Besondere Risiken bei Alleinarbeit
Nachgefragt bei Peter Sasse, Technischer Aufsichtsbeamter der BG ETEM
ep4/2016, 1 Seite
271 Elektropraktiker, Berlin 70 (2016) 4 | www.elektropraktiker.de Solo und sicher Besondere Risiken bei Alleinarbeit - Schutzmaßnahmen In der täglichen Praxis, im Kundendienst oder auch Notdienst, arbeiten Elektrofachkräfte häufig allein am Einsatzort. Oft sind dafür plötzlich auftretende Störungen in der Industrie oder beim Privatkunden der Grund - das meist am Wochenende oder an Feiertagen. Diese besonderen Situationen erfordern besondere Maßnahmen des Arbeitsschutzes. Peter Sasse, langjähriger Technischer Aufsichtsbeamter der BG ETEM, kennt sich aus und beantwortete die Fragen des ep dazu. Herr Sasse: Warum hat das Thema Alleinarbeit so hohe Brisanz? Ist hier das Unfallgeschehen besonders hoch? P. Sasse: Das Unfallgeschehen lässt sich statistisch zwar nicht exakt auswerten. Fest steht aber, dass es hier immer wieder zu Unfällen kommt. Das Schlimme dabei: Oft existieren keine klaren Regeln zur Einleitung der Rettungskette und eine wirksame Erste Hilfe für den Verletzten setzt viel zu spät ein. Kann denn jeder Mitarbeiter mit Alleinarbeiten beauftragt werden? P. Sasse: Nein, nicht jeder Mitarbeiter eignet sich dafür. Es sind nicht nur gute Fachkennt nisse gefragt, sondern vor allem auch lang jährige Erfahrungen. Die Person muss zudem psychisch belastbar sein, um selbst unter Zeitdruck schwierige Situationen und Gefah ren allein richtig beurteilen zu können. Das ist auch vom Unternehmer bei der Auswahl seiner Mitarbeiter bedenken. Es gibt Tätigkeiten, die nicht allein ausgeführt werden dürfen. Um welche Arbeiten handelt es sich? P. Sasse: In unserer Branche betrifft das ins besondere das Arbeiten unter Spannung - da mit sind umfang reiche, schwierige Arbeiten, nicht die Fehlersuche, gemeint. Untersagt sind ebenso Arbeiten mit Absturzgefahr, der Um gang mit besonders gefährlichen Stoffen oder das Arbeiten in gasgefährdeten Bereichen. Welche Pflichten muss der Unter nehmer erfüllen, um seine Mit arbeiter zu schützen - Stichwort Gefähr dungsbeurteilung? P. Sasse: Der Unternehmer muss diese Tätig keiten und ihre Risiken in einer ergänzenden Gefährdungsbeurteilung zur bereits vor handenen erfassen und entsprechende Schutzmaßnahmen treffen. Das hat sich auch in der Betriebsanweisung niederzuschlagen, um die Mitarbeiter dazu gesondert zu unter weisen. Zur Absturzgefahr: Was ist aber mit dem Einsatz von Leitern? Hier gibt es immer wieder böse Absturzunfälle. P. Sasse: Hier kommt es darauf an, welche Alleinarbeiten von der Leiter aus zu erledigen sind. Typisch dafür sind beispielsweise die Fehlersuche oder der Austausch von Siche rungen. Daher spielt hier die Gefährdungsbe urteilung eine wichtige Rolle. Sie bestimmt die Grenzen des Leiterneinsatzes - aber zeigt auch mögliche Alternativen auf, wie den Ein satz einer Hubarbeitsbühne. Stress und Zeitdruck nehmen stän dig im Arbeitsalltag zu. Was emp fehlen Sie den Unternehmern, um diese zusätzlichen, oft auch psychischen Risiken möglichst zu vermeiden? P. Sasse: Unter Zeitdruck zu arbeiten, das gehört heute schon zur Normalität. Wichtig ist es, dass der Unternehmer diese Belastun gen erkennt und Hilfestellung gibt. Bewährt haben sich hier immer wieder Gespräche mit den Mitarbeitern, auch lobende Worte für gelungene Arbeitsabläufe. Nur ständig Kritik zu üben, wirkt eher demotivierend. Wäre es nicht von vornherein besser, mehrere Fachkräfte einzu setzen? P. Sasse: Aus Sicht des Arbeitsschutzes ist es immer besser, mehrere Mitarbeiter einzu setzen. Dies ist natürlich auch eine Kosten frage. Alleinarbeit wird bei einer Vielzahl von Aufträgen im Kundendienst und Notdienst die Regel bleiben, da sie die kostengünstige Alternative darstellt. Was sagen Sie aus Ihrer Erfahrung den Unternehmern, die ihre Mit arbeiter häufig allein in den Einsatz schicken müssen? P. Sasse: Es spricht nichts gegen die Allein arbeit. Das setzt aber voraus, dass eine er gänzende Gefährdungsbeurteilung vorliegt und der Unternehmer seine Mitarbeiter ge sondert dazu unterweist. Wenn die Mitarbei ter diesen Belastungen gewachsen sind, sie über die notwendige Ausrüstung verfügen und insbesondere die Erste Hilfe im Notfall ge währleistet ist, sehe ich keine Bedenken für die Alleinarbeit. Zu empfehlen sind darüber hinaus regelmäßige Kontrollen, um Schwach stellen in der Arbeitssicherheit aufzuspüren und zu beseitigen. Vielen Dank für Ihre Hinweise. Lesen Sie dazu auch die 40. ep-Arbeitsschutz-Unterweisung zum Thema: „Alleinarbeit“ ab Seite 334 sowie das Beispiel für eine softwarebasierte Gefährdungsbeurteilung im Beitrag auf den Seiten S. 332-334. P. Sasse erklärte ep-Redakteurin M. Buchheister bei seinem Besuch am ep-Stand zur Light+Building 2016, warum ihm das Thema Alleinarbeit so am Herzen liegt Quelle: Ganz Vorne
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