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Bearbeitungsschäden - Streitfall in der Haftpflicht

ep9/2005, 2 Seiten

Eine kleine Unachtsamkeit während der Arbeit, ein dummer Zufall kann schnell zu einem Riesenschaden auswachsen. Auch Elektrohandwerker verlassen sich da meist voll auf ihre betriebliche Haftpflicht-Police. Doch bei so genannten Bearbeitungsschäden zahlt diese oft nur in engen Grenzen oder gar nicht. Im Beitrag wird erläutert, wie vorgebaut werden kann.


Deckungslücke Bearbeitungsschäden In der betrieblichen Haftpflicht-Police sind Personen- und Sachschäden in der Regel mit hohen Deckungssummen von mehreren Mio. Euro versichert. So genannte Bearbeitungsschäden sind jedoch zunächst grundsätzlich davon ausgeklammert. In den Empfehlungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftplichtversicherung (AHB) sind unter Punkt 7 die o. e. Ausschlüsse formuliert. Dazu gehören „Haftpflichtansprüche wegen Schäden an fremden Sachen durch eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Versicherungsnehmers an oder mit diesen Sachen (z. B. Bearbeitung, Reparatur, Beförderung, Prüfung und dgl.) und alle sich daraus ergebenden Vermögensschäden; bei Schäden an fremden unbeweglichen Sachen gilt dieser Ausschluss nur insoweit, als diese Sachen oder Teile unmittelbar von der Tätigkeit betroffen waren ...“. Dabei handelt es sich mitunter um Schäden, die in der Praxis häufig auftreten und wobei vom Unternehmer angenommen wird, diese wären über die Haftpflicht abgesichert. Beispiel aus der Praxis Ein Elektriker soll in einem Lebensmittelbetrieb eine neue Leitung mit Sicherungskasten installieren. Infolge fehlerhafter Berechnungen kommt es in der Nacht zu einem Kurzschluss: Durch Schwelbrand wird die Wand- und Deckenverkleidung beschädigt. Außerdem tauen die Gefriertruhen auf. Lebensmittel von erheblichem Wert müssen vernichtet werden. Zwei Schäden, die im Grunde gleichermaßen durch die betriebliche Haftpflicht-Police gedeckt sein sollten - so meint man - und irrt sich. Während der Brandschaden an der Verkleidung von den Versicherern i. d. R. als normaler Haftpflichtschaden verbucht wird, ist der Schaden an den Lebensmitteln nach ihrer Lesart ein so genannter Bearbeitungsschaden. Denn bei den Arbeiten an der Elektroanlage und demzufolge am Stromnetz ist das gesamte Netz unmittelbar von der beruflichen Tätigkeit betroffen - somit auch die an das Netz angeschlossenen Kühlaggregate. Solche Schäden sind entweder gar nicht oder nur mit vergleichsweise geringen Versicherungssummen abgedeckt. Daher kommt es in der Praxis häufig vor, dass der Handwerker für den Schaden mit zur Kasse gebeten wird oder diesen sogar gänzlich selbst bezahlen muss. Wo die Gefahren lauern Zwar können Bearbeitungsschäden mittlerweile auf Wunsch in die Haftpflicht-Police eingeschlossen werden. In speziellen Elektrohandwerker-Paketen ist dieser Schutz sogar häufig schon von vornherein enthalten. Doch die üblichen Standardangebote sind in der Regel begrenzt auf Deckungssummen von 30 000 bis 50 000 Euro. Bei großen Schäden reicht das nicht aus. Gravierende Deckungslücken sind die Folge. Dazu kommt, dass hier vieles Auslegungssache ist. Dann müssen oft Gerichte entscheiden. „Jeder, der beruflich an oder mit fremden Sachen zu tun hat, läuft Gefahr, Bearbeitungsschäden zu produzieren“, sagt Versicherungsberater und Haftpflichtexperte Werner Fütterer und nimmt sich davon keineswegs aus. Er hat deshalb in seiner eigenen Haftpflicht-Police auch Bearbeitungsschäden mit einer kleinen Summe extra abgesichert. Risiken ausreichend absichern Für einen Teil seiner Mandanten hat der Versicherungsexperte allerdings weitaus höhere Summen als üblich bei den Gesellschaften durchgesetzt. Mit einer Mio. Euro ist zum Beispiel ein Holz- und Bautenschutzbetrieb versichert, ebenso eine Dachdeckerfirma. Denn erfahrungsgemäß tragen Handwerksfirmen in dieser Hinsicht die größten Risiken. Gerade für Elektrohandwerker sind Bearbeitungsschäden ein