Skip to main content 
Elektrotechnik

11. Vortragsveranstaltung der BGFE in Nürnberg: Neue Aufgaben und Ziele im Arbeitsschutz

ep9/2002, 2 Seiten

Am 18. und 19. Juni 2002 fand in Nürnberg die 11. Vortragsveranstaltung der BGFE statt. Schwerpunktthemen waren die neuen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes und die sich daraus ergebenden Änderungen in der Praxis. Welch hohen Stellenwert diese Veranstaltung inzwischen erreichte, verdeutlichte die Anzahl der etwa 450 Teilnehmer.


Neues Recht im Arbeitsschutz Zur 1. Vortragsveranstaltung im Jahre 1980 war gerade die neue VBG 4 in Kraft gesetzt worden. Deren Forderungen führten zu der DIN VDE 0106 Teil 100 „Schutz gegen elektrischen Schlag“ mit dem Untertitel „Anordnung von Betätigungselementen in der Nähe berührungsgefährlicher Teile“. Die Norm wurde bei CENELEC als europäische Norm notifiziert und bearbeitet. Im Juni dieses Jahres wurde sie in Kraft gesetzt. Dass so viel Zeit verging und die deutsche Akribie ein wenig auf der Strecke blieb, trübt die Sache nur wenig. Wichtig ist: Die vor über 20 Jahren geborene Idee wird heute als Stand der Technik in Europa anerkannt. Mit der Betriebssicherheitsverordnung (Betr Sich V) - H. Mattes, BMA - wurde ein weiterer Schritt zur Vereinheitlichung der europäischen Vorschriften gegangen. Sie gilt grundsätzlich für das Bereitstellen von Arbeitsmitteln durch den Arbeitgeber und das Benutzen derselben durch seine Beschäftigten bei der Arbeit. Die Regelungen entsprechen somit der EG-Arbeitsmittelbenutzungsrichtlinie und konkretisieren zugleich das Arb Sch G. Im Bereich des staatlichen Rechts werden nunmehr mit der Betr-Sich V die über zahlreiche Verordnungen und Vorschriften verstreuten Arbeitsschutzverordnungen für die Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln und Anlagen zusammengefasst. Damit entsteht ein umfassendes, widerspruchsfreies betriebliches Anlagen- und Betriebssicherheitsrecht. Im Einzelnen werden · acht Verordnungen für überwachungsbedürftige Anlagen aufgehoben und auf vier Gefahrenmomente konzentriert (Druck, Explosionschutz, Brandschutz sowie Heben von Personen und Gütern) · die Arbeitsmittelbenutzungsverordnung angepasst und gleichzeitig die Vorschriften der EG- Änderungsrichtlinien 95/ 63/EG „Prüfungen“ und 2001/45/EG „Gerüste“ umgesetzt · der europäische Explosionsschutz 1999/92/EG umgesetzt sowie Vorschriften für ein freiwilliges Arbeitsschutzmanagementsystem eingeführt. Das berufsgenossenschaftliche Vorschriftenwerk (O. Petermann, BGFE - Bild ) wird durch die neue Betr Sich V wesentlich beeinflusst. Künftig dürfen in Unfallverhütungsvorschriften (UVVen) das Verhalten und Betreiben nicht mehr geregelt werden, soweit es um das Bereitstellen und Benutzen von Arbeitsmitteln und den Betrieb von Anlagen geht. Es verbleibt den Berufsgenossenschaften das Recht, lediglich allgemeine Rechte und Pflichten sowie Organisationsvorschriften zu setzen, z. B. was Sicherheitsfachkräfte betrifft, über die Erste Hilfe usw. Aus diesem Grunde wird ein großer Teil der UVVen entfallen. Zu diesem Thema erscheint in einem der nächsten Hefte des ep ein ausführlicher Beitrag. Die BGV A2 „Elektrische Gefährdungen“ (H. Gotsch, BGFE) befindet sich seit Jahren in der Überarbeitung. Ein Grund hierfür ist die neue Betr Sich V, welche den Begriff „Arbeitsmittel“ neu definiert. Verkürzt kann man sagen, dass elektrische Anlagen und Betriebsmittel für den, der an ihnen arbeitet, nunmehr keine Arbeitsmittel mehr sind. Aus diesem Grunde taucht der Begriff „Arbeitsmittel“ im Geltungsbereich der BGV A2 nicht mehr auf. Dieser umfasst jetzt nur noch den Betrieb und das Arbeiten an allen elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln, von denen elektrische Gefährdungen ausgehen. Zu berücksichtigen sind auch nichtelektrotechnische Arbeiten, die wegen ihrer Nähe zu elektrischen Anlagen zu Gefährdungen führen können, z. B. Bauarbeiten in der Nähe von Freileitungen. Der vorliegende Grundentwurf der BGV A2 wird nunmehr in den BGen beraten, so dass voraussichtlich im Januar 2003 der Fachausschussentwurf vorliegen wird. Unfallschwerpunkte im liberalisierten Strommarkt Durch die Liberalisierung des Strommarkts fanden im Dienstleistungssektor für die Energiewirtschaft umfassende strukturelle Veränderungen statt. Das führte nach Untersuchungen der BGFE zur Zunahme der Stromunfälle in dieser Branche (J. Jühling, BGFE). Besonders betroffen sind die Betriebe der Großinstallation. Sie drangen unter dem Druck der wirtschaftlichen Veränderungen in das traditionelle Tätigkeitsfeld der Kleininstallateure ein - NS-Verteilungen in Büro-, Verwaltungs- und Wohngebäuden. Unzureichende Erfahrungen bei Arbeiten in NS-Netzen und ein Nachholbedarf bei der Festlegung der Verantwortlichkeiten im betrieblichen Arbeitsschutz (weil Strukturen sich erst durchsetzen müssen) bewirkten den starken Anstieg bei Stromunfällen. Generell ist festzustellen, dass die Mehrzahl der Stromunfälle an den Verteilungen von der Sekundärseite der MS-Transformatoren bis zum Hausanschlusskasten auftraten. Die derzeitigen normativen Anforderungen an den Berührungsschutz dieser Betriebsmittel der Normenreihe VDE 0100 sind offensichtlich unzureichend. Der technische Stand, der mittlerweile bei den Verbrauchsmitteln erreicht wurde, sollte auch bei der festen Installation Einzug halten. Mitarbeiterqualifikation Immer weniger Unfälle sind auf technische Mängel zurückzuführen (D. Seibel, BGFE). Die Technik, auch die Sicherheitstechnik, ist in Deutschland kaum zu verbessern. Immer mehr Unfälle dagegen resultieren aus organisatorischen oder Verhaltensfehlern. Durch geänderte betriebliche Anforderungen wie · neue Arbeitsgebiete, z. B. Sparten übergreifende Tätigkeiten (Netzmonteur, Handwerker kann auch in Fremdgewerken tätig werden) · geänderte Arbeitsabläufe oder · neuartige Betriebsmittel wird eine Anpassung der Mitarbeiterqualifikation(en) und der zutreffenden Regelwerke nötig. Die dazu erforderlichen Änderungen der Rechtsvorschriften, z. B. UVVen, Ausbildungsverordnungen, wurden bereits eingeleitet. In Verbindung mit der neuen Betr-Sich V wird es möglich, über die UVVen bzw. BGlichen Regeln eindeutige Festlegungen und ein umfassendes Anforderungsprofil für die Mitarbeiter im Bereich der Elektrotechnik aufzustellen. Ebenso besteht die Chance, die strittigen Regelungen, Maßnahmen und Verfahrensgrundsätze zur Autorisierung einer „Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten“ ersatzlos zu streichen. Am Beispiel der Ausbildung zum Mechatroniker wurde dargelegt, wie eine den Anforderungen entsprechende Ausbildung erfolgen sollte (H.-P. Prade, Siemens). Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 9 700 Branche aktuell 11. Vortragsveranstaltung der BGFE in Nürnberg Neue Aufgaben und Ziele im Arbeitsschutz Am 18. und 19. Juni 2002 fand in Nürnberg die 11. Vortragsveranstaltung der BGFE statt. Schwerpunktthemen waren die neuen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Arbeitsschutzes und die sich daraus ergebenden Änderungen in der Praxis. Welch hohen Stellenwert diese Veranstaltung inzwischen erreichte, verdeutlichte die Anzahl der etwa 450 Teilnehmer. Für die Berufsgenossenschaften, so sieht es O. Petermann (Hauptgeschäftsführer der BGFE seit 1.7.2002), kommt es nunmehr darauf an, ihre Fachkompetenz in das Regelwerk der Betr Sich V einzubringen und bei branchenspezifischen Regelungen die Federführung zu übernehmen. Eine kleine Ausstellung bot den Tagungsteilnehmern die Gelegenheit zum praxisbezogenen, persönlichen Erfahrungsaustausch, wie hier H.