Praxistipps nach Praxisrecht
Autor Ulf Greiner Mai ist als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger im täglichen Kontakt mit nahezu allen Marktteilnehmern in Sachen Bau, Elektro und Licht, mit deren Anliegen und alltäglichen Sorgen. Der Autor beantwortet im ep nun auch regelmäßig Leseranfragen zum neuen Bau- und Planungsvertragsrecht im BGB 2018 im Kontext mit der VOB/B (für ausführende Elektro- und Fachfirmen) bzw. mit der HOAI (für Elektro- und Lichtplaner).
Die verwendeten Informationen, Aufsätze und Gerichtsentscheidungen sind überwiegend dem Fachportal www.ibr-online entnommen und werden durch den Verfasser speziell auf Elektro- und Lichtanwendungen sowie deren Kontext adaptiert. Das Fachportal bietet verschiedene branchenbezogene Sachgebiete mit den Schwerpunkten privates Baurecht, Recht der Planer, Architekten und Ingenieure sowie Vergaberecht.
Die Beiträge geben Urteile und Kommentierungen im übertragenen und erweiterten Sinn für praktische Anwendungen aus Sicht eines forensisch seit über 30 Jahren erfahrenen Sachverständigen wieder.
Bezuggenommen wird dabei auf die Beiträge von RA Dr. H. Hunold und RA M. Gawlik (beide München) sowie von RA J.-H. Kues und RA F. Thomas (beide Frankfurt a.M.), alle aus IBR. Der Autor „übersetzt“ dazu aus der Sicht eines markterfahrenen Sachverständigen aktuelle Meinungsäußerungen in allgemeingültige Praxisfälle von Planung, Ausführung und auch Herstellung.
Schlussfolgerungen daraus können neben Firmen und Planern als Bieter (B) bzw. Auftragnehmer (AN) auch für ausschreibende bzw. auslobende Bauherren bzw. Auftraggeber (AG) und Hersteller von praktischem Interesse sein. Fragen dazu beschäftigen derzeit die gesamte Bauwirtschaft, aber auch die anwaltliche Beratungspraxis und auch die von Sachverständigen. Der nachfolgende Beitrag gibt einen ersten Überblick über mögliche Auswirkungen und zu ergreifende Maßnahmen.
Nicht nur höhere Gewalt
Die Folgen der Covid-19-Krise lenken die Blicke vieler Elektro- und Lichtfirmen und auch die der Planer auf derzeit laufende Projekte, Planungen und Baustellen und damit zunächst auf bereits abgeschlossene Verträge und deren Umsetzung, aber auch auf solche, die in Vorbereitung sind, weil Auslobungen und Ausschreibungen weiter laufen wie vor der Gesundheitskrise. Trotz Ankündigungen des Gesetzgebers, alles Mögliche für ein Durchhalten in der Krise und vor allem für einen Neustart danach vorzubereiten, sind Vereinfachungen der Vergabevorschriften und eine Lockerung der Zuschlagskriterien hin zu mehr Pragmatismus zum Zeitpunkt der Redaktion dieses Artikels noch nicht „spruchreif“.
Ob und inwieweit Auswirkungen der Covid-19-Krise unter dem Begriff „höhere Gewalt“ einzuordnen sind, darf aber keinesfalls voreilig und nicht nur pragmatisch entschieden werden. Vielmehr wird es auf den Einzelfall ankommen und wie dieser durch die rechtlichen Kompetenzen von Rechtsanwälten eingeschätzt wird. Hier ist in jedem Fall der Rat und die Haftung eines Rechtsanwaltes gefragt. Ein Sachverständiger kann, darf und sollte hier im Einzelfall nur bedingt helfen.
Zum Zeitpunkt dieses Artikels liefen die meisten Planungen am Markt nahezu ungebremst weiter, zumindest was Aufträge der öffentlichen Hand betrifft. Private Bauherren und vor allem solche aus der Wirtschaft haben vielerorts gegenüber Planern bereits ein „STOP“ eingelegt, welches sich aus unterschiedlichsten „kleinen“ Gründen generiert, letztlich aber auf die Gesundheitskrise und deren vermeintliche Folgen abstellt.
