Inf.- und Kommunikationstechnik
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Elektrotechnik
Digitales terrestrisches Fernsehen - DVB-T
ep10/2006, 4 Seiten
Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 10 846 FÜR DIE PRAXIS Informationstechnik Digitales terrestrisches Fernsehen - DVB-T K. Jungk, Straubenhardt Technischer Fortschritt verlangt von Entwicklern, Herstellern, Installateuren und Anwendern neuer Techniken ständige Lernbereitschaft. Ein besonders gutes Beispiel dafür ist die digitale Fernsehtechnik. Um bei diesem Thema mitreden zu können, sind solide Informationen notwendig. Diese lassen sich der nachfolgenden Übersicht mit dem Schwerpunkt auf DVB-T entnehmen. Anspruch und Realität Analoges Fernsehen wird spätestens im Jahr 2010 vollständig durch seinen digitalen Nachfolger verdrängt sein. Allerdings beschreibt der plakative Slogan „DVB-T - das Überall-Fernsehen“ mehr einen Wunsch als die Realität. Da ist einerseits die Tatsache, dass die Karte der Gebiete in Deutschland mit der Möglichkeit zum DVB-T-Empfang eher einem Flickenteppich gleicht, als einer lückenlos abgedeckten Bundesrepublik. Dauerhaft DVB-T-freie Gebiete wird es wahrscheinlich aus Wirtschaftlichkeitsgründen auch in Zukunft geben. Aber in den heute schon versorgten Ballungsgebieten lebt eben ein Großteil der Bevölkerung, so dass die Planungen der öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten mindestens 90% der Bevölkerung bis Ende des Jahres 2008 mit DVB-T zu versorgen, durchaus realistisch sein können. Dies wäre zwar ein hoher Versorgungsgrad, kann jedoch den Anspruch des „Überall-Fernsehens“ nicht voll erfüllen, da der DVB-T-Empfang in dünner besiedelten Gebieten wohl nie möglich sein wird (Bild ). Zudem variiert auch die Programmbelegung in den einzelnen Regionen. Vorzüge und Nachteile Wo DVB-T bereits Realität ist, genießen Zuschauer eine Reihe von Vorzügen. Im Gegensatz zum Empfang aus dem Kabel oder von geostationären Satelliten ist prinzipiell auch mobiler und portabler terrestrischer Digitalempfang möglich. Die aus analogen Zeiten bekannten allgegenwärtigen Reflexionen gibt es zwar auch beim Digitalempfang, sie sind aber meist unproblematisch. Wenn nämlich der Laufzeitunterschied zwischen Reflexion (oder einem von entfernten Sendern herrührenden gleichfrequenten Emp- fangsignals) und dem direkt eingestrahlten Signal nicht zu groß ist, unterstützen sich alle Signalanteile oder anders formuliert: Gleichfrequente Signale interferieren innerhalb des Schutzintervalls (guard interval) konstruktiv. Diese Eigenschaft ist eine ideale Voraussetzung für den Empfang an wechselnden Orten mit Antennen ohne ausgeprägte Richtwirkung. Wirklich mobiler Empfang mit einer im Gerät integrierten Antenne außerhalb (outdoor) und innerhalb von Gebäuden (indoor), evtl. durch eine Zimmerantenne unterstützt, ist nur in Kernbereichen der Verbreitungsgebiete möglich. Am Beispiel der am 04.10.2004 in Betrieb gegangenen DVB-T-Region in Bild wird das Problem klar: Nur in eng begrenzten, in der Karte gelb eingefärbten Kerngebieten ist der Indoor-Empfang ohne Außenantenne möglich. In den grün gefärbten Flächen sollte DVB-T-Empfang mit einer Dachantenne möglich sein, jedoch wohl nur bei äußerst günstiger topologischer Situation des Empfangsortes. Aber selbst in den Kernzonen kann nicht mit völliger Gewissheit von zuverlässigem Empfang mit der Zimmerantenne ausgegangen werden. Zu stark wirken sich die lokalen Eigenheiten des Umfelds aus. Am meisten zu schaffen machen Abschattungen durch ausgedehnte, massive Bauten und Bodenerhebungen. Auch innerhalb eines Gebäudes kann es zu „Funktioniert/Funktioniert nicht“-Situationen kommen. Bewohner, deren Wohnungen in Richtung des