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Arbeits- und Gesundheitsschutz

Arbeiten mit Leitern und Tritten - Teil 1: Aktuelle Entwicklung - gesetzliche Grundlagen

luk7/2010, 2 Seiten

Elektrofachkräfte montieren häufig an erhöhten Standorten. Neben Hammer, Zange, Schraubendreher und Spannungsprüfer sind Leitern und Tritte daher die bei der Elektromontage mit am häufigsten verwendeten Hilfsmittel. Es überrascht daher nicht, wenn auch das Unfallgeschehen mit diesen Arbeitsmitteln nicht unerheblich ist.


Unfallhäufigkeit Nach aktuellen Untersuchungen der Metall Berufsgenossenschaften nehmen Leiterunfälle Platz 1 bei Absturzunfällen ein. In der gewerblichen Wirtschaft sind jährlich rund 26 000 Unfälle mit Leitern zu verzeichnen. Fast 50 % aller Absturzunfälle sind Leiterunfälle, die nicht selten zu schweren Verletzungen und jährlich in 20 Fällen zum Tode führen. Aus Bild erkennt man, dass sich die meisten Unfälle bei der Benutzung von Anlege- und Stehleitern ereignen. Bei der Mitarbeiterunterweisung und Kontrolle der Montagestellen durch Führungskräfte sind diese Erfahrungen besonders nachdrücklich in die Thematik einzubeziehen. Unfallursachen Das Versagen von Leiterteilen, z. B. Brechen eines Holmes, einer Sprosse oder anderer Bauteile, spielt bei den heutigen Leiterausführungen und -qualitäten eine untergeordnete Rolle. Die Hauptunfallgefahr ist zu über 95 % auf die nicht sachgerechte Benutzung von Leitern zurückzuführen. Nachfolgend sind einige der häufigsten Unfallursachen zusammengestellt: · Verwenden einer ungeeigneten Leiter, · Verwendung einer schadhaften Leiter, · Ab- bzw. Wegrutschen des Leiterfußes oder Leiterkopfes, · Um- oder Wegkippen der Leiter durch mangelhafte, nicht standsichere Aufstellung, · Verlust des Gleichgewichtes, z. B. durch seitliches Hinauslehnen oder unsicheren Stand auf den Leitersprossen, · Abrutschen von den Leitersprossen, · Mitnahme von sperrigem Material, · Benutzung einer Stehleiter zum Übersteigen auf höher gelegene Arbeitsplätze, · Verwendung einer unverhältnismäßig langen Leiter (sehr hoher Arbeitsplatz bzw. Aufstieg) sowie · Verwendung einer zu kurzen Leiter als Verkehrsweg (Leiterkopf ragt nicht mindestens 1 m über die Ausstiegsstellen hinaus). Unfallgeschehen Die Gefährlichkeit von Leitern und Tritten wird häufig unterschätzt. Bei der Auswertung des Unfallgeschehens erkennt man, dass weit über 90 % der Abstürze von Leitern und Tritten auf das Fehlverhalten der Benutzer zurückzuführen sind. Tafel gibt hierzu eine allgemeine Übersicht. Die unerfreuliche Entwicklung des Unfallgeschehens bei der Verwendung von Leitern gab schon vor Jahrzehnten den Berufsgenossenschaften Veranlassung, für die Betriebe und deren Mitarbeiter eine verbindliche Unfallverhütungsvorschrift „Leitern und Tritte“ (BGV D36) zu erlassen. Das seinerzeit noch wesentlich umfangreichere Unfallgeschehen konnte u. a. auf diese Weise deutlich reduziert werden. Als Konsequenz aus dem Erlass der staatlichen Betriebssicherheitsverordnung haben die Berufsgenossenschaften diese wichtige Unfallverhütungsvorschrift BGV D36 im Frühjahr 2009 außer Kraft gesetzt. Betriebssicherheitsverordnung Der Betriebspraktiker wird nun fragen,was beim Einsatz von Leitern zu beachten ist und ob es überhaupt noch verbindliche Regelungen gibt, an denen er sich orientieren kann? Hierzu ist festzustellen, dass in der Betriebssicherheitsverordnung (Betr Sich V), Anlage II, Nr. 5 eine Übersicht mit Mindestanforderungen für die Benutzung von Arbeitsmitteln, die für zeitweilige Arbeiten an hoch gelegenen Arbeitsplätzen bereitgestellt werden, enthalten ist. Abschnitt 5.3 der Anlage II enthält besondere Vorschriften für die Benutzung von Leitern, wo u. a. festgelegt ist: 5.3.1 Der Arbeitgeber darf Beschäftigten nur solche Leitern zur Verfügung stellen, die nach ihrer Bauart für die jeweils auszuführende Arbeit geeignet sind. Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Leitern wiederkehrend auf ihren ordnungsgemäßen Zustand überprüft werden. 5.3.2 Leitern müssen während der Benutzung standsicher und sicher begehbar aufgestellt sein. Leitern müssen zusätzlich gegen Umstürzen gesichert werden, wenn die Art der auszuführenden Arbeit dies erfordert. Tragbare Leitern müssen so auf einem tragfähigen, unbeweglichen und angemessen dimensionierten Untergrund stehen, dass die Stufen in horizontaler Stellung bleiben. Hängeleitern sind gegen unbeabsichtigtes Aushängen zu sichern. Sie müssen sicher und - mit Ausnahme von Strickleitern - so befestigt sein, dass sie nicht verrutschen oder in eine Pendelbewegung geraten können. 5.3.3 Das Verrutschen der Leiterfüße von tragbaren Leitern ist während der Benutzung dieser Leitern entweder durch Fixierung des oberen oder unteren Teils der Holme, durch eine Gleitschutzvorrichtung oder durch eine andere, gleichwertige Lösung zu verhindern. Arbeitssicherheit LERNEN KÖNNEN 7/10 Elektrofachkräfte montieren häufig an erhöhten Standorten. Neben Hammer, Zange, Schraubendreher und Spannungsprüfer sind Leitern und Tritte daher die bei der Elektromontage mit am häufigsten verwendeten Hilfsmittel. Es überrascht daher nicht, wenn auch das Unfallgeschehen mit diesen Arbeitsmitteln nicht unerheblich ist. Arbeiten mit Leitern und Tritten Teil 1: Aktuelle Entwicklung - gesetzliche Grundlagen F a c h w i s s e n L e r n f e l d e r 6 - 1 3 Anlegeleitern sonstige Leitern Stehleitern 34 % 60 % 6 % Unfallverteilung im Metallgewerbe auf die verschiedenen Leiterarten Unfallursache Häufigkeit Sturz durch Gleichgewichtsverlust 45 % Fehltritt, Abrutschen 35 % nicht bestimmungsgemäßes Benutzen 10 % Brüche von Bauteilen 5 % Tafel Typische Unfallursachen bei der Verwendung von Leitern Arbeitssicherheit F a c h w i s s e n L e r n f e l d e r 6 - 1 3 12 LERNEN KÖNNEN 7/10 Leitern, die als Aufstieg benutzt werden, müssen so beschaffen sein, dass sie weit genug über die Austrittsstelle hinausragen, sofern nicht andere Vorrichtungen ein sicheres Festhalten erlauben. Aus mehreren Teilen bestehende Steckleitern oder Schiebeleitern sind so zu verwenden, dass die Leiterteile unbeweglich miteinander verbunden bleiben. Fahrbare Leitern sind vor ihrer Benutzung sicher zu arretieren. 5.3.4 Leitern sind so zu verwenden, dass die Beschäftigten jederzeit sicher stehen und sich sicher festhalten können. Wenn auf einer Leiter eine Last getragen werden muss, darf dies ein sicheres Festhalten nicht verhindern. Diese sehr allgemeinen Festlegungen geben dem Praktiker nur wenig konkrete Hinweise, welche Maßnahmen im Einzelfall erforderlich sind. Andererseits wird in § 7 der Betriebssicherheitsverordnung der Arbeitgeber verpflichtet, den Mitarbeitern ausschließlich Arbeitsmittel - und damit auch Leitern - bereitzustellen, die den geltenden Rechtsvorschriften sowie mindestens den Anforderungen des Anhangs 1 der Verordnung entsprechen. Derzeit besteht keine europäische Binnenmarktrichtlinie, die Leitern und Tritte erfasst. Auch auf Grundlage des Geräte-und Produktsicherheitsgesetzes steht den Leiterherstellern noch keine staatliche Verordnung mit konstruktiven Anforderungen zur Verfügung. Der Ausschuss für Betriebssicherheit erarbeitet derzeit auf Basis der Betriebssicherheitsverordnung eine TRBS „Gefährdungen von Personen durch Absturz - Bereitstellung und Benutzung von Leitern“ (TRBS 2121-3; zurzeit Entwurf), die jedoch ebenfalls keine baulichen Anforderungen enthalten wird. Die wesentliche Basis konstruktiver Anforderungen an Leitern und Tritte ist vielmehr in den europäischen Normen „Leitern - Teil 1: Benennungen, Bauarten, Funktionsmaße“ (DIN EN 131-1) und „Leitern - Teil 2: Anforderungen, Prüfung, Kennzeichnung“ (DIN EN 131-2) zu finden. BG-Information Zur Beseitigung dieser unklaren Situation hat der berufsgenossenschaftliche Fachausschuss „Bauliche Einrichtungen“ zur Konkretisierung der teilweise sehr allgemeinen