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Elektrotechnik | Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) | Kabel und Leitungen

EMV-Anforderungen beim Schaltschrankbau

ep10/2010, 3 Seiten

Wir sind eine Installationsfirma mit angeschlossenem Schaltschrankbau. In der Installationstechnik sowie auch im Schaltschrankbau gewinnt die Vermeidung von Elektrosmog, d. h. elektromagnetische Verträglichkeit, immer mehr an Bedeutung. Durch geeignete Maßnahmen, wie z. B. der Auswahl der Kabel und der entsprechenden Verlegeart, kann die Installationsanlage EMV-gerecht errichtet werden. Für den Schaltschrank gelten die gleichen Vorgaben, die bei vielen Anwendungen allerdings nicht realisierbar sind. 1. Gibt es bezüglich EMV spezielle Vorgaben für den Schaltschrankbau? 2. Muss die Verdrahtung eines Drehstromkreises mit Neutralleiter immer als eine Bündelverdrahtung erfolgen? 3. Kann nach der Gruppensicherung die Auftrennung in 3 x 1 Phasenwechselstromkreise mit Neutralleiter erfolgen? 4. Welche Norm ist für die korrekte Auswahl der Leiterquerschnitte heranzuziehen?


Begrifflichkeiten. Zunächst ein Hinweis, der sicher von allgemeinem Interesse ist, da das Thema „Elektromagnetische Verträglichkeit“ vielfach noch als eine „freundliche Aufforderung“ verstanden und von Nicht-Fachleuten leider häufig falsch interpretiert wird. Bei der Fülle von Begriffen und Abkürzungen zu dem Thema EMV sind die entsprechenden Definitionen zu beachten, weil es sehr schnell zu Missverständnissen kommen kann. In der Anfrage wird u. a. ausgeführt:
„… gewinnt die Vermeidung von Elektrosmog, d. h. elektromagnetische Verträglichkeit, immer mehr an Bedeutung.“
Doch die beiden Begriffe „Elektrosmog“ und „Elektromagnetische Verträglichkeit“ können so nicht gleichbedeutend verwendet werden. Der Begriff „Elektrosmog“ wird oft in der Umgangssprache als Bewertung für elektrische und elektromagnetische Felder verwendet. Damit wird bewertend durch das Wort „Smog“ zum Ausdruck gebracht, dass diese Felder schädigend auf Menschen, Tiere und Umwelt einwirken. Da jedoch die Erkenntnisse und Zusammenhänge wesentlich komplexer sind, kommt in Wissenschaft und Technik der nicht wertende Begriff „Elektromagnetische Umweltverträglichkeit“ (EMVU) zur Anwendung. Der Begriff Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) ist anders besetzt und beschreibt Anforderungen im Zusammenwirken elektrischer Geräte innerhalb einer elektromagnetischen Umgebung. Wobei uns bewusst sein muss, dass ein großer Teil der Elektromagnetischen Unverträglichkeiten auf „leitungsgebundene Störungen“ zurückzuführen sind!
Die Formulierung dieser Anfrage zeigt, dass dem Anfragenden die technischen und physikalischen Zusammenhänge bekannt sind. Wir „verstecken“ uns aber allzu häufig hinter wirtschaftlichen Argumenten – sprich Kosten und Preise – wenn wir meinen, dass die EMV in Schaltanlagen nicht realisierbar sei. Aber mit zunehmenden Problemen wird es auch immer mehr EMV-gerechte Lösungen für bestimmte Anwendungen geben (müssen), da die durch „Unverträglichkeiten“ verursachten Kosten steigen.
Sicherheitsziele. Im Zusammenhang mit dem Thema EMV wird es niemals fertige Antworten in Normen oder Vorschriften geben. Umso wichtiger ist es, die Sicherheitsziele zu verstehen und dann mit dem Wissen um entsprechende Lösungen und Zusammenhänge einen erträglichen Betrieb zu ermöglichen. Dazu ein kurzer Blick in das EMVG [1]:
„§ 1 Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für alle Betriebsmittel, die elektromagnetische Störungen verursachen können oder deren Betrieb durch elektromagnetische Störungen beeinträchtigt werden kann.
… § 3 Begriffsbestimmungen … 4. ist elektromagnetische Verträglichkeit die Fähigkeit eines Betriebsmittels, in seiner elektromagnetischen Umgebung zufriedenstellend zu arbeiten, ohne elektromagnetische Störungen zu verursachen, die für andere in dieser Umgebung vorhandene Betriebsmittel unannehmbar wären;
… § 4 Grundlegende Anforderungen (1) Betriebsmittel müssen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik so entworfen und gefertigt sein, dass …
2. sie gegen die bei bestimmungsgemäßem Betrieb zu erwartenden elektromagnetischen Störungen hinreichend unempfindlich sind, um ohne unzumutbare Beeinträchtigung bestimmungsgemäß arbeiten zu können...“

