Der einfache Blaumann war gestern
ep4/2006, 3 Seiten
Mehr Leistung durch besseren Tragekomfort Neben der Identifikation des Arbeitnehmers mit seinem Unternehmen, einem einheitlichen Auftritt beim Kunden und der Schutzfunktion der Arbeitskleidung soll sich der Träger in ihr auch wohlfühlen. Damit wird ebenfalls seine Leistungsfähigkeit unterstützt. Inwieweit ein Kleidungsstück diese Anforderungen erfüllt, lässt sich nur schwer oder gar nicht anhand des reinen Augenscheins beurteilen. Es gibt aber praktische Orientierungshilfen mit denen die Auswahl geeigneter Berufskleidung erleichtert wird. Kleidungsstücke mit optimiertem Tragekomfort erhöhen die Leistungsfähigkeit des Trägers nachweislich. Was im Sport- und Freizeitbereich gang und gäbe ist, sollte deshalb auch bei der Kleidung für den Arbeitsalltag eine Selbstverständlichkeit sein: textile Materialien, welche die physiologischen Vorgänge im Körper und hier besonders die Temperaturregelung in Abhängigkeit vom Umgebungsklima und der jeweiligen Tätigkeit unterstützen. Der Tragekomfort von Kleidungsstücken ist dabei keineswegs eine subjektive Größe, sondern er ist objektiv mess- und bewertbar. Tragekomfort ist messbar Die Wissenschaftler des internationalen Forschungszentrums Hohensteiner Institute in Bönnigheim haben aufbauend auf jahrelange Forschungen die so genannte Tragekomfortnote entwickelt. Diese reicht von 1 „sehr gut“ bis 6 „ungenügend“ und wird basierend auf einer Reihe von Messwerten errechnet, die im bekleidungsphysiologischen Labor ermittelt werden (Bild ). Die Tragekomfortnote (Bild a) deckt dabei sowohl die thermophysiologischen Eigenschaften eines textilen Materials ab, wie z. B. Wärmeisolation, Atmungsaktivität und Feuchte-Management, als auch die hautsensorischen Aspekte. Damit ist gemeint, ob die Textilien als angenehm weich und anschmiegsam empfunden werden oder im Gegensatz dazu als unangenehm kratzend bzw. auf der schweißfeuchten Haut anklebend. Objektive Messmethoden Für all diese Eigenschaften von Textilien haben die Hohensteiner Experten objektive Messmethoden entwickelt, deren Ergebnisse in die Berechnung der Tragekomfortnote einfließen. Diese wird von einigen Herstellern bereits in Broschüren oder mit dem Hohensteiner Qualitätslabel sogar direkt am Produkt ausgewiesen. Gleiches gilt für Zusatzfunktionen eines Kleidungsstückes oder -systems wie die antistatische Wirkung des Materials, die gerade in elektrotechnischen Berufen häufig zum Anforderungsprofil gehört (Bild b) Gute Passform ist wichtig Gute Passform sorgt für Akzeptanz. Wird die Berufskleidung aufgrund mangelnder Passform als lästig oder unangenehm empfunden, leidet neben der optischen Wirkung auch die Akzeptanz beim Träger. Bei der Prüfung der Passform werden an den Hohensteiner Instituten die Kleidungsstücke von Versuchspersonen anprobiert, deren Körpermaße mit der angegebenen Konfektionsgröße übereinstimmen. Grundlage der Passformbewertung bei Berufskleidung bilden wie bei der Alltagskleidung die Größentabellen für Damenoberbekleidung (DOB) sowie Herren-und Knabenkonfektion (HAKA). Von erfahrenen Bekleidungstechnikern werden die Kleidungsstücke hinsichtlich Längen- und Weitenmaßen, Gebrauchstauglichkeit, Bewegungsfreiheit, Funktion und Optik beurteilt. Diese Prüfung wird nicht nur bei neuen Kleidungsstücken durchge-BETRIEBSFÜHRUNG Der einfache Blaumann war gestern Berufskleidung erfüllt in der modernen Arbeitswelt wichtige Funktionen. Beim Arbeitnehmer sorgt sie für die Identifikation mit dem Unternehmen und für einen einheitlichen Auftritt beim Kunden. Je nach Einsatzbereich muss sie den Träger oder die zu verarbeitenden Produkte vor Beeinträchtigungen schützen. Funktioneller Arbeitsbekleidung gehört daher die Zukunft. Das Hautmodell simuliert Wärme- und Schweißabgabe der menschlichen Haut Fotos: Hohensteiner Institute a Bewerten mit einer Tragekomfortnote und b Prüfen der antistatischen Ausrüstung als Zusatzkriterium bei elektrotechnischen Arbeiten