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Messen und Prüfen | Wartung und Instandhaltung | Schaltanlagen | Elektrotechnik

Thermografie schützt vor Störungen und Verlusten

ep2/2000, 4 Seiten

Thermografie bei der wärmetechnischen Untersuchung von Gebäuden ist vielen ein Begriff. Dass auch in der Elektrotechnik die Thermografie sinnvolle Anwendungsgebiete besitzt, ist weniger bekannt. Durch den orbeugenden Einsatz von thermografischen Untersuchungen können Wartungen gezielt und wirkungsvoll geplant erden. Die Gefahr von Störungen sowie elektrisch verursachten Brandschäden sinkt beträchtlich.


1 Was ist Thermografie? Thermografie ist ein berührungsloses Messverfahren zur bildlichen Darstellung von Objekten, deren Bauteile auf Grund ihrer ungleichmäßigen Erwärmung unterschiedliche Wärmestrahlung abgeben. Ähnlich wie bei der Fotografie erhält man eine Aufnahme der betrachteten Objekte. Während die Fotografie den für das menschliche Auge sichtbaren Strahlungsbereich (Wellenlänge 0,4 µm bis 0,8 µm; Bild a) aufnimmt, erfasst die Thermografie die infraroten Wärmestrahlen (Wellenlänge 2 µm bis 14 µm; Bild b). Um die Wärmestrahlung als Temperatur darzustellen, muss der Emissionsgrad der untersuchten Oberfläche in das Thermografiesystem eingegeben werden. Unter dieser Zahl versteht man das Verhältnis der spezifischen Wärmestrahlung eines realen Körpers zu der eines schwarzen Körpers. Der Emissionsgrad schwarzer Körper beträgt immer = 1. Dagegen hängt der Emissionsgrad realer Körper von seinem Material und von dessen spezifischen Eigenschaften wie dem Widerstand ab. So ergibt sich beispielsweise für poliertes Aluminium ein Wert von 0,1 während stumpfe, matte Oberflächen einen Emissionsgrad von 0,9 aufweisen (Tafel ). Den richtigen Emissionsgrad auszuwählen, erfordert vom Anwender der Thermografie Fachwissen und Erfahrung. Ein Thermografiesystem besteht aus folgenden Bestandteilen: · Infrarotkamera · Auswerterechner mit -software Für eine Messung ist die Thermokamera allein ausreichend. In farbigen Realbildern (Bild b) werden die erwärmten Bauteile den gemessenen Temperaturen aus dem Thermogramm zugeordnet. Diese Aufgabe übernimmt der Auswerterechner mit seiner speziellen Software. Im Ergebnis erhält jede Temperatur eine bestimmte Farbe. Erhitzungen zeigen sich in roter Farbe, tiefere Temperaturen leuchten in blau. Die genaue Zuordnung belegt jedes Thermogramm. Darüber hinaus bietet die Auswertesoftware statistische Analysemöglichkeiten, Reportfunktionen für die Berichterstellung und Exportfunktionen, um die Thermogramme in gängige Textverarbeitungen einzubinden. Der wesentliche Unterschied verschiedener Thermokameras besteht in der Art ihrer Kühlung. Sie ist für die Messung notwendig, um das Gerät auf einer definierten Referenztemperatur gegenüber der Umgebung zu halten. Die Kühlung kann beispielsweise direkt über flüssigen Wasserstoff oder thermoelektrisch nach dem Peltier-Effekt erfolgen. Moderne Kameras arbeiten nach dem Micro Bolometer-Prinzip und benötigen solche aufwendigen Kühleinrichtungen nicht. Diese Typen bieten bei der Erfassung von Erwärmungen eine Genauigkeit bis zu T 0,1 K (Kelvin). 2 Wo kann die Thermografie eingesetzt werden? Experimentelle thermografische Untersuchungen können in allen Gebieten der Elektrotechnik mit Erfolg durchgeführt werden, bei denen geringste Temperaturunterschiede eine Auswertung zulassen. Berechnungsverfahren zur Bestimmung von Erwärmungen sind oft sehr viel zeitaufwendiger und vor allem in der Regel nicht auf die spezifischen Umgebungsbedingungen am Einbauort übertragbar. Ein besonders typisches Beispiel hierfür bilden Schaltanlagen. In solchen Fällen bietet die Thermografie die Möglichkeit, die an der Oberfläche von Objekten auftretenden Erwärmungen berührungslos und ohne Abschalten der Anlagen zu messen und fachgerecht zu analysieren. Thermografie kann unabhängig vom Energieniveau eingesetzt werden bei · Wärmeübertragungsproblemen · Untersuchung von Temperaturverteilungen · Feststellen von Überhitzungen und Unterkühlungen · Aufzeichnen von Abkühl- und Erwärmungsprozessen. Erwärmungsmessung Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 2 124 Dipl.