Energietechnik/-Anwendungen
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Elektrotechnik
Unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV) - Klassifikationen, Konfigurationen, Auswahlkriterien
ep2/2007, 5 Seiten
Anwendungsfelder Schwarze Bildschirme, stumme Telefonanlagen und still stehende Maschinen nach einem oft nur kurzzeitigen Einbruch der Versorgungsspannung - für viele Unternehmen ist ein solches Szenario ein betriebswirtschaftlicher GAU, der allerdings noch übertroffen werden kann von den Folgen, die ein Ausfall sicherheitstechnischer Einrichtungen nach sich ziehen kann: Kraftwerke oder Chemieanlagen geraten außer Kontrolle, mit unabsehbaren Konsequenzen für die Umwelt; in Krankenhäusern müssen Patienten um ihr Leben bangen, weil medizinische Apparaturen mit lebenserhaltenden Funktionen schon bei kürzester Spannungsunterbrechung ihren Dienst versagen. Untersuchungen zeigen, dass Netzprobleme zum allergrößten Teil (97 %) aus leitungsgebundenen Beeinträchtigungen resultieren. Totalausfälle der Stromversorgung sind eher die Ausnahme. Tafel nennt die zehn wichtigsten Netzstörungen - die angeführten USV-Klassifikationen nach IEC 62040-3 werden in Abschnitt 3 besprochen. Es existieren zahlreiche technische Lösungen, die die Netzqualität verbessern können. In vielen EDV-Systemen und PC sind die notwendigen Schutzeinrichtungen schon gleich eingebaut. Der Käufer sollte allerdings vor dem Kauf solcher Anlagen von einem Fachmann überprüfen lassen, ob damit alle Risiken, die je nach Anwendung stark differieren können, abgedeckt sind. Oft müssen zusätzliche Maßnahmen getroffen werden. Eine einfache Möglichkeit besteht darin, dem Problem mit Filtern, Trenntransformatoren oder Spannungsreglern zu Leibe zu rücken. Bei komplexen Sicherheitssystemen und Telekommunikationsanlagen empfiehlt sich die Installation einer getrennten Gleichstromversorgung, bestehend aus einem Gleichrichter und einem Energiespeicher. Ein solches System ist einfach und kostengünstig. Eine weitere Alternative ist der Einsatz einer dynamischen USV-Anlage, die in der Regel aus einer Motor-Generator-Gruppe besteht, wobei der Generatorausgang den kritischen Verbraucher versorgt. Den größten Anteil an den verkauften Netzsicherungssystemen aber haben statische unterbrechungsfreie Stromversorgungen (Bild ). Installiert zwischen dem hausinternen, häufig öffentlichen Netz und dem zu schützenden System, versorgen sie kritische Verbraucher stetig mit elektrischer Energie hoher Qualität. Die hochwertigen Versionen liefern eine völlig störungsfreie Ausgangsspannung, deren enge Toleranzwerte den Ansprüchen empfindlicher elektronischer Geräte vollständig genügt. Komponenten einer USV Die wichtigsten Komponenten einer USV sind die Leistungselektronik - bestehend beispielsweise aus Gleichrichter, Batterieladegerät, Wechselrichter, Netzrückschalter und Wartungsschalter - und die Batterien. Die Elektronik regelt dabei, je nach Ausführung, den störungsfreien Energiefluss zwischen Stromversorgung und angeschlossenem Gerät und schaltet bei einem Stromausfall auf Batteriebetrieb um. Selbstverständlich sind das Design der elektronischen Schaltung und die elektrischen Daten der verwendeten Komponenten von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Die folgende Beschreibung der Komponenten dürfte jedoch für die Mehrheit aller USV-Geräte gelten. 