Schutzmaßnahmen
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Elektrotechnik
Allstromsensitive Fehlerstromschutzeinrichtungen - Teil 2: Vorschriftsmäßiger Einsatz
ep2/2008, 6 Seiten
Anwendungsfelder 1.1 Vorschriftsmäßiger Einsatz der RCD vom Typ B Sind in elektrischen Anlagen glatte Gleichfehlerströme (keine Nullpunktberührung) bedingt durch den Einsatz bestimmter elektronischer Betriebsmittel zu erwarten, so wird von normativer Seite aus bereits in mehreren Bereichen der Einsatz einer allstromsensitiven Fehlerstromschutzeinrichtung gefordert. Dieses trifft z. B. für dreiphasig betriebene FU zu, die eingangsseitig in der Regel zur Gleichrichtung der Netzspannung eine Sechspuls-Brückenschaltung verwenden (Bild ): VDE 0160/EN 50178 „Ausrüstung von Starkstromanlagen mit elektronischen Betriebsmitteln“: Gemäß Abschnitte 5.2.11.2 und 5.3.2.3 ist zum Schutz bei direktem und indirektem Berühren eine RCD vom Typ B einzusetzen, wenn ein elektronisches Betriebsmittel einer elektrischen Anlagen im Fehlerfall einen glatten Gleichfehlerstrom erzeugen kann. VDE 0100 Teil 530 „Errichten von Niederspannungsanlagen - Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel - Schalt- und Steuergeräte“: Gemäß Abschnitte 531.3.2 und 532.2 müssen RCD vom Typ B eingesetzt werden, wenn auf der Lastseite der RCD ein elektronisches Betriebsmittel im Fehlerfall einen glatten Gleichfehlerstrom erzeugen kann. Das gilt auch dann, wenn das elektronische Betriebsmittel fest angeschlossen ist. Zum vorbeugenden Brandschutz ist eine RCD mit einem Bemessungsfehlerstrom von nicht mehr als 300 mA einzusetzen. 1.1.1 Schutzmaßnahmen auf Baustellen Auszüge aus BGI 608 „Auswahl und Betrieb elektrischer AnIagen und Betriebsmittel auf Bau- und Montagestellen“: · Einphasig betriebene elektronische Betriebsmittel AC 230 V/16 A dürfen überpulsstromsensitive RCD mit In = 30 mA oder Schutztrenntransformatoren betrieben werden, wenn keine glatten Gleichfehlerströme zu erwarten sind. Über eine einphasige Brückengleichrichtung kann im Falle eines Erdschlusses kein glatter Gleichfehlerstrom fließen, auch wenn im Brückenzweig ein Glättungskondensator angeordnet ist. Ist das elektronische Betriebsmittel jedoch eingangsseitig mit einer Einweggleichrichtung mit Glättungskondensator versehen, so kann im Falle eines Erdschlusses ein glatter Gleichfehlerstrom entstehen. · Dreiphasig betriebene elektronische Betriebsmittel mit Steckvorrichtungen = 32 A dürfen nur über allstromsensitive RCD mit In = 30 mA oder Schutztrenntransformatoren betrieben werden. · Dreiphasig betriebene elektronische Betriebsmittel mit Steckvorrichtungen > 32 A bis 63 A dürfen über allstromsensitive RCD mit In = 500 mA oder Schutztrenntransformatoren betrieben werden. · Dreiphasig betriebene elektronische Betriebsmittel mit Steckvorrichtungen > 63 A dürfen nur über allstromsensitive RCD oder Schutztrenntransformatoren betrieben werden. · Elektronische Betriebsmittel mit Festanschluss ohne Steckverbindung dürfen ohne RCD oder Schutztrenntransformatoren betrieben werden, jedoch sind Schutzmaßnahmen nach DIN VDE 0100-410 anzuwenden. 1.1.2 Weitere Einsatzgebiete VDE 0100 Teil 712 „Errichten von Niederspannungsanlagen - Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art - Solar-Photovoltaik(PV)-Stromversorgungssysteme: Gemäß Abschnitt 712.413.1.1.1.2 muss in elektrischen Anlagen mit PV-Stromversorgungssystemen eine RCD vom Typ B vorgesehen werden, wenn durch die Bauart des Wechselrichters nicht mindestens eine einfache Trennung zwischen der Wechsel- und Gleichspannungsseite besteht und wenn der Fehlerschutz durch automatische Abschaltung mit Überstromschutzeinrichtungen (Leitungsschutzschalter) aufgrund unzureichender Erdungsbedingungen (hohe Schleifenwiderstände) nicht gegeben ist. Das trifft beispielsweise zu, wenn ein