Auch zahlreiche Baustellen, insbesondere was die bauvorbereitenden Arbeiten und den Rohbau anbetrifft, aber auch viele einzeln tätige Ausbaugewerke, laufen in weiten Teilen Deutschlands nach wie vor auf vollen Touren. Solange Baumaschinen bedient werden und arbeiten können und bspw. Beton, Baustahl usw. geliefert werden und die Baustellen auch personell besetzt werden können, wird man seitens einer ausführenden Elektrofirma als AN die Einstellung von Arbeiten vor Ort jedenfalls nicht einfach nur mit „höherer Gewalt“ begründen können. Wenn die ausführende Elektrofirma aber aufgrund der aktuellen Situation unverschuldet die Arbeiten nicht oder nicht mehr so zügig ausführen kann, wird es in der Regel auch gar nicht darauf ankommen, ob dem „höhere Gewalt“ zugrunde liegt.
Letztlich ist für AN, aber auch für AG auf „Vorsicht“ zu setzen, denn nicht Alles und Jedes wird unter den Rechtsbegriff der „höheren Gewalt“ fallen. Auch das Rechtsinstitut der „Störung der Geschäftsgrundlage“ bspw. durch Covid-19 dient nicht per se dazu, im bzw. über den Vertrag angelegte grundsätzliche Risikozuordnungen auszuhebeln (Bild 1). So kann in laufenden Bauverträgen der Einwand fehlenden Verschuldens einer Vertragsstrafe auch – wie bisher – ohne Behinderungsanzeige entgegengehalten werden. In Zeiten von Covid-19 gibt es derzeit viele Fragen, auf die es keine „schnellen“ oder auch gar keine Antworten gibt. Und es gibt auch keinen „perfekten Plan“.
Lockert der „Lockout“ auch die Vergabebestimmungen?
Die Auslegungen der Vergabevorschriften bspw. aus Vergabeverordnung (VgV) und Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) sollten bereits jetzt weiter reichen als vor Covid-19. Das betrifft vor allem die unbestimmten Rechtsbegriffe, die nicht auf absolute Rechtsfolgen abstellen, sondern unter Umständen auf mehrere Optionen („es kommt darauf an“).
Nach § 74 VgV (Wahl der Verfahrensart) werden Architekten- und Ingenieursleistungen in der Regel im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nach § 17 oder im wettbewerblichen Dialog nach § 18 vergeben. Fraglich ist, ob Covid-19 bereits jetzt diese Regel weit auslegen oder gar aussetzen lässt. So könnten Planungsleistungen derzeit frei vergeben werden, wenn auf Grund von Covid-19 weitergehende Verfahren sinnlos sind und nicht zum Ziel führen können.
Im Landesrecht bestimmt § 50 UVgO „Öffentliche Aufträge über Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflichen Tätigen angeboten werden, sind grundsätzlich im Wettbewerb zu vergeben“. Es darf im speziellen Fall auch hier durchaus angenommen werden, dass Covid-19 das „Tor der Grundsätzlichkeit“ aushebelt. In der Folge wären auch hier freie Vergaben bis zu einem Schwellenwert von 214 T€ (netto) möglich, wenn nichts anderes mehr geht. § 50 UVgO bestimmt im Satz 2 weiter: „Dabei ist so viel Wettbewerb zu schaffen, wie dies nach der Natur des Geschäfts oder nach den besonderen Umständen möglich ist.“ Unter Bedingungen des Lockout sollte im Einzelfall davon ausgegangen werden dürfen, dass damit die „besonderen Umstände“ und die „Natur des Geschäftes“ gemeint sind, nach denen der Wettbewerb für Planungsleistungen auf das erforderliche Maß beschränkt werden darf. Im Einzelfall wäre auch hierdurch die freihändige Vergabe von Planungsleistungen und solchen der Objektüberwachung in Zeiten von Covid-19 zu begründen, damit Planung und Bau nicht stillstehen.
„Höhere Gewalt“ bei laufenden Planungs- und Bauverträgen
Die Corona-Krise kann nur auf den ersten Blick als ein typischer Fall der „höheren Gewalt“ einzuordnen sein. Vorsicht ist geboten. Unter „höherer Gewalt“ versteht die Rechtsprechung ein Ereignis, welches keiner Sphäre einer der Vertragsparteien (also weder AN noch AG) zuzuordnen ist, sondern von außen auf die Lebensverhältnisse der Allgemeinheit oder einer unbestimmten Vielzahl von Personen einwirkt und objektiv unabwendbar sowie unvorhersehbar ist [1].
