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Internet wird zum Handelsplatz
ep9/2000, 2 Seiten
Gigantisches Wachstum erwartet In den nächsten Jahren wird der elektronische Handel enorm zulegen. Im sog. B2B-Bereich (Handel zwischen Unternehmen) zeichnet sich für Europa in den nächsten fünf Jahren folgende Umsatzentwicklung ab [1]: · 2000: 76 Mrd. Dollar · 2001: 159 Mrd. Dollar · 2002: 366 Mrd. Dollar · 2003: 766 Mrd. Dollar · 2004: 1,2 Billionen Dollar (Bild ). Die gewaltigen Zuwächse werden durch eine Verlagerung von Handelsprozessen in das Internet getragen. Die Abwicklung von Handelsprozessen im Internet wird zunehmend das Bestellwesen mit Papier, Telefon und Fax ablösen. Automatisierte Prozesse heißt hier das Stichwort. So werden die sog. Transaktionen zwischen den Handelspartnern schneller und vor allem billiger. Hier liegt die eigentliche Wertschöpfung des ecommerce. Obwohl diese Kostensenkung die Triebkraft für Unternehmen sein sollte, sich in diesem Bereich zu engagieren, gehen immer noch die wenigsten mit einer richtigen Strategie an die Umstellung ihrer Handelsprozesse. Laut einer weiteren Studie haben 75 Prozent keine ausformulierte Strategie und 50 Prozent keine klar definierte Zielsetzung für den Einsatz von ecommerce im B2B-Bereich [2]. Sich zu engagieren, geschieht vor allem aus einem Grund: die Angst nicht dabei zu sein. Die Konkurrenz könnte mit ihrem Angebot attraktiver sein. So lauten die Ziele dann auch: · Schnelligkeit der Leistungserbringung · Individualisierung des Leistungsangebotes · Erhöhung der Kundenbindung. Der Verminderung der Transaktionskosten oder Preissenkungen wird die geringste Bedeutung beigemessen. Fast 80 Prozent der befragten Unternehmen aus der IT-Branche, der Elektrotechnik, der chemischen Industrie, dem Anlagen- und Maschinenbau sowie dem industriellen Dienstleistungsbereich wollen mit der Nutzung des e-commerce Wettbewerbsvorteile erzielen. Der Anteil der Online-Transaktionen gemessen am Gesamtumsatz wird bis 2005 von heute 9 Prozent auf 24 Prozent steigen. Der durch e-commerce unterstützte Umsatz wird von 16 auf 36 Prozent anwachsen. Diese Verscheibungen müssen zwangsläufig Auswirkungen auf traditionelle Handelsformen haben. So planen 14 Pozent der befragten Unternehmen mit ihrem Online-Engagement künftig durch Direktverkauf ihre bisherigen Zwischenhändler zu umgehen. 32 Prozent wollen mit ihnen kooperieren. Der größte Teil ist heute noch unentschieden. Chancen für kleine Unternehmen Stärkere Spezialisierung und kleinere Unternehmen, die vollständig in ein Netz aus Kunden und Lieferanten integriert sind - so sieht die Organisation der Zukunft aus [1]. Damit kommt es auch zu einer neuen Gestaltung der Wertschöpfungsketten, denn die Firmen werden nur noch einige wenige Aufgaben im Rahmen ihrer Kernkompe-Betriebsführung Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 9 Internet wird zum Handelsplatz R. Lüders, Berlin Die Prognosen der Zukunftsforscher, Wirtschaftswissenschaftler und Analysten decken sich: Wachstum und Wertschöpfung liegen in den nächsten Jahrzehnten in der virtuellen Welt der Vernetzung. Das Internet spielt dabei eine zentrale Rolle. Waren es früher nur Informationen, die sich im Internet sammelten, gibt es dann eine große Anzahl kommerzieller Angebote. Die Entwicklung zum virtuellen Handelsplatz beginnt bereits heute traditionelle Vertriebswege in Frage zu stellen. Prognose zur Entwicklung des e-commerce in Europa im B2B-Bereich Quelle: Durlacher Research tenzen selbst erfüllen und den Rest extern beziehen. Diese Unternehmen sind reaktionsschnell, zielorientiert, flexibel, transparent, schlank und effizient. Es gibt nur eine geringe Anzahl interner Prozesse, und die werden sich vornehmlich um die Koordination aller Aktivitäten drehen. Bislang profitierten kleinere Firmen von elektronischem Handel und Automatisierung kaum. In Zukunft werden sie einen wachsenden Anteil an online-Umsätzen haben. Sie erhalten durch das Internet Zugang zu neuen Kunden und Märkten. Wertschöpfungskette im e-commerce Immer mehr Angebote von Internetdienstleistern ermöglichen es auch kleinen Unternehmen,am B2Be-commerce-Marktteilzuhaben. Sogenannte ASP-Angebote (Application Service Provider) ermöglichen den Zugang zum e-commerce, indem ein Dienstleister die e-commerce-Plattform zur Verfügung stellt und so eine Handelsgemeinschaft entsteht. Marktforscher gehen davon aus, dass das Wachstum des ASP-Marktes immer mehr kleine und mittlere Unternehmen (KMU) an den e-commerce heranführen wird. Gründe sind Kostenersparnisse und die Tatsache, dass KMU selbst keine teure IT-Abteilung brauchen. Marktplätze machen kleinere Unternehmen mächtig In den USA gibt es sie schon tausendfach, in Deutschland entstehen