trafoloser PV-Wechselrichter in einem TT-System oder in einem TN-System mit hohen Schleifenwiderständen verwendet wird. Das gilt auch dann, wenn eine externe oder im Wechselrichter integrierte selbsttätige Schaltstelle mit Fehlerstrom-Überwachungseinheit (RCMU) zum zusätzlichen Personenschutz nach VDE V 0126-1-1 vorhanden ist. Häufig werden einphasig einspeisende Wechselrichter verwendet. In diesem Fall ist der Einsatz eines zweipoligen Fehlerstromschutzschalters vom Typ B ausreichend. VDE 0100 Teil 723 ,,Errichten von Niederspannungsanlagen - Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art - Unterrichtsräume mit Experimentiereinrichtungen“: Gemäß Abschnitt 723.412.5 muss in Stromkreisen von Experimentiereinrichtungen in einem TN- oder TT-System zum zusätzlichen Schutz eine RCD vom Typ B mit einem Bemessungsfehlerstrom 30 mA vorgesehen werden. VdS 3501 „Richtlinie zur Schadenverhütung: lsolationsfehlerschutz in elektrischen Anlagen mit elektronischen Betriebsmitteln - RCD und FU“: Gemäß Abschnitt 4.4 ist zum Sachschutz in feuergefährdeten Betriebsstätten eine RCD vom Typ B vorzusehen, die Fehlerströme in einem Frequenzbereich von 0 bis mindestens 100 kHz sicher erfasst und eine maximale Auslösegrenze von 300 mA aufweist, die im gesamten Frequenzbereich nicht überschritten werden darf. Elektropraktiker, Berlin 62 (2008) 2 144 FÜR DIE PRAXIS Schutzmaßnahmen Allstromsensitive Fehlerstromschutzeinrichtungen Teil 2: Vorschriftsmäßiger Einsatz G. Grünebast, Norden Der Einsatz von elektronischen Betriebsmitteln nimmt in der Elektroinstallation immer mehr zu. Im Fehlerfall können hier glatte Gleichfehlerströme und hochfrequente Wechselfehlerströme auftreten, die von einer handelsüblichen Fehlerstromschutzeinrichtung des Typs A nicht erfasst werden. Abhilfe schaffen allstromsensitive FI-Schutzschalter. Autor Dipl.-Ing. Günter Grünebast ist Entwicklungsleiter für den Bereich Differenzstromtechnik der Fa. Doepke Schaltgeräte, Norden Sechspu Is-Brückenschaltung (Drehstrom-Brückenschaltung) Anmerkung: Die obige Aufführung von Einsatzgebieten allstromsensitiver Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen ist nur beispielhaft und nicht vollständig. Der Errichter einer elektrischen Anlage muss anhand der für seine Anlage zutreffenden aktuellen Errichtungsbestimmungen die entsprechenden vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen vorsehen. 1.2 Aufteilung der Stromkreise Stromkreisen mit elektronischen Betriebsmitteln wie FU dürfen nach VDE 0160/EN 50178 Abschnitt 5.3.2.3 keine pulsstromsensitiven Schutzeinrichtungen vorgeschaltet sein (Bild ), da diese - wie bereits beschrieben - durch glatten Gleichfehlerstrom in ihrer Funktion beeinträchtigt werden (Vormagnetisierung des Wandlerkernes). 1.3 Schutz durch automatische Abschaltung Zur Erhöhung der Anlagenverfügbarkeit ist eine Überwachung eines Stromkreises bzw. eine Fehlermeldung ohne Abschaltung mit Hilfe eines RCM (Differenzstromüberwachungsgerät; engl.: residual current monitor) als Schutzeinrichtung in TT- und TN-Systemen gemäß VDE 0100-530 nicht zulässig. RCM sind oft mit einer Anzeigefunktion ausgestattet, sodass der Anwender eine Information über den aktuell vorhandenen Differenzstrom erhält. Jedoch verfügen sie nicht über ein eigenes Schaltorgan. Zum Brandschutz sind RCM in Verbindung mit einem Schaltgerät mit Trennfunktion ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn aufgrund eines sehr hohen Betriebsstromes eine RCD nicht mehr eingesetzt werden kann. Es ist jedoch zu beachten, dass eine Abschaltung des zu überwachenden Stromkreises erfolgen muss, wenn es zum Ausfall der Hilfsspannung des RCM kommt, sodass die Anlagenverfügbarkeit im Gegensatz zur Verwendung einer RCD (die bei Ausfall der Netzspannung in der Regel nicht abschaltet) unter Umständen noch weiter