heißes Eisen: Bei Reparaturarbeiten, Umbauarbeiten an bestehenden Installationen passieren sie schneller, als man denkt und verhindern kann. „Wo immer Handwerker in Innenräumen mit Renovierung tätig werden, treffen sie auf vorhandene Installationen. Werden diese dabei beschädigt, ist das i. d. R. ein Bearbeitungsschaden“, erklärt Fütterer. Die angebohrte Fußbodenheizung beim Setzen von Steckdosen ist nur ein typischer Fall von vielen. Brisanz hat das Thema im Übrigen für alle Firmen, die mit der Flex arbeiten. Wer kommt inzwischen ohne aus? „Abgeflext“ wird heutzutage ja fast alles: Steine, Fliesen, Metall. Der Funkenflug hierbei und genauso beim Schweißen ist eine Nebenerscheinung, die verheerenden Schaden auslösen kann, wie der Großbrand auf dem Düsseldorfer Flughafen 1996 deutlich macht. Dort kam es bei Schweißarbeiten an einer Dehnungsfuge durch Funken zu einem Schwelbrand in einer Zwischendecke, der sich von dort dann weiträumig ausbreitete. Abgrenzen und aufstocken. Was vielen Firmen nicht bekannt ist: Der Risikoschutz für Bearbeitungsschäden lässt sich durchaus auf realistische Deckungssummen aufstocken. Gut zu wissen: Am Markt gibt es dafür spezielle Exzedentenpolicen. Jeder gute Vermittler, Makler und auch Versicherer kennt diese Policen. Typische Handwerkerversicherer wissen auf jeden Fall Bescheid oder gehören sogar zu einem Pool, der solche ergänzenden Policen anbietet. Kosten beachten. Das kostet allerdings zusätzlich. Zumeist sind damit empfindliche Selbstbehalte verbunden. Dabei ist man mit beispielsweise 10 % oder auch 20 % vom Schaden - mindestens jedoch mit 1000 Euro bis maximal 2000 Euro dabei. Häufig haben selbst Kleinbetriebe für eine Mio. Deckung mit einer Mindestprämie von 2 000 bis 3000 Euro zu rechnen. Jedoch sind hierbei die Risiken abzuwägen. Risiken eingrenzen. Fütterer berichtet aus seiner Erfahrung dazu: Durch vernünftige Vertrags- und Auftragsgestaltung lässt sich das Risiko stark mindern. Daraus ergibt sich für den Schadensfall ein klareres Bild. Handwerkern wie Elektrofirmen ist angesichts dieser komplizierten Materie in jedem Fall zu raten, den Auftrag möglichst genau einzugrenzen. Fütterer macht das an einem Beispiel fest: Nicht einen Auftrag formulieren, der „Prüfung, Wartung und Instandsetzung der elektrischen Anlage“ heißt, sondern jeweils separat wie z. B.: 1. Auftrag „Prüfung der elektrischen Anlagen“ - da wird nur geschaut, was eventuell defekt ist. Der 2. Auftrag ist dann direkt auf den Defekt bzw. seine Behebung gerichtet. Damit ist dann nicht mehr die gesamte elektrische Anlage - besonders von Bedeutung bei Elektroarbeiten in größeren Betrieben mit vielen elektrischen Verbrauchern - Gegenstand der Tätigkeit, sondern nur das, was im Auftrag als Aufgabenstellung für den Elektrofachbetrieb genau festgelegt worden ist, wie z. B. im Auftrag Nr. 1: Prüfen der elektrischen Anlage. TIPPS: 1. Genau ermitteln, wie hoch das Schadenspotential der Firma ist. 2. Aufträge exakt schriftlich formulieren, damit im Fall der Fälle abgegrenzt werden kann: Wo fängt der Bearbeitungsschaden an, wo hört er auf. 3. Ausreichenden Versicherungsschutz einkaufen. Im ständigen Interessenskonflikt mit dem Versicherer Die feine Abgrenzung von Bearbeitungsschaden zum „normalen“ Haftpflichtschaden - das ist oftmals für den juristischen Laien kaum zu durchschauen, zumal auch die Rechtsprechung hier ständig im Fluss ist. Die Versicherungsexperten Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 9 672 BETRIEBSFÜHRUNG Bearbeitungsschäden - Streitfall in der Haftpflicht Eine kleine Unachtsamkeit während der Arbeit, ein dummer Zufall kann schnell zu einem Riesenschaden auswachsen. Auch Elektrohandwerker verlassen sich da meist voll auf ihre betriebliche Haftpflicht-Police. Doch bei so genannten Bearbeitungsschäden zahlt diese oft nur in engen Grenzen oder gar nicht. Im Beitrag wird erläutert, wie vorgebaut werden kann. „So, Chef! - Die E-Anlage ist wieder okay!!!