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Wasserstoff und Brennstoffzelle

ep10/2005, 4 Seiten

Im Kontext der grundlegenden globalen Probleme stellt dieser Beitrag den Energieträger des 21. Jahrhunderts vor - Wasserstoff. Zusammen mit der Brennstoffzellentechnologie bietet er einen Lösungsansatz für unseren gestiegenen Energiebedarf.


Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 10 778 BETRIEBSFÜHRUNG Grundlegende, globale Probleme Dynamik der Weltbevölkerung. Zur Zeitenwende lebten etwa 300 Millionen Menschen auf der Erde, um das Jahr 1800 war die Milliarde erreicht, zurzeit sind es etwa 6,5 Milliarden, 2025 sollen es bereits 8 Milliarden sein und für 2050 erwartet man 10 bis 12 Milliarden. Ernährt die Erde so viele Menschen, gibt es genug sauberes Trinkwasser für alle? Wird das kostbarste Gut der Menschheit, das Süßwasser, womöglich zum Problem- und Konfliktstoff? Fossile Energieträger. Es ist völlig egal, wie man die Vorräte in der Erdrinde bewertet, sie sind letztlich begrenzt. Bei gleich bleibendem Verbrauch würden die als gesichert geltenden Erdölreserven noch für rund 40 Jahre reichen, die Erdgas- und Uranerzvorkommen für etwa 60 Jahre. Nur bei der Kohle ist die erwartete Reichweite größer, geht bis ins nächste Jahrhundert hinein. Droht der Energienotstand? Hauptsächlich sorgen der unersättliche Energiehunger der alten und neuen Industriestaaten und das Wachstum der Weltwirtschaft bei drohender Verknappung der Primärenergieträger heute schon für einen heftig umkämpften Energiemarkt. Wir alle spüren die Folgen immer deutlicher, die Preise für Benzin, Heizöl, Erdgas und Strom steigen und steigen. Globaler Klimawandel. Seit Beginn der Industrialisierung um 1800, hat das Kohlendioxid in der Atmosphäre - der CO2 -Gehalt - von 280 ppm auf 370 ppm zugenommen (ppm = parts per million, 370 ppm = 0,037 %). Dieses veränderte die Strahlungsbilanz des Erdballs so, dass die mittlere Temperatur der Erdoberfläche in den letzten 100 Jahren um 0,7 °C anstieg, bei auffälliger Häufung der wärmsten Jahre seit 1980. Setzt sich dieser so genannte Treibhauseffekt durch ungebremste Emission der Treibhausgase fort (neben CO2 sind hauptsächlich Methan und Fluorchlorkohlenwasserstoffe wirksam), wird für die kommenden 100 Jahre ein weiterer Temperaturanstieg zwischen 1,5 °C und 5,5 °C erwartet. Dieser hat weitreichenden Folgen auf das Weltklima, wie etwa steigender Meeresspiegel und Ausdehnung der Wüsten. Der Hauptgrund für den Treibhauseffekt ist der gigantische Weltenergieverbrauch von zurzeit etwa 14 Terawattjahren (= 4,4 · 1020 Joule). Rund 90 % gewinnt man durch Verbrennung fossiler Energieträger (dabei entsteht das CO2 ), etwa 60 % entfallen auf die Industrieländer. Den mit Abstand größten Gesamtverbrauch leisten sich die USA. Kernfrage. Einerseits wächst die Weltbevölkerung und der Energiebedarf steigt, andererseits schwinden die Energievorräte und das Weltklima droht zu kippen. Die Kernfrage lautet: Wie löst man das kommende Energieproblem der Menschheit nachhaltig, ressourceschonend, weitgehend klimaneutral und bezahlbar? Lösungsansätze Energiesparen. Sparsamer mit Energie umzugehen wird schon der steigende Preis erzwingen, aber er wird den Wachstumstrend nicht stoppen. Auch neue Energiespartechniken lösen das Problem sicher nicht grundsätzlich, strecken bestenfalls die Reichweite der Vorräte etwas. Kernfusion. Ein Traum der Menschheit, die Sonne auf die Erde zu holen, d. h. Energie durch Kernfusion zu erzeugen, wird wohl noch lange ein Traum bleiben. Es gab zwar im Frühjahr 2005 die Grundsteinlegung eines thermonuklearen Versuchsreaktors in Frankreich (Projekt ITER). Dass man damit irgendwann Strom Wasserstoff und Brennstoffzelle K.