verringert wird. In elektrischen Anlagen mit elektronischen Betriebsmitteln, in denen glatte Gleichfehlerströme zu erwarten sind, ist zum Schutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung nur eine RCD vom Typ B zulässig, z. B. ein Fehlerstrom-Schutzschalter (RCCB) des Typ B. Prinzipiell steht der Anlagenschutz durch Abschaltung im Fehlerfalle vor der Anlagenverfügbarkeit. RCM sind zum Schutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung nicht zulässig. Jedoch sind sie eine ideale Ergänzung zur RCD. Der allstromsensitive RCM des Typs DMD 3 von Doepke ist beispielsweise mit einer 10-stelligen Anzeige und einem Voralarm ausgestattet. Auf diese Weise lässt sich der Differenzstrom überwachen, und bei Überschreitung einer einstellbaren Schwelle erfolgt eine Meldung, bevor es bei weiter ansteigendem Differenzstrom dann zur automatischen Abschaltung der Stromversorgung mit Hilfe der RCD kommt. 1.4 Grundschaltungen und mögliche Fehlerströme Bild zeigt für elektrische Betriebsmittel mit verschiedenen Basisschaltbildern den zeitlichen Verlauf des Laststromes und des Fehlerstromes und gibt den für einen umfassenden Schutz geeigneten RCD-Typen an. Entstehung eines glatten Gleichfehlerstromes Bild zeigt die vereinfachte Schaltung aus dreiphasigem Netz mit B6-Brückenschaltung des FU und einen lsolationsfehler. In Bild sind die einzelnen Leiterströme und der sich ergebende Fehlerstrom dargestellt. Der Fehlerstrom iF ergibt sich aus einer Addition der einzelnen Ströme iL1, iL2 und iL3 in den drei Leitern L1, L2 und L3. Die einzelnen Leiterströme L1 bis L3 stellen pulsierende Gleichfehlerströme mit längerer Nullpunktberührung dar, die sich aus der Kommutierung von drei der sechs Gleichrichterdioden ergeben. Ihre einzelnen magnetischen Flüsse addieren sich im Wandlerkern. Als Summe ergibt sich ein dem Fehlerstrom iF proportionaler magne- Elektropraktiker, Berlin 62 (2008) 2 145 Schutzmaßnahmen FÜR DIE PRAXIS Typ A Typ A Typ A Typ B a) b) Aufteilung der Stromkreise in Anlagen mit elektronischen Betriebsmitteln a) Stromkreise, bei denen im Fehlerfall nur Wechselfehlerströme oder/und pulsierende Gleichfehlerströme auftreten können b) Stromkreise, bei denen im Fehlerfall auch glatte Gleichfehlerströme auftreten können Quelle: DIN VDE 0160/ EN 50178 Ergänzende Hinweise zum ersten Beitragsteil Zum Abschnitt 4 „Maßnahmen zur Reduzierung von Ableitströmen“ im ersten Beitragsteil hier noch einige ergänzende Hinweise: Viele FU sind bereits mit einem internen EMV-Eingangsfilter ausgestattet, sodass die Verwendung eines externen Filters entfallen kann. Wichtig: Diese integrierten Filter lassen oft nur eine maximale Länge der geschirmten Motorzuleitung von 5 bis 10 m zu. Die in den Bedienungsanleitungen der FU angegeben Konformitätserklärungen zu den EMV-Richtlinien (z. B. EN 55011, Klasse A, B) sind meist nur für diese relativ kurzen Leitungslängen gültig. Oft sind auch Leitungslängen von 50 bis 100 m angegeben: Diese Leitungslängen beziehen sich jedoch meist nicht auf die EMV-Konformität, sondern auf eine maximal zulässige kapazitive Last (Kapazität der geschirmten Motorzuleitung), die die Ausgangsstufe des FU noch problemlos treiben kann. Längere Zuleitungen bewirken durch die Zunahme der asymmetrischen kapazitiven Ströme eine magnetische Sättigung der EMV-Filterdrossel. Extrem hohe Ableitströme und eine Filterresonanz sind die Folge. Eine gesättigte Filterdrossel führt zur Unwirksamkeit des Filters, sodass die zulässigen Grenzwerte der einschlägigen EMV-Richtlinien weit überschritten werden und der FU somit meist unbemerkt zur hochgradigen Störquelle für andere Verbraucher wird. Wird der FU mit integriertem EMV-Filter und langer geschirmter Motorzuleitung (>10 m) verwendet, so ist das integrierte Filter nach Möglichkeit zu deaktivieren und ein