Elektromobilität startet durch
Die Einführung neuer Technologien braucht häufig lange Vorlaufzeiten; das war beispielsweise auch schon bei Photovoltaikanlagen und Brennstoffzellen zu beobachten. Bei der Entwicklung und Implementierung von E-Fahrzeugen wiederholt sich dieses Phänomen, was bei potentiellen Käufern zu Ärger und darüber hinaus zu Desinteresse führt. Sie behaupten dann gerne, die Hersteller verzögerten den Markteintritt aus kommerziellen Gründen. Umgekehrt konnten die Hersteller unwidersprochen argumentieren, es fehle eine flächendeckende Ladeinfrastruktur; und ohne Ladesäulen sei der Kauf eines Elektroautos nun mal widersinnig. Doch während es bei dem bekannten Henne-Ei-Problem (was war als Erstes da, die Henne oder das Ei?) keine Lösung geben kann, zeichnet sich im E-Mobility-Sektor seit einiger Zeit eine Festlegung ab: Zuerst kommen die Ladestationen, dann die Autos (Bild 1).
Es kommt Bewegung in den Markt
Zu den bekanntesten industriellen Akteuren aus dem Bereich der E-Mobilität zählt das amerikanische Unternehmen Tesla Inc. Es produziert nicht nur Elektroautos, sondern betreibt auch ein eigenes Netzwerk aus 145-kW-„Superchargern“, mit denen sich die 100-kWh-Batterie eines Tesla-Modells in weniger als 50 min aufladen lässt. Leider profitiert davon bislang nur die eigene Kundschaft, da die verwendete Technik nicht mit der der Konkurrenz kompatibel ist. Wenn es nach den neusten Plänen von namhaften Automobilherstellern geht, könnte diese nicht sehr überzeugende Insellösung bald ergänzt oder abgelöst werden: Ein Joint Venture der BMW Group, Daimler AG, Ford Motor Company sowie des Volkswagen-Konzerns mit Audi und Porsche ist angetreten, bis zum Jahre 2020 entlang der europäischen Autobahnen ein Netz von 400 Ladestationen mit einer Leistung von jeweils 350 kW zu installieren (Bild 2). Ionity, so der Name des jungen Gemeinschaftsunternehmens, schreibt in seiner Website, mit diesen ultraschnellen Ladesäulen, die in einem Abstand von rund 120 km installiert würden, übertrage man die Vorteile von Elektrofahrzeugen jetzt auch auf die Langstrecke.
Selbstverständlich dürfen neben diesen zwei beispielhaft genannten prominenten Initiativen die zahlreichen Aktivitäten von Unternehmen wie beispielsweise Parkhaus- und Parkplatzbetreibern, Lebensmittelläden, Kinos, kommunalen Behörden und anderen großen Arbeitgebern nicht vergessen werden. Sie investieren in Wallboxen und Ladestationen, die sie dann ihrer Belegschaft und ihren Kunden zur Nutzung anbieten. So hat beispielsweise die Stadt Leipzig gemeinsam mit vielen lokalen Akteuren einen Maßnahmenplan mit dem Namen „Leipzig – Stadt der intelligenten Mobilität“ erarbeitet. Grundlage dieses Projekts sei das Elektromobilitätsgesetz, heißt es dazu aus dem Rathaus. Dieses Gesetz erlaubt Kommunen, Elektrofahrzeuge beim Parken zu bevorzugen. In diesem Rahmen errichtete man 26 Ladestationen mit einer Leistung von 22 kW, zwei weitere mit einer geringeren Leistung. Als Anreiz bietet die Stadt den Autofahrern die Möglichkeit, ihr Elektrofahrzeug während des Ladevorgangs für vier Stunden kostenlos zu parken. Die für das Projekt ausgewählten Stellplätze haben den Vorteil, dass Autofahrer hier umstandslos auf Verkehrsmittel des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) umsteigen können: ein einfaches aber sicher interessantes E-Mobility-Konzept für Energieeffizienz und Klimaschutz.
Aber nicht nur die bis hierher genannten gewerblichen oder öffentlich-rechtlichen Akteure, sondern auch Privatleute haben bereits begonnen, sich eine Lademöglichkeit zu schaffen. In vielen Fällen dürfte das eine einfache Schukosteckdose in der Garage sein, oder auch ein „Wallbox“ genanntes Installationsgehäuse an der Hauswand, bestückt mit einer oder mehreren Anschlüssen für höhere Leistungen (Bild 3).
Bei der Bundesnetzagentur sind mittlerweile 5 138 öffentliche Ladesäulen im gesetzlich geforderten Ladesäulenregister eingetragen (Stand: 2.7.2018). Im Vorjahr (14.7.2017) waren es zum selben Zeitpunkt erst 2 925. Das zeigt: Die Ladeinfrastruktur wächst in großen Schritten und bietet damit ein immenses Marktpotential, das auch Elektrohandwerksbetriebe nutzen sollten. Sie könnten maßgeblich dazu beitragen, ein flächendeckendes Netz an Ladestationen zu schaffen, das dann dank des vorhandenen Fachwissens auf einem hohen Qualitäts- und Sicherheitslevel angesiedelt wäre.
