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Dachüberstand durch Holzstapel angesteckt, Klinkerfassade (Foto: Feuerwehr Werne)
Sicherheitstechnik | Brand- und Explosionsschutz

Polystyroldämmung als Brandrisiko

Wissenswertes über Fassadenbrände

14.12.2018

Fassadenbrände mit Polystyroldämmung (EPS) werden häufig als Brandrisiko eingeschätzt. Hauseigentümer zögern deshalb, ihre Gebäude zu dämmen. Dadurch wird viel Energie verschenkt.

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Seit 2011 gelten Fassadenbrände mit Polystyroldämmung (EPS) in Deutschland als hohes Brandrisiko. Selbst für den Brand des Grenfell Tower wurde fälschlich das dort nicht verbaute EPS verantwortlich gemacht. Die Verunsicherung von Hauseigentümern führte zu Dämmenthaltung. Das ist fatal, denn Wärmedämmung ist eine funktionierende Energiespartechnik.

Es brennt jährlich rund 180.000 mal in Deutschland. Mit 80 Prozent dominieren Zimmerbrände, ausgelöst durch elektrische Geräte, Rauchen, Unachtsamkeit, Unglücke. Verlauf und Art der Brände haben sich in den letzten 150 Jahren günstig verändert. Dank Massivbauweise, Zentralheizung statt Öfen, Glühbirne statt Kienspan und schnellen, gut ausgerüsteten Feuerwehren, kennen wir heute kaum noch Großbrände. Auch die Anzahl der Brandtoten halbierte sich seit 1980 noch einmal von 800 auf 343.

Seit 2011 gelten Fassadenbrände mit Polystyroldämmung (EPS) in Deutschland als hohes Brandrisiko. Selbst für den Brand des Grenfell Tower wurde fälschlich das dort nicht verbaute EPS verantwortlich gemacht. Die Verunsicherung von Hauseigentümern führte zu Dämmenthaltung. Das ist fatal, denn Wärmedämmung ist eine funktionierende Energiespartechnik, sie reduziert den Heizenergieverbrauch verlässlich um bis zu 80 Prozent und schafft damit die Voraussetzung für die erneuerbaren Energien bei der Gebäudeheizung. Das kostengünstige EPS sichert eine sozialverträgliche energetische Sanierungspraxis im Altbau.

Polystyrol ist „schwer entflammbar“, nicht unbrennbar. Die alten deutschen Baustoffklassen von A bis B3 verdeutlichen den Unterschied zu nichtbrennbaren Dämmstoffen.

Baustoffklassen:AA1B1B2B3

 

 

 

Dämmstoffe (Auswahl)

Nicht brennbar
Ohne brennbare Bestandteile
Nicht brennbar
Mit brennbaren Bestandteilen
Schwer entflammbarNormal entflammbarLeicht entflammbar
Mineralwolle        x        x          xNicht zulässig
Polystyrol        x        xNicht zulässig
Polyurethan und PIR        x        xNicht zulässig
Hanf        xNicht zulässig
Holzweichfaserplatten        (x)        xNicht zulässig
Perliteschüttung        x        xNicht zulässig
Zelluloseflocken        x        xNicht zulässig
Schaumglasplatten        xNicht zulässig

(x) Platten mit sehr hoher Rohwichte

Unser Brandschutzrecht läßt brennbare Baustoffe zu, wenn dadurch im Rahmen der ohnehin zu erwartenden Brandverläufe keine unakzeptablen Risiken entstehen. Die Zulässigkeit wird für einzelne Gebäudeklassen geregelt, unterschieden nach Gebäudehöhe, Nutzungsart und nach Bauteilen. In Gebäudeklasse 1-3 sind vom Einfamilienhaus bis zu Mehrfamilienhäusern mit 2 Stockwerken alle Fassadendämmstoffe der Baustoffklassen A bis B2 zulässig. In Gebäudeklasse 4-5 (Höhe des letzten Fußbodens über Erdreich von 7 m bis 22 m) müssen Dämmstoffe an der Fassade schwer entflammbar sein. An Hochhäusern und Sonderbauten sind nichtbrennbare Dämmstoffe auf der Fassade vorgeschrieben.