externes EMV-Filter, das für den Betrieb mit langen Motorzuleitungen geeignet ist, zu verwenden. Welches Filter geeignet ist, muss ggf. durch eine EMV-Messung an der gesamten elektrischen Anlage ermittelt werden. tischer Fluss mit hohem Gleichanteil, der eine Vormagnetisierung des Wandlerkernes bewirkt und eine weitere Wechselmagnetisierung durch möglicherweise noch vorhandene Wechselfehlerströme stark einschränkt und ggf. sogar verhindert. Frequenzgang des Auslösestromes und Schutzpegel In elektrischen Anlagen mit elektronischen Betriebsmitteln, die nicht galvanisch vom Netz getrennt sind, können im Fall eines Erdschlusses glatte Gleichfehlerströme oder Fehlerströme mit Frequenzen bzw. Mischfrequenzen entstehen, die von der Netzfrequenz stark abweichen. Um in Anlagen mit solchen Betriebsmitteln einen Fehlerstromschutz zu realisieren, ist eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung erforderlich, die über den historischen Inhalt des Begriffs „Allstrom“ hinaus allstromsensitiv ist, d. h. die breitbandig Fehlerströme aller Frequenzen, die in der Anlage auftreten können, erfasst und falls erforderlich eine Freischaltung bewirkt. Dabei stellt sich die Frage, ob der durch den Bemessungsfehlerstrom bei der Bemessungsfrequenz festgelegte Schutzpegel auch für den gesamten übrigen Erfassungsfrequenzbereich der RCD vorausgesetzt werden kann. 3.1 Schutz durch pulstromsensitive RCD Typ A Herkömmliche pulsstromsensitive Fehlerstromschutzeinrichtungen nach EN 61008/ VDE 0664 Teil 10 sind für Fehlerströme des Typs A gemäß IEC TR 60755 (General requirements for residual current operated protective devices) ausgelegt, d. h. sie reagieren bestimmungsgemäß nur auf Wechselfehlerströme und pulsierende Gleichfehlerströme ihrer Bemessungsfrequenz, d. h. der Netzfrequenz. Die Ansprechschwellen für Fehlerströme abweichender Frequenzen sind nicht definiert. Bei glattem Gleichfehlerstrom oder Wechselfehlerstrom höherer Frequenz ist somit bei diesen RCD eine Auslösung nicht mehr sichergestellt. Der durch den Einsatz einer RCD Typ A realisierte Schutzpegel ist, wie in Tafel dargestellt, durch ihren Bemessungsfehlerstrom bei der Bemessungsfrequenz festgelegt. 3.2 Erweiterter Schutzumfang durch RCD vom Typ B In der Publikation IEC 60755 sind neben RCD für Fehlerströme des Typs A auch Schutzeinrichtungen für Fehlerströme Typ B beschrieben. Diese können neben Wechsel- und pulsierenden Gleichfehlerströmen auch glatten Gleichfehlerstrom erfassen, der z. B. durch ein defektes elektronisches Betriebsmittel entstehen kann, wenn hinter einer Sechspulsgleichrichtung oder einer Einweggleichrichtung mit Glättungskondensator ein lsolationsfehler zur Erde auftritt. Elektropraktiker, Berlin 62 (2008) 2 146 Verschiedene Basisschaltbilder mit zeitlichem Verlauf des Laststromes, des Fehlerstromes und geeignete RCD-Typen einpasig Zeile einpasig mit Glättung Vollbrückenschaltung Vollbrückenschaltung, halb gesteuert Vollbrückenschaltung zwischen Außenleiter Drehstrom-Sternschaltung Drehstrom-Vollbrückenschaltung Phasenanschnittsteuerung Burst-Steuerung Prinzipschaltung mit Fehlerstelle Form des Belastungsstroms Form des Fehlerstroms FI/DI-Auslösung FÜR DIE PRAXIS Viele Betriebsmittel der Leistungselektronik, wie z. B. unterbrechungsfreie Stromversorgungen, Wechselrichter oder Frequenzumrichter, erzeugen intern oder direkt als Ausgangsspannung eine bipolare Rechteckspannung (getaktete Gleichspannung), der durch Pulsweitensteuerung die sinusförmige Ausgangsspannung mit der Motorfrequenz aufmoduliert ist. Daher können z. B. Frequenzumrichter im Fehlerfall neben Fehlerströmen mit Netzfrequenz und glatten Gleichfehlerströmen auch Fehlerströme mit einem Frequenzgemisch aus der Taktfrequenz mit deren harmonischen Oberschwingungen sowie der Ausgangsfrequenz verursachen. Um auch bei Einsatz