2.1 Hauptkomponenten Die eigentliche Steuerungs- und Regeleinheit besteht aus einer Leistungselektronik mit den Hauptkomponenten Gleichrichter, Ladeeinheit und Wechselrichter. · Der Gleichrichter wandelt die Wechselspannung des Eingangsnetzes zur Gleichspannung um und versorgt damit den Wechselrichter und das Batterieladeteil der USV-Anlage. · Die Ladeeinheit lädt die Batterie nach vorangegangener Entladung auf und sorgt anschließend für eine schonende Erhaltungsladung. Die Einheit wird von einem Mikroprozessor des USV-Systems angesteuert. Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 2 123 Energieversorgung FÜR DIE PRAXIS Unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV) Klassifikationen - Konfigurationen - Auswahlkriterien H. Buers, Berlin Ob Industrie, Banken, Telekommunikationsunternehmen oder Krankenhäuser - sie alle benötigen eine sichere Stromversorgung mit netzunabhängiger stabiler Spannung und gleich bleibender Frequenz. Bevorzugte und bewährte Lösungen sind unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV). Der Beitrag beschreibt wichtige Grundlagen, auf denen Planung und Auswahl geeigneter Systeme aufbauen können. Autor Hermann Buehrs ist freier Fachjournalist, Berlin. Online-USV Foto: Aros Netzstörungen Zeit Klassifikation nach IEC 62040 VFD VI VFI 1 Netzausfälle > 10 ms · · · 2 Spannungsschwankungen < 16 ms · · · 3 Spannungsspitzen 4...16 ms · · · 4 Unterspannungen kontinuierlich · · 5 Überspannungen kontinuierlich · · 6 Spannungsstöße (Surge) < 4 ms · 7 Blitzeinwirkungen sporadisch · 8 Spannungsverzerrungen (Burst) periodisch · 9 Spannungsoberschwingungen kontinuierlich · 10 Frequenzschwankungen sporadisch · Tafel Auftretende Netzstörungen und die dazu passenden USV-Lösungen VFD kann bei den Störungen 1-3, VI bei den Störungen 1-5 und VFI bei allen Störungen eingesetzt werden Quelle: ZVEI EP0207-123-127 23.01.2007 9:07 Uhr Seite 123 · Der Wechselrichter besteht aus Transistoren (vorzugsweise aus IGBT) und einem Transformator. Er erzeugt aus der Gleichspannung eine ein- beziehungsweise dreiphasige Wechselspannung und versorgt damit die nachgeschalteten Verbraucher. Die Hauptkomponenten einer USV-Anlage sind bei vielen Fabrikaten über einen Bypass unterbrechungsfrei und phasensynchron zu Wartungszwecken freischaltbar, sodass die interne Elektronik spannungslos ist. Die Verbraucher werden dann direkt über das Eingangsnetz versorgt. 2.2 Systemsteuerung, Schnittstelle und Fernsignalisierung Das gesamte System mit allen Regel-, Mess-, Schalt- und Kommunikationsfunktionen wird von einem Mikroprozessor überwacht. Die erforderlichen Bedienelemente und Anzeigen befinden sich in einem Bedienfeld an der Frontseite des USV-Gehäuses. Viele Geräte verfügen über potentialfreie Kontakte für alle wichtigen Störmeldungen. Auch RS232-Schnittstellen, beispielsweise für die Kommunikation zwischen USV- und EDV-Anlagen, gehören häufig zur serienmäßigen Ausstattung. 2.3 Batterieanlage Die Batterieanlage dient als Energiespeicher, besteht meistens aus wartungsfreien geschlossenen Bleibatterieblöcken und ist in der Regel mit der USV in einem gemeinsamen Gehäuse oder Schrank untergebracht. Die einzelnen Batterien basieren häufig auf der „Valve-Regulated-Lead-Acid“-Technologie (VRLA-Technologie). Sie sind mit einem Ventil verschlossen und dürfen nicht geöffnet werden. Die Sicherheitsanforderungen sind in DIN VDE 50272-2 ausführlich beschrieben. Eingesetzt werden sie typischerweise in USV-Systemen für IT-Anlagen, PC-Anwendungen, Sicherheitsbeleuchtungen, Alarmsystemen und Elektrizitätsversorgungen. Ihre Gebrauchsdauer liegt zwischen drei und