-Ing.(TU) Thomas Grüschow, Fachbereich Elektrotechnik im TÜV Süddeutschland Bau und Betrieb Gmb H, München, und Obering. Dipl.- Ing (FH) Klaus-Dieter Blase, Abteilungsleiter beim TÜV Süddeutschland Bau und Betrieb Gmb H, Niederlassung Dresden, Dresden Autoren Thermografie schützt vor Störungen und Verlusten T. Grüschow, München; K.-D. Blase, Dresden Thermografie bei der wärmetechnischen Untersuchung von Gebäuden ist vielen ein Begriff. Dass auch in der Elektrotechnik die Thermografie sinnvolle Anwendungsgebiete besitzt, ist weniger bekannt. Durch den vorbeugenden Einsatz von thermografischen Untersuchungen können Wartungen gezielt und wirkungsvoll geplant werden. Die Gefahr von Störungen sowie elektrisch verursachten Brandschäden sinkt beträchtlich. Stark belastete Stromschienen in der Energieverteilung einer Mühle Kleintransformator mit Gleichrichterdioden a Fotografie (Geräteaufbau) b Thermogramm Tafel Ausgewählte Emissionsfaktoren von Materialien der Elektrotechnik Material Emissionsfaktor Aluminium, poliert 0,05 - 0,09 Aluminium, oxidiert 0,2 - 0,4 Kupfer poliert 0,03 - 0,05 Kupfer, oxidiert 0,7 - 0,8 Kunststoff, PVC 0,91 - 0,93 Gummi 0,95 Farbe, weiß 0,92 Farbe, schwarz 0,97 Farbe, sonstige 0,90 -0,97 Im folgenden werden beispielhaft in der Praxis der Starkstromtechnik auftretende Probleme geschildert und Erfassungsmöglichkeiten mit der Thermografie gezeigt. 3 Welche Anwendungsbeispiele aus der Anlagentechnik sind typisch? Schaltschränke. Sie werden mit immer höherer Betriebsmitteldichte gebaut und häufig auch nachgerüstet. Erwärmungsprobleme bleiben damit nicht aus. Hohe Verlustleistungen einzelner, zu knapp bemessener Stromkreise und Betriebsmittel verursachen unnötige, oft auch unzulässige Erwärmungen des Schaltschrankes und damit Unkosten. Mit der Thermografie können solche Verlustquellen und Wärmenester in Schaltschränken zuverlässig und schnell erkannt werden (Bild ). Darüber hinaus bedingt die hohe Anzahl von Betriebsmitteln eine Vielzahl von Schraub- und Klemmverbindungen, die regelmäßig überprüft werden sollten (Bild ). Die Thermografie bietet hier die Möglichkeit, die elektrischen Verbindungen ganzer Schaltschrankreihen schnell, sorgfältig und zuverlässig zu prüfen. Das Abschalten der Schaltschränke ist dabei nicht notwendig. Erforderlich ist lediglich das Entfernen aller Abdeckungen, auch der Durchsichtigen, in den zu untersuchenden Schaltschränken. Dabei sind jedoch ausdrücklich die VDE 0105 und entsprechende Vorschriften der Berufsgenossenschaft zu berücksichtigen. Für die richtige Bewertung der Erwärmung ist die Aufnahme der Betriebszustände, unter denen die elektrischen Betriebsmittel zum Zeitpunkt der Messung betrieben werden, unerlässlich. Kabel und Leitungen. Durch die steigende Anzahl elektrischer Abnehmer in Verbindung mit Erweiterungen und Umbauten existierender Anlagen besteht die Gefahr, dass bei nicht aktualisierten Bestandsunterlagen Überlastungen der Kabel und Leitungen auftreten. Auch können Blind-und Oberschwingungsströme bestehende Kabeltrassen thermisch überlasten. Resonanzerscheinungen in Kompensationsanlagen verursachen einen hohen Stromfluss und somit ihre weitere Erwärmung. Sofern in Starkstromnetzen mit vermindertem PEN-Leiterquerschnitt moderne Geräte mit Schaltnetzteilen eingesetzt werden, treten u.U. thermische Überlastungen des PEN-Leiters auf. Auch solche Fehler (Bild ) lassen sich, selbst in umfangreichen elektrischen Anlagen, mit der Thermografie schnell und zielgerichtet eingrenzen. Sicherungen. Infolge hoher Temperaturen altern diese Betriebsmittel schneller und fallen vorzeitig aus. Zu solcher Erscheinung kommt es, wenn Sicherungen ständig überlastet werden. Aber auch unzulässig hohe Übergangswiderstände, insbesondere bei Sicherungstrennern durch zu geringen Anpressdruck der Federn oder wegen Ablagerungen an den Kontaktflächen, bewirken dauerhafte