Gebäudesystemtechnik
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Elektrotechnik
Fußböden als Bestandteil der Gebäudeautomation
ep8/2008, 2 Seiten
Wo man geht und steht... Sensorsysteme, die auf unser Verhalten reagieren, sind aus dem modernen Leben nicht mehr weg zu denken: automatische Türen öffnen sich bei Annäherung, Alarmanlagen detektieren unbefugtes Eindringen, Licht schaltet sich beim Betreten der Tiefgarage ein. Der Forschungszweig des Ambient Assisted Living geht in dieser Richtung noch viel weiter: In Zukunft sollen noch weitaus mehr Routinefunktionen ohne unser aktives Zutun automatisch gesteuert werden. Da der Fußboden das Objekt ist, mit dem wir zumindest tagsüber in Innenräumen am meisten in direktem Kontakt stehen, bietet er sich als umfassende Informationsquelle für eine Vielzahl von Automatisierungslösungen an. Der Fußboden wird sensitiv Die so gewonnenen Informationen müssen lediglich durch geeignete Sensorsysteme erschlossen werden. Allerdings ist ein großflächiges Sensorsystem im Fußboden auch besonderen Belastungen ausgesetzt, denn es muss nicht nur Personen, Möbel und andere feste und bewegliche Objekte tragen, sondern soll außerdem noch Schmutz und Reinigungsmitteln widerstehen. Da der Bodenbelag ein wichtiges Designelement ist, soll sich das Sensorsystem nahtlos integrieren lassen und die individuelle Auswahl des Belags nicht einschränken. Das Unternehmen Future-Shape aus der Nähe von München, spezialisiert auf großflächige, nahtlos in die Umgebung integrierte Sensorsysteme, hat dazu mit der sensitiven Fußbodenunterlage Sens Floor eine praktikable Anwendung entwickelt. Das Funktionsprinzip Der Sens Floor basiert auf einer textilen Unterlage, bezeichnet als Smart Underlay, mit integrierten Elektronikmodulen und kapazitiven Näherungssensoren. Diese Unterlage kann praktisch unter jede Art von Bodenbelag bis zu einer Dicke von etwa 5 cm verlegt werden (Bild ). Das Underlay besteht aus einer textilen Trägerschicht (z. B. ein konventionelles Trittschalldämmungsvlies) und einer Schicht aus leitfähigem Textil. Diese leitfähige Schicht ist so strukturiert, dass Sensorflächen entstehen (32 Dreiecke pro m²) und dazwischen längliche Bahnen zur Stromversorgung verlaufen. Die Stromversorgungsbahnen verlaufen durch die gesamte Unterlage und lassen sich dann am Rand mit einem Netzteil verbinden. Das von Future-Shape speziell für die Integration in eine textile Fläche entwickelte Funkmodul kann an bis zu acht Sensorflächen angeschlossen werden (Bild ). Die Funkmodule sind zwischen 868 und 915 Mhz (USA) frei konfigurierbar, wobei in Deutschland auf exakt 868 Mhz gesendet wird. Auch die Ausgangsleistung kann, ebenso wie die Empfangsempfindlichkeit und die Datenrate, in weiten Bereichen durch das Setzen entsprechender Registerwerte im Funktransceiver gewählt werden. In den Bodenmodulen kommen Printantennen und in den Empfängern Stummelantennen zum Einsatz, wobei die Ausgangsleistung so niedrig gewählt wird, dass der Funkempfänger im Raum gerade die Daten aller Funkmodule in diesem Raum sicher empfangen kann. Somit wird praktisch nie mit der maximal erlaubten Sendeleistung gearbeitet. Zusätzlich sind die Funkempfänger und die Sender so codiert, dass ein Empfänger im Nachbarraum erkennt, ob eine Nachricht aus „seinem“ oder aus dem Nachbarraum stammt. Jedes Modul hat darüber hinaus einen Temperatursensor, sodass auch eine ortsaufgelöste Temperaturverteilung im Raum ermittelt werden kann. Die Stromversorgung der Funkmodule erfolgt ebenso über die leitfähigen Bahnen im Textil. Der Empfänger kann an beliebiger