zwölf Jahren, je nach verwendetem Elektrolyten. Sie hängt außerdem wesentlich von den Betriebs- und Umgebungsbedingungen, insbesondere von der Temperatur ab (Bild ). Diese sollte 25 °C nicht überschreiten. Die größten Vorteile dieses Batterietyps sind: · hohe Energiedichte · geringe Gasentwicklung · einfache Wartung · geringe Anforderung an die Unterbringung · reduzierte Lüftungsanforderungen · Kein Nachfüllen von Wasser. Die Nachteile liegen vor allem in der großen Empfindlichkeit gegen hohe Temperaturen und in der begrenzten Lagerfähigkeit. Bei Anlagen mit hoher Leistung oder bei längerer Überbrückungszeit werden auch klassische stationäre Bleibatterien mit einem flüssigen Elektrolyten eingesetzt. Ihr Anwendungsbereich liegt hauptsächlich dort, wo große USV-Systeme für zentrale Sicherheitseinrichtungen mit höchsten Anforderungen benötigt werden, beispielsweise in Industrieanlagen, in Kraftwerken oder in Krankenhäusern. Bleibatterien haben eine sehr hohe Lebensdauer von rund 20 Jahren und mehr. Sie müssen in geeigneten Schränken oder separaten Räumen untergebracht werden und brauchen - im Gegensatz zu VRLA-Batterien - in gewissen Zeitabständen entmineralisiertes Wasser. Eine weitere Möglichkeit ist der Einsatz von Nickel-Cadmium-Batterien. Sie zeichnen sich besonders dadurch aus, dass sie auch noch bei äußerst niedrigen Temperaturen, bis zu -30 °C, ihren Dienst nicht versagen. Zudem sind sie sehr robust und leistungsfähig. Die erwartete Lebensdauer beträgt 15 bis 20 Jahre. Ihr großer Nachteil sind die hohen Anschaffungskosten. Genormte Klassifikation Die Anforderungen an das Betriebsverhalten einer USV sind in der IEC 62040 3 festgelegt. Diese Norm bietet für die Beurteilung der USV-Ausgangsspannung einen Klassifikations-Code, der drei Faktoren eindeutig kennzeichnet (Tafel ): die Abhängigkeit vom Netz (Stufe 1), die Spannungskurvenform (Stufe 2) und das dynamische Verhalten (Stufe 3). Jede der drei Stufen ist wiederum in drei Klassen unterteilt. In der Stufe 1 wurden folgende Codes für Netzabhängigkeiten vergeben: · VFI (steht für die englischen Begriffe Voltage, Frequency und Independent): Der USV-Ausgang ist unabhängig von allen Netzspannungs- und Frequenzschwankungen und wird innerhalb der Grenzen nach IEC 61000-2-4 geregelt. · VI (steht für die englischen Begriffe Voltage und Independent): Der USV-Ausgang ist abhängig von der Netzfrequenz, wird aber durch aktive oder passive Regeleinrichtungen innerhalb bestimmter Grenzen aufbereitet. · VFD (steht für die englischen Begriffe Voltage, Frequency und Dependent): Der USV-Ausgang ist abhängig von Änderungen der Netzspannung und der Netzfrequenz, wenn die USV keine Maßnahmen zur Verbesserung ergreift. Die Codes der Stufe 2 bezeichnen die Kurvenform der Ausgangsspannung. Sie bestehen aus zwei Ziffern, von denen die erste den Normal- und die zweite den Batteriebetrieb klassifiziert: · S steht für sinusförmig; der Verzerrungsfaktor D ist kleiner als 0,08 nach IEC 61000-2-2 bei allen linearen und nicht-linearen Referenzlasten. Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 2 124 FÜR DIE PRAXIS Energieversorgung Gebrauchsdauer bei verschlossenen Bleiakkumulatoren Quelle: Eurobat 3 bis 5 6 bis 9 10 bis 12 Gebrauchsdauer Jahren 20 25 30 35 40 45 50 55 Umgebungstemperatur Gebrauchsdauer als Funktion der Umgebungstemperatur VFI SS 111 Code für Beeinflussung Code für Kurvenform Code für Verhalten der der Ausgangs- durch die der Ausgangsspannung Ausgangsspannung bei Eingangsspannung Lastsprüngen und Änderungen der Betriebsart Normalbetrieb 1. Buchstabe: 1. Ziffer: bei Änderung der Betriebsart Normalbetrieb 2. Ziffer: bei linearem Lastsprung 2. Buchstabe: 3. Ziffer: bei nichtlinearem Lastsprung Batteriebetrieb VFI bedeutet: Ausgang S bedeutet: Ausgangs- 1 bedeutet: unterbrechungsfrei ist unabhängig vom spannung ist sinusförmig, Netz, Spannungs- und Verzerrung D < 0,08 bei Frequenzänderungen allen linaeren und innerhalb der Grenzen nichtlinearen Referenznach IEC 61000-2-2 lasten Tafel Beispiel des Klassifizierungscodes VFI-SS-111 EP0207-123-127 23.01.2007 9:07 Uhr Seite 124 · X steht für sinusförmig; D ist größer als 0,08 bei nichtlinearer Referenzlast. · Y nicht-sinusförmig; überschreitet auch die Grenzwerte nach IEC 61000 2 2. Das Verhalten der Ausgangsspannung bei Änderungen der Betriebsart und bei Lastsprüngen - festgelegt in der Stufe 3 des Codes - bestimmt maßgeblich die Qualität einer USV. Es wird mit Hilfe von drei Diagrammen in ebenso viele Klassen eingeteilt. Diese Diagramme zeigen die jeweils maximal zulässige Abweichung von der „sauberen“ Sinuskurve. Der Code besteht aus drei Ziffern für folgende Betriebsbedingungen: · Die erste Ziffer beschreibt das Verhalten bei Änderungen der Betriebsart, · die zweite das bei Lastsprüngen mit linearer Last sowohl im Netz- als auch im Batteriebetrieb und · die dritte das bei Lastsprüngen mit nichtlinearer Last, ebenfalls sowohl im Netz- wie auch im Batteriebetrieb. Jede dieser drei Ziffern kann den Wert 1, 2 oder 3 annehmen, je nach Grenzwert beziehungsweise Toleranzkurve (IEC 62040-3). Der optimale Wert liegt bei „111“; ihn erreichen in der Regel nur USV-Systeme der VFI-Klasse. Eine VI-USV wird in der Stufe 3 bauartbedingt höchstens eine „122“, die VFD-Variante lediglich eine „333“ erreichen. USV-Konfigurationen Unter Beachtung der durch IEC 62040-3 vorgegebenen Klassifizierung haben die Hersteller unterschiedliche Schaltkreisarchitekturen und Betriebsarten entwickelt. 4.1 Double-Conversion-USV (VFI) Bei diesem USV-Typ (Bild ), der auch als Doppelwandler bezeichnet wird, nimmt der Wechselrichter den Strom kontinuierlich vom Gleichrichter. Der Strom wird durch diese Umwandlung von Wechsel- auf Gleichstrom und wieder auf Wechselstrom vollständig regeneriert, was ein konstantes Qualitätsniveau unabhängig von Störungen auf dem Versorgungsnetz garantiert. Die Ausgangsspannung ist vollkommen von der Netzspannung entkoppelt. Wenn die Eingangsspannung die Toleranzgrenzen verlässt, wechselt die USV in den Batteriebetrieb. Die Verfügbarkeit der USV-Anlage kann durch einen zusätzlichen Bypass erhöht werden (Double-Conversion-USV mit Bypass). 4.2 Line-Interactive-USV (VI) Bei diesem USV-Typ (Bild ) ist der Inverter parallel zum Wechselstromeingang geschaltet. Er lässt sich sowohl zur Aufbereitung der Ausgangsspannung als auch zur Ladung der Batterie nutzen. Die Ausgangsfrequenz ist von Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 2 statischer Schalter Gleichrichter Wechselrichter Batterie Bypass AC-Eingang AC-Eingang AC-Ausgang Normalbetrieb Batteriebetrieb Bypassbetrieb Stufe 1: Klasse VFI Die Double-Conversion-Lösung mit dem Code VFI nach IEC 62040-3 ist geeignet zur Vermeidung aller in Tafel genannten Netzstörungen statischer Schalter automatische Spannungsregulierung Wechselrichter Batterie Bypass AC-Eingang AC-Eingang AC-Ausgang Normalbetrieb Batteriebetrieb Bypassbetrieb Stufe 1: Klasse VI AVR Der Line-Interactive-Betrieb von USV-Anlagen mit dem Code VI