dieser Betriebsmittel einen umfassenden Fehlerstromschutz zu gewährleisten, muss die hierzu verwendete allstromsensitive RCD auch auf Fehlerströme mit diesen Frequenzen ansprechen. Der durch den Einsatz einer solchen RCD erzielbare Schutzpegel sollte dabei nicht nur bei der Bemessungsfrequenz gelten, sondern möglichst über den ganzen Frequenzbereich der Fehlerstromerfassung, dessen obere Grenze ebenfalls bekannt sein muss. Nur so lässt sich bei der gewohnten Auswahl der RCD hinsichtlich ihres Bemessungsfehlerstromes ein Irrtum bezüglich des damit verbundenen Schutzpegels vermeiden. Im Übrigen sollte die Ansprechstromschwelle im gesamten erfassten Frequenzbereich einerseits möglichst hoch sein, um durch Ableitströme bedingte Fehlauslösungen zu vermeiden, andererseits muss sie ausreichend niedrig sein, um den gewünschten Schutzpegel zu gewährleisten. 3.3 Auslösestrom in Abhängigkeit von der Frequenz Um über den gesamten Frequenzbereich einen gleichen Schutzpegel zu gewährteisten, muss der Ansprechfehlerstrom einer RCD Typ B nicht zwangsläufig bei allen Frequenzen kleiner oder gleich dem Bemessungsfehlerstrom sein. Eine RCD für den Personenschutz muss bekanntlich auf Fehlerströme der Frequenz 50 Hz bei maximal 30 mA ansprechen. Bei Gleichfehlerstrom kann die höchstzulässige Ansprechschwelle jedoch deutlich höher liegen, da der Mensch auf Gleichstrom weniger empfindlich reagiert als auf 50-Hz-Wechselstrom. Bild zeigt, wie der Frequenzgang des Auslösestromes einer allstromsensitiven RCD an die frequenzabhängige Stromempfindlichkeit des Menschen angepasst werden kann, um einen möglichst weitgehenden Personenschutz zu realisieren, ohne dass die RCD bei Fehlerströmen der verschiedenen Frequenzen immer mit einer Schwelle von 30 mA und damit unnötig sensibel anspricht. Angaben über die Gefährdung eines Menschen durch Körperströme mit Frequenzen ungleich 50 Hz findet man im Teil 2 der IEC 60479 (Effects of current passing through the human body) in Form einer Gefährdungskurve Elektropraktiker, Berlin 62 (2008) 2 147 Schutzmaßnahmen FÜR DIE PRAXIS Gefährdungsgrenzwerte für verschiedene Wirkungen von Strömen durch den menschlichen Körper Auswirkung eines Isolationsfehlers am Zwischenkreiskondensator mit Sechspuls-Brückenschaltung Erde Wandler des FI Netzteil mit Gleichrichtung des FU Metallgehäuse Erde - + iF = iL1 + iL2 + iL3 (a) Grenze für Herzkammerflimmern nach IEC 60479 (Wahrscheinlickeit < 5 %) (c) Gesamtgefährdungsgrenze aus (a) und (b) (Grenze für Schutzpegel 3) (b) Grenze für nichtkardiologische Körperschädigungen und Brandschutzgrenze (Grenze für Schutzpegel 2) 1000 100 Strom 0,1 1 10 100 1000 10000 100000 Frequenz iL1 iL2 iL3 iF = iL1 + iL2 + iL3 Darstellung der einzelnen Leiterströme Tafel Zuordnung des erzielbaren Schutzpegels zum Bemessungsfehlerstrom bei RCD Typ A Schutzpegel (bei Bemessungsfrequenz) Bemessungs- 1 2 3 fehlerstrom Schutz bei Brandschutz Schutz bei In indirektem direktem Berühren Berühren 0,03 A X X X 0,1 A X X 0,3 A X X > 0,5 A X für Frequenzen von 50 bis 1000 Hz. Sie gibt in Abhängigkeit von der Frequenz Stromgrenzwerte als Vielfache des bei 50 Hz zulässigen Grenzwertes an, oberhalb derer der Mensch bei Längsdurchströmungen von mehr als der Dauer einer Herzperiode einen elektrischen Schlag mit der Folge eines tödlichen Herzkammerflimmerns erleiden kann. Kurve a) in Bild stellt diese Gefährdungskurve dar - um Angaben aus Teil 1 der IEC 60479 auf Frequenzen unter 50 Hz erweitert und umgerechnet auf absolute Stromwerte für eine Ereigniswahrscheinlichkeit <5 %1). Eine RCD, die den Menschen nur gegen diese kardiologische Wirkung des Stromes schützen soll, dürfte demzufolge einen Frequenzgang des Auslösestromes haben, dessen obere Grenze gemäß der Kurve a) in Bild bei zunehmenden Frequenzen steil nach oben verläuft. Sie würde