Betriebsführung
Vom Bauchgefühl zu verständlichen Kennzahlen
ep7/2007, 2 Seiten
Fit für Alltag und Bankgespräche Erst Ende Februar endete das Seminar von Ilse Bolzhauser, der käufmännischen Leiterin von Elbo-Gebäudetechnik in Bietigheim. Zwischen September 2006 und Februar 2007 hatte sie in Ludwigsburg zusammen mit Ehemann Klaus (Bild ), dem Inhaber des 15-Mitarbeiter-Betriebes, das Qualifizierungsprojekt „Top Fit“ des ufh-Landesverbandes und der Handwerkskammer Region Stuttgart in Kooperation mit der Berufsakademie Stuttgart absolviert. Aber das Gelernte im Betrieb umsetzen kann sie bereits. „Swot-Analyse“ oder „Balanced Score Card (BSC)“ - zuvor nebulöse und im Handwerk belächelte Managementbegriffe, sind mittlerweile Vokabeln, die auch ihr leicht über die Lippen gehen. Mehr noch: Sie kann sie mit Inhalten füllen. „Wir kleinen Mittelständler müssen erstmal lernen, unsere Zahlen zu interpretieren und unsere Firmen zu präsentieren“, meint ufh-Landespräsidentin Brigitte Kreisinger zum Anliegen der drei Seminare über Controlling, Kreditrating und die BSC. Mitarbeiterführung. I. Bolzhauser verwendet Stärken- und Schwächen-Analyse mittlerweile selbst im Mitarbeitergespräch. Sie gibt dafür ein Beispiel: „Heute verwende ich mehr Energie darauf, die Stärken meiner Mitarbeiter zu fördern, als ihre Schwächen zu kritisieren.“ So kommt die Chefin schneller zu gemeinsamen Zielen und erreicht greifbarere Ergebnisse. Bankgespräche. Auch mit der Hausbank geht die Bietigheimerin neuerdings souveräner um. Dass sie die Betriebsstrategie auf Grund der BSC mit Kennzahlen aus den Bereichen Finanzen, Kunden, Organisation und Mitarbeiter darlegt, beeindruckt den Kreditsachbearbeiter. Expansionspläne. Nutzen zieht Ilse Bolzhauser aus dem Seminar auch bei ihren Expansionsplänen. Denn ob sich ein Ladengeschäft trägt, das gegenüber Privatkunden als Visitenkarte dienen soll, lässt sich anhand konkreter Betriebs- und lokaler Marktzahlen relativ präzise prognostizieren. Begünstigt wird die Überlegung durch den Verkauf eines Elektrogeschäfts in der Nähe, das für Bolzhausers der Einstieg in dieses Segment sein könnte. „Das Bauchgefühl hatte bereits zuvor Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 7 590 BETRIEBSFÜHRUNG Vom Bauchgefühl zu verständlichen Kennzahlen Etwa 300 Handwerker haben binnen 18 Monaten Strategieseminare besucht, die der baden-württembergische Landesverband der Unternehmerfrauen im Handwerk (ufh) noch bis Ende des Jahres in seinen 34 Arbeitskreisen anbietet. Die Teilnehmer sind begeistert. Die Zusammenhänge zwischen Mitarbeiterführung, Liquidität und Marketing werden ihnen in diesem dreiteiligen Workshop gut vermittelt. Hinter dem Konzept der Balanced Scorecard (BSC) steckt die innovative und in der Praxis gut nachvollziehbare Idee, dass der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens ursächlich auf Einflussfaktoren beruhen, die hinter den finanziellen Zielgrößen stehen - den so genannten weichen Faktoren. Im Grundansatz übersetzt die BSC die Strategie und Vision des Managements in 4 Perspektiven - Finanzen, Markt/Kunde, Prozesse sowie Potentiale - und gewichtet diese gleichmäßig (Bild ). Wichtig für den Einsatz dieser Methode ist daher das Vorhandensein einer klar definierten Strategie. Dafür muss der Unternehmer besonders solche Fragen beantworten können wie: · Ziele für das Wachstum von Umsatz und Ertrag? · Sind die Kostenstrukturen wettbewerbsfähig? · Mit welcher Qualität und welchen Services können die Kunden überzeugt werden? · Wie positionieren wir uns gegenüber den Wettbewerbern? · Reichen die bestehenden Vertriebswege aus? · Wie schnell muss angeboten und geliefert werden können? · Sind die Prozesse auf den zukünftigen Markt ausgerichtet? · Müssen die Bearbeitungszeiten reduziert werden, um konkurrenzfähig zu sein? · Haben die Mitarbeiter die notwendige Qualifikation? · Reicht das EDV-System für das geplante Wachstum aus? Diese Fragen sollten ausführlich mit der Führungsmannschaft und den Mitarbeitern diskutiert werden. Kommt man beispielsweise zum Ergebnis, das Unternehmen sollte sich zukünftig auf die Zielgruppe