-D. Völker, Oldenburg Im Kontext der grundlegenden globalen Probleme stellt dieser Beitrag den Energieträger des 21. Jahrhunderts vor - Wasserstoff. Zusammen mit der Brennstoffzellentechnologie bietet er einen Lösungsansatz für unseren gestiegenen Energiebedarf. ELEKTRO PRAKTIKER MEISTERWISSEN Autor Dipl.-Ing. Karl-Dieter Völker lehrt am bfe in Oldenburg erzeugen kann, erwarten auch die Wissenschaftler nicht vor 2050. Erneuerbare Energiequellen. Sonne, Wasser, Wind, Biomasse, usw. sind umweltfreundlich und ressourceschonend, decken aber weltweit noch keine 3 % der Primärenergie ab. In der Energiezukunft werden sie ihren Platz haben, nur den Energiehunger der Menschen - vor allem in den Industriestaaten - können sie, in absehbarer Zeit, allein nicht stillen. Kraft der Sonne. Die Energie der Sonne ist gigantisch, ihre Leuchtkraft beträgt 3,85 · 1026 Watt, für viele Milliarden Jahre. Selbst in der Entfernung Sonne-Erde (rund 150 Millionen km) hat man noch eine Strahlungsleistung von 1367 W/m2 (= Solarkonstante). Damit schickt sie der Erde rund 13 000-mal mehr Energie, als die Menschen heute benötigen. Wasserstoff Sonnenenergie gibt es demnach reichlich, ebenso Meerwasser. Die Ozeane bilden ein nahezu unerschöpfliches Reservoir von Wasserstoff. Und der gilt vielen Experten als der Energieträger des 21. Jahrhunderts. Wasserstoff H hat die Ordnungszahl 1 und ist das leichteste chemische Element. Er kommt aber natürlich in reiner Form nicht vor, sondern nur in chemisch gebundener, meist mit Sauerstoff O zu Wasser H2 O oder mit Kohlenstoff C zu organischen Stoffen, wie z. B. Methan CH4 , dem Hauptbestandteil von Erdgas. Auf der Basis gleicher Massen, ist der Energiegehalt von Wasserstoff rund drei mal größer als der von Erdgas. Gewinnung. Es gibt verschiedene technische Verfahren reinen Wasserstoff herzustellen, molekular als . Dafür wird aber z. B. Erdgas benötigt, also ein nur begrenzt verfügbarer fossiler Energieträger. Eleganter wäre es, aus primärer Sonnenenergie photovoltaisch Strom zu erzeugen und damit Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen (= Wasserelektrolyse). Anders als Strom ist der so gewonnene Sekundärenergieträger Wasserstoff speicherbar. Bei der Verbrennung mit Sauerstoff entsteht wieder Wasser, d. h. ein Verfahren, das den Wasserhaushalt der Erde und das Klima nicht beeinträchtigt. Jetzt kommt der Haken, diese Methode, großtechnisch Wasserstoff zu erzeugen, ist derzeit viel zu teuer. Deshalb wird intensiv nach Wegen gesucht, Wasserstoff im industriellen Maßstab wirtschaftlich herstellen zu können. Anwendung. Wasserstoff lässt sich auf vielfältige Weise zur Energiegewinnung nutzen. Die eleganteste Art bei höchstem Wirkungsgrad und größtem Zukunftspotential bietet die Brennstoffzelle. Bild vergleicht ideale Wirkungsgrade von Brennstoffzelle und Wärme-Kraft-Maschine von Carnot. Brennstoffzelle, elektrochemischer Stromerzeuger Entwicklung. Die Geburtsstunde der Brennstoffzelle liegt im Jahre 1839. Der Engländer Sir William Grove weist mit einer speziellen Apparatur nach, dass eine „kalte Verbrennung“ von Wasserstoff und Sauerstoff direkt elektrische Energie liefert. In Deutschland begannen die Firmen Varta und Siemens