Übererwärmungen. Die Folge sind Defekte, die zu Stillstandzeiten oft in Verbindung mit Produktionsausfällen führen. In solchen Fällen hilft die Thermografie (Bild ). Leistungsstarke Betriebsmittel. Den erfolgreichen Einsatz der Thermografie bei der Diagnose größerer Betriebsmittel belegt die Untersuchung von Transformatordurchführungen. Bild zeigt aus dem gleichen Bereich die Kontrolle der Spulenpakete eines 20-kV-Trockentransformators nach gleichmäßiger Erwärmung. Die Thermografie bietet in dieser Situation die Möglichkeit, aus geeigneter Entfernung gleichfalls ohne abzuschalten, die erforderlichen Messungen durchzuführen. Wegen der gleichen Gründe eignet sich die Anwendung der Thermografie auch in Freiluft-MS/HS-Anlagen. Korrodierte elektrische Verbindungen, schadhafte Wanddurchführungen oder lockere Wandlerklemmen sind bei einer Sichtprüfung und bei abgeschalteten elektrischen Anlagen nur schwer zu bemerken. Die stärkere Erwärmung der korrodierten bzw. lockeren Kontakte bei Belastung erkennt die Thermografie zuverlässig. Aus dem gerade noch vertretbaren Temperaturanstieg lässt sich sogar der späteste Zeitpunkt für die Beseitigung der Ursachen bestimmen. Wiederholungsmessungen, die die eingetretenen Veränderungen sichtbar machen, gestatten es, die Anlage bis zum Grenzzustand in Betrieb zu halten. Durch solche vorbeugenden Untersuchungen kann die Instandhaltung gezielt geplant und der Betriebsprozess kostengünstiger gestaltet werden. 4 Welchen Nutzen bringt die Thermografie? Mit der Thermografie in elektrischen Anlagen, die sich im Betrieb befinden, werden viele Schwachstellen gefahrslos, zuverlässig sowie ohne Betriebsunterbrechung ermittelt. Eine Planung der durchzuführenden Wartungen und Reparaturen nach Umfang und Reihenfolge wird möglich. Die Instandhaltung kann zügig und zuverlässig durchgeführt werden. Im Ergebnis steigt die Verfügbarkeit der elektrischen Versorgung. Stillstandzeiten und somit Produktionsausfälle infolge unvorhergesehener Fehler sinken sehr stark. Darüber hinaus bietet die Thermografie erhöhte Sicherheit vor Brandschäden, insbesondere in Ex-gefährdeten Bereichen wie Mühlen u.ä. In Prozessen, die Probleme bei der Abschaltung von Anlagen mit sich bringen, ist die Thermografie eine hilfreiche Methode zur Erhaltung der Versorgungssicherheit. Aus diesem Grund fordern Brandversicherungen verstärkt thermografische Untersuchungen. Die vorgestellten Beispiele für die Anwendung der Thermografie in elektrischen Anlagen sollen anregen, Wartungs- und Erwärmungsmessung Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 2 126 Überhitzte Klemmstelle an einem Leitungsschutzschalter, Ursache: unsachgemäße Schraubverbindung Überhitzte Leitungen in einer NS-Schaltanlage Erwärmung von NH-Sicherungen Erwärmung eines Trockentransformators Instandsetzungskosten durch vorbeugende Untersuchungen zu senken. Von großem Wert ist die Thermografie gleichfalls bei der Erstabnahme elektrischer Anlagen. Mit ihrer Hilfe wird die ordnungsgemäße Ausführung vor allem hinsichtlich der thermischen Belastung und der ausgeführten elektrischen Verbindungen dokumentiert und nachgewiesen (Bild ). Die thermografische Untersuchung ersetzt jedoch nicht die wiederkehrenden Prüfungen gemäß den Unfallverhütungsvorschriften sowie den Richtlinien des Verbandes der Schadensversicherer. 5 Wer kann die Thermografie ausführen? Aufgrund der hohen Kosten für die Beschaffung einer Thermografieausrüstung sowie für die Schulung der Mitarbeiter muss genau geprüft werden, ob es wirtschaftlich ist, die Untersuchungen selbst durchzuführen. Der Weg zu einem unabhängigen kompetenten Dienstleister führt hier meist zu einem besseren Ergebnis, da erst die sachverständige Auswertung der Messergebnisse Aufschluss über die tatsächliche Gefährdung infolge von Erwärmungen und deren Ursachen gibt. Erwärmungsmessung Die Anschlüsse der Einspeisung einer NS-Hauptverteilung zeigen normale Temperaturwerte.

Autoren
  • T. Grüschow
  • K.-D. Blase
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