Gebäudesystemtechnik
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Elektrotechnik
Fliegender Wechsel in der Gebäudeautomation
ep6/2007, 3 Seiten
Tessiner Schönheit mit kleinen Fehlern Obwohl 100 m lang und 18 m hoch wirkt die wuchtige Form des Business-Centers Bellinzona im Tessin bei Annäherung leicht und elegant. Die Backsteinfassade öffnet sich überraschend über die Diagonale zu einer weiten, runden Plaza. Mittendurch leitet eine geschwungene Brücke den Besucher zum Haupteingang (Bilder und ). Der international bekannte Schweizer Architekt Mario Botta hat einen beeindruckenden und gleichsam durchdachten Zweckbau geschaffen. Doch kurz nach dem Bezug im Jahr 1999 bereitete das 80 Mio. Schweizer Franken (rund 50 Mio. Euro) teure Gebäude den Betreibern heftige Kopfschmerzen. Schuld daran war die Gebäudeautomation: Module fielen nach wenigen Monaten aus, die Wartungskosten explodierten und sogar die Versorgung mit Ersatzteilen war nicht immer gesichert. Ein unhaltbarer Zustand zumal für ein so hochwertiges Gebäude mit anspruchsvollen Mietern - neben der Swisscom, mehrere Gerichte, Banken und Versicherungen. Neues Konzept Im Jahr 2005 entschlossen sich die Betreiber zu einem radikalen Schritt. Die gesamte Anlage sollte ausgewechselt werden. Hauptforderungen dabei waren ein nachhaltiges und wirtschaftliches Konzept, unterbrechungsfreier Betrieb, striktes Einhalten des Kostenplans, Verfügbarkeit von Ersatzteilen, Ausbauoptionen und eine gute Handhabbarkeit, sodass die Bedienung durch den für das Gebäude zuständigen Techniker übernommen werden kann. Der außergewöhnlichen Aufgabe und Herausforderung des Umbaus nahm sich Markus Fehr an. Wer ihn das erste mal sieht, der könnte ihn ohne Weiteres für den Inhaber einer Künstleragentur halten. Aber Markus Fehr ist ein grundsolider Elektriker, der sich mit viel Ausdauer und Energie die Gebäudeautomation des Business-Centers zu seiner Aufgabe gemacht hat. In dem modularen Wago-I/O-System 750 und dessen leicht zu erlernenden Software erkannte er seine Chance. Die wichtigsten Grundkenntnisse eignete er sich durch einen Workshop bei Wago Schweiz in Domdidier an und entwickelte in enger Zusammenarbeit mit dem Support des Unternehmens eine Lösung, die sich im laufenden Betrieb einbauen ließ. Markus Fehr nutzte hierzu die vorhandenen Unterstationen, die über das ganze Gebäude verteilt in den Zwischenböden untergebracht sind. In so einer Unterstation lässt sich bequem ein Wago-Ethernet-Controller unterbringen (Bild ), der sich durch den modularen Aufbau mit den vor Ort benötigten Ein- und Ausgängen ausstatten lässt. Der universelle I/O-Baukasten bietet Anschluss für alle Gewerke: Neben Beleuchtung, Beschattung, Einzelraumregelungen für Heizung, Klima und Lüftung sowie technischen Alarmen sind dies auch Zugangskontrollen und Türsicherungen. Letztere sind auch und gerade in diesem Gebäude von großer Bedeutung, da für die Mieter eine sichere Abgrenzung ihrer Räumlichkeiten sichergestellt sein muss. Die lokalen Funktionen sind direkt in den Controllern vor Ort hinterlegt und bleiben so selbst bei einem Ausfall des Leitsystems oder des Datennetzes noch in Betrieb. Durch den dezentralen Aufbau Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 6 526 AUS DER PRAXIS Fliegender Wechsel in der Gebäudeautomation Wie tauscht man die Gebäudeautomation eines Bürokomplexes aus, ohne den laufenden Betrieb zu stören? Ganz einfach: Zimmer für Zimmer nach Feierabend. Markus Fehr von der Firma Edil Repairs (Qualitiy Building Technology) rüstete im Business-Center Bellinzona einige hundert Verteiler in den Zwischenböden mit Wago-Ethernet-Controllern