der Ein- bzw. Zweifamilienhausbesitzer fokussieren, dann sind die entsprechenden Ziele je Perspektive zu bestimmen, die zu dieser Zielgruppe und dem Leistungsangebot passen. Unter Kunde/Markt ist zu analysieren, was dieser Zielgruppe wichtig ist, wie z. B. Qualität der Arbeit und Sauberkeit der Ausführung vor Ort. Bei Prozessperspektive könnte die Zeit für die Aufbereitung und Abgabe der Angebote oder die Zuverlässigkeit zugesagter Termine eine entscheidende Rolle spielen. Wenn heute z. B. noch 10 Tage für eine Angebotsabgabe benötigt werden, dann könnte als Zielwert 3 Tage definiert werden. Durch das Herunterbrechen der Ziele auf die Mitarbeiter wird transparent, welchen Beitrag jeder Einzelne zur Gesamtstrategie leisten muss, wo das Manko liegt und was getan werden muss, um das Gesamtziel für das Unternehmen zu erreichen. Daraus abgeleitet würden so vom Unternehmer alle 4 Perspektiven mit Zielen, Zielwerten, Messgrößen und Maßnahmen bestimmt werden, wobei es nicht mehr als 4 bzw. 5 Ziele pro Perspektive geben sollte. Mit dieser Methode ist es möglich, die Strategie des Unternehmens zu erarbeiten und daraus klar formulierte, messbare sowie kontrollierbare Steuergrößen abzuleiten. Diese werden in den 4 Perspektiven ,,ausbalanciert“ und weisen dem Unternehmer und den Mitarbeitern die Richtung. M. Schäfer Das Unternehmen im Gleichgewicht halten Vision und Strategie Zielwerte Messgrößen Maßnahmen Zielwerte Messgrößen Maßnahmen Zielwerte Messgrößen Maßnahmen Zielwerte Messgrößen Maßnahmen Finanzen Markt/Kunde Prozesse Potentiale Die vier Perspektiven der BSC1) Quelle: Advico 1) erstmals beschrieben von R. S. Kaplan und D. Norton Für Ilse und Klaus Bolzhauser lohnt sich die Investition Foto: Bolzhauser EP0707-579-591 21.06.2007 12:38 Uhr Seite 590 gestimmt, aber nun ist es gut, die Intuition mit Fakten konkret untermauern zu können," so die Chefin. Zumal auch die Hausbank sich mit den Fakten leichter tut als mit dem Riecher der Handwerker fürs Geschäft. In einem Seminar-Planspiel arbeitete sie mit ihrem Mann sämtliche Facetten durch: So konnten das lokale Marktvolumen an sich ermittelt werden sowie der persönlich kalkulierte Marktanteil. Dieser hängt aber wiederum von den Marketingaktivitäten ab. Wenn die Rechnung aufgeht und die Nachfrage anzieht, muss ein neuer Mitarbeiter gefunden und ins Team integriert werden. Im wachsenden Team wiederum sind Spezialisierungen möglich, in denen Stärken Einzelner voll entwickelt werden können. Umgekehrt steigt der Kommunikationsbedarf innerhalb des Teams, sodass von der Akquisition über den Materialeinkauf bis zur Auftragsabwicklung und -rechnung alle Prozesse reibungslos und fehlerfrei laufen. Strategische Weiterbildung bringt Vorteile „Dieses Seminar würde noch viel mehr Unternehmen konkreten Nutzen stiften,“ ist sich Ilse Bolzhauser sicher. Die Vorsitzende des Ludwigsburger ufh-Arbeitskreises ist dankbar, die Chance zur strategischen Weiterbildung ergriffen zu haben. EU-Förderprojekt Seit Projektbeginn im Juni 2005 haben knapp 300 Handwerker in landesweit 22 Kursen das Seminar besucht, darunter rund 10 % aus der Elektrobranche. Bezuschusst wird das BWL-Kompaktseminar von der Europäischen Union, die es als Mittelstands- und Wirtschaftsförderung versteht. Auf Grund dieser Förderung liegt die Gebühr für das dreiteilige Seminar bei 150 Euro (Paare 250 Euro) für ufh-Mitglieder und 250 (450) Euro für Nicht-Mitglieder. Ein vergleichbares Seminar ohne Förderung kostet rund 1500 Euro pro Teilnehmer, schätzt Projektleiter Daniel Burk. Teilnehmer bestätigen ihm vor allem, dass die Seminare praxistauglich, allgemein verständlich seien und das Gelernte im Betrieb sofort anwendbar ist. Nicht nur Frauensache Ursprünglich vor allem für Frauen gedacht, die im Betrieb ihres Mannes Buchhaltung und Büroarbeit erledigen, liegt der Männeranteil landesweit doch bei 45 %. Projektleiter Burk freut diese Quote. Weil das Seminar tief in strategische Unternehmensprozesse eingreife, müssten auch die Ehemänner als Betriebsinhaber mit im Boot sitzen und verstehen, worum es geht (Bild ). Hilfreich ist das Seminar auch deshalb, weil