Senders liegen, können problemlos mit einer Zimmerantenne die digitale Programmvielfalt empfangen, während dies in den abgewandten Wohnungen nur an bestimmten Stellen oder überhaupt nicht möglich ist. Gleiches kann für die Wohnungen in höheren und tieferen Geschossen gelten. Der Grund liegt dann in einem hohen Schirmungsmaß der Wände, das insbesondere bei stark eisenbewehrtem Beton vorliegt, der über 20 dB Dämpfung verursachen kann. So wird an Fenstern und Mauerdurchbrüchen stets eine Empfangsverbesserung beobachtet (Bild ). Hinzu kommen tageszeitliche Schwankungen der Empfangsfeldstärke sowie nicht zuletzt auch starke lokale Feldstärkeeinbrüche im Raum durch umhergehende Personen [5]. Empfangsbereiche für DVB-T (Stand: 29.05.2006) Quelle: ZDF Kern- und Randbereiche des Verbreitungsgebiets Frankfurt-Wiesbaden-Mainz Unterschiedliche Feldstärkeverteilung in einem Zimmer Am besten ist der Empfang am Fenster (weiße Fläche) Autor Karsten Jungk, Straubenhardt, ist freier Fachjournalist. EP1006-822-849-ak 05.10.2006 13:33 Uhr Seite 846 Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 10 Mit geeignetem Trägerabstand fällt das Maximum eines Spektrums auf die Nullstellen benachbarter Spektren und wird damit nicht verfälscht Vergleich von Ein- und Mehrträgerverfahren bezüglich Symboldauer und Kanalbreite Aus kürzerer Symboldauer TSE resultiert höhere Empfindlichkeit gegen Laufzeitunterschiede Technik im Überblick In der Quellencodierung verwendet DVB-T den MPEG-2-Standard zur Abtastung des Bildes und der Audio-Video-Bitratenreduktion. Bild-, Ton- und Datensignale sind Pakete in Datencontainern, die als gemeinsamer Bitstrom in einem Transportmultiplex gesendet werden. Zur Anpassung an die Besonderheiten bei der terrestrischen Übertragung (Kanalcodierung) dient bei DVB-T das Modulationsverfahren COFDM (Coded Orthogonal Frequency Division Multiplex) - ein Mehrträgerübertragungsverfahren. Dabei besteht die Grundidee darin, das digitale Nutzsignal in Bitgruppen, so genannte Symbole, zu zerlegen und diese auf viele tausend orthogonale Träger gleichen Abstands zu modulieren, was technisch durch eine inverse diskrete Fouriertransformation erreicht wird. Die entsprechend schmalbandigen Unterkanäle (Subchannels) mit der Breite des Trägerabstandes haben ein Leistungsdichtespektrum mit dem si-Verlauf (sin(x)/x) gemäß Bild . Es ist erkennbar, dass das Maximum eines Subchannel-Spektrums bei den Nullstellen aller benachbarten Unterkanalspektren vorliegt. Dies ist durch die Orthogonalität der Trägerfrequenzen gewährleistet. So ist im Prinzip die geringstmögliche Interferenz zwischen den modulierten Symbolen sichergestellt. Dieses Verfahren hat einige Vorzüge: · Robustheit gegenüber frequenzselektiven Störungen oder Signaleinbrüchen, weil davon nur einzelne Träger betroffen sind, deren Informationen meist durch die Fehlerschutzmechanismen rekonstruierbar sind. · Toleranz gegen Reflexionen. Beim OFDM ist die Symboldauer wegen der parallelen Übertragung auf n Trägern - im Vergleich zu Einträgerverfahren - n-fach so groß. Das kann durch die Einführung eines Schutzintervalls (guard interval) vorteilhaft zur Tolerierung von Echos ausgenutzt werden. Bis zu einer bestimmten Laufzeitdifferenz zwischen Originalsignal und reflektiertem Signal, die durch das Schutzintervall gegeben ist, verschlechtert die Reflexion den Empfang nicht. Beispielsweise toleriert OFDM mit einem Guard-Intervall von 250 s Reflexionen mit einem Lauflängenunterschied von bis zu 75 km. Echos mit längerer Laufzeit liefern Störbeiträge. Diese sind allerdings gering, da die Stärke des Echos infolge des langen Ausbreitungsweges entsprechend abgenommen hat. · Gleichwellenbetrieb. Ein Gleichwellenkanal mit