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Betriebsführung

Contracting - Zukunftsfeld für das Elektrohandwerk?

ep6/1999, 5 Seiten

Neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen sich für das Handwerk. Neben dem Facility Management und der handwerklichen Leistungsspanne kann sich gleichfalls die Dienstleistung "Contracting" – also die ganzheitliche Energiebewirtschaftung – zu einem solchen Zukunftsfeld mit erheblichem Marktpotential für Klein- und Mittelbetriebe erschließen. Der Beitrag erläutert ihre Grundzüge sowie die Chancen für das Handwerk.


Üblicherweise bezieht der Kunde (z. B. Privatperson, Kommune) zur Raumwärme- und Warmwasserbereitstellung, zur Beleuchtung u.a. in den Liegenschaften die Energie (Erdgas, Heizöl oder Strom). Mit dem Gebäude befindet sich auch die energieverbrauchende Anlage (Heizung, Beleuchtung) im seinem Eigentum. Für die Betriebsführung und Instandhaltung ist letztlich der Eigentümer zuständig. Vor allem aus Sicht des Kunden bzw. Eigentümers gibt es seit geraumer Zeit Bestrebungen, diesen Zustand mit der ganzheitlichen Energiebewirtschaftung zu seinen Gunsten zu verändern. 1 Was bedeutet „Contracting“? Der englische Begriff „Contracting“ umschreibt einen zivilrechtlichen Vertrag, der zwischen dem Dienstleister (Contractor) und seinem Kunden (Contractingnehmer) geschlossen wird. In diesem Vertrag verpflichtet sich der Contractor zur Übernahme der Energiebewirtschaftung in einem bestimmten Objekt. Der Contractingnehmer vergütet diese Leistung. Dazu können bis zu fünf Aufgabenbereiche zählen: · Planung eines Energiebewirtschaftungskonzeptes · Umsetzung dieses Konzeptes durch die Installation technischer Anlagen · Finanzierung · Betrieb der technischen Anlagen · Wartung der technischen Anlagen. Im Idealfall übernimmt ein einziger Contractor diese Aufgaben und bietet dem Kunden das vollständige Paket. Allerdings wird es nur wenig Partner geben, die in der Lage sind, diese Aufgaben insgesamt eigenständig zu erfüllen. 2 Welche Varianten des Contracting gibt es? Anlagen-Contracting. Bei dieser Form investiert ein Energiedienstleistungsunternehmen in Anlagen zur Energieumwandlung beim Auftraggeber. Zusätzlich umfaßt die Dienstleistung die Energielieferung (Brennstoffe, Strom), die Betriebsführung sowie die Instandhaltung der montierten Anlage. Ein typisches Beispiel ist die Versorgung eines Hallenschwimmbades durch ein Blockheizkraftwerk BHKW [5]. Ein Betriebsführung Elektropraktiker, Berlin 53 (1999) 6 524 Contracting - Zukunftsfeld für das Elektrohandwerk? W. Tschischka, Mannheim Neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen sich für das Handwerk. Neben dem Facility Management [1] [2] und der in [3] zusammengefaßten handwerklichen Leistungsspanne kann sich gleichfalls die Dienstleistung „Contracting“ - also die ganzheitliche Energiebewirtschaftung - zu einem solchen Zukunftsfeld mit erheblichem Marktpotential für Klein- und Mittelbetriebe erschließen. Der folgende Beitrag erläutert ihre Grundzüge sowie die Chancen für das Handwerk [4]. Dipl.-Ing. Walter Tschischka ist Vizepräsident des ZVEH und Vorsitzender der Bundesfachgruppe Installation, Frankfurt/Main Autor Tafel Eigenschaften des Einspar-Contracting Vorteile · kein Kapitalbedarf für den Auftraggeber · nur ein Ansprechpartner für die gesamte Dienstleistungspalette Planung, Finanzierung, Umsetzung, Controlling, Instandhaltung · Entlastung des Kommunalhaushaltes · Vergütung anhand tatsächlich realisierter Einsparungen · Risikoverlagerung (technisch, finanziell) auf den Contractor Nachteile (Kundensicht) · fehlende Verbreitung/Erfahrung · erhöhter organisatorischer Anfangsaufwand · aufwendige Vertragsgestaltung und -abwicklung, nicht attraktiv für kleinere Investitionen bzw. geringe Kosteneinsparungen · lange Laufzeit (> 5 Jahre) · längerfristige Bindung an den Contractor. Referenzkosten Referenzverbrauch