Mit der Einordnung der Covid-19-Krise als Pandemie durch die WHO vom 11.03.2020 dürfte deshalb zunächst von „höherer Gewalt“ auszugehen sein [2]. Allerdings ist die Covid-19-Krise für Verträge, welche hiernach oder bereits kurz zuvor geschlossen wurden, wohl nicht mehr als „unvorhersehbar“ einzustufen. Hätten tatsächlich AN und AG bereits im Januar 2020 [3] erahnen können bzw. müssen, dass sich Covid-19 nicht auf den fernöstlichen Raum der Erde beschränken lässt?
Damit ist – wie immer bei Abwägungen – jeder Fall gesondert zu bewerten. Vor pauschalen und undifferenzierten „Schuldzuweisungen“ an das Corona-Virus, für jede Bauzeitverlängerung und jedes Missgeschick am Bau und bei der Planung verantwortlich zu sein, darf jedenfalls heute schon gewarnt werden. Das Corona-Virus war und ist nicht „an Allem“ Schuld und wird es auch künftig nicht sein. Unabhängig vom Vorliegen eines Falls der „höheren Gewalt“ können behördliche Anordnungen geeignet sein, entsprechende Rechtsfolgen auszulösen. Denkbar sind dazu (nachweisliche) Quarantänemaßnahmen gegenüber dem Personal und Mitarbeitern, Beratungen und Baustellen in (ausgewiesenen) Risikogebieten, Einschränkung des Liefer- und Warenverkehrs u. a. mehr.
Ultima Ratio: Störung des Ablaufs und Vertragsauflösung
Die Rechtsfolgen von „höherer Gewalt“ – so diese denn vorliegen – können vielfältig sein. Sie sind daher im Einzelfall unter Beachtung der jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen zu prüfen. Weitergehende Rechtliche Beratungen sind hier unabdingbar. Zunächst kommen in der Praxis regelmäßig Auswirkungen auf den Bauablauf und damit auf vertragliche Pflichten zur Einhaltung von Terminen in Betracht. Finanzielle Ansprüche wie Entschädigungen oder Schadensersatz werden hieraus in aller Regel nicht folgen. Zu beachten ist allerdings, dass schon das geringste (eigene) Verschulden „höhere Gewalt“ ausschließen kann (vgl. [4]). Das gilt analog nicht nur für ausführende Firmen, sondern auch für Planer mit noch weitreichenderen Folgen.
Ein Grundsatz bei „höherer Gewalt“ ist: Beim Eintritt von „höherer Gewalt“ wird die betroffene Vertragspartei grundsätzlich temporär von ihren vertraglichen Leistungspflichten frei, ohne dass die andere Vertragspartei deswegen Ansprüche herleiten könnte. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Leistungserbringung unzumutbar gestört – unmöglich – geworden ist. Denkbar ist eine Unterbrechung bei erheblichen Schwierigkeiten der Materiallieferungen oder aber bei einem Ausfall von Arbeitskräften aufgrund von Quarantänemaßnahmen. Die VOB/B sieht hierfür mit § 6 Abs. 2 Nr. 1 c vor, dass die Ausführungsfristen verlängert werden. Grundsätzlich werden also Termine – gerade auch die mit Verzugsgebühren pönalisierten – verschoben. In Extremfällen sind diese sogar gänzlich neu zu vereinbaren. Auch hier sollte gelten: „Konsens geht vor Streit!“.
Der AG kann also zunächst keine Vertragsstrafe bzw. keinen Verzugsschaden geltend machen, wenn die ursprünglichen Termine vom AN nicht eingehalten werden konnten. In Ausnahmefällen kommt als Ultima Ratio unter Umständen zudem die vollständige Auflösung des Vertragsverhältnisses in Betracht. Denn nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB können gravierende Sondersituationen dazu führen, dass ein Festhalten am Vertrag weder zumutbar noch sachgerecht wäre. Diese drastische Folge kommt aber allenfalls dann zum Tragen, wenn durch eine Vertragsanpassung beispielsweise durch Leistungsänderung oder terminliche Verschiebungen nicht mehr das ursprüngliche Risikogefüge wiederhergestellt werden kann. Selbst bei einem Lockout finden sich für ausführende Firmen und Planungsbüros regelmäßig Möglichkeiten, ihre Tätigkeiten irgendwie fortzusetzen.