damit bei Fehlerströmen hoher Frequenzen sehr unempfindlich ansprechen und wäre gegenüber unerwünschten Auslösungen durch Ableitströme dieser Frequenzen weitgehend immun. Eine solche RCD würde den Menschen jedoch vor weiteren elektropathologischen Wirkungen des Stromes, wie z. B. die thermische und elektrochemische Wirkung bei hohen Frequenzen nicht ausreichend schützen, weil die für diese Wirkungen verträglichen Stromgrenzen niedrigere Ansprechwerte erfordern. Über thermische und chemische Wirkungen von Wechselströmen werden in IEC 60479-1 direkt keine Angaben gemacht. Man kann jedoch davon auszugehen, dass Aussagen, die dort bezüglich dieser Wirkungen für Gleichstrom zu finden sind, sich auf Wechselströme mit gleichem Effektivwert bis < 100 kHz übertragen lassen. Demzufolge sind bei einer Einwirkdauer im Minutenbereich und Stromstärken von 0,3 A bereits irreversible Schädigungen zu erwarten. Ein Fehlerstrom durch den Körper oberhalb dieser Grenze sollte daher keinesfalls dauernd fließen können. Die Kurve a) in Bild verläuft nur im Frequenzbereich bis ca. 600 Hz unterhalb dieses Stromwertes - Linie b) -, d. h. oberhalb dieser Frequenz überwiegt die Empfindlichkeit des Menschen für diese weiteren elektropathologische Wirkungen des Stromes gegenüber der kardiologischen Wirkung. Eine Gefährdungsgrenzkurve wie c), die möglichst alle Wirkungsmechanismen beinhalten soll, darf demzufolge mit zunehmender Frequenz nicht beliebig entsprechend der Kurve a) steigen. Sie muss vielmehr bei Erreichen eines bestimmten Wertes von z. B. 0,3 A auf einen konstanten Wert abknicken. Dieser Wert stellt außerdem seit langem die in der Fachwelt genannte obere Grenze für einen Schutz gegen fehlerstrombedingte Brände dar. Um Schädigungen durch alle Wirkungen des Fehlerstromes möglichst auszuschließen, darf dieser daher an keiner Stelle des gesamten Frequenzbereiches die Grenzkurve c) überschreiten. Der Auslösestrom einer allstromsensitiven RCD für einen weitgehenden2) Personenschutz muss daher immer unterhalb der Gesamtgefährdungskurve c) liegen. Der niedrige Auslösestrom einer RCD Typ A mit einem Bemessungsfehlerstrom von 30 mA beinhaltet bei Fehlerströmen der Bemessungsfrequenz neben dem Schutzpegel 3 immer auch den Schutzpegel 2, d. h. Brandschutz (siehe Tafel ). Eine gegen Fehlauslösungen möglichst unempfindliche RCD Typ B des gleichen Bemessungsfehlerstromes gewährleistet automatisch auch den Brandschutz bei allen erfassten Fehlerstromfrequenzen, wenn ihr Frequenzgang des Auslösestromes den obigen Anforderungen genügt. 3.4 Auforderungen an die obere Frequenzgrenze Die Ausgangsspannungen von Betriebsmitteln der Leistungselektronik können mit sehr unterschiedlichen Frequenzen getaktet sein. Entsprechend breit ist daher auch das Frequenzspektrum der möglichen Fehlerströme. Ein Fehlerstrom am Ausgang eines Frequenzumrichters enthält z. B. Anteile mit mehreren Frequenzen, der Taktfrequenz und ihren Oberschwingungen, der Motorfrequenz sowie der Frequenz 150 Hz, die durch die Sechpulsgleichrichtung als Welligkeit der Zwischenkreisspannung entsteht. Bild zeigt beispielhaft, in welchem Umfang die verschiede-Elektropraktiker, Berlin 62 (2008) 2 148 FÜR DIE PRAXIS Schutzmaßnahmen Fehlerstromanteile unterschiedlicher Frequenzen am Ausgang eines Frequenzumrichters mit der Taktfrequenz 8 kHz bei einem Fehlerschleifenwiderstand von 780 Frequenzgänge des Auslösestromes der FI-Schutzschalter DFS 4B NK in Bezug auf die Gefährdungsgrenzen für Personen- und Brandschutz 350 250 200 150 100 Fehlerstrom 10 20 30 40 50 Ausgangsfrequenz ISum ITakt (inkl. Oberschwingungen bis 100 kHz) IMot I150 Hz Frequenzbereich I Frequenzbereich II Frequenzbereich III 1000 100 0,1 1 10 100 1000 10000 100000 Auslösestrom Frequenz I = 500 mA I = 300 mA I = 30 mA (c) Gefährdungsgrenze für Ströme durch den