eingesparte Energiekosten für die Finanzierung der Maßnahmen/Investitionen Installation der Anlagentechnik Optimierung der Haustechnik Installation der Anlagentechnik Optimierung der Haustechnik Status Quo 0 Vertragslaufzeit 10 Investitionszeitpunkt durch den Contractor Übergabe an den Kunden Laufzeit in Jahren Energiekosten für den Kunden Energiekosten ohne Optimierung Zeitpunkt der Umweltentlastung Vertragsende mit dem Contactor - Zeitpunkt der Kostenreduktion beim Kunden Energiekostensenkung beim Kunden Energiekosten in DM/Jahr Relative Kostensituation beim Einspar-Contracting Zeitliche Entwicklung der Energiekosten beim Einspar-Contracting EVU installiert mit eigenen Mitteln in einem gemeindeeigenen Gebäude ein BHKW und tritt der Gemeindeverwaltung gegenüber als Wärme- und Stromlieferant auf. Neben dem Bezug der benötigten Brennstoffe kümmert sich das EVU ebenfalls um Betriebsführung und Instandhaltung. Die Abrechnung erfolgt auf Basis der gelieferten Wärme- und Strommenge. Einspar-Contracting (Performance-Contracting). Ein solches Modell zielt auf die Verringerung des Energiebedarfs. Das Entgeld für den Auftragnehmer (Contractor) orientiert sich an den nachgewiesenen Kosteneinsparungen. Sie sollen ausreichen, um die Investitionsausgaben innerhalb der technischen Lebensdauer der Anlage zu refinanzieren. Während der Laufzeit setzen sich die Kosten beim Auftraggeber (Contactingnehmer) für die Energiebewirtschaftung zusammen aus den · (reduzierten) Kosten für den Energiebezug und · Contracting-Raten. Nach Beendigung der Vertragsbeziehung entfällt die Contracting-Rate. Der Auftraggeber profitiert dann in vollem Umfang von den erzielten Kosteneinsparungen (Bild , ). Betriebsführungs- und/oder Instandhaltungs-Contracting. Hierbei wird eine Anlage losgelöst von den genannten Varianten betrieben. Für Überwachung, Wartung, Betriebsoptimierung und Anlagenunterhalt sowie für die Disposition des Primärenergieeinkaufs erhält der Contractor eine vertraglich festgelegte Abgeltung. Tafel faßt die Vor- und Nachteile der insgesamt vorteilhafteren Vertragsbeziehung Einspar-Contracting zusammen. 3 Wie sieht der Markt aus? Grundsätzlich sind alle Liegenschaften geeignet, die ein ausreichend großes wirtschaftliches Potential zur Reduzierung der Energiekosten bieten. Für Kundengruppen bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten (Tafel ). Zu den potentiellen Contracting-Anbietern zählen Versorgungsunternehmen, EVU, Energieagenturen, Anlagen- und Komponentenhersteller, Ingenieurbüros, kommunale Gesellschaften, Geldinstitute, aber auch das Handwerk, speziell das Elektrohandwerk. Beispiele. zwei ausgeführte Projekte stehen stellvertretend für erreichbare Effekte. · Bei den Rheinischen Kliniken in Bonn konnten mittels Modernisierung (Einsatz BHKW, DDC, Wärmerückgewinnung, Energiemanagement u.a.; Investitionsvolumen 8.700 TDM) die Energiekosten um 1.000 TDM/a auf 2.000 TDM/a reduziert werden. Der Contractor übernimmt Betrieb und Wartung, der Kunde bezahlt nur noch die benötigte Energie (Anlagen-Contracting). · Bei der Sanierung der Beleuchtungsanlage eines Industriebetriebs mit einer Vertragssumme von 110.000 DM wurde der Anschlußwert von 86 kW auf 27 kW gesenkt. Daraus ergab sich eine Kostenersparnis von 56.000 DM/a. Die Anlage blieb bis zur vollständigen Bezahlung Eigentum des Contractors (Einspar-Contracting). 