es für die Prozesse sensibilisiert, nach denen Banken ihre Kunden betrachten - und Kredit gewähren. So ist etwa ein Businessplan notwendig, aus dem Fakten wie Rentabilität und Cash-Flow, aktuelle Markttrends und Betriebskennziffern (Kasten) hervorgehen. So lässt sich leichter ermitteln, ob die Rentabilität je Auftrag steigt oder welche Vorteile eine Expansion bietet. Auch Gefahren, wie eine aufwändigere Verwaltung, werden schneller sichtbar. Entscheidend für die Kreditvergabe - so Tenor des Seminars - ist es, dass der Handwerker bereits im Vorfeld Gefahren erkennt und dem Kreditsachbearbeiter hierfür Lösungen aufzeigt. So kann z. B. eine größere Verwaltung mit günstigeren Einkaufskonditionen zeitweilig kompensiert werden. Komplexe Zusammenhänge besser verstehen Sorge bereitet dem Kammerexperten Burk, dass fast ausschließlich innovative Betriebe an diesen Workshops teilnehmen. „Die, die es wirklich nötig haben, lassen sich auf Fortbildungen leider viel zu selten blicken,“ so seine Erfahrung. Die Folge: Oft merken Handwerker über Jahre nicht, dass sie sich in eine Krise manövrieren. Schlimmer noch, sie wissen nicht einmal, womit ihre Misere ursächlich zusammen hängt. Dagegen bekommen die Top-fit-Teilnehmer fertige Bausteine an die Hand, die sie checklistenartig auf ihr Unternehmen anwenden können. Davon profitiert auch der Freiberger Erhard Rendle: In seinem Geschäft hat er sich auf Kaffeevollautomaten in der Preisspanne von 400 bis 2000 Euro spezialisiert. Im Seminar spielte er durch, ob die Sortimentserweiterung um Espressomaschinen rentabel sei. Der Elektroinstallateur weiß, dass die Einführung eines neuen Produktes viele Konsequenzen hat. Die neuen Geräte benötigen zusätzlichen Platz, passendes Equipment wie Mühlen muss eingekauft werden, die Mitarbeiter brauchen eine Produkteinführung. Die Werbung muss umgestellt werden, und natürlich erfordert ein neues Produkt größere Investitionen in die Grundausstattung. Für Rendle war wichtig, dass Kammer und ufh die Seminare ganztägig anbieten. „So bekomme ich den Kopf wirklich für Neues frei“, so der Inhaber. In den Pausen konnte er trotzdem geschäftlich telefonieren oder sich mit Kollegen über die Branchen hinweg austauschen. „Im Seminar habe ich einen anderen Blick auf mein Geschäft bekommen,“ so Rendle. Ähnlich sieht es I. Bolzhauser, für die der Austausch mit anderen Teilnehmern deshalb hilfreich war, weil jeder eine andere Ausgangsbasis hat. Sie selbst ist gelernte medizinisch-technische Assistentin. Doch mit den Seminarerfahrungen und den Seminarunterlagen hat sie nun das notwendige Handwerkszeug. J. Gieseler Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 7 591 BETRIEBSFÜHRUNG Kennzahlen zum Erreichen der finanziellen Ziele · Umsatz pro Vertriebsbeauftragten - unterstützt das Wachstum des Unternehmens, nicht notwendigerweise die Profitabilität · Kosten pro Stück - für mehr Kostenbewusstsein, hohe Volumina · Kunden - Kennzahlen zum Erreichen der Kundenziele · Kundenzufriedenheit - unterstützt kundenorientiertes Verhalten, nicht unbdingt für kurzfristigen Gewinn, schwer zu messen · Zeit zwischen Kundenanfrage und Antwort - unterstützt zeitgerechtes Reagieren auf Kundenanfragen, Prioritäten festlegen · Organisation - Kennzahlen zum Erreichen der internen Prozess-und Produktionsziele · Prozessqualität - unterstützt die ausgelieferte Qualität, nicht notwendigerweise einen effektiven Produktionsprozess · Prozessdurchlaufzeit - fördert schnelle Durchlaufzeiten, geringe Kapitalbindung und weniger Zwischenlager · Mitarbeiter - Kennzahlen zum Erreichen der Unternehmensziele · Umsatzverhältnis neuer Produkte zu alten Produkten - fördert schnelle Neu- und Weiterentwicklung von Produkten. · Fluktuation von Leistungsträgern aus der Organisation - unterstützt langfristige Beschäftigung von Leistungsträgern im Unternehmen, fördert Leistungsdifferenzierung, kann Querdenker blockieren. Typische Seminarsituation - längst sind auch die Betriebsinhaber mit im Boot Fotos: Burk EP0707-579-591 21.06.2007 12:38 Uhr Seite 591
Autor
- J. Gieseler
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