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Liquidität im Handwerksbetrieb

ep9/2002, 2 Seiten

Die Verfügbarkeit finanzieller Mittel ist natürlich auch im Handwerksunternehmen die existentielle Basis für jegliche Geschäftsaktivität. Im Folgenden werden Sicherung und Fortbestand dieser Grundlage unternehmerischen Handelns diskutiert.


Was bedeutet Liquidität? Unter Liquidität versteht man die Fähigkeit eines Unternehmens, seinen finanziellen Verpflichtungen zum fälligen Termin ohne Störung des Betriebsablaufes nachkommen zu können. Von einem liquiden Unternehmen spricht man daher dann, wenn zum Zeitpunkt der Fälligkeit seiner Verbindlichkeiten die zur Abdeckung notwendigen finanziellen Mittel in entsprechender Höhe zur Verfügung stehen. Ursachen von Liquiditätsproblemen Fehlende Rentabilität Dass gute Gewinne es einem Unternehmen tendenziell leichter machen, die notwendigen Zahlungsmittel zur Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen bereitzustellen, leuchtet unmittelbar ein. Und so kann es auch nicht überraschen, dass bei auftretenden Zahlungsschwierigkeiten speziell die Kreditinstitute die Rentabilität ihrer Kunden kritisch unter die Lupe nehmen, um nicht Verluste zu finanzieren. Schlechte Zahlungsmoral Gehen die Zahlungen aus fälligen Abschlags- oder Schlussrechnungen nur zögerlich und verspätet ein, wird die Liquidität des Handwerksunternehmens unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen. Sicherheitseinbehalte Es gehört zum Tagesgeschäft eines Unternehmens der Elektrotechnik, für einen Teil der zu erbringenden Leistungen Sicherheitseinbehalte vertraglich vereinbaren zu müssen. Das bedeutet, dass der Auftraggeber einen bestimmten Prozentsatz, meist fünf oder zehn Prozent der Auftragssumme, als sogenannten Sicherheitseinbehalt zurückhält. Dieser Betrag dient dem Auftraggeber zur zusätzlichen Sicherstellung, dass das Handwerksunternehmen seinen vertraglichen Verpflichtungen auch nachkommt. In der Regel hat der Betrieb die Möglichkeit, diese Sicherheitseinbehalte in Form von Bürgschaften abzulösen, um doch in den Genuss der vollen Auftragssumme zu kommen. So kann der primäre Effekt der Liquiditätsverschlechterung vermieden werden. Wird dann aber das in Anspruch genommene Bürgschaftsvolumen ganz oder auch nur teilweise auf den Kreditrahmen angerechnet, sind die Finanzierungsmöglichkeiten über die Bank u.U. empfindlich beschnitten. Forderungsausfälle Grundsätzlich bedeuten Forderungsausfälle verlorenes Geld. Sie verschlechtern die eigene Zahlungsfähigkeit des Unternehmens dramatisch und werfen schwach kapitalisierte Betriebe finanziell um Längen zurück, so dass die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet wird oder sogar verloren geht. Statistisch gesehen ist fast jeder dritte Konkurs im Mittelstand ein unverschuldeter Folgekonkurs durch Zahlungsausfall des Kunden. Damit soll nicht von den hausgemachten Ursachen der Insolvenzen abgelenkt, aber doch die Bedeutung dieses Risikofaktors herausgestellt werden. Falsche Finanzierung Durch verfehlte Finanzierungsentscheidungen kommt ein Unternehmen z. B. dann in Liquiditätsschwierigkeiten, wenn gegen die Forderung nach Fristenkongruenz verstoßen wird. Das langfristig im Betrieb gebundene Vermögen (= Anlagevermögen) soll nämlich möglichst mit Kapital finanziert sein, das dem Unternehmen auch langfristig zur Verfügung steht. In der Beratungspraxis beobachtet man häufig, dass Unternehmen ihre Investitionen zwar unter Zuhilfenahme langfristiger Darlehen finanziert haben, dass deren Tilgungsdauern aber trotzdem mit z. B. 10 Jahren noch zu kurz ausgelegt sind. Auch hier drohen Gefahren für die Zahlungsfähigkeit. Fehlende Finanzplanung Es kann nicht verwundern, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten dann auftreten, wenn die zugrundeliegenden Probleme von der Unternehmensführung nicht oder nicht rechtzeitig erkannt bzw. vorhergesehen wurden. Übertragen auf die Sicherstellung der