Stelle im Raum installiert werden und ist durch die eingestellte Reichweite von 15 m für Räume mit ca. 50 m² Größe ausreichend. Wenn bestimmte Sensoren nicht benötigt werden, lassen sie sich beliebig vom zentralen Funkempfänger aus abschalten oder ignorieren. Die Funkmodule im Boden können ihrerseits auch Funksignale empfangen, sodass es möglich ist, viele Parameter auch nach dem Einbau noch jederzeit zu verändern. Auswertung der Sensorsignale Die Orts- und Zeitauflösung der Sensorsignale ermöglicht völlig neue Anwendungen im Gebäudemanagement, die mit herkömmlichen Methoden gar nicht oder nur viel aufwendiger erreicht werden können. Dazu ist allerdings eine ausgeklügelte Datenanalyse notwendig. Die gewünschten Applikationen sind verhältnismäßig einfach in Software zu realisieren, ohne dass in das verlegte System eingegriffen werden muss. Aus den Sensorsignalen, die an einen Empfänger gefunkt werden, werden in einer Vorverarbeitung so genannte Trajektorien bestimmt. Diese beschreiben dann mathematisch die Bewegungsrichtung einer Person. Die Vorverarbeitung der Daten wird in einem eigens entwickelten Funkadapter realisiert, der den Über-Elektropraktiker, Berlin 62 (2008) 8 722 AUS DER PRAXIS Fußböden als Bestandteil der Gebäudeautomation Höchstwahrscheinlich ist der Fußboden das Objekt, mit dem wir in Innenräumen tagsüber am meisten in direktem Kontakt stehen. Bei allen Anwendungen, die auf der Auswertung menschlichen Verhaltens beruhen, bietet sich der Fußboden daher als reichhaltige Informationsquelle an, die durch geeignete Sensorsysteme erschlossen werden kann. Mit den so gewonnen Informationen lassen sich dann die verschiedensten Anwendungsszenarien in der Praxis umsetzen. Sens Floor: textile Unterlage (Smart Underlay) mit integrierten Elektronikmodulen und kapazitiven Näherungssensoren Funkmodul mit Temperatursensor zur Integration in textile Flächen gang zu heute üblichen Gebäudeautomationssystemen darstellt (Bild ). Für das Gebäudemanagement stellt der Sens Floor gleichsam multiple Sensoren dar, deren Signale dann nach üblichen Verfahren verarbeitet werden können. Aber auch ohne Empfänger und Gebäudeautomation kann der Sens Floor über Funk direkt Aktoren ansprechen und deren Steuerung übernehmen. Mögliche Anwendungen Die Anwendungen dieses Systems lassen sich an die spezifischen Wünsche von Bauherren und Gebäudebetreibern anpassen. So können z. B. in gewerblich genutzten und öffentlichen Gebäuden Besucherströme analysiert oder automatisch Türen geöffnet werden. Bei der automatischen Türöffnung ist es z. B. möglich, die Türen nur öffnen zu lassen, wenn eine Person sich direkt oder in bestimmten Winkeln darauf zu bewegt. Dazu muss die Funktion nur mit den entsprechenden Sensoren sowie der Bewegungsrichtung verknüpft werden. Auf diese Weise gehören die sich auch bei vorübergehenden oder wartenden Menschen beständig öffnenden Automatiktüren der Vergangenheit an. Zur Energieeinsparung lässt sich die Beleuchtung immer dort dimmen, wo sich aktuell keine Person aufhält. Auch die Einbruchsdetektion ist komfortabel zu gestalten. Durch Auswertung der Trajektorien kann das System beispielsweise selbst erkennen, woher eine Person den Raum betreten hat. Man kann dann das System so schalten, dass nur ein Betreten vom Fenster her einen Alarm auslöst. Ein regulärer Bewohner wird den Raum von der Zimmertür aus betreten und kann sich dann im Raum frei bewegen, ohne Alarm auszulösen. Natürlich kann auch die klassische Funktion eingestellt werden, nach der jede Bewegung im Raum Alarm auslöst. Im Brandfall kann angezeigt werden, in