a) b) EP0406-266-277 21.03.2006 16:00 Uhr Seite 272 führt, sondern auch nach erfolgter Pflegebehandlung, d. h. Waschen, Reinigen und Trocknen. Die Passform eines Kleidungsstückes soll sich im Optimalfall, ebenso wie der Zustand des Materials, der Nähte usw. nicht verändern. Auf Schadstoffe prüfen Da Berufskleidung den gesamten Arbeitstag und dabei zum Teil mit direktem Hautkontakt auf großen Körperpartien getragen wird, müssen besonders hohe Anforderungen hinsichtlich der Hautverträglichkeit gestellt werden. Öko-Tex Standard 100 Produkte, die nach dem Öko-Tex Standard 100 geprüft und zertifiziert sind, bieten die notwendige Sicherheit, da sie frei von gesundheitsbedenklichen Schadstoffmengen und besonders hautverträglich sind. Basis für die Prüfungen nach dem Öko-Tex Standard 100 ist ein international verbindlicher Kriterienkatalog, der mehr als 100 Prüfparameter umfasst. Dazu gehören u. a. der Ausschluss verbotener AZO-Farbmittel, krebserregender und allergisierender Farbstoffe, Pestizide und chlororganischer Färbebeschleuniger. Schwermetalle und Formaldehyd werden bestimmt und dürfen die strengen Grenzwerte nicht überschreiten. Darüber hinaus müssen die Textilien farbecht sein und einen hautfreundlichen pH-Wert aufweisen. Damit gehen die Anforderungen des Öko-Tex Standards deutlich über die nationalen und internationalen gesetzlichen Vorgaben hinaus. Vier Produktklassen Abhängig vom jeweiligen Verwendungszweck werden Textilien beim Öko-Tex Standard 100 in vier Produktklassen eingeteilt. Dabei gilt: je intensiver der Hautkontakt, desto höher die Anforderungen. Berufskleidung wird grundsätzlich nach den Vorgaben der Produktklasse II geprüft - nur für Babykleidung gelten noch strengere Kriterien. Wichtig für den Träger ist auch, dass bei Produkten, die das Öko-Tex Label „Textiles Vertrauen“ führen, sämtliche, auch nicht textile Bestandteile, den strengen Anforderungen entsprechen. So müssen z. B. auch Knöpfe und Reißverschlüsse geprüft werden und dürfen als metallisches Zubehör praktisch keine Schwermetalle oder allergisierend wirkende Nickelanteile abgeben. Richtige Pflege als A und O Maßgeblich für die anhaltende Gebrauchstauglichkeit und damit Lebensdauer von Textilien ist deren fachgerechte Aufbereitung. Gewerbliche Wäschereien bieten mit ihrem modernen Maschinenpark, überwachten und optimierten Waschprozessen und gut ausgebildeten Mitarbeitern dabei eine ökonomisch und ökologisch interessante Alternative zur Aufbereitung in Eigenregie. Für hygienisch anspruchsvolle Bereiche ergeben sich zusätzliche Vorteile durch die Einhaltung aller relevanten Gesetze und Vorgaben. Ökologie und Ökonomie Das Waschen unter industriellen Bedingungen ist deutlich ökologischer als das Waschen im Haushalt: Allein durch den Gebrauch von Weichwasser, d. h. der Nutzung von aufbereitetem Wasser aus Spülgängen, und den Einsatz moderner Strömungswaschanlagen ist der Waschmittel-, Wasser- und Energie-Verbrauch erheblich geringer als mit Haushaltswaschmaschinen. Insbesondere bei stark verschmutzten Textilien aus Industrie und Handwerk ergeben sich durch die Haushaltswäsche zusätzliche Belastungen der Umwelt, da die ausgewaschenen Schmutzpartikel direkt im Abwasser landen. In Textilpflegebetrieben dagegen werden diese ausgefiltert und gesondert entsorgt. Zusammen mit der hohen Rationalität innerhalb eines spezialisierten Betriebes ergeben sich Kostenvorteile, welche die gewerblichen Wä- BETRIEBSFÜHRUNG IM ÜBERBLICK Vorteile der Nutzung von Leasingtextilien Qualität · jederzeit Wäschebestand im Bestzustand · Berücksichtigung aller relevanten Gesetze und Verordnungen bereits bei der Auswahl der Kleider und Textilien Kosteneinsparung · Wegfall hoher Investitionskosten, weniger Kapitalaufwand · keine schwer überschaubaren Folgekosten (Austausch, Reinigung und Reparatur) · individuelle und kostentransparente Abrechnungssysteme · Leasinggebühr als feste Kalkulationsgröße Logistik · kein logistischer Aufwand und