aus. Durch die dezentrale Technik ging dies ohne störende Unterbrechungen. EP0607-524-533 21.05.2007 15:24 Uhr Seite 526 konnte Markus Fehr die Automatisierung umstellen, ohne den Betrieb zu stören. Nach dem Umrüsten aller lokalen Stationen wird das Leitsystem wieder aufgeschaltet. Diese Strategie wäre mit verschiedenen Busprotokollen möglich gewesen, das gewählte System lässt dem Anwender hier viele Freiheiten. Ethernet wurde gewählt, um eine optimale Durchgängigkeit zum Leitsystem und zu weiteren IT-Komponenten sicherzustellen. Zudem lassen sich per Ethernet eventuelle Erweiterungen zur Fernwartung und Fernüberwachung besonders einfach integrieren. Umbau und unerwartete Kostenvorteile Obwohl Markus Fehr die Funktionalitäten der alten Steuerung selbst erforschen musste, ging der Umbau zügig vonstatten. „Der Support von Wago war wirklich ausgezeichnet, zumal die Mitarbeiter vor Ort unsere Sprache sprechen“, lobt der Tessiner. Damit waren auch kurzfristig auftretende Fragen schnell beantwortet - eine wertvolle Hilfe während der Umbauphase, die ganz auf die Bedürfnisse abgestellt war. Die Installation eines Abschnitts wurde tagsüber vorbereitet. Nach Büroschluss gegen 16 Uhr wurden einzelne Unterstationen aus den Zwischenböden entnommen, die alten Komponenten durch fertig programmierte Ethernet-Controller ersetzt und die Stationen wieder eingebaut. Einmal im Training benötigte Markus Fehr weniger als eine Stunde für eine Station. Das I/O-System 750 bescherte ihm dabei noch einen unerwarteten Kostenvorteil. Die Rechenleistung eines Controllers genügt ohne Weiteres für mehrere Stationen. Eine so genannte Klemmenbusverlängerung spart in so einem Fall eine aufwendige Pa-Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 6 527 Business-Center Bellinzona Der Eingangsbereich. Am Empfangstresen der PC für die Leittechnik Dezentrale Intelligenz im Zwischenboden: Unterstation mit Ethernet-Controller Fotos: Wago EP0607-524-533 21.05.2007 15:24 Uhr Seite 527 Neue Möglichkeiten dank kostenloser Software Temperaturregelungen, Pumpensteuerungen und auch Hydraulikanlagen haben eine Gemeinsamkeit. Bei all diesen Anlagen ist eine Regelung erforderlich, damit Druck oder Temperatur einem vorgegebenen Sollwert folgen und eventuelle Störgrößen ausgeglichen werden können. Diese Aufgabe lässt sich komfortabel und kostengünstig mit einer Micro-SPS lösen. Zwar konnten bisher schon einige Regelungen mit Hilfe einer Micro-SPS realisiert werden, jedoch stellte das optimale Abgleichen der Regelstrecke oftmals ein Problem dar. Ohne einschlägige Erfahrung im Bereich der Regelungstechnik war ein optimaler Abgleich der Regelstrecke bisher kaum möglich. Abhilfe schafft nun ein kostenloses Softwaretool, das diese Aufgabe übernimmt. Damit ist es möglich, die Parameter der integrierten Regler mit einem Knopfdruck zu optimieren. Vereinfachte Projektierung von Reglern Beispielanwendung. Am Beispiel einer Temperaturregelung wird die Parametrierung sowie die anschließende automatische Optimierung einer Micro-SPS Simatic S7-200 beschrieben. Folgende Vorgaben sind bei der Beispielanwendung zu berücksichtigen: · konstantes Halten einer vorgegebenen Temperatur, · Verwenden eines Temperatursensors (0...10 V) für den Temperaturbereich 0 - 100 °C, · zusätzliche Grenzwertüberwachung des Istwerts und Aktivierung einer Anzeige bei Über-/ Unterschreitung, · Umschaltmöglichkeit zwischen Automatik- und Handbetrieb, · digitale Heizungsansteuerung mittels Pulsweitenmodulation (PWM) sowie · automatische Optimierung des erstellten Regelkreises nach der Projektierung. Regelkreis-Konfiguration Die Konfiguration von