Für die Gebäudeklasse 4-5, beschloss die Bauministerkonferenz 2012 neue Brandschutzregeln für schwerentflammbare Fassadendämmstoffe in Wärmedämmverbundsystemen (WDVS). Seitdem gelten geänderte Einbaupflichten für Brandriegel bei neuen WDVS aus Polystyrol, egal welcher Dämmdicke. Diese nichtbrennbaren Dämmstreifen werden gebäudeumlaufend im Bereich des Sockels sowie über dem Erdgeschoß eingebaut und ergänzt um die schon länger vorgeschriebenen Brandriegel über dem Obergeschoß und alle weiteren zwei Stockwerke. Bei brennbaren Dächern kommt unter den Dachüberstand ein weiterer Brandriegel. Ein Regelwerk enthält viele weitere Details. Brandriegel verhindern keine Brände, sondern erschweren die Brandweiterleitung im Dämmstoff unter dem Putz und teilen die dort schmelzende EPS-Dämmung in Abschnitte, die den Putz nicht aufplatzen lassen.

Polystyrol wird stets durch einen Primärbrand entzündet. Will man die Wirkung einer EPS-Dämmung beim Fassadenbrand beurteilen, muss man wissen, wie sich dieser „Referenzbrand“ allein entwickelt hätte. Die aus den Fenstern schlagenden Flammen von Zimmerbränden oder von brennenden Müllcontainer-, Autos- oder Schuppen lodern außen an der Fassade nach oben und erreichen Höhen von 10 m. Damit zerstören sie auch ohne Dämmung die Fenster, erzeugen dort weitere Zimmerbrände oder erreichen oft das Dach. Dieser auch bei ungedämmten Fassaden typische Brandverlauf wird erst durch die Feuerwehr gestoppt. Die Flammen vor der Fassade lassen das EPS schmelzen. Durch abgeschmolzenes Polystyrol geschwärzte Fassaden belegen noch keinen hohen Brandbeitrag der Dämmung, die bei den meisten Bränden nicht zur Brandweiterleitung beiträgt.

Die Analyse der bisherigen Brandereignisse von WDVS mit Polystyrol ergibt das folgende Bild:

  • Polystyrol-Fassadendämmung erhöht nicht die Anzahl der Brände. Gedämmte  Fassaden brennen innerhalb der jährlich 180.000 Brandfälle mit.

  • Das Todesfallrisiko bei Bränden halbierte sich seit 1980, obwohl die mit Polystyrol gedämmte Fassadenfläche zunahm. Es gab noch nie Brandtote durch das Mitbrennen einer Fassadendämmung.

  • Fassadenbrände mit EPS oder normal entflammbaren Dämmstoffen sind selten. Die „Brandereignisliste“ des deutschen Feuerwehrverbandes belegt pro Jahr nur 1,8 Brandfälle oder 0,01 Promille aller jährlichen Brände, bei denen Polystyrol über mehrere Stockwerke brannte.

  • 53 Prozent der Brandereignislisteneinträge sind Bagatellbrände. Dazu gehören die meisten Brandüberschläge aus Fenstern, da die kleinen Brüstungsflächen zwischen den Fenstern nur geringe EPS-Mengen enthalten.

  • Polystyrol brennt stringend nach oben, der von dort tropfenden Schmelze entgegen, nicht nach allen Seiten. Das begrenzt die Brandausdehnung am Haus. Meist brennt und schmilzt es unter dem Putz.

  • Die Beurteilung mit dem „Referenzbrand“ belegt meist geringe Auswirkungen von EPS. Bei 179.994 von 180.000 Bränden pro Jahr ist die Fassade ungedämmt. Trotzdem werden dort Dächer über an Fassaden hoch lodernde Flammen angesteckt, entstehen Zimmerbrände durch Brandüberschlag aus Fenstern, müssen Menschen mit Fluchthauben und über Fenster aus verrauchten Häusern gerettet werden.

  • Eine Fassadendämmung erschwert die Menschenrettung nicht. Die Verrauchung des Hauses erfolgt in erster Linie durch den Primärbrand im Innern. Bewohner können über das Treppenhaus (Fluchthauben), andere nicht betroffene Fenster oder von der anderen Hausseite gerettet werden. Mülltonnen und Autos stehen nicht unter Fenstern.

Das WDVS mit EPS-Dämmung war bereits ein sicheres System, als es die Beschlüsse der Bauministerkonferenz noch sicherer machten.

Autor: Dipl.-Ing. Werner Eicke-Hennig Energieinstitut Hessen Den vollständigen und viele weitere Artikel über vorbeugenden Brandschutz finden Sie in dem gleichnamigen Sonderheft Vorbeugender Brandschutz.

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