nach IEC 62040-3 ist geeignet zur Vermeidung von Netzausfällen, Spannungsschwankungen und -spitzen sowie Unter- und Überspannungen (vgl. Tafel EP0207-123-127 23.01.2007 9:07 Uhr Seite 125 der Eingangsfrequenz abhängig. Falls der Wechselstromeingang nicht innerhalb der strikten Amplituden- und Frequenztoleranzen liegt, versorgt der Wechselrichter die Verbraucher über die Batterie. Relativ neu ist die so genannte aktive Bereitschaftstechnologie: Die USV wird durch einen Prozessor gesteuert, der die Qualität des Versorgungsnetzes überwacht und sofort auf Änderungen reagiert. Bei einem Netzproblem schaltet die USV die Verbraucher auf die Batterien, um sie mit stabilisierter Spannung zu versorgen. Meistens wird auch eine Spannungsverstärkerschaltung (Booster) verwendet, die bei längeren Spannungseinbrüchen aktiviert wird. 4.3 USV mit passivem Stand-by-Betrieb (VFD) USV-Anlagen für den passiven Stand-by-Betrieb (Bild ) werden parallel zur normalen Wechselstromversorgung geschaltet. Der Strom wird gefiltert mit dem Ziel, die häufigsten Formen von Oberwellen zu dämpfen. Bei einem Netzproblem schaltet die USV die Verbraucher auf die Batterien, um sie mit stabilisierter Spannung zu versorgen. Der Inverter schaltet sich nur ein, wenn die Netzversorgung ausfällt oder außerhalb der Toleranzen des FMI-Filters liegt. Sie kann auch mit einem automatischem Spannungsstabilisator (AVS) ausgerüstet sein. Das Ausgangssignal bei Batteriebetrieb ist eine Rechteckwelle. Auswahl eines USV-Systems Die Auswahl eines USV-Systems hat unterschiedlichen Kriterien zu folgen. In erster Linie geht es darum, Schäden durch Datenverlust und Produktionsausfall zu vermeiden. Deshalb steht an erster Stelle die Frage, welche Anwendungen unbedingt geschützt werden müssen, wobei es durchaus Abstufungen im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit geben kann. Alle anderen Aspekte wie Anschaffungs- und Betriebskosten haben sich der Schadensverhütung unterzuordnen. Die Antworten auf die folgenden Unterpunkte können als erste Kriterien für die Auswahl von USV-Anlagen dienen. Die Konzeptionierung komplexer „geschäftskritischer Systeme“ sollte jedoch Beratern des Herstellers und Fachleuten aus Planungsbüros überlassen werden, da diese Arbeit ein hohes Maß an Knowhow und Erfahrung erfordert. 5.1 Verbraucher Nicht alle Netzstörungen oder -ausfälle werden gleich den ganzen Betrieb lahmlegen, die Mehrzahl wird lediglich leichtere Störungen verursachen. Deshalb sollten vorrangig die so genannten „geschäftskritischen Systeme“ geschützt werden, und zwar mit einer USV-Anlage, die alle Netzstörungen (vgl. Tafel ) ausschließen und auch bei Laständerungen eine stabile Spannung mit „sauberer“ Sinuskurve garantieren kann. In Frage käme also eine USV mit dem Klassifikations-Code VFI SS 111. Typische Einsatzfelder wären beispielsweise Rechenzentren, Kraftwerke, Prozessanlagen oder sensible Bereiche in Krankenhäusern. Für weniger kritische Anwendungsfälle, wie in Büros, stellen Anlagen des Typs Line-Interactiv eine vergleichsweise preisgünstige Alternative dar. Sie schützen immerhin noch vor fünf der genannten zehn Spannungsproblemen. Maßgebend für die Auswahl ist die IEC-Norm 62040-3. Sie erlaubt es, USV-Topologien entsprechend den Schutzanforderungen miteinander zu vergleichen und das geeignete Funktionsprinzip auszuwählen. Unternehmen können damit eine Basisentscheidung über die einzusetzende Technologie fällen. 