dem selben Programminhalt wirkt sich ebenso aus, wie ein Echo. Es ist also ein Netz von Sendern möglich, die auf dem gleichen Kanal betrieben werden (SFN - Single Frequency Network). Das bietet besonders bei mobilem Empfang Vorzüge, da es beim Wechsel des Senderversorgungsbereichs nicht zu Empfangsunterbrechungen kommt. Für deutsche DVB-Ausstrahlungen stehen der 2-k- und 8-k-Modus zur Verfügung. Der 8-MHz-Kanal (UHF) wird in Deutschland zur Zeit am häufigsten zur Übertragung genutzt. Als DVB- 847 EP1006-822-849-ak 05.10.2006 13:33 Uhr Seite 847 Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 10 848 FÜR DIE PRAXIS Informationstechnik Darstellung eines Schutzintervalls Nur außerhalb des Schutzintervalls überlagern sich Echos und Gleichfrequenzsignale zu einem harmonischen Summensignal T-Modulationsverfahren sind QPSK, 16-QAM oder 64-QAM vorgesehen. Die übertragbaren Nutz-Datenraten eines 8-MHz-DVB-T-Kanals sind von Coderate und Schutzintervalllänge abhängig. Vorwiegend kommt 16-QAM zum Einsatz. Das bedeutet, ein Symbol wird durch 4 bit repräsentiert. Mit einem Fehlerschutz (FEC - Forward Error Correction) von 2/3 (zwei Nutzbits werden durch ein Fehlerschutzbit geschützt) resultiert daraus eine Datenrate von 14,75 Mbit/s. Im 7-MHz-Kanal (VHF) wird der Fehlerschutz auf 3/4 verringert, was zu einer Datenrate von 14,51 Mbit/s führt. Diese Parameter ermöglichen eine digitale Übertragung von vier TV-Programmen in PAL-Qualität über einen Kanal im VHF-/UHF-Bereich. Für die Senderbetreiber resultiert daraus effizientere Frequenznutzung mit gleichem Versorgungsradius bei geringeren Sendeleistungen, nicht zuletzt auch durch den Überlagerungsgewinn durch sich konstruktiv unterstützende Einstrahlungen benachbarter Senderstandorte. Programmanbieter profitieren daher von den günstigeren Verteilungskosten für ihr Angebot. Symboldauer und Bandbreite Beim Einträger-Modulationsverfahren steht einem Symbol die volle Übertragungsbandbreite des Kanals zur Verfügung. Ein Vielträger-Modulationsverfahren zeichnet sich dadurch aus, dass der Datenstrom in kleinere Symbole zerlegt wird, die dann auf unterschiedliche orthogonale Träger aufmoduliert werden. Je mehr Trägerfrequenzen zur parallelen Übertragung zur Verfügung stehen, umso länger kann die Dauer jedes Symbols sein, was die Verfälschung des übertragenen Symbols durch Echos und Gleichkanalstörungen aus benachbarten Funkzellen in einem gewissen Umfang erlaubt. Je mehr Bit ein Symbol repräsentiert, umso weniger Zeit steht für seine Übertragung zur Verfügung, was wiederum die zulässige Echolaufzeit verkürzt. Bild illustriert dies anhand eines Vergleichs von Ein- und Mehrträgerverfahren. Die Anzahl der Träger (2N+1, im Bild N=8) ist nach oben begrenzt, da die damit korrespondierende Symboldauer nicht so lang werden darf, dass die Kanaleigenschaften in diesem Zeitintervall nicht mehr konstant wären. Auf jeden Fall ist die Symboldauer TSV beim Vielträgerverfahren mindestens (2N+1)-fach so lang wie die Symboldauer beim Einträgerverfahren: Die Bandbreite BS eines Subchannels entspricht mindestens dem (2N+1)-ten Teil der Kanalbandbreite, weil sich die Subchannels etwas überlappen können: Wenn bei beiden Verfahren die gleiche Informationsmenge übertragen werden soll, dann müssen in Bild die Flächen aus Bandbreite und Symboldauer gleich sein: Dies ist nichts anderes als das Zeit-Bandbreite-Gesetz der Nachrichtentechnik, das be-B T B T S SV CH SE 2N + 1 T N T SV SE + ( ) 2 1 sagt: „Die Bandbreite eines Signals oder Übertragungssystems verhält sich reziprok zur jeweils benötigten Übertragungszeit.“ Oder anders ausgedrückt: „Je mehr Bandbreite zur Verfügung steht, umso schneller ist die Übertragung abgeschlossen.