Installationstechnik
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Elektrotechnik
Elektroinstallationen für barrierefreies Wohnen
ep2/2005, 3 Seiten
Notwendigkeit altersgerechten Wohnens Die Bedürfnisse von Menschen ändern sich mit ihrem Alter sowie durch Behinderungen und Einschränkungen auch hinsichtlich ihrer engeren Umgebung, des eigenen Haushalts und der Wohnungsausstattung. Der Anteil älterer Menschen in Deutschland an der Gesamtbevölkerung wächst ständig. Spätestens im Jahr 2040 wird jeder dritte Bewohner in Deutschland über 65 Jahre alt sein. In gleicher Weise wächst die Zahl der Pflegebedürftigen, Kranken und durch Behinderung eingeschränkten Menschen. Die Pflegeheime platzen aus allen Nähten, Pflegepersonal fehlt und die Kosten sind enorm. Lösungen zu einer wirksamen Kostendämpfung sind volkswirtschaftlich zwingend notwendig. Aus sozialen und volkswirtschaftlichen Gründen wird es immer wichtiger, den Verbleib älterer und behinderter Menschen in Wohnungen ihres normalen Umfelds zu ermöglichen und ihre Selbständigkeit im Alter und bei Behinderung zu erhalten. Dabei soll die Lebensqualität und der gewohnte Komfort erhalten bleiben. Wohnungen können jedoch häufig schon durch kleine bauliche und technische Veränderungen den Bedürfnissen ihrer Bewohner angepasst werden. Grundbedürfnisse von Alten und Behinderten Alte, behinderte und pflegebedürftige Menschen haben besondere Ansprüche an den Schutz und die Unversehrtheit ihres Wohnumfelds. Ihre eingeschränkte Mobilität stellt eine Barriere für den Umgang mit anderen Menschen dar. So kommt es in der Folge zu einer zunehmenden Vereinsamung. Ein wichtiges Ziel für die betroffenen Personengruppen ist die Möglichkeit der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. 2.1 Sicherheitsbedürfnis Ein wichtiges Anliegen älterer Menschen ist die Sicherheit vor Einbrüchen und Diebstählen sowie vor Schäden durch Feuer, Gas, Wasser und sonstigem menschlichen und technischen Versagen. Vom hier angesprochenen Personenkreis werden technische Geräte, die Fehlfunktionen bei Überhitzung, Rauchentwicklung oder Wasseraustritt anzeigen sehr geschätzt. Bei barrierefreien Wohnungen im Erdgeschoss wird häufig eine erhöhte Einbruchgefahr befürchtet. So sind Sicherheitsanwendungen wie Tür- und Fensterüberwachung von großem Interesse. Manuelle oder automatische Gefahrenmeldungen sollen per Telefon weitergeleitet oder außerhalb der Wohnung signalisiert werden. 2.2 Beleuchtungsanlagen Beleuchtungsstärke. Generell sollte eine Verdopplung der Beleuchtungsstärke für Senioren vorgesehen werden. Notwendig sind in diesem Zusammenhang nicht nur höhere Lampenleistungen, sondern auch zusätzliche Brennstellen bzw. Leuchten. Leuchtdichte- bzw. Farbkontrast. Das Erkennen von Objekten ist nur möglich, wenn der Leuchtdichte- bzw. Farbkontrast ausreichend hoch ist. Durch verminderte Fähigkeit älterer Menschen Farben zu erkennen, kommt dem Leuchtdichtekontrast eine besondere Bedeutung zu. Als Schriftarten sollten einfache und gut lesbare Schriften verwendet werden Blendempfindlichkeit. Bei älteren Menschen nimmt die Blendempfindlichkeit erheblich zu. Blendungen und Reflexe durch Spiegelungen sind somit auf jeden Fall zu vermeiden. Leistungsförderung durch Umfeldsteuerung Durch eine umfassende Steuerung der Geräte und Einrchtungen im Wohnumfeld kann die Selbständigkeit und die persönliche Sicherheit von behinderten Personen erhöht werden. Damit ist eine weitgehend eigenständige Lebensführung möglich. Sie wird durch eine zukunftsorientierte Elektroinstallation realisiert. Die technischen Komponenten müssen unauffällig in die Wohnumgebung integriert werden und verlässliche Systemfunktion bieten. Die