5.2 Elektrische Anschlussleistung Für die Ermittlung der elektrischen Anschlussleistung empfiehlt sich das Anlegen einer „Verbraucheranschlussliste“, in die dann die Scheinleistungen und Einschaltströme sowie die Crest- und Leistungsfaktoren der zu schützenden Geräte eingetragen werden. Als Faustregel kann gelten, dass die Leistung einer USV mindestens dem maximalen Leistungsbedarf aller angeschlossenen Verbraucher entsprechen muss. Eine addierte Scheinleistung von beispielsweise 20 kVA lässt sich also mit einer USV-Anlage von 20 kVA absichern. Weitere notwendige Recherchen: · Es muss geprüft werden, ob die USV für die Versorgung von nichtlinearen Lasten mit einem Crestfaktor von CF gleich oder größer als dem CF der Verbraucher als Gesamtlast geeignet ist und ob die entsprechende Ausgangsspannungsverzerrung mit der Spannung der zu versorgenden Verbraucher kompatibel ist. · Der Crestfaktor wird auf den Typenschildern fast nie angegeben. Um ihn zu ermitteln, wäre eine spezifische Messung vonnöten, die recht aufwendig ist. Statt dessen nimmt man ersatzweise den Faktor CF = 3, der in der IEC 62040-3 für USV-Prüfungen genannt wird. · Das gleichzeitige Zuschalten mehrerer Verbraucher kann zu Überlasten führen, die quantifiziert und bei der Bestellung angegeben werden müssen. Von Herstellern angegebene Toleranzen liegen zum Beispiel bei 110 % für 300 Minuten, 125 % für 10 Minuten und 150 % für 1 Minute. 5.3 Wirkungsgrad Verlustleistungen sind betriebswirtschaftlich betrachtet immer von Übel. Die Angaben über den Wirkungsgrad, also über das Verhältnis von Ausgangswirkleistung zu Eingangswirkleistung, sind daher von großer Bedeutung. Kurz gesagt gilt: Je weniger Komponenten und Spulen ein System hat, desto höher ist der Wirkungsgrad, weil dann der Eigenbedarf der Anlage geringer ist und weniger Wärme erzeugt wird. Gleichzeitig sinkt der Aufwand für eventuell notwendige Klimatisierungs- und Lüftungsmaßnahmen. Moderne Anlagen erzielen einen Wirkungsgrad von bis zu 95 %. Ausgehend von einer 10-jährigen Betriebszeit, machen sich die höheren Investitionskosten für eine etwas teurere USV-Anlage mit einem besseren Wirkungsgrad meistens schon nach kurzer Zeit bezahlt. 5.4 Parallelschaltung Die Überdimensionierung einer USV verursacht unnötige Energiekosten. Es wäre deshalb bei mittleren und großen Anlagen zu überlegen, statt einer Einheit mit hoher Leistung mehrere kleinere Module einzuplanen, deren Leistung dann stufenweise abgerufen werden könnte. Eine Weiterentwicklung dieser Lösung führt zu einem redundanten System, bestehend aus mehreren parallel geschalteten USV-Blöcken gleicher Leistung mit zugehörigen Batterien, bei dem eine oder mehrere der installierten Einheiten die Lastversorgung eines ausgefallenen Blocks übernehmen können. Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 2 126 FÜR DIE PRAXIS Energieversorgung statischer Schalter Wechselrichter Batterie Bypass AC-Eingang AC-Eingang AC-Ausgang Normalbetrieb Batteriebetrieb Stufe 1: Klasse VFD Batterielader Der passive Stand-by-Betrieb von USV-Anlagen mit dem Code VFD nach IEC 62040-3 ist geeignet zur Vermeidung von Netzausfällen sowie Spannungsschwankungen und -spitzen (vgl. Tafel ). Quellen: Aros EP0207-123-127 23.01.2007 9:07 Uhr Seite 126 5.5 Überbrückungszeit Die Auswahl der Überbrückungszeit, also der notwendigen Versorgungszeit der angeschlossenen Verbraucher im Störungsfall, hängt von den betrieblichen Anforderungen ab und bestimmt die Kapazität der Batterieanlage. Müssen bei einem Netzausfall die angeschlossen Verbraucher nur noch für