Reduzierung der Lagerfläche · Anlieferung der Wäsche - just-in-time · PC-gestützte Steuerung der Abholung und Belieferung · Bereitstellung von Transportsystemen wie Containern und Rollwagen Service · mehr Flexibilität bei Personalveränderungen, bei der Kleidergröße und Tätigkeitsbereichen · individuelle Lösungen, abhängig von der Sparte und Unternehmensgröße EP0406-266-277 21.03.2006 16:00 Uhr Seite 273 schereien an ihre Kunden weitergeben - verbunden mit einer Vielzahl von Serviceleistungen vor allem im Bereich Logistik. Vorreiter bei der ständigen Weiterentwicklung von Waschprozessen im Hinblick auf Materialschonung und ökonomischen Einsatz von Waschmittel, Wasser und Energie sind die Mitglieder der Gütegemeinschaft sachgemäße Wäschepflege e. V.. Die in der Gütegemeinschaft organisierten gewerblichen Wäschereien bieten ihren Kunden neben einem optimalen Kosten-Nutzen-Verhältnis auch eine gleichbleibend hohe Qualität, die neutral überwacht wird (Bild ). Miet- und Leasingtextilien Neben der Aufbereitung von Textilien, der so genannten Lohnwäsche, bieten viele gewerbliche Wäschereien ihren Kunden zunehmend auch Miet- und Leasingtextilien. Der Anteil der Leasingtextilien am Gesamtmarkt hat in den letzten Jahren beträchtlich zugelegt. Das hat gute Gründe (Im Überblick). Bei Miettextilien beschränkt sich die Logistikleistung der Wäscherei auf die Abholung und Lieferung der Textilien vom bzw. zum Kunden. Bei Leasingtextilien übernimmt der Dienstleister darüber hinaus auch die Logistik im Betrieb des Kunden. D. h., saubere Berufskleidung wird auf Wunsch sogar direkt in die Mitarbeiterspinde geliefert. Auch die Lagerbestände werden vom Leasinggeber selbstständig nach den Vorgaben seines Auftraggebers übernommen. R.-M. Riedl Elektropraktiker, Berlin 60 (2006) 4 274 BETRIEBSFÜHRUNG Ständige neutrale Qualitäts- und Hygienekontrolle WEB-TIPP Hohensteiner Institute www.hohenstein.de Schadstoffprüfungen www.oeko-tex.com Mitglieder der Gütegemeinschaft sachgemäße Wäschepflege e. V. www.waeschereien.de AKTUELLES URTEIL Hohe Nachzahlungen zur Rentenversicherung Mit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) zur Rentenversicherungspflicht von Gmb H-Geschäftsführern (GF) vom 24.11.2005 - Az. B 12 RA 1/04 R - kommen auf viele Familienunternehmen hohe Nachzahlungen zu. Rückwirkend sind für so genannte „Scheinselbständige“, vor allem Gmb H-Geschäftsführer, „überraschend“ Rentenversicherungsbeiträge zu bezahlen. Vor dem BSG verlor der Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) mit seiner Gmb H. Danach unterliegt auch ein nur für seine eigene Gmb H tätiger Gmb H-GF der Rentenversicherungspflicht. Dies gilt natürlich dann auch für den Director einer englischen Ltd. mit deutscher Niederlassung. Dies betrifft nicht nur Ein-Mann-Gmb H's, sondern auch Gmb H´s mit mehreren GF. Es spielt keine Rolle, ob weitere GF verwandt sind - also z. B. mitarbeitende Ehegatten und/oder Kinder. Die Nachzahlung kann alle betreffen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes war das Ergebnis des Rechtsstreits absehbar, § 2 Satz 1 Nr.9 SGB VI. Vermutlich sind hunderttausende GGF betroffen - und deren steuerliche Berater. Tipp: Der GGF sollte von sich aus umgehend eine Statusprüfung anstreben, damit er so weit wie möglich abgesichert ist. Ein formloser Antrag bei der „Deutschen Rentenversicherung Bund“ (Berlin) genügt. Für die Zukunft können die Verhältnisse oft „repariert“ werden - für die Vergangenheit ist dies in der Regel nicht möglich. Bei der bAV-Beratung kann die Sozialversicherungspflicht in der Rentenversicherung unrichtig angegeben sein. Dies kann im Haftungsprozess vom Gericht als fehlerhaft angesehen werden. Hier können Vermittler und steuerliche Berater, vor allem auch Versicherungsmakler, in der Haftung stehen. (Aus dem Kommentar von RA J. Fiala, München - www.fiala.de). EP0406-266-277 21.03.2006 16:00 Uhr Seite 274
Autor
- R.-M. Riedl
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