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Abschied von der Glühlampe bringt höhere Netzbelastung
ep6/2009, 3 Seiten
Abschied von der Glühlampe Der Verkauf von herkömmlichen Glühlampen soll in der EU voraussichtlich ab Mitte 2009 schrittweise verboten werden. Die neuen Vorgaben orientieren sich an der Energieeffizienz und der Wattangabe. Die Europäische Kommission will diese nach und nach verschärfen, so dass die klassische Glühlampe gegen 2015 vom europäischen Markt verschwunden ist. In Australien wurde bereits im vergangenen Jahr die Verwendung von Glühlampen verboten und auch in Neuseeland und einigen Teilen der USA sind die Tage dieses Leuchmittels gezählt. Als Ersatz kommen nun in größerem Maßstab Energiesparlampen und LED-Beleuchtungen zum Einsatz. Energiesparlampen und LED-Leuchten benötigen zu ihrem Betrieb ein Vorschaltgerät, um die netzseitige Wechselspannung in die zum Betrieb benötigte Gleichspannung umzuwandeln. Wenn die Leistungsaufnahme einer handelsüblichen Energiesparlampe genauer analysiert wird, tauchen einige Effekte auf, welche sich nicht so einfach erklären lassen und für Energieversorgungsnetze alles andere als positive Auswirkungen haben. Messungen an einer Energiesparlampe Gemessen wurde eine Standard-Energiesparlampe eines namhaften Herstellers mit einer Leistungsangabe von 12 W (entspricht der Beleuchtungsstärke einer 60 W Glühlampe). Messergebnisse: Effektivwert Strom = 290 mA Effektivwert Spannung = 232 V cos 1 = 0,93 (Kapazitiv) Würde hier die Leistungsaufnahme der Lampe mit der Standardformel P = U · I · cos 1 bestimmt werden, bekäme man ein falsches Ergebnis für die Wirkleistung, nämlich P = 62,57 W. Besonderheiten der Leistungsermittlung Der Strom dieser Leuchte ist, bedingt durch den Kondensator im Vorschaltgerät, der Spannung um 21° leicht voreilend (Bild ). Der Verbraucher ist für das Netz eine kapazitive Last, was typisch ist für diese Art von Verbraucher. Wird die nicht sinusförmige Stromkurve in die einzelnen Frequenzanteile über eine Fouriertransformation zerlegt, so erkennt man, wie in Bild zu sehen, ein sehr langsam abfallendes Spektrum von ungeradzahligen Harmonischen (Vielfachen der Grundschwingung von 50 Hz). Die geometrische Summe aller Strom-Oberwellenanteile in Bezug auf den Grundfrequenzstrom bis einschließlich zur 40. Oberschwingung (bis 2 kHz) wird als THDi-Wert (Total Harmonic Distortion) bezeichnet. Der Verzerrungsfaktor THD des Stromes beträgt bei diesem Verbraucher 375 %. Da die Stromkurve sehr stark von einem Sinus abweicht, muss in diesem Fall zur Korrektur eine neue Komponente mit einbezogen werden, die Strom-Verzerrungsblindleistung D. In diesem Zusammenhang ist zum besseren Verständnis zunächst eine kurze Beschäftigung mit den theoretischen Grundlagen der Leistungsermittlung bei nicht sinusförmigen Größen sinnvoll. 