kurze Zeit in Betrieb bleiben, um beispielsweise Daten sichern und die Rechneranlage herunterzufahren zu können, genügen wahrscheinlich fünf bis zehn Minuten. Viele Hersteller haben USV-Geräte mit Rechnerschnittstellen im Programm, die nach einer vorher festgelegten Zeit, entsprechend dem Zeitbedarf der IT-Anlage und der Kapazität der USV, ein rechtzeitiges automatisches „Shut-down“ einleiten. Für komplexe industrielle Produktions- und Prozessanlagen, große Rechnerzentren oder Krankenhäuser muss die Stromversorgung auch über einen längeren Zeitraum ununterbrochen und ausfallsicher verfügbar sein. Bei der Planung ist dann von längeren Überbrückungszeiten (Autonomiezeiten) und zusätzlichen Batteriekapazitäten auszugehen. In vielen Fällen kann es sinnvoll sein, zusätzlich einen Dieselgenerator einzusetzen. Das USV-System hätte dann nur noch die Aufgabe, die Anlaufzeit des Generators zu überbrücken. 5.6 Anbindung an ein Leitsystem Moderne USV-Anlagen können mit den Steuerungen von Leitsystemen, Workstations, Servern und Netzwerken kommunizieren. Als Beispiel seien hier vier Funktionen eines Systems genannt, das in eine EDV-Anlage integriert werden kann: EDV-Shutdown. Die USV meldet über potentialfreie Kontakte den Status der Stromversorgung an die USV-Software des EDV-Rechners. Bei Netzausfall entscheidet die Software über den Shutdown: Alle Daten werden gesichert, die angeschlossenen Verbraucher gehen außer Betrieb. EDV-Shutdown und USV-Shutoff. Der Rechner kann nach dem Shutdown das USV-System aus Sicherheitsgründen abschalten. Einsatz einer Management-Software. Eine USV-Management-Software stellt über den RS232-Anschluss die Kommunikation zwischen dem Netzwerk und der USV sicher; der zuständige Systemadministrator kann die USV kontrollieren und steuern. Alle Ereignisse, die Auswirkungen auf die Stromversorgung haben, werden erfasst und gespeichert und können anschließend analysiert werden. Einbindung in Netzwerke. Mit Hilfe der Management-Software lässt sich die USV mit einer TCP/IP-Adresse in jedes bestehende Netzwerk einbinden. 5.7 Netzrückwirkungen Je nach Technologie können USV-Anlagen Oberschwingungsströme generieren, die den Spannungsverlauf des speisenden Netzes verzerren. Es gibt jedoch die Möglichkeit, diese negativen Beeinflussungen zu verringern. Der USV-Markt bietet hier einige Zusatzeinrichtungen: Zwölfpulsiger Gleichrichter. Der Gleichrichter wird verdoppelt und durch einen Transformator mit zwei sekundären Wicklungen versorgt; die Ströme in der Primärwicklung werden kombiniert und die Oberschwingungen stark eliminiert. Gleichrichter mit PFC (Power Factor Control). Die Stromaufnahme vom Netz erfolgt mit reduziertem Oberschwingungsgehalt. Diese Schaltung steht normalerweise nur für USV-Anlagen kleiner Leistung zur Verfügung. Resonanzfilter (Saugkreis). Eingangsseitig installierte Filter reduzieren die Oberwellen und verhindern somit eine Rückspeisung in das Netz. Es gibt weitere Optionen, die von Hersteller zu Hersteller variieren können. Eine telefonische oder schriftliche Anfrage kann hier sicher weiterhelfen und zu zufriedenstellenden Lösungen führen. 