Brand- und Explosionsschutz
Weidezäune - unterschätzte Gefahrenquelle
ep8/2009, 2 Seiten
Situationsbericht Bei einem Spaziergang im Bereich eines kleinen Weilers im Sauerland führte der Weg an einer Weide entlang, die mit einem Weidezaun gesichert war. Bereits aus größerer Entfernung waren die typischen Geräusche einer Weidezaunanlage zu hören. Dies ist im Regelfall aber nur an zwei Stellen möglich · in der unmittelbaren Nähe des Weidezaungerätes und · an Fehlerstellen. Bei der Suche nach der Ursache des Geräusches stellte sich heraus, dass der Landwirt an mehreren Stellen anstatt eigenständige Zaunpfosten zu verwenden, am Wegrand stehende Bäume für die Befestigung der Zaundrähte verwendet hatte. Gefahrenpotential Befestigungspunkt. Bäume wachsen und dehnen sich aus. Dabei verschiebt sich der Befestigungspunkt für Isolatoren immer weiter nach innen. Das hat zur Folge, dass der Zaundraht bis auf wenige Millimeter an die Baumrinde herankommt, während sich der Halter bereits tief im Baum befindet (Bild a). So kann es zu Überschlägen vom Weidezaundraht auf die Rinde der Bäume kommen. Diese Überschläge erfolgten in der zuvor beschriebenen Situation so heftig, dass sie bereits aus einer Entfernung von 25 bis 30 m zu hören waren. Überschläge. Die Spannung von Weidezaungeräten liegt bei mehreren tausend Volt und kann je nach Gerät bis zu 14 kV betragen. Ferner erfolgten die Überschläge kontinuierlich im Sekundentakt, was zu beachtlichen 86 400 Überschlägen pro Tag führte. Bei ausreichend langer Zeit ist abzusehen, wann die Überschläge das Holz des Baumes oder andere brennbare Materialien in Brand setzen würden. Brandausbreitung. Was bereits bei frei auf der Weide stehenden Bäumen in der Trockenzeit kritisch sein kann, bedeutete im Beispiel noch ein zusätzliches Brandrisiko. Die Äste der betroffenen Bäume grenzten direkt an die Äste anderer Bäume, die wiederum den Rand des angrenzenden Waldgebietes bildeten. Geringer Isolationsabstand. Die Isolatoren an den Bäumen entlang des Waldweges wurden zwar verändert, aber nur mit mäßigem Erfolg. Auch der neue Abstand ist unzureichend (Bild b). Hier kann man davon ausgehen, dass ein Stoß gegen den Draht dazu führen wird, dass sich der Abstand wieder so weit reduziert, dass erneut mit Überschlägen zu rechnen ist. Unsachgemäße Verlängerung. Ein Weidezaundraht wurde genau auf Höhe des Isolators unsachgemäß verlängert. Dadurch schwebt ein Ende des nur verdrillten Drahtes frei in der Luft und kann bereits bei leichten Veränderungen am Zaun einen Überschlag auf den in den Baum eingedrehten und metallenen Abstandshalter hervorrufen. Kein Stacheldraht. In der EU darf Stacheldraht nicht für elektrische Weidezäune verwendet werden. Das hatte eigentlich andere Gründe, doch die Spitzen der Drahtstacheln führen hier dazu, dass der Strom beim Überschlag noch zusätzlich gebündelt und auf eine sehr kleine Stelle konzentriert wird. Zur Vermeidung von Gefahren ist darauf hinzuwirken, dass Weidezäune grundsätzlich nicht entlang von Bäumen geführt, sondern mit eigenen Zaunpfosten versehen werden. Netzabhängige Systeme Der Ausgangspunkt für die vorherigen Ausführungen war eine frei auf einer Weide aufgebaute Anlage. Häufig sind diese Systeme auch in landwirtschaftlichen Gebäuden installiert und sollen von dort aus z. T. mehrere Weiden absichern. Hintergrund ist der dauerhafte Netzanschluss (kein leerer Akku) und der Diebstahlschutz. Dabei wird nicht beachtet, dass durch eine solche Konstellation eine weit höhere Gefährdung z. B. durch Blitzeinkoppelung besteht (Bild ). Beispielaufbau Vom Weidezaun verläuft ein stabiler Draht durch Geäst und hohes Gras bis zum nächsten Baum. Dort findet ein Übergang statt zwischen dem blanken Draht und einem isolierten Kabel unbekannten Aufbaus. Der Übergang befindet sich in einem kleinen verschließbaren Holzkasten (Bild a). Vom Holzkasten ausgehend wurde das Kabel zuerst am Baum befestigt und dann auf der anderen Seite des Weges der Einfachheit halber an dem dort bereits stehenden hölzernen Telefonmast durch einen Isolator für Weidezäune gezogen. Es fehlt eine ordnungsgemäße Abspannung des Kabels. Zusätzlich wird es durch Quetschung beschädigt, weil es punktuell auf dem unteren Rand des Isolators aufliegt und bei Bewegungen von Mast oder Bäumen über diese Auflagefläche hin und her bewegt