4 Contracting - ein Zukunftsfeld auch für das Handwerk? Contracting ist zweifellos ein Zukunftsfeld für die EVU-Wirtschaft. Die ohnehin günstigen Voraussetzungen (Marktzugang, Finanzkraft, Quasimonopol als Netzbetreiber usw.) werden durch die Liberalisierung der Energiemärkte [6] [7] unterstützt. Ist nun diese Form der Energiedienstleistung auch ein Zukunftsfeld für das Elektrohandwerk? Diese Frage muß/kann uneingeschränkt mit ja beantwortet werden, sofern die Voraussetzungen · Zugang zum Energiemarkt (EVU-unabhängig) · Zugang zu den Netzen (Verbändevereinbarung) · Zugang zu den Kapitalmärkten · Kooperationsbörsen für das Handwerk erfüllt werden. Darüber hinaus sind · Gewerkübergreifendes Denken und Handeln (wie etwa beim Fachbetrieb für Gebäudetechnik) · Hohe Weiterbildungsbereitschaft · Technisches Know-how · Kaufmännisches Know-how · Hohe Kooperationsbereitschaft auszubauen. Die zuletzt genannten Punkte gehören in erster Linie zur Aufgabe jedes einzelnen Betriebs. Die betrieblichen strategischen Überlegungen · Vor-Ort-Kooperation · Beteiligung an Kooperationsbörsen Elektropraktiker, Berlin 53 (1999) 6 527 Anwendungs- Kundengruppen bereiche Haushalte Gewerbetarif- Sondervertrags- öffentliche Wohnungsbau kunden kunden aus Einrichtungen Industrie, Handel und Gewerbe Wärme X X X X Kälte X X Beleuchtung X X X Druckluft X Lüftung X X Tafel Anwendungsmöglichkeiten der Energiedienstleistung · Intensivierung der Weiterbildung · Gewerkübergreifende Betätigung als Systemintegrator · Wandlung vom Elektrohandwerker zum Energiedienstleister müssen durch den Verband unterstützt werden. Schwerpunktthemen der Verbandsarbeit sollten daher sein: · Zusammenarbeit mit unabhängigen Energieanbietern (Kooperation, Beteiligung ) · Politisches Wirken zur Abschaffung des Quasi-Netzmonopols · Gründung einer gewerkübergreifenden Kooperationsbörse (etwa unter Nutzung des Internet) · Zusammenarbeit mit Finanzdienstleistern · Strategische Allianz mit dem SHK-Handwerk · Marketing. 5 Welches Geschäftsrisiko besteht? Das Hauptrisiko liegt bei möglichen nachhaltigen Änderungen des Energieabsatzes. Im ungünstigsten Fall kann sich ein totaler Absatzverlust (Wegzug oder Konkurs des Contractingnehmers) einstellen. Dieses Risiko ist aber vertraglich abzuwälzen. Kleine und mittlere Anlagen lassen sich im schlimmsten Fall demontieren und anderenorts wieder errichten. Da das bei Großprojekten kaum möglich ist, müssen sie grundsätzlich als unsicherer bezeichnet werden. Das Risiko des Nichterbringens von Leistungswerten neu erstellter Anlagen ist beherrschbar. Das Maschinenrisiko ist leicht versicherbar. Als relativ risikoarm erweist sich das Betriebsführungs- und/oder Instandhaltungs-Contracting. Eine Investition durch den Contractor erfolgt nicht. Sollte es nicht gelingen, die o.a. Voraussetzungen zu schaffen und die geschilderten Risiken zu tragen, muß sich das Elektrohandwerk (von Einzelfällen abgesehen) im Zukunftsfeld Contracting als Subunternehmer betätigen. Der Weg zum kundennahen Energiedienstleister und Systemintegrator bliebe dem Elektrohandwerker versperrt. Die unstrittigen Vorzüge des Handwerks wie Kundennähe, Flexibilität und günstige Kostenstruktur würden in diesem Bereich nicht genutzt. Literatur: [1] Krause, J.: Hamburger Facility Management AG (HFM AG) nimmt operatives Geschäft auf. Elektropraktiker, Berlin 52(1998)11, S. 1030 [2] Krause, J.: 1. Hamburger Facility Management Fachkongreß: Experten diskutieren Strategien des Handwerks. Elektropraktiker, Berlin 53(1999)4, S. 260 [3] Schmitt, A.: Im Spannungsfeld: Der Elektrohandwerksbetrieb zwischen Tradition und Innovation. in: Chancen in der Elektrobranche 1999, HUSS-MEDIEN Gmb H, Verlag Technik Berlin 1999 [4] Krause, J.: DOMOTECHNIKA 1999 Köln mit ZVEH-Tagung: Trends in der Hausgerätetechnik und im Handwerk wurden deutlich. Elektropraktiker, Berlin 53(1999)4, S. 262 [5] Kabisch, H.: Blockheizkraftwerke unterstützen umweltfreundlich die Versorgung mit Strom und Wärme. Elektropraktiker, Berlin 53(1999)3, S.228 - 232 [6] Interview mit J. Lange: Das Energiewirtschaftsgesetz bringt auch für den Handwerksbetrieb sinkende Energiepreise. Elektropraktiker, Berlin 52(1998)11, S. 1007 - 1008 [7] Krause,J.: Der direkte Weg zum Verbraucher - Power-Line Elektropraktiker, Berlin 53(1999)5, S. 556 Betriebsführung

Autor
  • W. Tschischka
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