Messen und Prüfen
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Elektrotechnik
Messen von Wechselgrößen
ep3/2006, 4 Seiten
Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 3 Messtechnik FÜR DIE PRAXIS Messen mit konventionellen Wandlern Die in Anlagen der Energieversorgung dominierende Frequenz von 50 Hz und die weitestgehend sinusförmigen Zeitverläufe von Strömen und Spannungen ermöglichen nach wie vor den breiten Einsatz konventioneller Spannungs- und Stromwandler, die auf dem Wirkprinzip des Einphasen-Transformators beruhen (Bild ). Für Spannungswandler typisch sind niedrige Wicklungsströme, die mit geringen Spannungsabfällen an den Wicklungswiderständen einhergehen. Die induzierte Spannung ist praktisch gleich der Klemmenspannung. Konventionelle Spannungswandler besitzen üblicherweise Genauigkeitsklasen zwischen 0,1 und 3, zu deren Einhaltung das Realisieren einer so genannten Nennbürde, meist 30...300 VA, erforderlich ist. Typisch für konventionelle Stromwandler ist der primärseitige Betrieb mit eingeprägtem Strom bei sekundärseitigem praktischen Kurzschluss durch den angeschlossenen Strommesser. Zum Antreiben des Sekundärstromes ist folglich nur eine geringe induzierte Spannung notwendig, was gleichbedeutend mit geringem magnetischen Fluss im Eisenkreis ist. Bei beiden konventionellen Wandlerarten treten im praktischen Betrieb unvermeidliche Eisenverluste auf. Daraus resultiert eine gewisse Phasenverschiebung zwischen Primär- und Sekundärgrößen, üblicherweise als Fehlwinkel bezeichnet. Für eine Spannungs- oder Strommessung ist ein solcher Fehlwinkel ohne Bedeutung, bei Leistungs- und Phasenwinkelmessungen ist seine Beachtung häufig unverzichtbar. 1.1 Öffnen des Messkreises Unter Beachtung möglicher hoher Berührungsspannungen ist bei konventionellen Spannungswandlern eine Öffnung des Messkreises im praktischen Betrieb ohne schädigende Folgen für den Wandler möglich. Bei konventionellen Stromwandlern ist dies nicht der Fall. Bei einer Unterbrechung des Sekundärstromkreises tritt eine sehr hohe primärseitige magnetische Durchflutung auf, was einer Aussteuerung des Eisenkreises bis weit in die Sättigung entspricht. Folge davon ist, dass die Eichung des Wandlers infolge Verschiebung der wirksamen Magnetisierungskennlinie nicht mehr gegeben ist. Das gilt auch bei nur kurzzeitigen Unterbrechungen. Von Bedeutung ist des Weiteren, dass ein sekundärseitig aufgetrennter Stromwandler wie eine Drosselspule im Primärkreis wirkt, was je nach konkreten Gegebenheiten negative Auswirkungen im Primärstromkreis haben kann. Zu beachten ist auch, dass eine Gefährdung des Wandlers infolge Überhitzung durch stark ansteigende Eisenverluste eintreten kann. Am kritischsten ist jedoch die Induktion hoher Sekundärspannungen, woraus eine akute Gefährdung für Personen resultiert. Aus diesen Problemen ergeben sich nachfolgend aufgeführte Handhabungsvorschriften für konventionelle Stromwandler. · Bei einem Wechsel des Strommessers Primärstromkreis vorher abschalten oder den Wandler vorher kurzschließen. · Keinerlei Sicherungen im sekundären Wandlerstromkreis anordnen. · Zur Sicherung der Genauigkeitsklasse oder Fehlergrenze die vom Hersteller angegebene Nennbürde einhalten. (Bei räumlicher Trennung von Wandler und Anzeigeinstrument Widerstände der Verbindungskabel in notwendigen Fällen berücksichtigen.) Messen von Wechselgrößen G. Graichen, Chemnitz Zur Überwachung und Kontrolle von Spannungen und Strömen in Einrichtungen der Energieversorgung, zur Bereitstellung von Istwerten zur Steuerung industrieller Prozesse sowie in vielen anderen Bereichen sind Messwandler ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtanlage. Aufgabe solcher Wandler ist neben der Messwerterfassung häufig eine