welchen Gebäudeteilen sich noch Personen aufhalten, was besonders bei starker Rauchentwicklung eine lebensrettende Information für die Feuerwehr sein kann. Eine weitere Applikation ist die Erhöhung der persönlichen Sicherheit von allein lebenden Personen oder Personen in Pflegeheimen. Der Sens Floor kann hier z. B. das Licht einschalten, sobald eine Person den Raum betritt oder nachts aus dem Bett steigt, um Unfälle zu vermeiden. Stürzt eine allein lebende Person und bewegt sich dann nicht mehr, wird ein Notruf abgesetzt (Bild ). Auch eine längere Inaktivität in der Wohnung kann dazu benutzt werden, eine Pflegeperson automatisch zu benachrichtigen. So können auch gebrechliche Menschen möglichst lange in ihrer eigenen Wohnung leben. Praktischer Einsatz des sensitiven Fußbodens Der Sens Floor steht zur Zeit für Pilotprojekte und Demonstratoren zur Verfügung. Für den verbreiteten Einsatz dieser Technologie sind noch weitere Entwicklungsschritte notwendig, deren Ziele die Robustheit und kostengünstige Produktion des großflächigen, textilen Sensorsystems sind. Pro Raum wird dann ein kleines Anschlussmodul für Vorverarbeitung der Daten und den passenden Netzanschluss sorgen. Das heute übliche Gebäudenetzwerk ist in der Regel für die notwendige Datenübertragung bereits ausreichend. Ein wesentlicher Vorteil der Technologie besteht darin, dass alle Sensor- und Steuerfunktionen auf der installierten Fläche lediglich durch die Anpassung der Software zu realisieren sind. Die Applikationssoftware bestimmt, ob der Boden das Licht steuert, einen Sturz detektiert, Personen zählt, automatische Türen öffnet, mit Robotern kommuniziert oder kontrolliert, wo gereinigt wurde usw. An der »Hardware«, sprich dem verlegten Unterboden, muss nichts geändert werden. Während die Firmware der Module im Boden nach deren Einbau aus Sicherheitsgründen nicht mehr verändert werden soll (obwohl auch das über das Funkinterface technisch möglich wäre), ist der Empfänger jederzeit frei zugänglich. Dieser sammelt ja die Sensorsignale ein, verarbeitet sie und bestimmt dann, was für Funktionen gesteuert werden sollen. Hat ein Kunde zunächst nur eine Lichtsteuerung und Alarmanlagenfunktion, so kann er dann nachträglich jederzeit eine Sturzdetektion oder ein Aktivitätsmonitoring durch ein Softwareupdate des Empfängers nachrüsten. Ein kundenbedienbares Interface dazu ist bisher noch nicht realisiert, sodass derzeit jedes Softwareupdate durch Future-Shape erfolgen muss. Das kann sich aber noch ändern, wie Dr. Axel Steinhage, Director R & D bei Future-Shape, erläutert: „Möglicherweise werden wir später ein Interface bauen, das es auch einem Kunden erlaubt, eine bei uns gekaufte Softwareerweiterung selbst einzuspielen. Dazu bietet sich ebenfalls die Funkschnittstelle an. Man kann sich vorstellen, dass ein von uns geliefertes kleines Dongle nur in den betreffenden Raum gebracht werden muss und dort dann selbsttätig den Funkempfänger updatet.“ Ausblick Das beschriebene Sensorsystem mit den Funkmodulen kann aber noch viel mehr: Selbst Fensterscheiben, Glasböden und durchsichtige Folien können mit einer leitfähigen transparenten Beschichtung zu großflächigen Sensoren werden. So werden neue Anwendungen für Ausstellungen, Museen, Studiotechnik und Sicherheit möglich. Elektropraktiker, Berlin 62 (2008) 8 723 AUS DER PRAXIS Schema der Datenvorverarbeitung zur Bestimmung der Trajektorie Mögliche Sturzdetektion durch die entsprechende Applikationssoftware mit der Möglichkeit, einen Notruf zu senden Quelle: Future-Shape
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