3.1 Theoretische Grundlagen In Verbindung mit dem Thema Netzrückwirkungen in elektronischen Schaltungen spielt der Leistungsfaktor (power factor PF) eine besondere Rolle. Als Leistungsfaktor, Wirkleistungsfaktor oder auch Wirkfaktor wird in der Elektrotechnik das Verhältnis von Wirkleistung P zur Scheinleistung S bezeichnet. Das Verhältnis wird in folgender Formel ausgedrückt: Der Leistungsfaktor kann zwischen 0 und 1 liegen. In Stromversorgungsnetzen wird zur IPI THDi = =2 Elektropraktiker, Berlin 63 (2009) 6 476 FÜR DIE PRAXIS Energieversorgung Abschied von der Glühlampe bringt höhere Netzbelastung J. Blum, Nürnberg Energiesparlampen und LED-Leuchten benötigen zu ihrem Betrieb ein Vorschaltgerät. Wenn die Leistungsaufnahme einer Energiesparlampe genauer analysiert wird, tauchen Effekte auf, welche sich nicht so einfach erklären lassen und für Energieversorgungsnetze alles andere als positive Auswirkungen haben. Im Zusammenhang mit den auftretenden Stromoberschwingungen muss insbesondere die Verzerrungsblindleistung (oder auch Oberschwingungsblindleistung) berücksichtigt werden. Die Zusammenhänge werden am Beispiel einer Energiesparlampe (12 W) näher erläutert. Autor Jürgen Blum ist Produktmanager im Bereich Netzqualität bei der A-Eberle Gmb H & Co. KG, Nürnberg. Oszilloskopbild von Strom und Spannung Rot: Spannung L1-N; Blau: Strom L1 (Netzanalysator PQ-Box 100) Vermeidung von Übertragungsverlusten ein möglichst hoher Leistungsfaktor angestrebt. Im Idealfall beträgt er 1. Energieversorgungsunternehmen schreiben für Ihre Kunden häufig einen Leistungsfaktor von mindestens 0,9 vor. Als Wirkleistung P wird der arithmetische Mittelwert der Leistungsfunktion benannt: Die Scheinleistung S ist dabei der Spitzenwert der Leistungsfunktion und entspricht dem Produkt vom Gesamtspannungseffektivwert U mit dem Stromeffektivwert I: Die anstelle des Leistungsfaktors traditionell verwendete Messgröße „cos “ (Verschiebungsfaktor) resultiert aus der Phasenverschiebung der Grundschwingung der Spannung zur Grundschwingung des Stromes. In herkömmlichen Messumformern wird diese bedeutend einfacher zu realisierende Messung der Phasenverschiebung verwendet. Die entsprechenden Umformer geben in aller Regel ein dem Winkel linear proportionales Ausgangssignal ab. Die gewünschte Cosinus-Funktion wird auf den Skalen der Analoganzeigegeräte durch eine entsprechende unlineare Skaleneinteilung realisiert (Skalenverlauf proportional der Cosinus-Kurve z. B. 0,5 kapazitiv...0...0,5 induktiv). Nur bei exakt sinusförmigen Strömen und Spannungen ist der Leistungsfaktor gleich dem Cosinus des Phasenwinkels 1 und es gilt: Wirkleistung: Leistungsfaktor: 3.2 Strom-Verzerrungsblindleistung Die Verzerrungsblindleistung oder auch Oberschwingungsblindleistung genannt beschreibt eine spezielle Form der Blindarbeit, die in Wechsel- bzw. Drehstromnetzen durch nichtlineare Verbraucher wie Gleichrichter in Netzteilen, Wechselrichter oder auch magnetische Bauteile, welche Sättigungserscheinungen zeigen, verursacht wird. Dieser nichtsinusförmige Strom ist als Summe von Oberschwingungsströmen darstellbar. Die Oberschwingungen des Stromes in Kombination mit der Netzspannung ergeben Blindleistungsanteile, die als Verzerrungsblindleistung bezeichnet werden. Das Produkt aus der Spannung mit allen Oberschwingungsströmen bildet somit die Strom-Verzerrungsblindleistung D (in dieser Definition werden die Spannungsharmonischen vernachlässigt, da diese in der Regel wesentlich kleiner sind als die Anteile der Stromharmonischen): oder: Die Wirkleistung P ist jene Leistung, die an einem Verbraucher tatsächlich Leistung erbringt, beispielsweise die Drehbewegung eines Elektromotors. Die Grundschwingungsblindleistung Q50 ist eine Leistungskomponente, die infolge der