5.8 Zuverlässigkeit und Wartungsfreundlichkeit Nicht zuletzt sollte man USV-Anlagen nach deren Zuverlässigkeit und Wartungsfreundlichkeit auswählen. Viele USV-Hersteller geben zur Beurteilung dieser Kriterien zwei Parameter an: MTBF und TTR. Sie haben folgende Bedeutung: MTBF (Mean Time Between Failures) ist ein Bewertungsparameter für die Zuverlässigkeit. Er stellt die wahrscheinliche mittlere Betriebszeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Ausfällen dar und ist von vielen Faktoren abhängig: beispielsweise von den Umgebungsbedingungen am Aufstellungsort der Anlage, der Aufstellhöhe, der Temperatur, der Zuverlässigkeit der eingesetzten Komponenten sowie deren Belastungsgrad und der spezifischen Schaltungstechnik. MTTR (Mean Time To Repair) ist ein Bewertungsparameter für die Wartungsfreundlichkeit und somit für die Reparaturfreundlichkeit. Dieser Wert gibt die wahrscheinliche mittlere Zeit bis zu einer vollständigen Reparatur an. Er wird in starkem Maße beeinflusst vom Aufbau und von der Konstruktion der USV. Die Werte für MTBF und MTTR, meist angegeben in Stunden (h), haben nur informativen Charakter. Besser aber auch zeitraubender ist es, für die Bewertung der Zuverlässigkeit sowie Wartungs- und Reparaturfreundlichkeit auf Qualitätssicherungs- und Kundendienstberichte zurückzugreifen. Auch hier können Fragen an den Hersteller sicher weiterhelfen. Literatur [1] ZVEI, Fachverband Transformation und Stromversorgung (Hrsg.): Unterbrechungsfreie Stromversorgung, European Guide/CEMEP. Zweite ergänzte Auflage, Frankfurt am Main, 2003. Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 2 127 Energieversorgung FÜR DIE PRAXIS Die folgenden Parameter spielen bei der elektrischen Dimensionierung einer USV-Anlage eine wichtige Rolle. Viele Hersteller haben eigene Begriffe geschaffen, die von Fall zu Fall durch Rücksprache abzuklären sind. Die Scheinleistung S [VA] ist das Produkt aus Verbraucherspannung und Verbraucherstrom unter normalen Betriebsbedingungen. In technischen Dokumentationen und/oder auf dem Typenschild des Verbrauchers wird in der Regel die Scheinleistung angegeben. Mit dem cos multipliziert, wird die Scheinleistung zur Wirkleistung P [W]. S = U · I (für einphasige Lasten) P = S · cos Die Verlustleistung einer USV, also deren Wärmeabgabe an die Umgebung, dient als Grundlage für die Dimensionierung einer eventuell erforderlichen Lüftungsanlage. Sie verursacht zusätzliche Energiekosten. Der Crestfaktor [CF] wird definiert als das Verhältnis des momentanen Spitzenstroms [IS] zum Effektivstrom [Ieff]. Bei linearen Lasten hat der Crestfaktor den Wert 2 (=1,414). Die meisten USV-Verbraucher nehmen jedoch verzerrte Ströme mit höheren Spitzenwerten auf. CF = IS / Ieff Der Wirkungsgrad ist das Verhältnis von Ausgangs- zu Eingangswirkleistung einer USV. = PA / PE Als Überlastfähigkeit wird das Vermögen einer USV bezeichnet, für einen definierten Zeitraum eine Überlast verkraften zu können. Die Überbrückungszeit (Autonomiezeit) ist die erforderliche Versorgungszeit der angeschlossenen Verbraucher mit Nennlast im Störungsfall. Sie wird von der Batteriekapazität begrenzt. Je nach Technologie können USV-Anlagen Stromverzerrungen bewirken, die als Netzrückwirkungen bezeichnet werden und Oberschwingungen der 50-Hz-Grundfrequenz sind. Unter dem Begriff Shutdown ist die Fähigkeit zum kontrollierten Herunterfahren von angeschlossenen Verbrauchern nach einer bestimmten Überbrückungszeit zu verstehen. Der THDI ist der Gesamtstrom-Klirrfaktor (THDI = Total Harmonic Distorsion, I für Strom), der das Verhältnis (in %) zwischen dem Effektivwert der Strom-Oberschwingungen und dem Effektivwert der zugehörigen Grundschwingung wiedergibt. Wichtige Bewertungsgrößen einer USV-Anlage EP0207-123-127 23.01.2007 9:07 Uhr Seite 127
Autor
- H. Buers
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