Liquidität bedeutet das, sich im Vorwege Gedanken über die zu erwartenden Zahlungsströme zu machen. Fehlt diese Finanzplanung, ist die Liquidität des Unternehmens mehr oder weniger ein Zufallsprodukt. Natürlich gibt ein Plan nicht gleichzeitig auch eine Garantie dafür, dass sich die Wirklichkeit an diese Vorgaben hält. Er ist aber die einzige Chance, Liquiditätsengpässe so rechtzeitig abzusehen, dass ohne Zeitdruck, Hektik oder gar Panik nach Lösungsmöglichkeiten gesucht werden kann. Lösungsmöglichkeiten für Liquiditätsprobleme Schnelle Abrechnung und Fakturierung Unmittelbar nach der Leistungserstellung sollte die Nachkalkulation durchgeführt werden. Gleichzeitig sollte auch die Rechnung geschrieben werden, sei es eine Abschlagsrechnung oder auch die Schlussrechnung. Durch eine verspätete Erstellung der Rechnung für die erbrachte Leistung stehen dem Betrieb nicht nur die dringend benötigten liquiden Mittel erst viel später zur Verfügung, sondern es erwachsen auch beträchtliche Kosten in Form von Fremdkapitalzinsen. Und wenn das Unternehmen durch den verspäteten Zahlungseingang nicht in der Lage ist, ein ihm angebotenes Skonto auszunutzen, steigen die Kosten zusätzlich an. Kontrolle der Außenstände und Mahnwesen Unter Kontrolle der Außenstände versteht man die Überwachung der Zahlungseingänge; das Mahnwesen sorgt für die Mahnung bei Zielüberschreitungen. Es wird manchmal schwierig sein, pünktlich und mit Nachdruck zu mahnen, ohne dass der Auftraggeber verärgert ist. Grundsätzlich sollte deshalb auch die erste Mahnung in Form einer Erinnerung gehalten werden. Wenn sich dann aber herausstellt, dass der Schuldner zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig ist, dann sollte man sich nicht scheuen, die entsprechenden Schritte auch einzuleiten (Mahnbescheid, Übergabe an Inkassogesellschaften, Rechtsanwalt). Bei Zahlungen nach Fälligkeit sollte auch an die Verrechnung von Verzugszinsen gedacht werden. Vereinbarung von Abschlagszahlungen VOB-Verträge sehen Abschlagszahlungen für Teilleistungen ausdrücklich vor. Davon wird in aller Regel in den Betrieben des Elektrogewerbes auch Gebrauch gemacht. Vergleichswerte aus Branchen, in denen Abschlagsrechnungen gang und gäbe sind, liegen für das Verhältnis von Kundenanzahlungen und teilfertigen Arbeiten zwischen 70 und 90 Prozent. Gewährleistungsbürgschaften Mit dem Auftraggeber vereinbarte Sicherheitseinbehalte für Gewährleistungen können vom Handwerksbetrieb in der Regel in Form von Bürgschaften abgelöst werden, um eine Liquiditätsverschlechterung durch fehlende Zahlungsströme zu vermeiden. Wenn von der Bank das in Anspruch genommene Bürgschaftsvolumen aber auf Betriebsführung Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 9 726 Liquidität im Handwerksbetrieb Die Verfügbarkeit finanzieller Mittel ist natürlich auch im Handwerksunternehmen die existentielle Basis für jegliche Geschäftsaktivität. Im Folgenden werden Sicherung und Fortbestand dieser Grundlage unternehmerischen Handelns diskutiert. den Kreditrahmen angerechnet wird, sind die Finanzierungsmöglichkeiten des Unternehmens u.U. empfindlich beschnitten und die Zahlungsfähigkeit angespannt. Bei einem Avalkredit stellt das Kreditinstitut die Sicherheit, indem es sich für seinen Kunden verbürgt. Da dabei die Kreditinstitute dem Kunden kein Geld, sondern praktisch nur ihren guten Ruf geben, nennt man dies auch „Kreditleihe“. Die Bank trägt das Risiko und muss zahlen, wenn der Kunde zahlungsunfähig wird. Die Avalzinsen liegen bei ca. 0,5 bis zwei Prozent des verbürgten Betrages. Um die Liquidität und damit die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Handwerksunternehmen zu stärken, bietet deshalb die Vereinigte Haftpflichtversicherung (VHV) mit Sitz in Hannover in Zusammenarbeit mit Verbänden der Deutschen Bauwirtschaft interessierten Unternehmen des Bauhaupt- und Baunebengewerbes die Teilnahme an ihrem Bürgschaftsservice an und damit eine Möglichkeit, den