meisten Senioren wollen nicht mit Alterserscheinungen konfrontiert werden. Sie lehnen daher Technik ab, die als „Alten- oder Behindertentechnik“ auffällt. Gefragt ist leicht erlernbare und einfach zu bedienende Technik. Für das Bedienen elektrischer Systeme darf kein technisches Wissen vorausgesetzt werden. Die elektrotechnische Ausrüstung muss fehlertolerant sein. Das heißt, durch fehlerhafte Bedienung dürfen für den Nutzer und für die Technik keine gefährlichen Zustände eintreten (Bild ). Grundlegende Forderungen sind: · Stellteile und Anzeigen müssen mit mindestens zwei Sinnen wahrgenommen werden können (Bild ). Nach wichtigen Bedienschritten und nach Beendigung der Bedienung muss der Nutzer eine Rückmeldung erhalten. Der Betriebszustand muss angezeigt werden. · Die Bedienung und Schaltung von elektrischen Geräten muss auch für Menschen mit reduzierten sensorischen Fähigkeiten und grundsätzlich mit nur einer Hand möglich sein. Auch aus sitzender Position müssen die Bedienelemente erreichbar sein (Bild ). · Bedienabläufe erfüllen die Erwartungen des Nutzers, wenn Stellbewegungen nach rechts oder nach oben den Betriebszustand „ein“, „stärker“, „heller“, „wärmer“ herbeiführen. Die umgekehrte Stellbewegung nach links oder unten soll zum Betriebszustand „aus“ bzw. „dunkler“, „schwächer“, „weniger“ führen. · Umfeldsteuerung kann nicht nur manuell und örtlich, sondern auch durch Fernbedienung mittels drahtloser oder leitungsgebundener Signalübertragung leicht erfolgen. Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 2 106 FÜR DIE PRAXIS Installationstechnik Elektroinstallationen für barrierefreies Wohnen G. Volz, Ehningen Barrierefreiheit ist die Grundlage für Menschen jeden Alters, möglichst selbständig zu leben und ihre Wohnung auch im hohen Alter und bei Behinderung weitgehend ohne fremde Hilfe zu nutzen. Hier besteht für Elektro-Handwerker und -Planer ein großes Marktpotential. Dargelegt wird, welche technischen Möglichkeiten sich für diesen Kundenkreis anbieten. Autor Dipl.-Ing. Günther Volz, Ingenieurbüro für Elektrotechnik & Lichttechnik, Ehningen. Steckdose mit Fehlerstromüberwachung bieten mehr Sicherheit gegen auftretende Mängel bei Elektrogeräten im Baubestand Schalter, der durch seine Form und durch einen Lichtkranz von Sehschwachen gut erkennbar ist Hinweise zur Ausführung der Elektroinstallation 4.1 Allgemeine Hinweise Leerdosen in unterschiedlichen Höhen und Leerrohre bei der Erstinstallation im Neubau erlauben kostengünstig die spätere nutzungsspezifische Anpassung an geänderten Bedarf. Im häuslichen Bereich ist von einem Mehrbedarf an Energie und Anschlussstellen auszugehen. Deshalb ist die Installation einer höheren Anzahl von Steckdosen und ein auf höhere Belastungen ausgelegtes Leitungsnetz zu empfehlen. Häufig benutzte Bedienungsvorrichtungen wie Schalter und Steckdosen sowie Bedienungselemente automatischer Türen sollen in einer Höhe von 85 cm angebracht werden. Bedienungsvorrichtungen sollen auch mit eingeschränkter Greiffähigkeit leicht benutzbar sein. Für Sehbehinderte müssen Bedienungselemente durch kontrastreiche und taktil erfassbare Gestaltung leicht erkennbar sein. Sie dürfen nicht versenkt und scharfkantig sein. Die Bewegungsfläche neben Bedienungsvorrichtungen muss mindestens 120 cm breit sein. Zur Wand oder zu bauseits anzubringenden Einrichtungen ist ein seitlicher Abstand von mindestens 50 cm erforderlich (Bild ). Die Schalter sind neben der Tür, mit einem Abstand von mindestens 10 cm zum Türrahmen anzuordnen, ausgestattet mit Kontroll-oder Orientierungsleuchten je nach räumlicher Lage. 4.2 Bedienungselemente 4.2.1 Schalteranordnung Bei der Montage eines einzelnen Schalters