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Elektrotechnik | Installationstechnik | Kabel und Leitungen

Instandsetzungen nach einem Wohnungsbrand

ep6/2010, 2 Seiten

In einem Altbau-Wohnhaus mit 14 Wohneinheiten sind aufgrund von Brandstiftung zwei Wohnungen in der dritten Etage ausgebrannt. Dabei wurden die alten in den Wohnungen angeordneten Bakelit-Zählertafeln inklusive der Zähler komplett zerstört. Eine Wiederherstellung der Anlage erfordert die Anordnung der Zähler mit einem neuen Zählerschrank im Keller sowie auch die Neuverlegung der Zuleitungen zu den Wohnungen durch mehrere Etagen, da an die alten Steigleitungen aus den 1950er Jahren nicht mehr angeschlossen werden darf. Des Weiteren sind bei der Bestückung der Unterverteilungen in den Wohnungen teurere FI-LS-Schalter zu verwenden. Die Versicherung will aber nicht einmal die Hälfte der anfallenden Kosten übernehmen. Muss der Kunde die Besserstellung zahlen? Welche Versicherungen greifen in einem derartigen Fall in welchem Ausmaß?


Eine Beantwortung der gestellten Fragen ist ohne Kenntnis der Zusammenhänge und Hintergründe nur allgemein und unverbindlich möglich. Dennoch soll nachfolgend anhand und mit Hilfe exemplarischer aktueller Bedingungen für Wohngebäudeversicherungen eine Bewertung des hier geschilderten Versicherungsfalls vorgenommen werden.
Dabei muss man allerdings vorwegschicken, dass eine solche Bewertung natürlich nur völlig unverbindlich sein kann, da für diesen Einzelfall
  • die zugrunde liegenden Bedingungen und auch weitere Eckdaten zum Schadenfall,
  • die entsprechenden Gegebenheiten sowie die durchzuführenden bzw. durchgeführten Sanierungsmaßnahmen
aus der Fragestellung nicht zweifelsfrei hervorgehen. Deshalb gehen die nachfolgenden Antworten von den folgenden angenommenen Voraussetzungen aus:
  1. Der Allgemeinzustand der elektrotechnischen Anlagen entspricht dem Errichtungsstand aus den 1950er Jahren, dies trifft sowohl auf die Installation in den Wohnungen als auch auf die Hauptstromanlagen (Steigeleitungen, Zählerplätze…) zu
  2. Bei den Löscharbeiten sind vermutlich auch Teile der Hauptstromanlagen beschädigt worden.
  3. Der Vermieter hat hier seine Verpflichtung, im Haus vorhandene technischen Anlagen regelmäßig wiederkehrend auf ihre Funktions- und Betriebssicherheit prüfen zu lassen, nicht wahrgenommen.
  4. Reparaturen an den elektrischen Anlagen sind nicht mehr möglich, sodass eine Neuinstallation erfolgen muss.
Vorschriftenlage. Elektrotechnische Anlagen besitzen einen „Bestandsschutz“, wenn sie zum Zeitpunkt der Errichtung den zu diesem Zeitpunkt geltenden Normen entsprochen haben. Hiervon ausgenommen sind Anlagen, die zwischenzeitlich ergänzt oder erweitert wurden. Ebenfalls hinfällig ist der Bestandsschutz, wenn in nachfolgenden Normen eine Anpassung an die neue Norm gefordert wird, was äußerst selten ist und für diese Fragestellung nicht zutrifft.
Bei der im vorliegenden Fall notwendigen Sanierung der Wohnungen ist der Anschluss an die bestehende Altinstallation nicht möglich, da die Auslegung des Hauptstromnetzes vermutlich nicht den heutigen Anforderungen entspricht. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Neuinstallation für die Wohnungen nach dem heutigen Stand der Technik, hier repräsentiert durch die Normen der Reihe DIN VDE 0100.
Hinsichtlich des Anschlusses der Zuleitung zu den Zählern, die sich bisher vermutlich noch in den Wohnungen befunden haben, muss eine Klärung mit dem zuständigen Versorgungsnetzbetreiber (VNB) herbeigeführt werden. Letztendlich muss der Elektroinstallationsbetrieb nach der Fertigstellung einer derartigen Sanierung gegenüber dem VNB bestätigen, dass die Technischen Anschlussbedingungen (TAB) eingehalten worden sind und dass die Anlage keine nachteiligen Auswirkungen auf das Netz des VNB hat.
Beeinflussende Faktoren. Hinsichtlich der wiederkehrenden Prüfung von elektrischen Anlagen in Wohnungen, z. B. durch E-Check, hat das BGH-Urteil VIII ZR 321/07 und die dazugehörige Presseerklärung Nr. 192/08 für Verwirrung gesorgt. Richtig ist, dass Vermieter von Wohnraum im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht die technischen Anlagen in ihren Häusern regelmäßig wiederkehrend auf Funktionssicherheit und Betriebssicherheit prüfen lassen müssen, um Personen, Tiere und Sachwerte vor Schäden zu schützen. Das BGH-Urteil bezieht sich aber auf einen Geräteschaden (Kurzschluss an der Dunstabzugshaube), wodurch es zu einem wohnungsübergreifenden Brand gekommen ist.
