gleichrichterbrücke (rechts)
Autor
- E. Hering
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