Aussagen im gesetzlichen und untergesetzlichen Regelwerk eine „Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritten“ als berufsgenossenschaftliche Information (BGI 694) erarbeitet. Diese BG-Information gilt in Unternehmen, die tragbare Leitern und Tritte für ihre Beschäftigten bereitstellen, und gibt Hinweise zu · den Regelungen des Arbeitsschutzgesetzes, · der Betriebssicherheitsverordnung, · den berufsgenossenschaftlichen Regelungen und · den einschlägigen Normen. Im Gegensatz zur bisherigen Unfallverhütungsvorschrift erläutert die neue BG-Information anhand zahlreicher Bildbeispiele die Benutzung unterschiedlicher Leiterarten in zahlreichen Arbeitssituationen. Dabei wird insbesondere die Notwendigkeit einer verantwortungsvollen Auswahl einer speziellen Leiternart, deren Baugröße, in Abhängigkeit der durchzuführenden Arbeiten deutlich. Die BG-Information spricht durch ihre redaktionelle Gestaltung in erster Linie die betrieblichen Vorgesetzten an. Inhalte der BGI 694 · Wofür ist der Unternehmer, der Leitern und Tritte bereitstellen und benutzen will, verantwortlich? · Nach welchen Kriterien sind Leitern und Tritte auszuwählen? · Was ist bei der Unterweisung von Beschäftigten zu beachten? · Transport und Lagerung von Leitern und Tritten. · Was ist bei der Prüfung und Instandhaltung zu beachten? Abschnitt 6 der BGI 694 enthält zahlreiche praxisorientierte Vorschläge, die durch eine Checkliste mit zahlreichen Prüfkriterien im Anhang 2 ergänzt werden. Allerdings muss stets berücksichtigt werden, dass der Unternehmer ungeachtet der in einer BGI beschriebenen Handlungsanleitung nach den Vorschriften der Betriebssicherheitsverordnung die Art der Leitern und Tritte, ihre Verwendung sowie, den Umfang und die Fristen der wiederkehrenden Prüfungen für seine Leitern und Tritte eigenverantwortlich zu ermitteln und festzulegen hat. Die Handlungsanleitung kann ihm in diesem Zusammenhang als Hilfestellung dienen, ersetzt jedoch nicht seine unternehmerische Verantwortung. Verantwortung des Unternehmers Wenn zur Durchführung einer bestimmten Arbeit hochgelegene Arbeitsplätze erreicht werden müssen, hat der Vorgesetzte im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zunächst zu ermitteln,wie der Zugang zu diesen Bereichen erfolgen soll. Können Leitern eingesetzt werden oder ist ein anderes Arbeitsmittel sicherer? Die Betriebssicherheitsverordnung enthält in Abschnitt 5.1.4 des Anhangs 2 folgende Festlegung: Die Benutzung einer Leiter als hochgelegener Arbeitsplatz ist auf Umstände zu beschränken, unter denen die Benutzung anderer, sichererer Arbeitsmittel wegen der geringen Gefährdung und wegen der geringen Dauer der Benutzung oder der vorhandenen baulichen Gegebenheiten, die der Arbeitgeber nicht ändern kann, nicht gerechtfertigt ist. Bauliche Gegebenheiten, die den Einsatz von Leitern oder Tritten rechtfertigen, können beispielsweise sein: · enge Treppenhäuser (auch Wendeltreppen) Bild , · enge Räume (Toilettenräume), · enge Regalgänge, · Zugang zu Dächern/Dachöffnungen, · Unzugänglichkeiten für Befahranlagen (Fahrgerüste oder Hubarbeitsbühnen) auf Grund von Treppen, Absätzen oder der Beschaffenheit des Untergrunds. Unterweisung. Ergänzend zur Handlungsanleitung für den Umgang mit Leitern und Tritten (BGI 694) haben die Metall-Berufsgenossenschaften für die Beschäftigten in den Betrieben eine berufsgenossenschaftliche Information „Leitern sicher benutzen“ (BGI 521) erarbeitet, die praktische Hinweise zum Einsatz von Leitern enthält. Beide Unterlagen können wertvolle Hilfe bei der Unterweisung der Mitarbeiter und bei der Gefährdungsbeurteilung bieten. H.H. Egyptien Leitern mit Holmverlängerungen für kurzzeitige Arbeiten in engen Treppenhäusern Gefährdungsbeurteilung beim Einsatz von Leitern Fortsetzung LERNEN & KÖNNEN

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  • H.-H. Egyptien
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