Bürgschaftsbedarf, z. B. für Gewährleistungen, auf einem Weg abzudecken, der in der Regel günstiger ist als die Einschaltung der Hausbank. Privatentnahmen Für einen verantwortungsbewussten Unternehmer ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sich die Höhe seiner Privatentnahmen nach der jeweiligen finanziellen Leistungsfähigkeit seines Unternehmens zu richten hat. Die Entnahmen sollten nicht höher sein als der erzielte Gewinn. Wird mehr entnommen, als an Gewinnen dem Betrieb zufließt, sinkt das Eigenkapital. Wird weniger entnommen, kann die Eigenkapitalausstattung des Unternehmens verbessert werden, können notwendige Investitionen zum Teil aus eigenen Mitteln finanziert werden und wird der Betrieb weniger anfällig für konjunkturelle Abschwünge. Investitionspolitik Bei jeder Investition muss gewährleistet sein, dass alle notwendigen Zahlungen fristgerecht erbracht werden können, das heißt es müssen jederzeit genügend flüssige Mittel für den laufenden Zahlungsverkehr zur Verfügung stehen. Die Aufstellung eines Finanzplanes ist dafür sinnvoll. Bei jeder Investition sollte in einem dem Umfang angemessenen Maße Eigenkapital verwendet werden. Beim Kostenvergleich der verschiedenen Finanzierungsalternativen sollten neben Zinssatz, Laufzeit und Auszahlungskurs auch die Nebenbedingungen wie z. B. tilgungsfreie Jahre, Verwaltungskostenzuschläge, Bereitstellungszinsen, Schätzkosten, vor- bzw. nachschüssige Zinszahlung oder Tilgungsmodalitäten beachtet werden. Vereinbarungen mit den Lieferanten Wird rechtzeitig ersichtlich, dass zu einer bestimmten Zeit dem Unternehmen Liquiditätsschwierigkeiten entstehen werden, muss versucht werden, die Termine für die eigenen Zahlungen hinauszuschieben. Ausnahmsweise müsste man in einem solchen Fall auf das Skonto verzichten und das gewährte Ziel in Anspruch nehmen. Wenn dies auch nicht ausreicht, muss man versuchen, für eine bestimmte Zeit oder für eine spezielle Lieferung Sonderkonditionen wie längeres Ziel, Stundung des Kaufpreises oder Nichtanrechnung von Verzugszinsen mit dem Lieferanten zu vereinbaren. Vereinbarungen mit der Hausbank Liquiditätsprobleme lassen sich nicht zuletzt auch dadurch vermeiden, dass die „Grundversorgung“ mit Zahlungsmitteln durch die Hausbank ausreichend ist. Mit anderen Worten: der Kontokorrentrahmen sollte so bemessen sein, dass er zum Umsatzvolumen passt, damit Liquiditätsengpässe nicht schon im laufenden Geschäft auftreten. Dies ist in der Praxis leider nicht so selbstverständlich und weit verbreitet, wie es sich anhört. Insbesondere in Zeiten des Wachstums wird oft - vom Unternehmer und von der Bank - vergessen, die Versorgung mit kurzfristigen Finanzierungsspielräumen dem gestiegenen Geschäftsvolumen anzupassen. Durch diese „Sprachlosigkeit“ zwischen Unternehmer und Firmenkundenbetreuer entstehen Zahlungsverzögerungen, Irritationen bei Geschäftspartnern, Missverständnisse zwischen Betrieb und Kreditinstitut, wechselseitige Schuldzuweisungen und ein gestörtes Verhältnis zwischen zwei Partnern, die eigentlich dasselbe Interesse haben müssten. Das muss nicht sein! Ein rechtzeitig (!) mit der Hausbank geführtes Gespräch signalisiert dem Kreditinstitut den Wunsch nach einer offenen Partnerschaft und gibt dem Unternehmer die Gelegenheit, die Situation des Betriebes aus seiner Sicht darzustellen. Zukunftspläne können gemeinsam auf ihre Finanzierbarkeit abgeklopft, am Horizont drohende Liquiditätsengpässe angekündigt und erklärt werden. So kann ein sinnvoll und ausreichend bemessener Kontokorrentrahmen an der Umsatzhöhe und der durchschnittlichen Vorleistung des Unternehmens festgemacht werden. Aus bilanzieller Sicht wird die Bank einen derartigen Ansatz nachvollziehen können, wenn den Kontokorrentverbindlichkeiten entsprechende Außenstände gegenüberstehen. A. Jürgensen Betriebsführung Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 9

Autor
  • A. Jürgensen
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