“ Schutzintervall und konstruktive Interferenz Die Überlagerung von Sinusschwingungen gleicher Frequenz aber unterschiedlicher Phase und Amplitude führt wiederum zu einer Sinusschwingung mit einer resultierenden Phase und Amplitude. Das erklärt, warum alle Echos aus benachbarten Funkzellen des SFN (Single Frequency Network = Gleichwellennetz), die ja zeitverzögerte und verkleinerte Abbilder der Hauptsignalschwingung eines OFDM-Symbols sind, nach dem Einlaufen des letzten Nachzüglers das Hauptsignal unterstützen. Davor führen sie zu seiner Verformung. Wird für einen gewissen Zeitabschnitt (der länger als die größte zu berücksichtigende Echolaufzeit sein muss) das empfangene Summensignal nicht ausgewertet, können die verformten Signalanteile keine fehlerhaften EP1006-822-849-ak 05.10.2006 13:33 Uhr Seite 848 Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 10 849 Zyklische Verlängerung erhöht die Auswertedauer des Symbolintervalls Ideales DVB-T Spektrum Reales DVB-T Spektrum Auswirkungen haben. Dieser Zeitabschnitt wird Schutzintervall (Guard-Interval) genannt. Bild zeigt an einem Subchannel modellhaft, wie sich zwei Echos und ein gleichwelliges Signal aus einer benachbarten Funkzelle (mit kleinster Amplitude und größter Laufzeitdifferenz) mit dem Grundsignal zu einem resultierenden Eingangssignal für den Empfänger summieren. Erst wenn das letzte Signal (aus der Nachbarzelle) eingelaufen ist, beginnt die ungestörte stationäre konstruktive Überlagerung. Um die durch das Schutzintervall verkürzte Zeit zur Symbolauswertung zu verlängern, wird ein gleich langer ungestörter Teil vom Ende des Symbols zum Ersatz der gestörten Summenspannung im Bereich des Schutzintervalls eingefügt. Diese so genannte zyklische Verlängerung ist im Bild dargestellt. Fehlerschutz Die Vielzahl der zeitlich veränderlichen Einflüsse, die auf ein DVB-T-Signal einwirken, bis es an der Antennenbuchse eines Receivers angekommen ist, erfordern Fehlerkorrekturmechanismen, die denen beim Satellitenfernsehen recht ähnlich sind. Nach der Quellencodierung der einzelnen Programme und ihrer Zusammenfassung in einem Transportstrom (Multiplexbildung) muss dieser an die Eigen- schaften des Übertragungskanals angepasst werden, um eine möglichst fehlerarme Übertragung zu gewährleisten. Dies ist Aufgabe der Kanalcodierung, die zwar die Nutzdatenrate verringert, aber Übertragungsfehler infolge von Störadditionen beim Passieren des Übertragungskanals in gewissem Umfang korrigierbar macht. Das Ergebnis dieser Maßnahmen ist ein rechteckförmiges Spektrum mit gleichmäßiger Energiedichte, das ohne Störungen auf dem Übertragungskanal (wie z. B. Echos, Gleichkanalsignale, Schwund usw.) idealerweise auch so beim Empfänger ankommt (Bild ). Die Realität sieht oft anders aus (Bild ). Literatur [1] Stott, J. H.: The How and Why of COFDM, BBC Research and Development, 1998. [2] Schwatlo, C.: Skript zum Praktikum Multiträgerverfahren, FH Kiel. [3] Informationen für Kabelnetzbetreiber, Fachhandwerk und Wohnungswirtschaft; Projektbüro DVB-T Bayern, Stand April 2005. [4] Rudolph, D.: Vielträgermodulation, TFH-Berlin, 2003; Vergleichende Beurteilung der Versorgungskriterien für DAB und DVB-T, Forschungsverbund Medientechnik Südwest. [5] DVB-T Indoor Reception, Validation of Coverage, www.ero.dk/06F5C507-565A-49CA-9302-5401903554E8, Divitron Inc., Finnland. [6] Schlegel, P.; Kuhn, T.: Skript für Nachrichtentechnisches Praktikum - Messungen in digitalen Übertragungssystemen am Beispiel DVB-T, Institut für Nachrichtentechnik, Universität Braunschweig. EP1006-822-849-ak 05.10.2006 13:33 Uhr Seite 849
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- K. Jungk
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