menschlichen Körper (Grenze für Schutzpegel 3) (b) Brandschutzgrenze (Grenze für Schutzpegel 2) 1) Bezüglich der Wirkungen von Wechselströmen mit Frequenzen > 100 Hz auf den Menschen liegen bisher nur wenige Untersuchungsergebnisse vor, sodass diese Aussage nicht mit letzter Sicherheit getroffen werden kann. So wurde z. B die in IEC 60479-2 angegebene Gefährdungskurve a) für Frequenzen > 100 Hz und Stromeinwirkungsdauern von mehr als einer Herzperiode überwiegend durch Tierversuche ermittelt. Auch liegen für die Wirkung bei z. B. kürzerer Stromflussdauer und anderen Stromwegen nur wenige Angaben vor. 2) Mit der Stromgrenze 0,3 A, die hier aufgrund der wenigen und recht unscharfen Angaben in IEC 60479-1 gewählt wurde, ist kein absoluter Schutz im Falle des direkten Berührens zu erwarten. Dieser Wert stellt einen Kompromiss zwischen einer hohen Auslöseschwelle zur Vermeidung von Fehlauslösungen durch Ableitströme und einer niedrigen Schwelle zugunsten der Sicherheit dar. Wichtig ist jedoch, dass die Frequenzgangkennlinie nicht gemäß der Gefährdungskurve a) beliebig ansteigt, sondern einen Konstantwert auf einem niedrigstmöglichen Niveau annimmt. Der Personenschutz (Schutz bei direktem Berühren) kann immer nur als Zusatzschutz, d. h. als „Notbremse“ für den Fall angesehen werden, dass der Basisschutz und der Fehlerschutz nicht wirken. nen Frequenzanteile abhängig von der eingestellten Motorfrequenz fMot im Gesamtfehlerstrom enthalten sind. Der Gesamtfehlerstrom ISum ergibt sich dabei durch die geometrische Addition der Fehlerstromanteile IMot mit der Motorstromfrequenz, ITakt mit der Taktfrequenz und I150 mit der Ripplefrequenz der Zwischenkreisgleichspannung. Bild macht deutlich, dass bei einer niedrigen Motorfrequenz fMot der Fehlerstromanteil ITakt mit der Taktfrequenz nahezu den Gesamteffektivwert ISum des Fehlerstromes ausmacht. Da die getaktete Ausgangsspannung aus Rechteckimpulsen besteht, enthält sie neben den Anteilen mit der Taktgrundfrequenz zu einem erheblichen Teil auch ungradzahlige Oberschwingungen. Gängige Frequenzumrichter lassen sich heute mit Taktfrequenzen bis 16 kHz betreiben, wobei dann auch Fehlerströme mit dieser Rechteckfrequenz entstehen können. Die 1. Oberschwingung (48 kHz) hat dabei eine Amplitude von bis zu 30 % der 16 kHz Grundschwingung und trägt somit zum Effektivwert des Gesamtfehlerstromes ca. 10 % bei. Schon bei der Anwendung von Standardfrequenzumrichtern sollte daher die obere Grenzfrequenz für die Fehlerstromauslösung mindestens 50 kHz betragen. Für schnell rotierende Maschinen werden auch Umrichter mit höheren Taktfrequenzen angeboten. Auch andere elektronische Betriebsmittel wie PV-Wechselrichter, USV-Anlagen und Schaltnetzteile werden in der Regel mit höheren Frequenzen getaktet, sodass die RCD für einen umfassenden Schutz Fehlerstromanteile mit Frequenzen bis mindestens 100 kHz erfassen sollte. 3.5 Schutzpegel bei geringen bis mittleren Ableitströmen Einen Frequenzgang des Auslösestromes einer RCD, die gemäß den obigen Anforderungen optimiert wurde, zeigt Bild am Beispiel des FI-Schutzschalters DFS 4B NK mit dem Bemessungsfehlerstrom 30 mA. Die Kennlinie verläuft in allen Frequenzbereichen unter der Gesamtgefährdungskurve c) aus Bild . Der Schalter mit dem Bemessungsfehlerstrom 30 mA bietet damit nach gegenwärtigem Kenntnisstand auch oberhalb der Frequenz 600 Hz bis > 100 kHz einen weitgehenden, wenn auch nicht absoluten Personenschutz, Brandschutz und selbstverständlich den eigentlichen Fehlerschutz. Die Ansprechschwelle des Auslösestromes liegt dabei immer dicht unter der für diesen Schutzpegel festgelegten Höchstgrenze. Damit werden bei einem durchgehend hohen Schutzpegel 3, unerwünschte Auslösungen durch Ableitströme im kHz-Bereich weitgehend vermieden. Der für den Fehlerschutz erforderliche