Energiespeicherung in den induktiven oder kapazitiven Anteilen der Verbraucher periodisch zwischen Erzeuger und Verbraucher hin- und herpendelt. Bei Stromoberschwingungen im Netz kommt nun die dritte Komponente, die Verzerrungsblindleistung D hinzu, welche die Blindleistung in den Oberschwingungen darstellt (Bild ). Das Produkt aus zwei reinen Sinusschwingungen mit unterschiedlicher Ordnungszahl ergibt über eine Sinusperiode (20 ms bei 50 Hz) immer Null. Das Bild zeigt die Entstehung der Verzerrungsblindleistung anhand der 3. Harmonischen (150 Hz Strom). Spannungs- und Stromoberschwingungen verschiedener Frequenz ergeben während einer Periode keine mittlere Leistung, somit auch keine Wirkleistung. Die Wirkleistung wird nur aus den Strom- und Spannungsanteilen gleicher Frequenz gebildet. Damit ergibt sich für den Leistungsfaktor: 3.3 Berechnungsergebnisse Zurück zu unserem Beispiel der 12 W Energiesparlampe. Bei einem relativ guten cos 1 bei diesem Verbraucher von 0,93 liegt der Leistungsfaktor bei einem sehr schlechten Wert von = 0,198. Erklärung: Da die Stromharmonischen hier einen sehr großen Anteil am Stromeffektivwert haben, ergibt sich eine große Verzerrungsblindleistung. Diese erhöht die Gesamtblindleistung des Verbrauches, was wiederum zu einer großen Scheinleistung führt. Folgende Leistungswerte wurden an der Energiesparlampe ermittelt: Wirkleistung P = 13 W Scheinleistung S = 67,3 VA Blindleistung Q = 66 VAr Strom-Verzerrungsblindleistung D = 56 VAr 232 V 62 mA 0,93 232 V 290 mA U I1 cos1 U I = cos P = U I cos S = U I P = u(t)i(t)dt D = Q -Q50 = S - P -Q50 D = U I =2 Elektropraktiker, Berlin 63 (2009) 6 477 Energieversorgung FÜR DIE PRAXIS S50 P50 Q50 D Q FFT-Analyse der Stromkurve; DC bis 5000 Hz (Netzanalysator PQ-Box 100) - der Grundschwingungsstrom beträgt nur 62 mA bei einem Gesamteffektivwert von 290 mA Wirk-, Blind-, Schein-, sowie Verzerrungsblindleistung in einer dreidimensionalen Darstellung Elektropraktiker, Berlin 63 (2009) 6 478 FÜR DIE PRAXIS Energieversorgung Fazit Energieversorgungsnetze (Generatoren, Transformatoren und Kabel) müssen Scheinleistung erzeugen und liefern. Würden nun alle Haushalte die 60 W Glühlampen durch diese 12 W Energiesparlampen ersetzen, bedeutete dieses für das Netz sogar eine leichte Erhöhung der Leistungsaufnahme, denn alle Komponenten im Netz müssten dann diesen Strom übertragen. In unserem Beispiel würde eine 60 W Glühlampe durch eine Energiesparlampe mit einer Scheinleistung von 67,3 VA ersetzt werden. Hinzu kommen natürlich noch viele unerwünschte Netzrückwirkungen, welche sich durch die Stromoberschwingungen im Energienetz ergeben: · Stromüberhöhung im Neutralleiter von Netzen durch die Addition aller durch 3 teilbaren Harmonischen; · Erhöhung des Spannungsabfalls aller Leitungen und Transformatoren durch Vergrößerung der Impedanz; · Kondensatoren und Kompensationsanlagen werden überlastet und die Lebensdauer wird verkürzt. Die Netzimpedanz verringert sich mit steigender Ordnungszahl der Harmonischen; · Akustische Störungen in Geräten und Transformatoren; · in Drehfeldmotoren verursachen Spannungsharmonische ein Drehfeld in die Gegenrichtung und erzeugen zusätzliche Verluste. Die Rückwirkungen von Fernsehgeräten und anderen Brückengleichrichtern aus der Niederspannung können beispielsweise