Beratung zu den Themen Ladezeit und Reichweite
Potentielle Käufer wünschen sich Elektroladestationen, die das Füllen der Fahrzeugbatterie möglichst in der gleichen Zeitspanne erledigen wie die seit mehr als einem Jahrhundert genutzten Benzin- und Dieseltanksäulen. Doch solche Wünsche werden schon aus physikalischen Gründen nicht in Erfüllung gehen, zumindest nicht mit den aktuell vorhandenen Technologien. Um das Problem zu verdeutlichen, sei hier zunächst einmal eine einfache Rechnung aufgemacht, die der Elektrohandwerker seinem potentiellen Kunden nahebringen sollte, um etwa vorhandene Wunschvorstellungen zu korrigieren: Gehen wir einmal von der realistischen Annahme aus, dass für eine Fahrt mit einem Elektroauto über eine Strecke von 100 km eine Batterieladung von 20 kWh erforderlich ist. Bei grob geschätzten 600 km, die man mit einem benzin- oder dieselgetriebenen Auto und einer Tankfüllung zurücklegen kann, wären also 120 kWh erforderlich. Bei einer gewünschten Füllzeit von maximal 3 min (1/20 h), wie wir sie für das Volltanken von Benzin- oder Dieselfahrzeugen kennen, müsste die Ladesäule eine elektrische Leistung von 2,4 MW zur Verfügung stellen. Das wäre vergleichbar mit der Leistung einer Windenergieanlage mittlerer Größe. Eine Vorstellung jenseits aller Realität.
Während es für den Ladevorgang aus physikalischen Gründen keine Lösung gibt, die die Ladezeit unabhängig von der Höhe der Ladeleistung und des Ladestroms verkürzen könnte, dürfte auf der andern Seite die oft in der Diskussion stehende Reichweite nicht das große Problem sein, als das es häufig dargestellt wird. In der täglichen Praxis treten Nutzer auf, die in der Mehrzahl relativ kurze Strecken fahren und deshalb mit einem Kleinwagen sowie einer dazu passenden Batteriekapazität von etwa 20 kWh, die sie mindestens 100 km fahren lässt, gut bedient sind. Viele von ihnen werden ihre hauseigene Stromversorgung nutzen können, wobei das Laden aus einer einphasigen 230-V-Steckdose mit einer Leistung von üblicherweise 3,6 kW rund 6 h dauern würde. Bei einer 3-phasigen Steckdose mit einer Leistung von 11 kW würde sich die Ladedauer auf etwa 2 h reduzieren; bei einer 22-kW-Steckdose, die in privaten Wohnhäusern ebenfalls installiert werden kann, genügt dann rund 1 h. Neben dieser „Garagenlösung“ besteht in einigen Städten auch heute schon die Möglichkeit, Ladestationen an Parkplätzen von Einkaufszentren, öffentlichen Gebäuden und anderen häufig frequentierten Einrichtungen zu nutzen. Besonders gut getroffen haben es Mitarbeiter von Arbeitgebern, die ihre Parkplätze oder -keller mit Ladestationen ausgestattet haben.
Lukratives Betätigungsfeld für das Elektrohandwerk
Neben Stromversorgern und Herstellern von Ladestationen bietet der Aufbau einer leistungsfähigen Ladeinfrastruktur, wie oben schon beschrieben, auch Elektrohandwerkern ein neues lukratives Betätigungsfeld. Unterstützung bietet der Zentralverband der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) unter anderem mit einem Leitfaden, der bei der Planung, Errichtung und Wartung von Ladestation Hilfestellung geben soll. Darin geht es zunächst um die Begriffe Normalladen und Schnellladen, um Ladebetriebsarten und um Ladesysteme. Es folgen Instruktionen zum Aufstellungsort und Zugang sowie zur Installation und Bedienung. Den Schluss bildet dann ein Blick auf die einschlägigen Normen und die aktuellen Normungsarbeiten.
Normal- oder Schnellladen
Zu betrachten sind zunächst die unterschiedlichen Möglichkeiten, ein Elektrofahrzeug mit elektrischer Energie zu versorgen. Am Geläufigsten ist wohl das Laden der Fahrzeugbatterie aus einem ein- oder dreiphasigen Wechselstromnetz (AC-Laden), wobei das Ladegerät im Fahrzeug eingebaut ist, den Wechsel- in Gleichstrom umwandelt und das Laden der Batterie überwacht. Beim Laden mit Gleichstrom (DC-Laden) ist das Ladegerät in der Ladestation integriert. Die Steuerung des Ladevorgangs erfolgt über eine Kommunikationsschnittstelle zwischen Fahrzeug und Ladestation. Die Definitionen für Normal- und Schnellladen sind in der EU-Richtlinie 2014/94/EU „Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe“ definiert und ergeben sich aus den beim Ladevorgang angewendeten Ladeleistungen. So werden alle AC-Ladevorgänge mit einer Ladeleistung bis zu 22 kW als Normalladen und Ladevorgänge mit höheren Leistungen als AC- oder DC-Schnellladen bezeichnet (Bild 4).
Der Vollständigkeit halber sind für das Laden von Elektrofahrzeugen noch das induktive Laden nach dem Transformatorprinzip und der Batteriewechsel zu nennen. Beide Möglichkeiten spielen jedoch bisher noch keine nennenswerte Rolle und sind deshalb für das Elektrohandwerk zurzeit wenig relevant.
Ladebetriebsarten
Eine weitere Klassifikation betrifft die unterschiedlichen Ladebetriebsarten. Sie werden in der DIN EN 61 851-1 (VDE 0122-1) beschrieben und dabei folgendermaßen definiert:
Weitere Bilder
Norbert Sch
Noch kein allt
350-kW-Lades
Lades
Klassifikation: Normales Laden und Schnellladen (Quelle: ZVEH)
CCS-System f
M
Kombi-Ladestation mit (v.l.) DC-Combo2-Stecker und AC-Typ2-Stecker sowie DC-Stecker des japanischen Ladesystems CHAdeMO (Quelle: Hadhuey (CC BY-SA 4.0))
PKW an Wallbox (Quelle: E3/DC)
- W. Wilming
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