Erdungswiderstand darf dabei nicht auf den Bemessungsfehlerstrom, sondern muss auf den höchsten Auslösestrom im Erfassungsfrequenzbereich, d. h. auf 300 mA, ausgelegt werden. Auch für allstromsensitive FI-Schutzschalter DFS 4B NK mit höheren Bemessungsfehlerströmen ist der Frequenzgang des Auslösestromes dieser Gerätetypenreihe so ausgelegt, dass der in Tafel dem Bemessungsfehlerstrom zugeordnete Schutzpegel für den ganzen Frequenzbereich der Fehlerstromerfassung gilt. So verläuft z. B. der Frequenzgang des FI-Schutzschalters DFS 4B NK (Bild ) mit dem Bemessungsfehlerstrom 300 mA im gesamten Erfassungsbereich unterhalb von 300 mA. Er bietet damit gemäß Tafel den Schutzpegel 2 bei hohen Frequenzen des Fehlerstromes ebenso wie bei der Bemessungsfrequenz. 3.6 „Schutzpegelsprung“ bei hohen Ableitströmen In Anlagen mit mehreren Frequenzumrichtern und/oder langen Motorzuleitungen können RCD, die einen frequenzdurchgängigen Schutzpegel bieten, durch hohe Ableitströme im dargestellten Frequenzband III unerwünscht auslösen. In diesen Fällen muss der Auslösestrom der RCD in diesem Frequenzbereich höher werden, was einer Absenkung des Schutzpegels um eine oder sogar um zwei Stufen mit sich bringt. Der Schutzpegel springt also innerhalb des Frequenzbereiches ab einer bestimmten Frequenz auf eine niedrigere Stufe. In Bild verläuft der Frequenzgang des FI-Schutzschalters DFS 4B SK mit dem Bemessungsfehlerstrom 30 mA nur in den Frequenzbereichen I und II unterhalb der Gesamtgefährdungskurve c) und bietet damit den Schutzpegel 3. Im Bereich III nimmt die Ansprechschwelle jedoch mit der Frequenz weiter zu und verläuft dann mit einem konstant hohen Wert von 2 A bis zum Ende des Erfassungsbereiches. Damit werden diese Schalter weitgehend unempfindlich gegen unerwünschte Auslösungen durch Ableitströme mit der Taktfrequenz der elektronischen Betriebsmittel. Diese Immunität gegenüber hochfrequenten Ableitströmen erkauft man jedoch durch einen geringeren Schutzpegel im Bereich der höheren Frequenzen. Nur in den Frequenzbändern I und II entspricht der Schutzpegel noch der gemäß Tafel zu erwartenden Stufe 3. Im Frequenzbereich III ist bei diesem Schaltertyp jedoch „nur noch“ Stufe 1 erreichbar, der „Schutz bei indirektem Berühren“ (Fehlerschutz). Auch für die RCD mit dem Bemessungsfehlerstrom 0,3 A ergibt sich mit steigender Fehlerstromfrequenz ein Schutzpegelsprung vom Brandschutz auf ausschließlichen Fehlerschutz. Der Fehlerschutz lässt sich jedoch auch für diese hohen Frequenzen problemlos realisieren. Dazu wird der Erdungswiderstand für den zwar hohen, aber im restlichen Frequenzbereich III exakt definierten konstanten Auslösestrom ausgelegt. 3.7 Erdungswiderstände für den Fehlerschutz Abweichend von Anlagen mit pulsstromsensitiven RCD Typ A darf für die Festlegung des Erdungswiderstandes RE in Anlagen mit allstromsensitiven RCD Typ B nicht der Bemessungsfehlerstrom ln herangezogen werden, sondern der im Erfassungsfrequenzbereich maximale Auslösestrom IAmax. Gemäß dem Zusammenhang RE = UB/IAmax lässt sich hiermit dann der maximal zulässige Erdungswiderstand RE wie gewohnt berechnen. Als zulässige Berührspannungen UB können dabei die für 50 Hz bekannten Werte 50 V bzw. 25 V zugrunde gelegt werden. Elektropraktiker, Berlin 62 (2008) 2 149 Schutzmaßnahmen FÜR DIE PRAXIS Frequenzgänge des Auslösestromes der FI-Schutzschalter DFS 4B SK in Bezug auf die Gefährdungsgrenzen für Personen- und Brandschutz Frequenzbereich I Frequenzbereich II Frequenzbereich III 10000 100 0,1 1 10 100 1000 10000 100000 Auslösestrom Frequenz I = 500 mA I = 500 mA I = 30 mA (c) Gefährdungsgrenze für Ströme durch den menschlichen Körper (Grenze für Schutzpegel 3) (b) Brandschutzgrenze (Grenze für Schutzpegel 2) 1000 I = 300 mA
Autor
- G. Grünebast
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