Daneben beinhaltet auch § 6 (7) S.1 VOB/B ein Kündigungsrecht für beide Parteien, sofern die Unterbrechung der Bauausführung länger als drei Monate dauert oder, wenn sicher feststeht, dass eine Unterbrechung von mehr als drei Monaten unvermeidbar ist. Ob das für die Covid-19-Krise derart zutrifft, ist nicht ohne weiteres absehbar und sollte jedenfalls vor einer geplanten Kündigung rechtssicher geprüft werden.
Erbringung von Planungs- und Bauleistungen nicht möglich?
Regelmäßig wird die Frage gestellt, ob die Leistungspflicht des AN bei Quarantäne-Maßnahmen, SARS-CoV-2-Infektionen seiner Angestellten, Mitarbeiter oder auch bei Ausgangssperren oder Nichterreichbarkeit der Baustelle weiter besteht. Davon betroffen sind sowohl laufende „Altverträge“ von ausführenden Firmen als auch neu abzuschließende Verträge für Planung, Objektüberwachung und auch für die ausführenden Gewerke auf der Baustelle wie bspw. Elektroinstallationsfirmen.
Auch hier wird immer eine konkret einzelfallbezogene Betrachtung erforderlich sein. So besteht bspw. bei Kliniksanierungen im laufenden Betrieb eine höhere Ansteckungsgefahr als bei einer vorübergehend geschlossenen Kita oder einem hochsensiblen Alten- und Pflegeheim.
Da für AN die Gesundheit der Mitarbeiter und ihrer Familien an vorderer Stelle steht, haben nicht wenige derart verantwortungsbewusste Büros und Firmen entschieden, auf Planungs- und Bauberatungen zu verzichten, keine Ortstermine und Abnahmen vor Ort durchzuführen oder sogar die Baustellen zu schließen.
Argumentiert wird dazu beispielsweise wie folgt:
„Leider können wir derzeit die vertraglich geschuldeten Leistungen nicht mehr erbringen, da wegen Covid-19 ein Fall „höherer Gewalt“ vorliegt. Auch ist seitens der Politik der Katastrophenfall ausgerufen worden und es wurden regional Ausgangs- bzw. Kontaktsperren verhängt. Unter diesen Bedingungen können wir nicht arbeiten. Wie Sie warten wir auf bessere Zeiten.“
Es darf hier aber bezweifelt werden, ob der AN schadlos aus den betreffenden Verträgen heraus kommt (Bild 2).
Nicht nur laufende, auch neue Verträge können betroffen sein
Die Auswirkungen der Covid-19-Krise beschränkt sich derzeit oft (nur) auf laufende, also auf bereits abgeschlossene Verträge und deren Umsetzung. Diese könnten nachträglich unmöglich zu erfüllen sein. Das kann aber zu kurz gesprungen sein. Fragen nach den Folgen stellen sich nämlich ebenso für noch abzuschließende, also für derzeit in Ausschreibung oder in Verhandlung stehende Verträge, die damit auch anfänglich unmöglich sein könnten.
Die Unterscheidung ist auch hinsichtlich der Auswirkungen bzw. Folgen nicht unwesentlich. So ist bei sogenannter anfänglicher Unmöglichkeit der Vertrag zwar wirksam, jedoch besteht keine primäre Leistungspflicht und es können gegebenenfalls Schadensersatzansprüche in Frage kommen (§ 311a BGB). Bei einer sogenannten nachträglichen Unmöglichkeit hingegen erlischt die Leistungspflicht ohne weitere Ansprüche.
Wichtig ist eine genaue Festlegung der Leistungsinhalte
Entscheidend für die Frage, ob „Unmöglichkeit“ tatsächlich vorliegt, ist der vereinbarte Leistungsinhalt.
Daher ist in jedem Einzelfall zu prüfen, was genau der vereinbarte Leistungsinhalt war, also die Gretchenfrage des Juristen:
„Wer schuldet wem was woraus?“.