sie gerade: die virtuellen Marktplätze im B2B-Bereich. Zeit-und kostenintensive Prozesse bei der Beschaffung, z.B. Marktsondierung, Preisverhandlungen, die Ausstellung von Formularen und das Einholen von Unterschriften, führen dazu, dass Einkäufer weniger Zeit haben, sich auf ihre eigentlichen Prioritäten zu konzentrieren. Schätzungen der Flughafen Frankfurt Main AG ergaben, dass bis zu 87 Prozent der Kosten, die der Einkaufsprozess für Büro- und Dienstleistungsbedarf bei Unternehmen verschlingt, eingespart werden können (Bild ). Hier setzten Internet-Marktplätze an. Für den Kunden werden die jeweils günstigsten Einkaufskonditionen verhandelt. Durch die direkte Bestellung via Mausklick entfallen im Unternehmen zeitraubende interne Prozesse der Materialbeschaffung, was die Kosten drastisch senkt. Beispiel: preis24.com Ein sehr akutelles Beispiel ist der Marktplatz preis24.com. Unter www.preis24.com findet sich der horizontale Marktplatz, auf welchem Unternehmen Waren und Dienstleistungen rund ums Büro schnell, sicher, günstig und unter deutlicher Senkung der Prozesskosten beziehen können. Die B2B-Plattform bringt als neutraler Partner Einkäufer und Anbieter von branchenunabhängigem Unternehmensbedarf zusammen. e-commerce in der Elektrobranche e-commerce in der Elektrobranche gibt es in Ansätzen bereits seit einigen Jahren. Online-Bestellungen beim Elektrogroßhandel werden heute schon von knapp 20 Prozent der Großhandelskunden genutzt. Marktplätze im oben beschriebenen Sinne gibt es jedoch noch nicht. Erste Versuche von Großhändlern, ein komplettes Sortiment ins Internet zu stellen und dabei auch dem Endkunden die Möglichkeit der Auswahl zu geben, stoßen bisher auf wenig Resonanz von Seiten der Handwerker. Vorbehalte gibt es vor allem, was die Einhaltung des dreistufigen Vertriebsweges angeht. Diesen in das Internet zu übertragen ist eigentlich ein Widerspruch an sich. Geht es doch beim e-commerce um die Straffung von Handelsprozessen und damit um Kostensenkung. Heute wird eine klassische Bestellung auf folgendem Weg bearbeitet: 1. Bestellung einer Dienstleistung vom Endkunden beim Elektrofachbetrieb 2. Bestellung von Material vom Elektrofachbetrieb beim Elektrogroßhandel 3. Prüfung der Verfügbarkeit der Ware am Lager des Elektrogroßhandels 4. Wenn die Ware nicht verfügbar ist, wird diese beim Hersteller geordert. 5. Lieferung der Ware vom Hersteller an Großhandel. 6. Warenlieferung vom Großhandel an den Elektrofachbetrieb. 7. Erbringung der Dienstleistung durch den Elektrofachbetrieb unter Wareneinsatz beim Endkunden. Auch heute gibt es hier natürlich bereits Abweichungen - aber das wäre der klassische Weg. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass sich diese Prozesse effizienter gestalten lassen. Neue Marktformen werden sich bilden In Zukunft werden sich unterschiedlichste Marktformen herausbilden. Es wird Hersteller geben, bei denen direkt über Internet bestellt werden kann, dies wird aber eine Minderheit bleiben. An Bedeutung werden Zwischenhändler gewinnen. Hier werden vor allem Elektrogroßhändler Angebote machen, die einem Marktplatz gleichen. Elektrofachbetriebe können dann dort zu ihren Konditionen einkaufen. Aber auch Endkunden werden hier Zugang haben. Ob bei der Preisgestaltung Rücksicht auf den Materialaufschlag des Handwerkers genommen wird, ist zu beweifeln. Ebenso denkbar sind Angebote des Handwerks in Kooperation mit dem Elektrogroßhandel und/oder mit der Industrie. Hier wird der Schwerpunkt weniger auf dem Material als auf der kompletten Dienstleistung liegen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt - nur rechnen muss es sich. In spätenstens fünf Jahren jedoch wird alles im Internet zu kaufen sein, was heute vielleicht noch eine Domäne des traditionellen Handels ist. Umdenken ist nötig Wer heute, wenn er „Internet“ hört, noch an viele bunte Netz-Seiten denkt, der muss als Unternehmer schnell umdenken. Das Internet bietet heute bereits vielfältige Möglichkeiten, preiswert und bequem einzukaufen. Zumindest ein Teil des geschäftlich erforderlichen Einkaufs lässt sich heute über Internet abwickeln. Das Kerngeschäft der Elektrobranche lässt noch auf sich warten. Doch auch hier wird sich demnächst einiges verändern. Literatur [1] Business-to-business E-Commerce Investement Perspective. Studie der Durlacher Research Ltd., März 2000. [2] Business-to-Business E-Commerce-Studie Marketing und Vertrieb im Zeichen des Internet. Arthur D. Little und VDI-Verlag, April 2000. Betriebsführung Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 9 752 Kostenvergleich eines Bestellvorgangs vor der Einführung eines ecommerce-Systems und danach
Autor
- R. Lüders
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