Der BGH hat ausdrücklich bestätigt, dass der Vermieter die vertragliche Nebenpflicht hat, die Mietsache in einem verkehrssicheren Zustand zu erhalten und dass sich diese Pflicht grundsätzlich auf alle Teile des Hauses erstreckt. Ihm bekannt gewordene Mängel, von denen eine Gefahr für die Mietwohnungen ausgehen kann, muss der Vermieter somit unverzüglich beheben. Eine regelmäßige Generalinspektion muss er im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht aber nicht vornehmen. Im Einzelfall mögen allerdings besondere Umstände, wie zum Beispiel ungewöhnliche oder wiederholte Störungen, Anlass dazu bieten, nicht nur einen unmittelbar zu Tage getretenen Defekt zu beheben, sondern eine umfassende Inspektion der gesamten Elektroinstallation durchzuführen.
Es ist also die Aufgabe des Elektrohandwerks, den Vermieter durch Hinweise auf Mängel und Gefahrenstellen an bestehenden elektrotechnischen Anlagen zu einer wiederkehrenden Prüfung zu veranlassen. Hierzu gehört eine sachgerechte Beratung ebenso wie auch die Protokollierung der Vermieterentscheidung.
Zahlungspflichten. Zunächst ist also festzustellen, dass die Wiederherstellung des ursprünglichen (schlechten) Zustandes nicht möglich ist und dass durch die (Teil-)Sanierung der elektrischen Anlage ein wesentlicher Wertzuwachs für das Haus zustande kommt. In Deutschland besteht für Wohngebäude eine Versicherungspflicht, hierfür hat der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) zur fakultativen Verwendung die „Allgemeine Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 2008 – Wohnflächenmodell)“ [1] herausgegeben. Auf dieser Basis werden vom jeweiligen Versicherungsunternehmen eigene Wohngebäude-Versicherungsbedingungen herausgegeben. Dabei sind abweichende Vereinbarungen möglich.
Nach § 1 von [1] (Versicherte Gefahren und Schäden sowie generelle Ausschlüsse) leistet der Versicherer u. a. Entschädigung für versicherte Sachen, die durch
  • Brand, Blitzschlag, Explosion, Implosion, Anprall oder Absturz eines Luftfahrzeuges, seiner Teile oder seiner Ladung, … zerstört oder beschädigt werden oder infolgedessen abhanden kommen.
Der Brand wird dabei definiert als ein Feuer, das ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder ihn verlassen hat und das sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag. Hinsichtlich der Entschädigungsberechnung nach § 13 von [1] kommt es auf die vereinbarten Versicherungswerte (z. B. Gleitender Neuwert, Neuwert oder Zeitwert) an, sodass hier Einsicht in den Versicherungsvertrag genommen werden muss.
Zu beachten ist, dass zu den versicherten Kosten infolge eines Versicherungsfalles nach § 7 von [1] auch die Aufräum- und Abbruchkosten der versicherter Sachen sowie das Wegräumen und der Abtransport von Schutt und sonstigen Resten, z. B. der demontierten Kabel und Leitungen, elektrischen Betriebsmittel und Geräte gehören. Ebenfalls können die Aufwendungen für den Transport dieser Sachen zum nächsten Ablagerungsplatz, das Ablagern und Vernichten (soweit zulässig) vom Elektrounternehmen berechnet werden – hierbei handelt es sich um einen Bestandteil der versicherten Kosten.
Kosten für Mehrwert. Unstrittig ist, dass mit der Sanierung der elektrotechnischen Anlagen nach heutiger Vorschriftenlage einerseits ein Mehrwert entsteht, aber andererseits höhere Kosten entstehen.
Nach § 8 von [1] ergeben sich derartige Mehrkosten „... aus der Differenz des Aufwandes für die Wiederherstellung in gleicher Art und Güte und dem Aufwand zum Zeitpunkt der Wiederherstellung“.
Die versicherten Leistungen aus Mehrkosten werden in § 8 wie folgt beschrieben:
a) Der Versicherer ersetzt die tatsächlich entstandenen Mehrkosten infolge von Veränderungen der öffentlich-rechtlichen Vorschriften (Gesetze und Verordnungen), die zwischen Errichtung bzw. letztmaliger genehmigungspflichtiger Baumaßnahme am betroffenen Gebäudeteil und dem Versicherungsfall in Kraft getreten sind.
b) Darf die Wiederherstellung der versicherten, vom Schaden betroffenen Sachen aufgrund behördlicher Wiederaufbaubeschränkungen nur an anderer Stelle erfolgen, so sind dadurch entstehende Mehrkosten nur in dem Umfang zu ersetzen, in dem sie auch bei Wiederherstellung an bisheriger Stelle entstanden wären.
c) Der Ersatz von Mehrkosten beschränkt sich auf die tatsächlich vom Schaden betroffenen Gebäudeteile.
d) Ist das Gebäude zum Zeitwert versichert, so werden die Mehrkosten im Verhältnis des versicherten Zeitwerts zum aktuellen Neubauwert erstattet.