in einem ländlichen 20 kV-Ortsnetz (Bild ) und selbst noch in den Höchstspannungsnetzen (400 kV) erkannt werden. Deutlich treten im Beispiel des ländlichen 20 kV-Netzes die höchsten Pegel täglich zwischen 19:00 Uhr und 23:00 Uhr auf. Dies entspricht genau den Zeiträumen, in denen die meisten Fernsehgeräte in diesem Netz laufen. Spitzenwerte werden am Wochenende am Samstag und Sonntag erreicht, genau dann, wenn das Netz die geringste Last fährt. Der für das öffentliche Mittelspannungsnetz gültige Verträglichkeitspegel der Norm EN 50160 in Höhe von 6 % wird in diesem Beispiel zwar bei weitem nicht erreicht, aber in Ballungszentren können wesentlich größere Werte auftreten. Das Problem der Verbraucher tritt speziell dann auf, wenn viele identische Bauformen der verwendeten Gleichrichter in einem Netz gemeinsam betrieben werden, was zu einer Summierung der Oberschwingungsströme führt. Unsere Netze werden sich in der Zukunft also weiter verändern, da immer mehr ohmsche Lasten durch nichtlineare Lasten ersetzt werden. Immer wichtiger wird daher die Beachtung der Blindleistung und deren Zusammensetzung sowie die richtige Dimensionierung von Kabeln und Transformatoren. Zu beachten ist ebenfalls, dass jedes Netz auch einen Schwingkreis mit Kapazitäten und Induktivitäten darstellt - mit einer bestimmten Resonanzfrequenz. Der Schwingkreis wird heute noch gedämpft durch eine Vielzahl von ohmschen Lasten im Netz, welche aber immer weiter abgebaut werden. Mögliche Abhilfemaßnahmen für eine Verringerung der Verzerrungsblindleistung und deren Netzrückwirkungen wären die Installation von aktiven oder passiven Netzfiltern und Saugkreisen in die Netze. Als Abhilfe wäre auch denkbar, dass verschiedene Hersteller ihren Gleichrichter so steuern, dass innerhalb verschiedener Geräteserien gezielt gegenseitige Kompensationen stattfinden könnten. Wenn geeignete Vorgaben an die Hersteller formuliert würden, ließe sich dieses Problem elegant an der Quelle lösen. So könnten sich Energiesparlampen, Fernsehgeräte und Computernetzteile gegenseitig aufgrund unterschiedlicher Phasenlagen der Stromharmonischen kompensieren. Diese zunehmenden Veränderungen könnten außerdem in Zukunft für eine Umgestaltung der Preispolitik der Energieversorgungsunternehmen und der Netzbetreiber sorgen, wird doch bisher nur die Grundblindleistung für Industrie- und Gewerbekunden mit in Rechnung gestellt, aber nicht die Verzerrungsblindleistung. Die höheren Kosten für Verteilungs- und Umwandlungskomponenten der Energieversorgung dürften sich dann auch in den Stromkosten für private Verbraucher niederschlagen. 4 Entstehung der Verzerrungsblindleistung, Kurvenformdarstellung: Weiß: Spannung 50 Hz; Gelb: Strom 150 Hz; Grün/Rot: Leistung aus dem Produkt U 50 Hz und I 150 Die Abbildung zeigt die 5. Spannungs-Harmonische der Phasen L12, L23 und L31 (in % der Grundschwingung) über einen Zeitraum von einer Woche in einem ländlichen 20 kV-Ortsnetz Quelle: A-Eberle megacom ist ein deutscher Hersteller für Funkfinger kompatibel mit allen gängigen Schwesternrufanlagen ohne zusätzliche Installationskosten, zu einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis. Nähere Infos unter Telefon 04191 90850 oder www.megacom-gmbh.de Anzeige
Autor
- J. Blum
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