So kann zum Beispiel bei einem Ein-Mann-Betrieb im Quarantäne-Fall ein Leistungshindernis in Frage kommen – die Leistung könnte zwar von einem Dritten erbracht werden, nicht jedoch vom AN selbst. Dann könnte subjektive Unmöglichkeit gegeben sein.
Bei größeren Unternehmen gilt dies nur, wenn jedenfalls alle für die Erfüllung der geschuldeten Leistung relevanten Mitarbeiter von der Quarantäne betroffen wären. Das ist per se unwahrscheinlicher als beim Einzelunternehmen.
Wichtig, aber nicht in jedem Fall entscheidend ist, dass per se ein Leistungshindernis bestehen kann. Dabei ist es (rechtlich) umstritten, ob dazu Arbeitsunfähigkeit gehört, die man z. B. bei behördlich angeordneter Quarantäne annehmen muss, oder nicht.
Diese Frage kann besonders dann von Bedeutung sein, wenn der Vertrag bestimmt, dass die Leistungen persönlich oder sogar „höchstpersönlich“ zu erbringen sind, wie das beispielsweise bei einem „Ein-Mann-Betrieb“ oder einem Sachverständigen, einem freiberuflichen Planer oder auch Objektüberwacher regelmäßig der Fall sein kann.
Leistungshindernisse durch „Covid-19“ grundsätzlich denkbar
Fraglich ist, ob und inwieweit die Schwelle der Unmöglichkeit in den jeweils praktischen Fällen vor Ort erreicht ist. Die „Unmöglichkeit“ verlangt grundsätzlich ein dauerndes Leistungshindernis und eine „generelle Unerfüllbarkeit“. Sofern behördliche Quarantäne-Maßnahmen, Ausgangs- oder Gebietssperren etc. ausgesprochen werden, könnte bspw. sogar ein Sonderfall der sogenannten rechtlichen Unmöglichkeit nahe liegen (Bild 3).
Dies sollte bei Ausgangs- oder Gebietssperren aber nur dann gelten, sofern diese auch die Ausübung der jeweiligen Tätigkeit während des Lockouts untersagen. In solchen Situationen darf der AN von Rechts wegen nicht leisten und der AG die Leistung auch nicht verlangen. Bei Missachtung würden AN, AG oder beide jeweils gegen die Rechtsordnung verstoßen.
Auch die Ausrufung des Katastrophenfalls führt hingegen nicht automatisch zur Unmöglichkeit. Damit eröffnen sich für Behörden lediglich erweiterte Handlungsspielräume, die sich beispielsweise auch in erweiterten Sanktionsoptionen äußern können.
Von einem Verstoß gegen ein Verbotsgesetz – mit der Folge der Vertragsnichtigkeit – wird man hingegen nicht ausgehen können (§ 134 BGB). Die behördlichen Maßnahmen dienen dem Schutz der Gesundheit und wollen nicht den Leistungserfolg verbieten.
Dauerhaftes Leistungshindernis ist Voraussetzung
Fraglich ist auch, ob und inwieweit die Unmöglichkeit auch von Dauer ist. Derzeit ist davon auszugehen, dass die Covid-19-Pandemie in Deutschland zeitlich begrenzt sein wird. Damit führen vorübergehende Leistungshindernisse grundsätzlich nur zum Verzug und damit bspw. zu Ansprüchen aus Bauablaufstörungen usw.
Es gilt der Grundsatz, dass die Rechtsprechung nur ausnahmsweise (!) eine vorübergehende einer dauerhaften Unmöglichkeit gleichstellt. Dies könnte dann gelten, wenn die Erreichung des Zwecks des Vertrags in Frage gestellt ist und dem anderen Vertragsteil das Festhalten am Vertrag bis zum Wegfall des Leistungshindernisses nicht zumutbar ist. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Beurteilung ist dabei der Eintritt des Hindernisses. Im „Fall Covid-19“ wird man derzeit annehmen dürfen, dass der AG regelmäßig ein Interesse daran hat, dass begonnene und laufende Planungen und Baumaßnahmen fertig gestellt und ggf. besprochene neue begonnen werden. Auch der AN wird hieran ein Interesse haben, kann er doch nur durch Leistungen Honorare (bspw. Elektroplaner) und Vergütung (bspw. Elektrofirma) „verdienen“. Angenommen werden kann deshalb durchaus, dass es an der notwendigen Dauerhaftigkeit der Unmöglichkeit fehlt.
