Arbeits- und Gesundheitsschutz
Reparaturen auf durch Brand zerstörten Arbeitsstellen (1)
luk7/2009, 2 Seiten
Brand fördernde Isolierstoffe Früher waren es in erster Linie Holzkonstruktionen, die den Brand förderten und dabei zerstört wurden (Bild ). In den letzten Jahren und Jahrzehnten sind durch den verstärkten Einsatz von Bau- und Isoliermaterialien auf Basis zahlreicher Kunststoffe weitere brandfördernde Stoffe und Anlagenkomponenten hinzugekommen. Diese können wesentlich unangenehmere Auswirkungen verursachen. Der klassische Fall sind z. B. die für Kabel und Leitungen verwendeten Isolierstoffe und Ummantelungen auf Basis von PVC-Verbindungen. Durch ihren Chloranteil spalten sie im Brandfall u. a. Salzsäure ab. Diese führt zur Korrosion von Metallteilen und durch Einatmen der Dämpfe auch nach Ablöschen des Brandes zu Gesundheitsschäden beim Menschen. Die Gefährdung durch Brandgase und -rauche tritt insbesondere bei Bränden in geschlossenen Räumen auf. Brandprodukte Der Kohlenstoff eines brennbaren Stoffes reagiert bei der Verbrennung direkt mit dem Sauerstoff der Luft. Kohlendioxid. CO2 entsteht bei vollkommener Verbrennung. Es verdrängt die Luft und damit den lebensnotwendigen Sauerstoff; es wirkt erstickend. Darüber hinaus führt es zu einer Hyperventilation durch Erregung des Atemzentrums. Kohlenmonoxid. CO entsteht bei unvollkommener Verbrennung und bei der Verbrennung organischer Stoffe. Es blockiert die Aufnahme des eingeatmeten Luftsauerstoffes durch das Blut und wirkt schon in geringer Konzentration toxisch. Sauerstoffmangel während der Verbrennung führt zur Bildung des giftigen Kohlenmonoxids. Rauch. Kohlenstoffreiche Brennstoffe verursachen beim Verbrennen dichten, zum großen Teil aus fein verteiltem unverbranntem Kohlenstoff bestehenden Rauch. Bild gibt einen Überblick, in welchem Umfang gefährliche Brandgase bei der Verbrennung von je 10 kg bestimmter Stoffe freigesetzt werden. Pyrolyse- und Destillationsprodukte. Beim Brennen verunreinigter Brennstoffe entstehen, ebenso wie beim Brennen von Kunststoffen, neben den üblichen Brandgasen Kohlendioxid und Kohlenmonoxid auch Pyrolyse- und Destillationsprodukte, wie Ruß, Holzkohle und Flugasche sowie giftige, ätzende oder reizende Gase, beispielsweise nitrose Gase, Ammoniak, Chlorwasserstoff, Schwefelwasserstoff. Rauchvergiftung. Sichtbehindernder und gesundheitsgefährdender Rauch erschwert die Flucht und macht das Retten und Löschen nur mit Atemschutzgeräten - frei tragbaren ortsunabhängigen Isoliergeräten - möglich. Etwa 90 % aller Brandopfer werden nicht durch Flammen sondern durch eine Rauchvergiftung getötet! Bild zeigt einige wesentliche Verbindungen, die beim Brand verschiedener Kunststoffe entstehen. Gefahrstoffe auf erkalteten Brandstellen Aber nicht nur während eines Brandes können Gefahrstoffe freigesetzt werden. Auch bei Instandsetzungsarbeiten an elektrischen Anlagen auf erkalteten Brandstellen kann es zu einer Gefährdung der Beschäftigten durch Gefahrstoffe in Brandrückständen und Rauchgasniederschlägen kommen. Entsprechend den Angaben in der Berufsgenossenschaftlichen Information „Instandsetzungsarbeiten an elektrischen Anlagen auf Brandstellen“ (BGI 766) konnte in den Rauchgasniederschlägen bei umfangreichen Untersuchun-Brände sind nicht immer zu vermeiden. Nach den Löschmaßnahmen soll der Wiederaufbau der zerstörten Gebäude und Anlagen meist ohne Verzögerung beginnen. Die Herstellung einer provisorischen Stromversorgung und die anschließende Neu- oder auch Erweiterungsinstallation der elektrischen Anlagen sind Aufgaben des Elektroinstallationsbetriebes. Arbeitssicherheit Reparaturen auf durch Brand zerstörten Arbeitsstellen (1) F a c h w i s s e n L e r n f e l d e r 6 - 1 3 LERNEN KÖNNEN 7/09 Beim Brand verschiedener Kunststoffe entstehen vier wesentliche Verbindungen Brandrauch ist immer giftig Blausäure Ammoniak Kohlenmonoxid Kohlendioxid entsteht beim Verbrennen von Polyurethan, Schaumstoffmatratzen, Polstermöbeln, Wolle, Seide, Daunen entsteht beim Verbrennen von Kunststofffasern, Wolle, Seide, Nylon entsteht beim Verbrennen fast aller organischen Produkte entsteht beim offenen Brand Atemgifte mit Wirkung auf Blut und Nerven Atemgifte mit Reiz- und Ätzwirkung Atemgifte mit erstickender Wirkung Erkaltete und abgelöschte Brandstellen weisen ein erhebliches Gefahrstoffpotential auf Auftretende Rauchgasmengen bei der Verbrennung von je 10 kg unterschiedlichem Material 25 000 20 000 15 000 10 000 5 000 m3/h Rauchmenge Heizöl, Kerosin Schaumgummi Weichschaumstoffe Zellulose, Papier Polypropylen Hart-PVC GFK Arbeitssicherheit 12 LERNEN KÖNNEN 7/09 Verhaltensregeln Fortsetzung LERNEN & KÖNNEN gen eine Vielzahl toxischer Stoffe identifiziert werden. Die stoffliche Zusammensetzung des Brandgutes sowie die Brandbedingungen sind entscheidend für Art und Menge der entstehenden Gefahrstoffe. So wurden in den Rauchniederschlägen u. a. · saure Kondensate (z. B. Salzsäure), · polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH, z. B. Benzo[a]pyren), · polychlorierte Biphenyle (PCB) und · polyhalogenierte Dibenzo-p-dioxine und Dibenzofurane (PHDD, PHDF) nachgewiesen, die in der Regel stark an Ruß und Brandrückstände gebunden sind. Diese Stoffe sind u. a. reizend, gesundheitsschädlich oder Krebs erzeugend. Gasförmige Brandfolgeprodukte treten auf einer erkalteten Brandstelle in der Regel nicht mehr auf. Schutzmaßnahmen Für ein sicheres Arbeiten sind neben der Gewährleistung der elektrischen Sicherheit u. a. Maßnahmen zum Schutz gegen Gefahrstoffeinwirkungen bei Arbeiten zur Instandsetzung elektrischer Anlagen nach Brandeinwirkung auf erkalteten Brandstellen mit Rauchgasniederschlägen erforderlich [1] - [4]. Vorschriften. Zu den Instandsetzungsarbeiten zählen alle Tätigkeiten für die vorbereitenden, begleitenden und abschließenden Maßnahmen. Alle diese Maßnahmen entsprechend BGI 766 sind in erster Linie für Arbeiten nach Bränden mit räumlich begrenzter Ausdehnung anzuwenden. Dies entspricht in der Regel dem Gefährdungsbereich GB 1 nach den Richtlinien zur Brandschadensanierung VdS 2357. Eine Einstufung in GB 2 nach VdS 2357 erscheint dann angebracht, wenn größere Mengen an chlor- oder bromorganischen Stoffen, insbesondere PVC (z. B. stark belegte Kabeltrassen) beteiligt waren und bei denen auf Grund des Brandbildes und des Brandablaufes eine gravierende