oder mehrerer Schalter nebeneinander ist der Schalter oder die waagerechte Anordnung mehrerer Schalter auf eine Höhe von 85 cm mittig auszurichten. Werden zwei bis vier Schalter übereinander in senkrechter Anordnung installiert, so ist der unterste Schalter auf 85 cm Höhe mittig auszurichten. Die weiteren Schalter liegen darüber. Bei einer Anordnung von fünf Schaltern übereinander soll die zweite Einheit von unten auf 85 cm Höhe mittig ausgerichtet werden. Bei einer Anordnung von mehr als fünf Schaltern sollen die Einheiten in zwei Reihen nebeneinander angeordnet werden. 4.2.2 Schalterarten Drehschalter sollen nicht eingesetzt werden. Kippschalter müssen eine Mindestabmessung von 3 cm x 3 cm haben. Für stark Sehbehinderte oder Bewegungseingeschränkte sind größere Schalter vorzusehen. Tastschalter müssen sich vom Umfeld deutlich unterscheiden (auch hinsichtlich des Farb-und Leuchtdichtekontrasts) und einen Druckpunkt haben, um beim Ertasten der Informationen ein unbeabsichtigtes Auslösen zu ver- Installationstechnik FÜR DIE PRAXIS Anordnung eines Bedienungselements für behinderte Personen meiden und um eine eindeutige Rückmeldung zu geben, dass die Anforderung ausgelöst wurde. Schalter außerhalb von Wohnungen sind durch abtastbare Markierungen und Farbkontraste zu kennzeichnen. 4.2.3 Dimmer Vorzusehen sind Drehdimmer (Bild ). Im Gegensatz zu Tastdimmern werden diese von jedem Nutzer als solche erkannt. Außerdem ist ihre Bedienung jedem bekannt. 4.2.4 Bewegungsmelder Bewegungsmelder (Bild ) können anstelle eines vorhandenen mechanischen Schalters in UP-Dosen nachträglich eingebaut werden. Eine zusätzlicher Taster lässt eine manuelle Einflussnahme zu. Flur. Hier kann anstelle eines mechanischen Schalters ein Bewegungsmelder installiert werden, der bei vorgegebener Dämmerung für eine eingestellte Dauer die Beleuchtung einschaltet, wenn eine Person den Flur betritt. In ausgewählten Fällen kann die Vorortbedienung gesperrt werden. Schlafraum. Beim Einsatz von Bewegungsmeldern in Schlafräumen müssen sogenannte selektiven Bewegungsmelder eingesetzt werden, die eine horizontale Erfassung aufweisen und bei nächtlichen Bewegungen nicht grundlos die Beleuchtung einschalten. Das Einschalten der Beleuchtung erfolgt erst, wenn sich die Person ungefähr auf der gleichen Höhe wie die Montagehöhe des Bewegungsmelders befindet. In allen anderen Räumen ist der Einsatz von Bewegungsmeldern mit Multilinse zu empfehlen, um einen größtmöglichen Erfassungsbereich abzudecken. Außenbereich. Bewegungsmelder zum Schalten der Beleuchtung im Türbereich und der Garageneinfahrt sowie für die Wegbeleuchtung reduzieren die Unfallgefahr und erhöhen die Sicherheit. 4.2.5 Panikschalter Mit einem Panikschalter kann im ganzen Haus die Beleuchtung eingeschaltet und die Rollläden aktiviert werden. Bei Einsatz eines Zentral-Schalters können alle elektrischen Funktionen mit einer einfachen Bedienung gefahrlos außer Betrieb gesetzt werden. 4.2.6 Akkuladestation Vorzugsweise in oder vor der Wohnung ist für Rollstuhlbenutzer ein Anschluss für die Akkuladestation vorzusehen. Auf eine ausreichende Lüftung an dieser Stelle ist zu achten. Die Steckdosen sind in einer Höhe von 40 cm über dem Fußboden anzuordnen. 4.3 Heizungsbedienung Stromanschluss, Leerrohr und Leerdosen für Schalter, Regler und Ventilanschluss erlauben das Nachrüsten elektrischer Stellantriebe an Heizkörperventilen. 4.4 Fenster Rollläden und Jalousien sollen durch Leer-Rohre und -Dosen für elektrische Antriebe vorbereitet werden. Pro Raum empfiehlt sich, jeweils ein Fenster für die Betätigung über einen elektromotorischen Fensteröffner-Antrieb vorzubereiten. 