Feste Termine, verbindliche Fristen und absolute Fixgeschäfte
Was aber passiert, wenn genau definierte Fertigstellungs-, Vertragstermine etc. für die bestimmten Leistungen vereinbart sind oder ähnliche Vereinbarungen über die Leistungszeit getroffen wurden?
Hier ist davon auszugehen, dass die Bestimmung von Terminen, Leistungszeiten etc. grundsätzlich nur dazu dient, die Fälligkeit festzulegen (§ 271 BGB). Nur in besonders gelagerten Fällen wird man von einer Unmöglichkeit ausgehen können. Nämlich dann, wenn die Einhaltung des Termins oder der Frist für den AG oder AN derart wesentlich ist, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr darstellt. Ob dies der Fall ist, sollte auch hier nur durch einen fachkundigen Rechtsanwalt im Einzelfall geklärt werden. Eine gewisse Zurückhaltung scheint derzeit aber angebracht, denn vor allem die VOB/B sieht in § 6 eine Sondernorm für Unterbrechungen und Störungen vor. Ihr Zweck wäre jedenfalls bei der Auslegung von Terminvereinbarungen „unter Covid-19“ mit zu berücksichtigen.
Praxistipps
Bei derzeit laufenden und vor allem bei zukünftigen Vertragsgestaltungen und -verhandlungen ist stets (auch) der Fall der anfänglichen Unmöglichkeit im Auge zu behalten und gegebenenfalls entsprechend zu berücksichtigen. Die Fragen der Unmöglichkeit wegen der Covid-19-Krise sind vielschichtig. Es bedarf einer am Einzelfall ausgerichteten rechtlichen Prüfung, ob Unmöglichkeit vorliegen könnte.
Hier ist vor allem auf eine trennscharfe Abgrenzung zu § 313 BGB zu achten, denn behördliche Eingriffe können auch eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellen. Auch im Auge haben sollte man, dass das Gesetz den Fall nicht berücksichtigt, dass die Unmöglichkeit eben nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehender Natur ist, wie es in der aktuellen Covid-19-Krise für Deutschland angenommen werden kann.
Bei einer vorübergehenden Unmöglichkeit, bei der die Schwelle zur dauernden Unmöglichkeit noch nicht genommen wurde, bestünde gegebenenfalls für die Dauer des Leistungshindernisses („Covid-19“) keine Leistungspflicht. Ausgeschlossen wäre somit auch ein Verzug des AN. Im Detail strittig sind ggf. auch mögliche Gegenrechte des AG. Hier wären auch Sonderregelungen, wie z. B. § 6 VOB/B (5) und (7) abzuwägen, die wie bisher bestehen.
Auch wenn sich die Risiken und Auswirkungen schon aufgrund der täglich wechselnden Lage nicht abschließend prognostizieren lassen, sollten Beeinträchtigungen frühzeitig gegenüber dem Geschäftspartner angezeigt werden (Bild 4). Dies sollte der guten Ordnung halber durch eine „klassische“ Behinderungsanzeige erfolgen. Dabei ist konkret (!) darzulegen, wie sich die Covid-19-Krise auf die jeweilige Vertragserfüllung (negativ) auswirkt. Eine derartige Anzeige ist – insbesondere beim VOB/B-Vertrag – notwendig, um die oben skizzierten Folgen geltend machen zu können.
Quellen
BGH, Urteil vom 22.04.2004 III ZR 108/03
WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus hat am 30. Januar 2020 den Ausbruch des Neuartigen Coronavirus (2019-nCoV) zu einer gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite erklärt. Siehe www.euro.who.int
Siehe die Meldung vom 12.03. WHO erklärt COVID-19-Ausbruch zur Pandemie unter ?www.euro.who.int
Leinemann, R. (Hrsg.): VOB/B Kommentar, ?7. Aufl., Werner Verlag, Düsseldorf 2020, § 6 VOB/B Rz. 47. n
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- U. Greiner Mai