mit der Entwicklung von Brennstoffzellen in den 50er Jahren. Man baute funktionsfähige Systeme bis zu einer elektrischen Leistung von 100 kW. Seit 1963 erzeugen Brennstoffzellen in Weltraumfahrzeugen den Bordstrom und jüngst gab es die Taufzeremonie für das 4. High-Tech-U-Boot der Deutschen Marine mit Brennstoffzellen-Antrieb. Zahllose Versuchsfahrzeuge z. B. Busse im Stadtverkehr und viele Pilotanlagen zur dezentralen Energieversorgung mit Kraft-Wärme-Kopplung sind in Betrieb. Grundprinzip. Brennstoffzellen - abgekürzt BZ (engl.: fuel cell, FC) - sind elektrochemische Energiewandler. Die chemische Energie von kontinuierlich zugeführtem Brennstoff (Wasserstoff) und Oxidans (Sauerstoff) wird direkt in elektrische Energie und Verlustwärme umgewandelt. Dabei tritt an den Elektroden und dem Elektrolyten keine Veränderung Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 10 779 Ideale Wirkungsgrade von Brennstoffzellen und Carnot-Maschine 100 0 200 400 600 800 1000 1200 idealer Wirkungsgrad 273 473 673 873 1073 1273 1473 obere Systemtemperatur Tzu Tab = 298 K Brennstoffzelle Carnot-Maschine Quelle: bfe Aufbau und Arten von Brennstoffzellen auf. Anders als Batterien, sind Brennstoffzellen keine Stromspeicher. Ihr Energievorrat befindet sich außerhalb der Zelle. Aufbau. Brennstoffzellen sind immer aus folgenden Grundelementen aufgebaut (Bild ): · zwei getrennte Gasräume mit Zu-und Abführung der Reaktanden (Brennstoff, Oxidans), · einer porösen Anode mit Katalysator, · einer porösen Kathode mit Katalysator, · einem Elektrolyten in fester oder flüssiger Form, · der Abführung der Reaktionsprodukte. Für gute Gasgängigkeit sind die Elektroden porös ausgelegt. So erhält man große, chemisch aktive Oberflächen. Technische Brennstoffzellen bestehen aus vielen gestapelten Einzelzellen, dem so genannten Stack (Stapel). Elektrisch gesehen ergibt das eine Reihenschaltung von gleichartigen Spannungsquellen. Vorteile. Brennstoffzellen haben Zukunftspotential wegen ihrer prinzipiell günstigen Eigenschaften wie: · hoher Wirkungsgrad, · Schadstoffarmut, · modularer Aufbau, · sehr gute Eignung für Kraft-Wärme-Kopplung. Brennstoffzellentypen Zurzeit unterscheidet man sechs verschiedene Brennstofftypen (Bild ). In der Regel sind sie nach der Art des Elektrolyten klassifiziert. Da der Elektrolyt wesentlich die Arbeitstemperatur und damit viele Systemeigenschaften bestimmt, erfolgt eine Grobeinteilung zunächst anhand der Arbeitstemperatur in Niedertemperatur-Brennstoffzelle NT-BZ (bis rund 250 °C) und Hochtemperatur-Brennstoffzelle HT-BZ (ab etwa 500 °C). Es ist üblich, die sechs BZ-Typen mit englischen Abkürzungen zu bezeichnen. Die vier erstgenannten sind NT-BZ, die letzten beiden HT-BZ. Alkalische Brennstoffzelle AFC (alkaline fuel cell): Sie benötigt reinsten Wasserstoff und reinsten Sauerstoff, der Elektrolyt ist Kalilauge KOH. Polymerelektrolyt Brennstoffzelle PEFC (polymer electrolyte fuel cell): Sie verwendet meist aus Erdgas reformierten Wasserstoff und Luftsauerstoff, der Elektrolyt ist eine Protonen leitende Kunststoffmembran. Direktmethanol Brennstoffzelle DMFC (direct methanol fuel cell): Sie kann direkt - ohne Reformierung - flüssiges Methanol und Luftsauerstoff verarbeiten. Auch hier ist der Elektrolyt eine Protonen leitende Kunststofffolie. Phosphorsäure Brennstoffzelle PAFC (phosphoric acid fuel cell): Sie verwendet meist aus Erdgas reformierten Wasserstoff und Luftsauer-BETRIEBSFÜHRUNG - + Last