-H. Egyptien (langjähriger ep-Autor) und H. Gotsch (BGFE) Radioaktivität, Strahlung, Felder Durch die Novellierung des Atomgesetzes und der Strahlenschutz-Verordnung hat die Bundesregierung die Umsetzung der internationalen Grenzwert-Empfehlungen teilweise vollzogen. Eine entsprechende Novellierung der Röntgen-Verordnung steht kurz bevor. Grundlegend überarbeitet wurde auch die Norm zur Laserstrahlung DIN EN 60825-1. Durch eine zum Teil erhebliche Änderung der Laser-Klassen soll eine weitere Verbesserung des Arbeitsschutzes erreicht werden. Mit der seit dem 1. 6. 2001 erlassenen BGV B11 „Elektromagnetische Felder“ werden die zulässigen Werte und Maßnahmen aufgezeigt, bei deren Einhaltung der Schutz der Beschäftigten sichergestellt ist. Bei deren Umsetzung bietet eine konkretisierende BG-Regel (BGR B11) dem Unternehmer und Anwender Erläuterungen und Hilfestellung. In schwierigen Situationen steht den Unternehmen der EMF-Messdienst gegen eine geringe Gebühr zur Verfügung (E-Mail: emfmess@bgfe.de). Praxisprobleme Risikobeurteilung (R. Lux, BGFE). Erfahrungen zeigen, dass der sicherheitstechnische Standard von automatisierten Fertigungsanlagen durch unterschiedliche Personengruppen häufig voneinander abweichend beurteilt wurden. Auch wiederkehrende Prüfungen durch Einzelpersonen in größeren Abständen fallen zum Teil widersprüchlich aus. Die wesentliche Ursache liegt in einem fehlenden Leitfaden für Risikobeurteilungen. Vorgestellt wurde ein gestuftes Konzept zur Risikoeinschätzung mit anschließender Risikobewertung. Die einzelnen Anlagenteile werden eingestuft in gestaffelte Risikokategorien, denen spezielle Maßnahmenkategorien zugeordnet sind. Hierdurch werden reproduzierbare Risikobeurteilungen erreicht sowie der Arbeitsaufwand reduziert und die Dokumentation vereinfacht. Ausäst-Arbeiten in der Nähe von Freileitungen (M. Heurich, BGFE). In der Regel werden diese Arbeiten durch Laien ausgeführt. Deshalb ist eine Planung der Arbeiten dringend erforderlich. Notwendige Voraussetzungen hierfür sind eine maßstabsgetreue Dokumentation des Trassenverlaufs in topografischen Karten mit Näherungen an die Vegetation und genaue Koordinaten der Maststandorte. Für die später auszuführenden Ausäst-Arbeiten können geeignete Standorte für die Hubarbeitsbühne ausgewählt sowie „verbotene“ Standorte gekennzeichnet werden. Während der Arbeiten sollten die Freileitungsabschnitte freigeschaltet werden. Ist dieses nicht möglich, sind Aufstellungsorte und Reichweiten der Hubarbeitsbühnen zu berücksichtigen, um nicht in den Gefährdungsbereich einzudringen. Da es sehr schwierig ist, den Abstand zwischen Hubarbeitsbühne und Freileitungsseil zu schätzen, wird eine sensorgestützte Entfernungsmessung angeraten. Lichtbogenschutz (F. Berger, Moeller Gmb H). Wartungen bei Arbeiten unter Spannung (AuS) an elektrischen Anlagen werden künftig an Bedeutung gewinnen, um die Verfügbarkeit weiter zu erhöhen. Dabei stellen Störlichtbögen, welche nicht vollkommen ausgeschlossen werden können, eine potentielle Gefahrenquelle für das Wartungspersonal dar. Zur Vermeidung von Störlichtbögen bzw. zur Reduktion der Auswirkungen auf den Menschen und die Anlage werden angewandt (Tafel ): · aktiver Lichtbogenschutz (Maßnahmen in Konstruktion, Betrieb und Wartung der Anlage, die eine Störlichtbogenbildung verhindern) und · passiver Lichtbogenschutz (Maßnahmen, die dazu beitragen, die Auswirkungen eines