Damit ist die Aufgabenstellung zur Erreichung der Sicherheitsziele meines Erachtens nach umfassend dargestellt. Das EMVG [1] ist die Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht. Es basiert auf europäischem Recht und dient der Vereinheitlichung nationaler Gesetze, Vorschriften und Normen. Die Normung der letzten zwei Jahrzehnte geht immer ausführlicher auf die Zielsetzung und die damit verbundenen Aufgabenstellungen zur EMV ein. Dabei stehen immer Sicherheitsziele im Vordergrund, die es entsprechend dem Stand der Technik und Wissenschaft umzusetzen gilt. Bei der Normung geht es darum, einen technischen Rahmen als Mindeststandard in reproduzierbare Anforderungen zu fassen. Es ist aber nicht die Aufgabe der Normung, Ausführungsdetails zu formulieren.
Lösungsansätze. Die von dem Anfragenden genannten Lösungansätze können in bestimmten Anlagentypen zur Erreichung der Elektromagnetischen Verträglichkeit dienen. Wie zuvor erwähnt, gibt es keine fertigen Antworten für die Vielzahl der Anwendungen. Deshalb gehen Normen in den Anforderungen vermehrt von theoretischen Berechnungen oder Annahmen und Analogien zu Nachweisen durch Typ- und Bauartprüfungen über.
Zu 1. Als sogenannte Fachgrundnormen zur EMV sind derzeit die unterschiedlichen Teile der DIN EN 61000 gültig. Darauf verweisen u. a. auch die für das Thema Elektroverteiler bekannten Normen.
Für Niederspannungs-Schaltgeräte-Kombinationen die bisherigen Teile 1-5 der DIN EN 60 439 (VDE 0660) [2]. Die im Juni 2010 erschienenen Teile 1 und 2 zur neuen DIN EN 61 439 [3] [4] enthalten erweiterte, aktualisierte und auch neue Festlegungen. In der Folge werden mit Übergangsfristen die bisherigen Teile zur DIN EN 60 439 (VDE 0660) [2] abgelöst. So gibt es nun u. a. Nachweise zur Normenkonformität mit Anforderungen an die Dokumentationen mit:
  • Angaben der Bemessungswerte,
  • Handhabungs-, Aufstellungs-, Betriebs- und Wartungsanweisungen,
  • Angabe zur EMV-Umgebung,
  • Identifizierung von Geräten/Bauteilen
  • Erklärung der EG-Konformität sowie
  • Protokoll zur Stückprüfung durch den Hersteller der Schaltgeräte-Kombination.
Zu 2. Die Betriebsmittelnormen legen solche Ausführungsdetails nicht fest. Auch hier gilt das „Zusammenwirken“ aller Betriebsmittel in der jeweiligen Umgebung. Ich verweise auf den zuvor zitierten Auszug des § 4 aus dem EMVG [1], Absatz 1 und 2.
Ob und wie das Sicherheitsziel erreicht wird, ist eine Entscheidung, die ggf. zukünftig durch Bauartprüfungen nachzuweisen ist. Um ein niederfrequentes, elektromagnetisches Feld möglichst gering zu halten, kann das Bündeln, d. h. „verlegen im elektrischen System“ ein Lösungsweg sein. Genauso können aber der Aufstellungsort und der Abstand der Betriebsmittel untereinander eine Lösung darstellen. Dabei ist anzumerken, dass das Thema Anordnung und Verdrahtung „im elektrischen System (L1+L2+L3+N)“ nicht nur für die Abgangsstromkreise zutrifft, sondern genau und insbesondere für die Anordnung der Sammelschienen und der Hauptstromverdrahtung, da wir hier über besonders energiereiche, niederfrequente elektromagnetische Felder reden.
Zu 3. Grundsätzlich kann eine Auftrennung nach der Gruppensicherung erfolgen, wenn die Stromtragfähigkeit des gemeinsamen Neutralleiters ausreichend ist. Es handelt sich dann allerdings nicht mehr um einen Drehstromkreis, sondern um drei einzelne Wechselstromkreise mit einem gemeinsamen Neutralleiter. Dieses Thema wird leider auch in der Ge bäude installation allzu oft vernachlässigt, wenn mit einer 5-adrigen Leitung oder einem 5-adrigen Kabel die Summe der Außenleiterströme aus L1, L2 und L3 über den gemeinsamen N-Leiter geführt werden.
Zu 4. Ich gehe davon aus, dass in der Frage die Leiterquerschnitte innerhalb der Schaltgerätekombination SK gemeint sind. Für die von außen eingeführten Kabeln und Leitungen der Gebäudeinstallation ist u. a. die DIN VDE 0298-4 [5] maßgebend. Der Hersteller der SK muss festlegen (und ggf. durch Typprüfungen nachweisen) mit welchen Strombelastbarkeiten die jeweiligen Querschnitte unter Berücksichtigung der Verdrahtungstechniken und der Umgebungstemperaturen innerhalb der SK verwendet werden.

Quellen

EMVG – Gesetz über die elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln vom 26. Februar 2008 (BGBl. I S. 220), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2409).

DIN EN 60439-1 (VDE 0660-500-1), VDE 0660- 500:2000-08 Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen – Teil 1: Typgeprüfte und partiell typgeprüfte Kombination.

DIN EN 61439-1 (VDE 0660-600-1):2010-06 Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen – Teil 1: Allgemeine Festlegungen.

DIN EN 61439-2 (VDE 0660-600-2):2010-06 Niederspannungs-Schaltgerätekombinationen – Teil 2: Energie-Schaltgerätekombinationen.

DIN VDE 0298-4 {VDE 0298-4):2003-08 Verwendung von Kabeln und isolierten Leitungen für Starkstromanlagen – Teil 4: Empfohlene Werte für die Strombelastbarkeit von Kabeln und Leitungen für feste Verlegung in und an Gebäuden und von flexiblen Leitungen.


Autor
  • G. Budde
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