Messbereichsanpassung und in vielen Fällen zusätzlich eine Potentialtrennung. Autor Dr. Ing. Günter Graichen ist freier Fachautor, Chemnitz. N1 N2 Messung von Wechselgrößen mit konventionellen Wandlern a) Spannungswandler b) Stromwandler EP-0306-203-206 16.02.2006 14:30 Uhr Seite 203 Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 3 204 FÜR DIE PRAXIS Messtechnik 1.2 Nicht sinusförmige Spannungen Konventionelle Strom- und Spannungswandler sind insbesondere in der Energieversorgungstechnik weit verbreitet. Ihre Einsatzmöglichkeiten sind jedoch sehr begrenzt oder überhaupt nicht mehr gegeben, wenn Gleich-, Mischgrößen oder impulsförmige Spannungen im praktischen Betrieb typisch sind. Als ein Beispiel dafür sei auf moderne Drehstromantriebe verwiesen, bei denen die Speisung der Maschine über einen Wechselrichter mit pulsweitenmodulierten impulsförmigen Spannungen erfolgt. Auf diese Weise kann die Maschine sowohl mit variabler Amplitude als auch mit variabler Frequenz der erzeugten Drehspannung gesteuert werden. Bild zeigt ein Schaltbeispiel für einen solchen Wechselrichter, bei dem IGBT mit Antiparalleldiode als elektronische Leistungsschalter eingesetzt sind. Weiterhin sind auf Bild Varianten der Stromerfassung im Wechselrichter aufgezeigt, die je nach konkreten Anforderungen in der Praxis üblich sind. Vor- und Nachteile dieser verschiedenen Möglichkeiten der Anordnung von Strommessgliedern im Wechselrichter sollen hier nicht diskutiert werden. Ebenso unbeachtet soll eine mögliche zusätzliche Einzelüberwachung der Leistungsschalter bleiben, die auf Überströme beziehungsweise Kurzschlüsse reagiert und den jeweiligen Schalter durch rechtzeitiges Abschalten vor Zerstörung schützt. Messen mit Kompensations-Messwandlern Zum Messen von Gleich- und vor allem Mischströmen, wie sie in leistungselektronischen Einrichtungen auftreten, gibt es so genannte Kompensations-Messwandler. Diese Wandler beruhen auf der bekannten Tatsache, dass stromdurchflossene Leiter von magnetischen Feldlinien umschlossen werden. Wirken diese ihrerseits als äußere Magnetfelder auf bestimmte stromdurchflossene meist Halbleitermaterialien ein, so treten in diesen die bekannten galvanomagnetischen Effekte Halleffekt und Widerstandseffekt auf. Mit Hilfe von Bild soll die Problematik in vereinfachter Art und Weise insoweit erläutert werden, wie es für das Verständnis des Betriebsverhaltens von Kompensations-Stromwandlern und damit für deren zweckdienlichen Einsatz bedeutsam ist. 2.1 Hall- und Widerstandseffekt Hall- und Widerstandseffekt basieren auf dem Grundgesetz der Elektrodynamik, wonach auf bewegte Ladungen im Magnetfeld eine Kraft, die sogenannte Lorentz-Kraft, wirkt. Auf Bild a sind Strombahnen und Äquipotentiallinien eines stromdurchflossenen Halbleiterplättchens ohne einwirkendes äußeres Magnetfeld dargestellt. Wirkt auf ein solches Halbleiterplättchen ein äußeres Magnetfeld mit einer senkrecht auf dem Plättchen „stehenden“ Normalkomponente Bn der magnetischen Induktion ein, so werden die bewegten Ladungsträger entsprechend Bild b abgelenkt, wobei sich sowohl die Strombahnen als auch die Äquipotentiallinien verschieben. Es ist zu erkennen, dass zwei gegenüber angeordnete Kontakte „Verbindung“ zu unterschiedlichen Äquipotentiallinien erhalten. Aus der Potentialdifferenz ergibt sich eine Spannung, die so genannte Hallspannung UH. Diese ist sowohl dem das Halbleiterplättchen durchfließenden meist als Steuerstrom bezeichneten Strom I als auch der Normalkomponente Bn eines äußeren Magnetfeldes direkt proportional. Bild verdeutlicht die Zusammenhänge am Beispiel eines Hallgenerators. Wie auf Bild b weiterhin erkennbar ist, entsteht nicht nur eine Hallspannung infolge des Halleffektes, sondern es tritt zugleich eine