wird. Außerdem verläuft das Kabel parallel zum bereits vorher vorhandenen Telefonkabel mit einem Abstand von rund 1 m und einer getakteten Spannung von bis zu 14 000 V. Elektropraktiker, Berlin 63 (2009) 8 614 BETRIEBSFÜHRUNG Weidezäune - unterschätzte Gefahrenquelle A. Kraheck, Troisdorf Nicht jede Brandgefahr ist so offensichtlich, dass sie sofort bemerkt wird. Manchmal bedarf es eines Zufalls, um Zusammenhänge aufzudecken. Im Beitrag werden praxisnah die Gefahrenpotentiale netzabhängiger und autarker Weidezaunsysteme aufgezeigt. MEISTERWISSEN Autor Adolf Kraheck, Troisdorf, ist freier Fachautor auf dem Gebiet unabhängiger sicherheitstechnischer Beratung und Planung. Weidezaunisolatoren am Baum a) Abstände b) Gefahrenpunkte EP0809-612-615 04.08.2009 14:05 Uhr Seite 614 Von dem Telefonmast aus wurde das Kabel an der hölzernen Außenwand des Schuppens mit einem Draht befestigt, anschließend durch drei Isolatoren gezogen, bevor es mit einem scharfen Knick im Schuppen verschwindet. Bei dem Schuppen handelt es sich um einen Pferdestall, in dem regelmäßig Tiere untergebracht sind (siehe Bild b). Gefahren Blitzschlag. Ein Blitzeinschlag, auch in 1 bis 2 km Entfernung, kann Schäden verursachen, indem sich die freigesetzte Energie wellenförmig ausbreitet und auf Leitungen in diesem Bereich überträgt. Im Bild führt das dazu, dass die in den Weidezaun induzierte Energie auf dem Weg über die Bäume in den Stall weitergeleitet wird und dort auf das Weidezaungerät trifft. Dabei könnte sich das Gerät unter Umständen in seine Einzelteile zerlegen und einen Brand auslösen. Neben dem hölzernen Aufbau des Gebäudes kommt hier noch die Lagerung von Heu und Stroh erschwerend hinzu. Näherung. Die parallele Führung des Kabels mit der Telefonleitung ist ein weiteres Problem. Aufgrund der Näherung besteht die Wahrscheinlichkeit einer induktiven Übertragung auf dieses Leitungsnetz mit den sich daraus ergebenden Folgen. Haftung Nach einem derartigen Schadensereignis sind die Schäden zuzuordnen und es ist die Haftungsfrage für die einzelnen Teilbereiche zu klären. Schäden sind unter Umständen · Verlust des Stalls, · Tod von Tieren, · Folgeschäden durch Ausbreitung des Brandes, · Schäden an Telekommunikationseinrichtungen, · Schäden bei den Kunden der Telekom. Landwirt. Seitens des Landwirtes liegt beim Betrieb (und Aufbau in Eigenleistung) einer solchen Anlage eine grobe Fahrlässigkeit vor, weshalb seine Versicherung leistungsfrei gestellt wird. Telekom. Seitens der Telekom liegt mindestens Fahrlässigkeit vor, weil sie aus der Verpflichtung heraus, Schäden von ihrem Leitungsnetz abzuwenden, den „Missbrauch“ des Telefonmastes nicht festgestellt und die weitere Nutzung untersagt hat. Elektrofachkraft. Wie beim Landwirt ist grobe Fahrlässigkeit festzustellen, wenn sie an der Installation der Anlage direkt beteiligt war. Die Elektrofachkraft hätte aufgrund ihrer Ausbildung und ihres Fachwissens die Gefährdung erkennen müssen und unabhängig von Vorschriften, Normen usw. diese Gefährdung vermeiden müssen. Hat der Landwirt die Weidezaunanlage selber errichtet, ist immer dann eine Elektrofachkraft in der Verantwortung, wenn sie Neuinstallationen, Änderungen oder Wartungsarbeiten an elektrischen Einrichtungen in diesem Bereich vornimmt und nicht auf die Gefährdung hinweist (schriftlich dokumentieren). Schlusswort Bei der hier gezeigten Situation handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. Immer dann, wenn Weiden in unmittelbarer Nähe zu den Höfen oder landwirtschaftlichen Nebengebäuden liegen, sind derartige Konstruktionen mit mehr oder weniger großer Gefährdung zu finden. Elektropraktiker, Berlin 63 (2009) 8 615 BETRIEBSFÜHRUNG Telefonleitung Übertragung Weidezaun Stall Übertragung Schematische Darstellung der fehlerhaften Anlage Beispiele unzulässiger Leitungsführung im Detail a) Abzweigkasten in IP-Holz b) Näherungen am Pferdestall megacom ist ein deutscher Hersteller für Funkfinger kompatibel mit allen gängigen Schwesternrufanlagen ohne zusätzliche Installationskosten, zu einem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis. Nähere Infos unter Telefon 04191 90850 oder www.megacom-gmbh.de Anzeige EP0809-612-615 04.08.2009 14:05 Uhr Seite 615
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- A. Kraheck
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