4.5 Fernbedienung Höchste Flexibilität für ortsveränderliche Schalter bieten kabellose Bedienelemente wie Unterputz-Fernbedienungen. Diese benötigen keine Unterputz-Dose, sondern können direkt auf die Wand, Möbel oder das Bett geklebt werden. Infarot- und Funksender zum Einbau in Unterputz-Schalterdosen können zur drahtlosen Bedienung von Raumfunktionen wie Schalt-, Dimm- und weitere Bedienfunktionen eingesetzt werden. 4.6 Haustür und Wohnungseingangstür Für beide Türen werden elektrische Türöffner und Gegensprechstellen benötigt. Eine im Schlafzimmer vom Bett aus erreichbare Gegensprechstelle und Bedienung des Türöffners in 85 cm Höhe erlaubt die Überwachung. Zu empfehlen ist die Verwendung einer Video-Gegensprechanlage. Durch die Leerrohranlage sind weitere mögliche Positionen von Betten und Schlafräumen vorzubereiten. Für eine spätere Nachrüstung elektromotorischer Antriebe an Eingangstüren sollen Stromanschlüsse und Leerdosen für die Betätigung von der Wohnung aus vorbereitet werden. Schalter für kraftbetätigte Türen sind bei frontaler Anfahrt mindestens 250 cm vor der aufschlagenden Tür und auf der Gegenseite etwa 150 cm vor der Tür anzubringen. 4.7 Sanitärräume Lüftungsschalter neben Lichtschaltern sind mit einem eindeutigen Symbol zu kennzeichnen. In Duschen und Bädern sind Notrufanlagen zu empfehlen, die von jeder Stelle aus erreichbar sind. Ein Notruftaster ist seitlich zum WC anzuordnen, am Duschplatz zusätzliche Notrufauslösung als Schnur- bzw. Tasterauslöser in elektronischer, pneumatischer oder magnetischer Auslösung. Notrufschalter in Sanitärräumen oder Toilettenräumen müssen auch vom Boden aus erreichbar sein, z. B. durch eine Zugschnur. 4.8 Telefon und Notruf Durch Leerrohre sollten in jedem Raum Telefonanschlüsse nachgerüstet werden können. Ein zweiter Telefonanschluss im Schlafzimmer neben dem Standardtelefonanschluss soll den Anschluss eines Notruftelefons ermöglichen. Weitergehende Sicherheit gibt ein ISDN-Anschluss mit Adapter für ein Notruftelefon, Leitungsüberwachung und Blockadefreischaltung. Spezielles Marketingverhalten notwendig Technische Lösungen zur Unterstützung der Sicherheit älterer und behinderter Menschen müssen mit Geduld und Verständnis für die hilfsbedürftigen Menschen vermittelt werden. Dieser Personenkreis benötigt mehr Zeit, um die sich ergebenden Vorteile zu erkennen. Da sich hilfsbedürftige Menschen eher konservativ verhalten, soll mit den Vertrauten der Betroffenen nach zusätzlichen sicherheitstechnischen Lösungen gesucht werden. Dieser Personenkreis soll dann auch in die Funktion und Wartung von zusätzlichen Installationsgeräten und -lösungen eingewiesen werden. Die auf dem Gebiet des barrierefreien Wohnens entwickelten Techniklösungen und gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich einfachster Bedienbarkeit und Sicherheit kommen nicht nur behinderten Menschen zugute, sondern dem gesamten Marktsegment für „intelligentes Wohnen“. Weitere Hinweise und Maßnahmen enthält der Richtlinienentwurf VDI 6008 „Barrierefreie Lebensräume - Anforderungen an die Elektro-und Fördertechnik“. Dieser gibt in zusammenfassender Form einen Überblick zu den hauptsächlich vorliegenden Bedürfnissen und Anforderungen für diese Personengruppe und empfehlenswerte Lösungen mittels Elektro-, Kommunikations-, Licht- und Fördertechnik. Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 2 108 FÜR DIE PRAXIS Installationstechnik Drehdimmer erfüllen die Erwartungen des Benutzers an die Bedienung Sicherheit durch Bewegungsmelder zur automatischen Beleuchtungsschaltung - auch zum nachträglichen Einbau
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Autor
- G. Volz
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