gewisse Verlängerung der Strombahnen ein. Hieraus folgt analog zur Längenabhängigkeit des elektrischen Widerstandes eines Leiters ein erhöhter Widerstand für den Strom I durch das Halbleiterplättchen (Widerstandseffekt). Der Widerstandseffekt könnte durch Einbringen von kurzschließenden metallischen Streifen, gleichbedeutend mit feststehenden Äquipotentiallinien oder -flächen, entsprechend Bild c stärker ausgeprägt werden. Praktisch umgesetzt wird diese Möglichkeit durch das Einbringen von metallisch leitenden nadelförmigen Einschlüssen in Halbleiterplättchen, die aus Verbundhalbleitern (III-V-Verbindungen) bestehen (Bild d). Solche Anordnungen finden als Feldplatten vielfältige praktische Anwendung. Bild zeigt die nichtlineare erwartungsgemäß symmetrische Abhängigkeit des Feldplatten-Widerstandes vom Betrag der Normalkomponente der magnetischen Induktion eines äußeren Feldes. Bild verdeutlicht die Abhängigkeit der Widerstandsänderung von der Richtung eines einwirkenden Feldes. U0+ U0+ U0+ Übliche Varianten der Stromerfassung in Wechselrichtern a) Summenstromerfassung zwischen dem Zwischenkreis und Wechselrichter b) Stromerfassung in Ausgangsleitungen c) Stromerfassung in den Brückenzweigen EP-0306-203-206 16.02.2006 14:30 Uhr Seite 204 2.2 Wandler mit Hallgenerator Der auf Bild gezeigte prinzipielle Aufbau eines Kompensations-Stromwandlers für Gleich- , Wechsel-, Impuls- und Mischströme arbeitet mit einem Hallgenerator nach Bild im Luftspalt eines Ferritkernes. Der zu messende Strom Im fließt in einer Leiterschleife (Bild ), in einer Primärwicklung mit der Windungszahl N1 oder auch in einer Stromschiene „durch“ den Ferritkern. Dabei wird in diesem entsprechend dem Durchflutungsgesetz eine magnetische Spannung erzeugt, die einen magnetischen Fluß antreibt. Dieser Fluss durchsetzt den im Luftspalt angeordneten Hallgenerator, der mit einem Konstantstrom betrieben wird. Die auf diesem Wege entstehende Hallspannung UH wird einer Verstärkeranordnung zugeführt. Deren Ausgangsstrom fließt über eine Kompensationswicklung mit der Windungszahl N2 und einen Messwiderstand RM. Im praktischen Betrieb des Wandlers stellt sich der Strom über die Kompensationswicklung so ein, dass die von diesem im Ferritkern hervorgerufene Gegendurchflutung das vom Messstrom Im verursachte Magnetfeld im Luftspalt vollständig kompensiert. Die Hallspannung und damit die Eingangsspannung der Verstärkeranordnung werden auf den Wert Null eingeregelt (vergl. Prinzip des virtuellen Kurzschlusses bei Operationsverstärkern im Verstärkerbetrieb). Der am Messwiderstand RM entstehende Spannungsabfall UM ist somit ein potentialgetrenntes formgetreues Abbild eines weitgehend beliebigen Zeitverlaufs des Meßstromes Im. Dieser Spannungsabfall kann auf vielfältige Art und Weise weiterverarbeitet werden wie beispielsweise bei der Stromregelung in leistungselektronischen Anordnungen. Zur Messbereichsanpassung der in ihrer prinzipiellen Wirkungsweise erläuterten Stromwandler (Bild ) gibt es übliche Übersetzungsverhältnisse: N1/N2 = 1/100, 1/500, 1/1000, 1/2000. Die weitere Möglichkeit der Messbereichsanpassung durch N1 dürfte in der Praxis nur begrenzt nutzbar sein. Unmöglich ist ein Verändern von N1 dann, wenn die Montage des Wandlers in verschienten induktivitätsarmen „Verdrahtungen“ erfolgt, wie beispielsweise in Wechselrichtern nach Bild . Dann kann nur noch durch geschickte Wahl des externen Messwiderstandes RM eine Anpassung des Messbereiches im gewünschten Sinne erreicht werden. Die Genauigkeit der beschriebenen Wandler ist unter anderem vom Magnetmaterial, Hallgenerator, Verstärker abhängig. Typisch sind Toleranzen von 1...3 % bei Bandbreiten auch größer 100 kHz. Auf die dynamischen Kenngrößen ist insbesondere dann zu achten, wenn impulsförmige Ströme auftreten können oder im Normalbetrieb üblich sind. Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 3 Verlauf der Strombahnen und der Äquipotentiallinien in einem Halbleiterplättchen (Vereinfachte Darstellung). a) ohne Magnetfeld b) mit Magnetfeld c) mit Magnetfeld und kurzschließenden metallisch leitenden Streifen d) mit Magnetfeld und metallisch leitenden nadelförmigen Einschlüssen Hallgenerator R(Bn) R(Bn =0) Typischer Verlauf des elektrischen Widerstandes einer Feldplatte in Abhängigkeit von der magnetischen Induktion EP-0306-203-206 16.02.2006 14:30 Uhr Seite 205 2.3 Magnetoresistive Wandler Die günstigen Betriebseigenschaften von Kompensations-Stromwandlern führten dazu, dass auch der Widerstandseffekt in so genannten magnetoresistiven Wandlern genutzt wurde (Bild ). Dabei lassen sich gegenüber Wandlern nach Bild deutlich erhöhte Empfindlichkeiten (bis etwa Faktor 20) erreichen. Die Unabhängigkeit der Widerstandsänderung vom Vorzeichen des einwirkenden Magnetfeldes und die auftretenden Nichtlinearitäten (Bild und ) sind Probleme, die durch spezielle technologische Maßnahmen gut beherrschbar sind. Wie aus Bild ersichtlich, beinhaltet ein üblicherweise in Dünnschichttechnik hergestellter Sensorchip eine komplette Wheatstone-Brücke mit vier Sensor-Widerständen und die notwendigen Kompensationsleiter. Der Messstrom wird durch einen massiven U-förmigen Leiter über die Sensorwiderstände geführt, beispielsweise in der Reihenfolge MR3-MR1-MR2-MR4 oder umgekehrt (nicht dargestellt). Das vom Messstrom erzeugte Magnetfeld bewirkt eine Diagonalspannung in der Wheatstone-Brücke, die die Verstärkeranordnung so steuert, dass mit dem über die Kompensationsleiter KL1 und KL2 sowie den Strommesswiderstand RM geführten Ausgangsstrom IKL eine Kompensation des vom Messstrom verursachten Magnetfeldes erfolgt ( verg. auch hier Prinzip virtueller Kurzschluss von OPV im Verstärkerbetrieb). Dabei erlaubt die räumliche Nähe der Kompensationsleiter zu den Sensorwiderständen eine Kompensation mit vergleichsweise geringen Strömen. Durch den speziellen Kompensationsvorgang wird ein Betrieb des Wandlers in einem definierten Arbeitspunkt gewährleistet, wodurch eine gute Linearität erreicht wird. Der Kompensationsstrom und damit die Spannung am Messwiderstand RM sind folglich ein formgetreues Abbild der Zeitfunktion des Messstromes. Potentialtrennung ist gegeben. Mit magnetoresistiven Stromwandlern sind Strom-Messbereiche von 1 mA bis zu 1 kA durch angepasste Realisierungsvarianten für eine praktische Anwendung verfügbar. 2.4 Praktischer Einsatz Anwendungsgebiete beider Arten von Kompensations-Stromwandlern sind vor allem leistungselektronische Einrichtungen wie beispielsweise Stromrichter. Damit ist ein Einsatz in vielfältigen industriellen Anlagen, von Schaltnetzteilen, USV, Antrieben verschiedenster Art und Schutzeinrichtungen möglich. Vergleichsweise günstigere dynamische Eigenschaften bei geringeren Baugrößen und niedrigeren Kosten lassen für magnetoresistive Wandler weitere Einsatzfelder in der Stromversorgungstechnik, beispielsweise Photovoltaik, Batteriemanagement erwarten. Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 3 FÜR DIE PRAXIS Messtechnik -90° -60° -30° 0 30° 60° 90° R(B) ------- R(B = 0) Typische Abhängigkeit der Widerstandsänderung von Feldplatten von der Richtung des Magnetfeldes Eisenkreis mit Luftspalt Kompensationswicklung Hallsonde Verstärkeranordnung UM = RM · --- · Im Funktionsprinzip eines Halleffekt-Stromwandlers U0+ U0- - Verstärkeranordnung KL1 KL2 MR1 MR3 MR2 MR4 IKL RM UM Funktionsprinzip eines magnetoresistiven Stromwandlers EP-0306-203-206 16.02.2006 14:30 Uhr Seite 206
Autor
- G. Graichen
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