Betriebsführung
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Arbeits- und Gesundheitsschutz
Gefährliche Nutzung der Schutzausrüstung gegen Absturz
ep6/2004, 2 Seiten
der persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz, die gegen tödliche Gefahren schützen. Zur Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes dürfen innerhalb der europäischen Gemeinschaft nur richtlinienkonforme, d.h. EG-baumustergeprüfte Ausrüstungen, benutzt werden. Im Zuge der EG-Baumusterprüfung erfolgt die Überprüfung der sicherheitstechnischen Anforderungen u.a. nach Festlegungen in harmonisierten Normen. Die sichere Funktion der PSA ist jedoch nicht nur von der EG-Baumusterprüfung, sondern auch von deren „bestimmungsgemäßer Benutzung“ abhängig. Diese wird in der zur PSA gehörenden Informationsbroschüre des Herstellers eindeutig beschrieben. Erhöhtes Risiko bei horizontaler Anwendung Die Praxis zeigt jedoch, dass PSA gegen Absturz abweichend von den Herstellerinformationen und damit auch abweichend von den prüftechnisch abdeckten Anforderungen verwendet wird. Zur Zeit ist für die PSA gegen Absturz unter Berücksichtigung der sicherheitstechnischen Anforderungen in den europäisch harmonisierten Normen ausschließlich ein vertikaler Einsatz vorgesehen (Bild ). Im Baugewerbe finden jedoch die Ausrüstungen häufig Verwendung in einer horizontalen Anordnung, so z.B. durch die Befestigung an Anschlagpunkten in einer Flachdachebene für die Ausführung von Dacharbeiten. Hier ist während des Sturzes über Konstruktions- bzw. Bauwerksteile eine Kantenbeanspruchung der Ausrüstung möglich. Dabei ist davon auszugehen, dass für die Benutzer zur Zeit ein unkalkulierbares Absturzrisiko durch das Versagen der PSA bei einer Sturzbeanspruchung besteht. Im Falle eines Sturzes wird die Ausrüstung höheren dynamischen Belastungen als in der Baumusterprüfung ausgesetzt. So kann eine Person, mit einem Höhensicherungsgerät gesichert, aufrecht stehend an einer Absturzkante mindestens über eine Strecke von 1,50 m im freien Fall stürzen. In der dynamischen Prüfung sind es lediglich 60 cm freier Fall mit einer Prüfmasse von 100 kg. Ähnliches gilt bei der Benutzung von mitlaufenden Auffanggeräten in dieser Anordnung. Außerdem kann die Reibung an der Kante zu Fangstoßkräften führen, die über den maximal zulässigen 6 kN liegen. Zusätzlich ist ein Versagen der Ausrüstung (Verbindungsmittel oder Auffanggeräte bzw. Falldämpfer) durch die Kantenbeanspruchung zu erwarten. PSA im Labor getestet Zur Ermittlung der Risiken und der damit verbundenen tödlichen Gefährdung für den Benutzer, wurden Fallversuche durch das Sachgebiet „PSA gegen Absturz“ im Fachausschuss „Persönliche Schutzausrüstungen“ gemeinsam mit dem Berufsgenossenschaftlichen Institut für Arbeitsschutz durchgeführt. Für die Untersuchungen wurde handelsübliche PSA gegen Absturz in horizontaler Anordnung überprüft. Dabei wurden zwei Versuche, einer senkrecht zur Kante, einer als Pendelsturz mit jeweils 100 kg Stahlgewicht aus 1,50 m Höhe, in einem Abstand von 50 cm zur Kante ausgeführt (Bild ). Die Fallversuche erfolgten jeweils über die Kante eines unterstützten Trapezblechs (35x207x1,0 mm), eines Stahlprofilträgers, eines Betonfertigteilbinders und eines Holzbalkens. Auswertung Bei den Versuchen an der Kante des Holzbalkens hielten die Ausrüstungen der Kantenbeanspruchung stand. Teilweise wurden erhöhte Fangstoßkräfte ermittelt. Die anderen Untersuchungsergebnisse sind in der tabellarisch dargestellten Übersicht aufgeführt (Tafel ). Hier ist zusammenfassend festzustellen, dass das Gurtbandmaterial von Verbindungsmitteln mit Bandfalldämpfer nur bei drei von 40 Versuchen an der Kante versagte, jedoch im Mittel zu 40 Prozent eine zu hohe Fangstoßkraft gemessen wurde. Ungefähr ein Drittel der Versuche führten zu einer starken Beschädigung des Gurtbandmaterials. Verbindungsmittel bzw. bewegliche Führungen aus gedrehten Chemiefaserseilen mit 12 bzw. 16 mm Durchmesser rissen bei insgesamt 101 Fallversuchen besonders häufig bei Pendelstürzen. Im Mittel betrug hier die Versagensquote 56 Prozent. Bei den Höhensicherungsgeräten versagten an der Kante die Verbindungsmittel aus Gurtband sowie aus verzinktem Stahldrahtseil mit einem Durchmesser von weniger als 5 mm. Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 6 468 BETRIEBSFÜHRUNG Anzeige Normen geben Sicherheit Im Baugewerbe werden an hochgelegenen Arbeitsplätzen häufig Persönliche Schutzausrüstungen (PSA) benutzt. So ist es beispielsweise üblich, für Arbeiten auf Flachdächern - bei Reinigungsarbeiten, Trapezblech-, Fertigteil- und Stahlmontagen - PSA zum Auffangen von Personen einzusetzen. Die verwendeten Ausrüstungen wie Verbindungsmittel mit Falldämpfer, mitlaufende Auffanggeräte einschließlich beweglicher Führung und Höhensicherungsgeräte sind Teilsysteme eines Auffangsystems Gefährliche Nutzung der Schutzausrüstung gegen Absturz Der falsche Einsatz der Persönliche Schutzausrüstungen gegen Absturz auf Baustellen nimmt zu. Damit steigt das Risiko von Unfällen und gefährlichen Verletzungen bei Mitarbeitern. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Fachausschusses „Persönliche Schutzausrüstungen“ und des Berufsgenossenschaftlichen Institutes für Arbeitsschutz. Höhensicherungsgerät - vertikale Anordnung Prinzipskizze - Auffangsystem mit Höhensicherungsgerät Stahldrahtseile und Gurtbandmaterialien bei entsprechender konstruktiver Verbesserung, z. B. durch die Auswahl stärkerer Materialquerschnitte, am ehesten für diesen Einsatzzweck geeignet sein könnten. Ebenso bietet sich die Möglichkeit des Schutzes der Bestandteile der Ausrüstung an, die einer Kantenbeanspruchung ausgesetzt sind. So z. B. analog der Hebebänder für den Lastentransport, in dem zusätzliche Schläuche über die Verbindungsmittel angeordnet werden. Des weiteren ist zu überlegen, inwieweit optionale Prüfungen der Ausrüstungen möglich sind. Dabei ist die Definition der scharfen Kante äußerst wichtig. Dass diese Ansätze nicht ganz aussichtslos sind, zeigt das Beispiel für den Einsatz von Höhensicherungsgeräten in horizontaler Anordnung. Hier gibt es nach Zusammenarbeit der nationalen Prüfstellen und Hersteller seit Oktober 2002 neue Prüfgrundsätze. Danach ist durch entsprechende Modifikation der Geräte und Verwendung von geeigneten Abmessungen und Materialeigenschaften der Verbindungsmittel, davon auszugehen, dass auch bei horizontaler Beanspruchung eine sichere Funktion gewährleistet ist. Diese Prüfgrundsätze sind mittlerweile auf europäischer Ebene anerkannt und können im Rahmen einer Baumusterprüfung optional angewendet werden. Zukunftsaufgabe Aufgrund der dargestellten Gefährdung müssen sich Anwender, Hersteller, Arbeitsschutzorganisationen und die Normungsgremien der Verantwortung stellen und gemeinsam an einer praxisnahen Lösung für die übrigen Teilsysteme und deren Bestandteile arbeiten. Denn gerade die Erweiterung des Anwendungsbereiches der PSA gegen Absturz für die dargestellten Arbeitsplätze, natürlich auch unter Berücksichtigung bestimmter Ausschlusskriterien (z. B. für gedrehte Chemiefaserseile und bei einer bestimmten Kantenschärfe), wird dazu beitragen, dass Risiko eines tödlichen Absturzes zu minimieren. Nähere Informationen über die Untersuchungen und optional getestete Ausrüstungen sind über den FA „Persönliche Schutzausrüstungen“, Sachgebiet „PSA gegen Absturz“ (Tel. 0231/5431-1013, Ansprechpartner: Dipl.-Ing. Schäper) erhältlich. W. Schäper Bewertung und Konsequenzen Keine der untersuchten persönlichen Schutzausrüstungen gegen Absturz kann in der jetzigen Bauweise für die horizontale Verwendung als geeignet bezeichnet und empfohlen werden. Dies wird dadurch unterstrichen, wenn man berücksichtigt, dass bei den Untersuchungen ausschließlich neue Ausrüstungen ohne Sicherheitsreserven geprüft worden sind. Somit darf eine horizontale Anwendung der PSA gegen Absturz nicht akzeptiert werden. Eine Kantenbeanspruchung ist zunächst grundsätzlich auszuschließen. Das bedeutet, dass der Anwender unbedingt auf eine bestimmungsgemäße Benutzung der Ausrüstung hinzuweisen ist. In Zweifelsfällen ist eine Kontaktierung des Herstellers erforderlich. Lösungsansätze Die Anwendungspraxis zeigt einen nicht zu unterschätzenden Bedarf der Verwendung der PSA gegen Absturz in horizontaler Anordnung auf. Insofern ist über Lösungsansätze nachzudenken. Eine genaue Analyse der Schädigungsmechanismen zeigt, dass Versuchsanordnung im Labor Ergebnisse PSA gegen Absturz Anzahl an Kante Fangstoß stark gering n.i.O. Versuche gerissen >6kN beschädigt beschädigt gerissen und >6kN Höhensicherungsgeräte 28 9 32% 7 25% 12 43% 16 57% Bandfalldämpfer (üK) + Gurtband 16 2 13% 6 38% 8 49% 8 51% Gurtband (üK) + Bandfalldämpfer 24 1 4% 11 46% 8 33% 4 17% 12 50% Seil (üK) + Bandfalldämpfer 32 10 31% 5 16% 2 6% 15 47% 15 47% Reibungsfalldämpfer (FD üK) + Seil 18 4 22% 4 22% 2 12% 8 44% 8 44% Seil (üK) + Reibungsfalldämpfer 9 6 67% 2 22% 1 11% 8 89% Seil (üK) + mitlaufendes Auffanggerät 42 19 45% 7 17% 5 12% 11 26% 26 62% Tafel Versuchsergebnisse Elektropraktiker, Berlin 58 (2004) 6 469 HUSS-MEDIEN Gmb H, 10400 Berlin Fax: 0190/252112-691 Aktuell als Faxabruf zu unserem Heft 5/2004 Informationen zur ERA-Umsetzung
Autor
- W. Schäper
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