Gefahrstoffkontamination auf der Brandstelle wahrscheinlich ist. Leitfaden. Als Beurteilungshilfe für die einzelne Brandstelle kann der in Bild widergegebene „Leitfaden zur Gefährdungseinschätzung vor Ort“ aus den VdS-Richtlinien zur Brandschadensanierung (VdS 2357) verwendet werden. Pflicht des Unternehmers Vor Beginn der Arbeiten auf derartigen Baustellen hat der Unternehmer dafür zu sorgen, dass · die Instandsetzungsarbeiten von fachlich geeigneten Vorgesetzten, die die vorschriftsmäßige Durchführung der Arbeiten gewährleisten, geleitet und überwacht werden (§ 4 Abs. 1 der BG-Vorschrift/Unfallverhütungsvorschrift „Bauarbeiten“ BGV C22). Dies erfordert, dass der Vorgesetzte über ausreichende Erfahrungen und Kenntnisse hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz verfügt und mit den besonderen Gefahren, die bei Instandsetzungsarbeiten nach Brandeinwirkung durch den Umgang mit Brandrückständen und Rauchgasniederschlägen auftreten können, vertraut ist. Als eine wichtige Informationsquelle hat die Berufsgenossenschaft die vorerwähnte BG-Information „Instandsetzungsarbeiten an elektrischen Anlagen auf Brandstellen“ (BGI 766) herausgegeben. · vor Aufnahme der Instandsetzungsarbeiten die auf der Brandstelle (Baustelle) bestehende Gefährdung der Beschäftigten durch Gefahrstoffe ermittelt und aufgrund der Gefährdungsbeurteilung das anzuwendende Arbeitsverfahren und die erforderlichen Schutzmaßnahmen festgelegt werden (§ 5 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz). Für diese Aufgabe kann ein Gasmessgerät eine wesentliche Hilfe sein (Bild ). Literatur [1] Arbeitsschutzgesetz. [2] Betriebssicherheitsverordnung. [3] Berufsgenossenschaftliche Vorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1). [4] Berufsgenossenschaftliche Information „Instandsetzungsarbeiten an elektrischen Anlagen auf Brandstellen“ (BGI 766). H.H. Egyptien Leitfaden zur Gefährdungseinschätzung vor Ort aus VdS 2357 Richtlinien zur Brandschadensanierung Wohngebäude Öffentliche Gebäude sowie Büro- und sonstige Verwaltungsgebäude Gewerbe und Industrie · Produktion · technische Einrichtungen · galvanische Betriebe · Lager · Laboratorien Gefahrstoffe als Roh-, Hilfs- oder Betriebsstoffe oder als Fertigprodukte am Brand beteiligt! räumliche Ausdehnung gering keine größeren Mengen an chlor-oder bromorganischen Stoffen (z. B. PVC, LCKW) offener Brand mit heller Flammenbildung und Rauchabzug über Gebäudeöffnungen Schwelbrand unter Sauerstoffmangel größere Mengen an chlor- oder bromorganischen Stoffen (z. B. PVC, LCKW) ausgedehnt Brandgut Brandbild und Brandverlauf z. B. Papierkorbbrand, Kochstellenbrand, Adventskranzbrand z. B. Zimmerbrand, Kellerbrand, Dachgeschossbrand GB 0 GB 1 GB 2 GB 3 Zuordnung einzelner Brandbereiche durch den Sachverständigen nein ja Flussdiagramm zur Abschätzung der Situation auf einer Brandstelle F a c h w i s s e n L e r n f e l d e r 6 - 1 3 Gasmessgerät gibt Aufschluss über die Gefahrstoffsituation auf einer Brandstelle
Autor
- H.-H. Egyptien
Downloads
Laden Sie diesen Artikel herunterTop Fachartikel
In den letzten 7 Tagen:
Sie haben eine Fachfrage?
Dieser Artikel ist Teil einer Serie.
Lesen Sie hier weitere Teile:
1