Reglern wird bei dem vorgestellten Micro-SPS-System mit Hilfe eines Software-Assistenten durchgeführt. Dieser ist kostenloser Bestandteil der Programmiersoftware Step7-Micro/Win und erleichtert die Projektierung eines Reglers erheblich, denn er ermöglicht eine komfortable und relativ schnelle Konfiguration von Regelkreisen. Software-Assistent. Nach dem Start des PID-Assistenten wird zunächst der zu konfigurierende Regler ausgewählt. Die Micro-SPS unterstützt bis zu acht unabhängige PID-Regler. Ist der Regler ausgewählt, kann direkt mit der Eingabe aller notwendigen Parameter begonnen werden. Dabei ist es möglich, eine analoge oder digitale Stellgröße als Reglerausgang festzulegen. Für die Beispielapplikation wird eine digitale Stellgröße ausgewählt. Im Anschluss berechnet der Assistent automatisch das Puls-/Pausenverhältnis auf Basis der eingegebenen Einschaltdauer (Bild ). Falls die Anlage zusätzlich eine Grenzwertüberwachung des Istwertes erfordert, dann erfolgt die Eingabe der Grenzwerte ebenfalls im Assistenten - als Prozentwert des Messbereichs. Ist die Eingabe der notwendigen Parameter und die Auswahl der Regeloptionen PID-Regelung mit Micro-SPS Bei vielen Anlagen sind Regelungen unabdingbare Funktionen. Oft werden entspechende Regler bereits im Funktionsumfang eines Automatisierungssystems angeboten und auf klassische Art eingerichtet. Der Beitrag beschreibt, wie sich Regler mit Micro-SPS komfortabel parametrieren und optimieren lassen. rallelverdrahtung. Statt dessen wird an das Ende eines Ethernetknotens eine spezielle Klemme gerastet, über die sich die interne Kommunikation des Systems per Kabel zur nächsten Station weiterführen lässt. In dieser wird dann statt eines Controllers eine entsprechende Anschlussklemme gesetzt. Auf jedem Stockwerk des Gebäudes sind zwölf Ethernet-Controller installiert. Jeder dieser Controller steuert 16 weitere Stationen. Markus Fehr konnte so eine ideale Balance zwischen dezentraler Steuerung und Kostenreduktion finden. Mit bis zu 10 m Abstand zwischen den Stationen musste er die Grenzen des Systems ausreizen, ohne dass jedoch Probleme entstanden. Die Verlängerung ist standardmäßig auf bis zu 6 m ausgelegt, die gewünschten 10 m wurden am Wago-Firmenstammsitz in Minden extra für das Objekt akribisch geprüft und zugesagt. So konnten auf einem Controller rund 400 Datenpunkte zusammengeführt werden. Störungen gehören jetzt der Vergangenheit an Seit dem Umbau gehören Störungen der Vergangenheit an, die Hausherren sind zufrieden und Markus Fehr ist es auch. „Man muss kein Ingenieur sein, um so ein Projekt durchzuziehen“, beschreibt er seine Erfahrungen. Durch die Flexibilität der gewählten Komponenten kann er das Business-Center auch zukünftig begleiten, etwa bei Umbauten: „Das I/O-System 750 fordert keinen hohen Zeitaufwand beim Programmieren. Soll zum Beispiel eine Wand versetzt werden, ist die Steuerung in zehn Minuten angepasst.“ Durch die Verwendung von Ethernet kann ein Controller sogar drahtlos per WLAN-Router umprogrammiert werden. Für Markus Fehr war es mit Sicherheit nicht das letzte Projekt mit diesem System. Mit der in Bellinzona erworbenen Erfahrung hat er sich einen neuen Markt in einer attraktiven Region erschlossen. Denn das Tessin - die Rutschbahn in die Lombardei - gilt als europäische Wachstumsregion. M. Witzsch Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 6 528 AUS DER PRAXIS Eingabe der Regelparameter im PID-Assistenten Vollständiges Anwenderprogramm für eine PID-Regelung mit Micro-SPS EP0607-524-533 21.05.2007 15:24 Uhr Seite 528
Autor
- M. Witzsch
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