Hiervon ausgehend kann man nun zu der Auffassung gelangen, dass die Kosten für eine Sanierung gemäß dem heutigen Stand der Technik als Mehrkosten anzusehen sind und somit ein Anspruch auf Leistung gegenüber dem Versicherer abgeleitet werden könnte. Begründbar ist dies mit der Rechtslage, wonach eine Wiederherstellung des ehemaligen Zustandes in gleicher Art und Güte aufgrund von entgegenstehenden Vorschriften nicht möglich ist. Daher kommt es zu Mehrkosten, um das Gebäude wieder in einen vollständig nutzbaren Zustand zu versetzen.
Fazit. Abschließend muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass diese Antworten keine Rechtsauskünfte beinhalten, sondern nur Rechtsquellen aufzeigen, die im Schadenfall als Leitfaden zum Handeln dienen können. Das Handeln eines handwerklichen Elektrobetriebes sollte sich aber nicht nur auf die Begrenzung und Regulierung von Schäden erstrecken, sondern viel mehr die Vorbeugung durch Information über die Notwendigkeit der regelmäßigen wiederkehrenden Prüfungen beinhalten. Nicht nur der Mensch – ob Kunde oder Unternehmer – wird älter und weniger belastbar, sondern auch die elektrotechnische Anlage. Gleichzeitig nimmt der Mensch in aller Regel mehr oder weniger an Gewicht zu, in elektrotechnischen Anlagen ist es die ständig zunehmende Belastung durch elektrische Geräte. Klären wir also im Sinne des BGH-Urteils die Wohnungseigentümer über die Erfordernisse des E-Checks auf. Die Kosten hierfür sind als Mietnebenkosten umlagefähig und oftmals mindern Versicherungsunternehmen sogar die Versicherungsprämien!

Quellen

Allgemeine Wohngebäude Versicherungsbedingungen (VGB 2008 – Wohnflächenmodell); Version 01.01.2008 GDV 730.


Autor
  • H.-J. Slischka
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