Elektrizität nicht umgesetzter Brennstoff + Reaktionsprodukt oxidkeramische BZ Karbonatschmelzen BZ Phosphorsäure BZ Direktmethanol BZ Polymerelektrolyt BZ alkalische BZ SOFZ MCFC PAFC DMFC PEFC AFC H2CH4 H2CH4 CH3OH, H2O Festoxidkeramik Karbonatschmelze Phoshpatsäure Kunststoff Kunststoff Kalilauge Luft Luft, CO2 Luft Luft Luft Wärme nicht umgesetzter Oxidans + Reaktionsprodukt Oxidanzien Brennstoff Gasraum Gasraum Anode Kathode Elektrolyt Quelle: bfe Funktionsprinzip der PEFC - + Last Elektrizität Wärme Gasraum Gasraum Anode Kathode Elektrolyt H2O H2O O2, Luft gereingtes Reformatgas protonenleitende Membran Quelle: bfe BETRIEBSFÜHRUNG stoff, der Elektrolyt ist Phosphorsäure H3 PO4 Karbonatschmelzen Brennstoffzelle MCFC (molton carbonate fuel cell): Sie verarbeitet herkömmliche Brenngase (Kohlenwasserstoffe) direkt, weil bei der hohen Arbeitstemperatur eine zelleninterne Wasserstoffreformierung stattfindet. Zur Bildung von Karbonationen, muss der Luft noch CO2 aus dem Anodenabgas zugemischt werden. Der Elektrolyt besteht aus geschmolzenen Alkalikarbonaten, z. B. Li2 CO3 Oxidkeramische Brennstoffzelle SOFC (solid oxide fuel cell): Sie kann Kohlenwasserstoffe - wie die MCFC - direkt durch interne Wasserstoffreformierung verwenden, mit Luft als Oxidans. Der Elektrolyt ist eine feste Mischoxid-Keramik. Funktionsprinzip der Brennstoffzelle Die Beschreibung der inneren Vorgänge erfolgt am Beispiel der PEFC, bei der die chemischen Reaktionen recht einfach und verständlich sind. Der Anodenseite wird Wasserstoff zugeführt, der Kathodenseite Sauerstoff. Die beiden Gasräume sind durch den Elektrolyten getrennt, der in diesem Fall eine sehr dünne, spezielle Kunststoffmembran ist. Diese muss Protonen (H+-Ionen) leiten, aber dabei gasdicht und elektronisch isolierend sein (Bild ). Anodenreaktion. Im Gasraum der Anode wird H2 verteilt. H2 spaltet katalytisch in H-Atome auf, die nun sofort ihre Elektronen an die Anode abgeben und dabei zu H+-Ionen oxidieren und durch die Membran wandern. Die Anode erhält Elektronenüberschuss und ist deshalb negativ geladen. 2H+ + 2e-Kathodenreaktion. Im Gasraum der Kathode verteilt sich der Sauerstoff aus der Luft. O2 spaltet katalytisch in O-Atome auf, die nun jeweils zwei Elektronen aus der Kathode aufnehmen und dabei zu O2--Ionen reduzieren. Die Kathode bekommt Elektronenmangel und ist deshalb positiv geladen. Schließlich treffen H+-Ionen mit O2--Ionen zusammen und verbinden sich zu neutralem Wasser. 2H+ + 1/2 + 2e- H2 Gesamtreaktion. Das an der Kathode entstehende Wasser wird abgeführt. Zwischen den Elektroden liegt nun Gleichspannung von rund 1 V (ideal 1,23 V). Bei angeschlossener Last gibt die Brennstoffzelle elektrische Energie ab. Außerdem entsteht Wärme, die sich bei Kraft-Wärme-Kopplung noch nutzen lässt. + 1/2 H2 O + Wel + Wth Die chemischen Reaktionen kommen zum Stillstand (kein Brennstoffverbrauch), wenn es keine Ionenleitung im Elektrolyten oder keine Elektronenleitung im Außenstromkreis gibt. Brennstoffzellensysteme Brennstoffzellen benötigen eine umfangreiche Infrastruktur, um Strom liefern zu können. Eine vollständige BZ-Anlage besteht aus folgenden Basiskomponenten, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden kann. · Brennstoffzellenstapel (BZ-Stacks) · Brenngasaufbereitung (Gasprozesstechnik) · Gas- und Wärmemanagement · Elektrischer Betriebsteil (Wechselrichter)

Autor
  • K.-D. Völker
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