“ schätzen sogar ein, dass relativ häufig Bearbeitungsschäden zu Lasten des Kunden falsch abgewickelt werden. Dreh- und Angelpunkt der Reibereien ist dabei der Auftragsgegenstand des Handwerkers. Der Haftpflichtexperte Fütterer bringt die gegensätzliche Interessenslage der Parteien auf den Punkt: „Versicherer möchten möglichst viel unter der Kategorie Bearbeitungsschaden verbuchen. Das ist nun mal die reduzierte Versicherungssumme und damit für sie das geringere Risiko. Versicherte Firmen haben natürlich genau ein gegenteiliges Bestreben: Es soll so wenig wie möglich unter diesen Ausschluss bzw. das gering versicherte Risiko fallen“. Praktische Rechtsprechung Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in der Vergangenheit viele Streitfragen zu Gunsten der Versicherungsnehmer entschieden, meistens mit der Begründung unzureichender Klarstellungen in den Versicherungsbedingungen. Vor diesem Hintergrund sind z. B. auch Firmen, die Erdarbeiten ausführen und dabei versehentlich mit dem Bagger dort verlegte Leitungen greifen und beschädigen, im Streitfall in einer gestärkten Position. Dennoch führen die Versicherer immer wieder den Bearbeitungsschaden ins Feld: Wer gräbt, wird ihrer Ansicht nach automatisch auch an den Leitungen tätig. Für Schäden daran steht damit bestenfalls die kleinere Bearbeitungsschadensumme zur Verfügung. Aufgepasst werden sollte auch bei Schäden, die im Gefolge eines Bearbeitungsschadens entstehen wie z. B. Mietausfallkosten, Nutzungsausfallkosten oder Ähnliches. Hier hat der BGH bereits vor 20 Jahren in einem Präzedenzfall geklärt, dass diese nicht unter den Bearbeitungsschaden fallen, sondern als normale Haftpflichtschäden anzurechnen sind (BGH IV a ZR 165/81, Vers R 1984, 252 ff). In vergleichbaren Fällen - wenn etwa ein Hotel für eine Woche dicht machen muss, weil bei Installationsarbeiten die Hauptleitung beschädigt wurde - sind diese dann meist sehr hohen Ausfallkosten als normaler Haftpflichtschaden abzuwickeln. Dies wird jedoch häufig von den Versicherern keineswegs so automatisch akzeptiert, sondern muss dann immer wieder vor Gericht erstritten werden. Expertenrat einholen Legt der Versicherer im Fall der Fälle einen Bearbeitungsschaden zugrunde, so sollte das nicht stillschweigend akzeptiert werden. Vielmehr ist zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um einen Bearbeitungsschaden oder um einen normalen Haftpflichtschaden handelt. Auch ist zu klären, ob die Schadenshöhe richtig ermittelt wurde, evtl. nur der reine Bearbeitungsschaden abgezogen oder doch etwa Folgeschäden mit angerechnet wurden. Ist fälschlicherweise ein Bearbeitungsschaden zugrunde gelegt oder Folgekosten nur mit der Bearbeitungssumme gezahlt worden, sollte man das reklamieren und im Zweifelsfall dann auch gerichtlich prüfen lassen. Um zu seinem Recht zu kommen, sollt man sich Expertenrat einholen - beispielsweise bei Rechtsanwälten mit dem Spezialgebiet Versicherungsrecht oder bei gerichtlich zugelassenen Versicherungsberatern. Verschlechterte Rahmenbedingungen Seit Juni 2004 sind die neuen AHB des GDV im Umlauf, die nahezu alle für die Firmen bereits vorhandenen günstigen Auslegungungen durch neue Bearbeitungsschadenklauseln aushebeln. Die Folge ist, dass zukünftig sicherlich wieder mehr Risikoeinschränkungen und Ausschlüsse greifen werden. Der Mehrzahl der Haftpflichtverträge liegen in der Regel noch die alten Bedingungen zugrunde, die in absehbarer Zeit auslaufen dürften. Wann das geschieht und wie, das entscheidet jede Gesellschaft nach eigenem Gusto. In der Gestaltung ihrer Verträge sind die Versicherer frei. Die Ausarbeitungen des GDV haben lediglich Empfehlungscharakter. Firmen bzw. Neugründungen, die Haftpflicht-Policen neu abschließen, müssen mit den neuen Bedingungen leben und künftig besonders aufpassen, besonders bei größeren und schwierigen Aufträgen mögliche Beabeitungsschäden ausreichend abzusichern. C. Fritz BETRIEBSFÜHRUNG

Autor
  • C. Fritz
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