auftretenden Störlichtbogens zeitlich und räumlich zu begrenzen). Erste Untersuchungen zeigen, besondere Bedeutung für den Personenschutz hat die thermische Gefährdung der Netzhaut des Auges durch optische Strahlung. Weiterhin stellt der Wärmestrom von Lichtbögen mit einer Leistung oberhalb von 250 kJ eine Gefährdung der ungeschützten Haut dar. Die Gefährdung des Gehörs durch Schall ist insbesondere für Positionen nahe des Störlichtbogens relevant. Die bekannten Maßnahmen des passiven Lichtbogenschutzes, die Lichtbogenenergie durch entsprechende Störlichtbogenschutzsysteme stark zu reduzieren, ist ein wesentlicher Beitrag, um die Sicherheit für unter Spannung arbeitendes Personal zu erhöhen. Handlungsanleitungen zum AuS (R. Hoffmann, RWE Net). Im Niederspannungsbereich wird AuS seit vielen Jahren sicher und gefahrlos nach der VDE 0105-100 durchgeführt. Deshalb soll in der neuen BGV A2 diesbezüglich mehr Rechtssicherheit geschaffen werden. Arbeiten, bei denen der spannungsfreie Zustand nicht sichergestellt wird, sollen dann zulässig sein, wenn sichere Arbeitsverfahren beim AuS angewendet werden können. Dies erfordert eine Handlungsanleitung zum AuS auf der Basis der neuen BGV A2 und VDE 0105-100, die als berufsgenossenschaftliche Regel (BGR) erscheinen soll. In einer Bewertung der technischen Voraussetzungen zum AuS sind sich die Fachleute einig, dass hiermit trotz ständiger Verbesserungsmöglichkeiten ein sicheres Arbeiten gewährleistet werden kann. Die organisatorischen und persönlichen Voraussetzungen sind dagegen sehr unterschiedlich. In der berufsgenossenschaftlichen Regel zum AuS werden Festlegungen getroffen zu: · Anwendungsbereich · Festlegung und Beschreibung sicherer Arbeitsverfahren · Ausbildung zum AuS · Durchführung von AuS. Die für die „BGR AuS“ zuständige Arbeitsgruppe fordert die Fachwelt auf, aktiv an der Diskussion erforderlicher Festlegungen teilzunehmen. Ziel ist eine Regel, die eine möglichst breite Zustimmung findet und in Übereinstimmung mit den praktischen Erfahrungen und der VDE 0105-100 steht. AuS ist bei vernünftiger Organisation, guter Qualifikation der Beteiligten und den heutigen technischen Gegebenheiten bei einer Vielzahl der Arbeiten so sicher möglich, wie Arbeiten im spannungsfreien Zustand. H. Elster Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 9 701 Branche aktuell aktiver Schutz passiver Schutz konstruktive · Isolierung und Teilisolierung räumliche · Einsatz von druckfesten und Maßnahmen aktiver Teile Begrenzung thermisch beständigen Materialien · fußpunktfreie Konstruktions- · Gesamtgestaltung der Anlage nach ausführung Druckfestigkeit und thermischer · lichtbogenfeste Isolierstoffe Beständigkeit · Trenn- und Schottwände · isolierte Anschlusstechnik · ausreichende Leiterabstände, Luft- und Kriechstrecken · ausreichende Schutzart Komponenten- · Betriebsmittel mit geringer Begrenzung · Begrenzung der Lichtbogendauer einsatz Verlustleistung der Licht- durch Störlichtbogenschutzsysteme · Überspannungsschutz bogen- mit Kurzschließern Betriebs- · Anlageninspektion/-wartung energie · Begrenzung der Störlichtbogenführung · Klimatisierung der Anlage leistung durch Strombegrenzer · Überprüfung von Kontakt-und Verbindungsstellen · Reinigung und Überprüfung von Isolierungen Verhinderung · elektrische und mechanische von Fehlhand- Verriegelung lungen · Personalschulung Die Dokumentation der Tagung kann bestellt werden unter der Bestell-Nr.: M 20 bei der BGFE: Gustav-Heinemann-Ufer 130, 50986 Köln Tel.: (02 21)37 78 -433; Fax: (02 21)37 78 -435, E-Mail: versand@bgfe.de INFO Tafel Aktiver und passiver Lichtbogenschutz

Autor
  • H. Elster
Sie haben eine Fachfrage?