Regenerative/Alternative Energien
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Elektrotechnik
Brennstoffzelle und Wasserstoff: Energiekonzept der Zukunft
ep4/2001, 4 Seiten
Angepasste dezentrale Stromversorgung Die Brennstoffzelle (BZ) wandelt bekanntlich die in Wasserstoff (H2) chemisch gespeicherte Primärenergie in Elektroenergie um. Sie arbeitet dabei mit einem für Wärmekraftwerke und Blockheizkraftwerke (BHKW) aus physikalischen Gründen unerreichbar hohen Wirkungsgrad. Darüber hinaus kann ihre Abwärme zur Heizung, als Prozesswärme oder auch zum Antrieb nachgeschalteter Stromerzeuger genutzt werden. Gleichzeitig verbessert sie damit den Ausnutzungsgrad der zugeführten Primärenergie. Im Gegensatz zu den genannten Stromerzeugern entstehen bei der Stromgewinnung mit BZ weder die klimagefährdenden CO2-Emissionen noch Schadstoffe. Vorteilhaft ist auch der modulare Aufbau, der eine exakte Anpassung des Stromangebots an den Stromverbrauch erlaubt. Aus diesen Gründen gilt die BZ für die dezentralisierte stationäre Stromversorgung, für Fahrzeugantriebe und für transportable Geräte als Stromquelle der Zukunft ([1] einschließlich der dort angegebenen Literatur). Stromgestehungskosten sind entscheidend Verbesserungen des Zellaufbaus und der Fertigungstechnologie haben die BZ im letzten Jahrzehnt in die Nähe der Marktreife gebracht (Bild ). Dennoch steht sie erst am Anfang einer Entwicklung und hat selbst nach erfolgter Markteinführung noch ein Innovationspotential für die kommenden Jahrzehnte - vergleichbar mit Eisenbahn, Automobil oder der flächendeckenden Stromversorgung vor 100 Jahren. Damals setzten die ersten dauernd betriebenen Kraftwerke lediglich 15 % der zugeführten Primärenergie um. Inzwischen haben Generatoren in Wärmekraftwerken mit einem Wirkungsgrad bis zu 43 % die physikalisch mögliche Entwicklungsfähigkeit praktisch voll ausgeschöpft. Um absatzfähige Erzeugnisse anbieten zu können, müssen bereits die ersten in Serie gefertigten BZ der Zukunft mindestens das Kosten-Gebrauchswert-Verhältnis der z. Z. lieferbaren Stromerzeuger einschließlich gasbetriebener Motor-BHKW erreichen. Die bisher realisierten und geplanten Pilotanlagen lassen erwarten, dass die technischen Zieldaten, wie Wirkungsgrad, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit sowie einfache Handbabung, erreicht werden. Parallel zur Dauererprobung fließen Test- und Forschungsergebnisse in die ersten serienreifen Erzeugnisse ein. Konkurrenzfähig Größere Unsicherheiten bestehen hinsichtlich der zu erwartenden Verkaufspreise des BZ-BHKW. Die Stromgestehungskosten müssen konkurrenzfähig sein. Maßstab ist dabei nicht zuletzt ein vergleichbares, aber gasmotorisch angetriebenes BHKW [2]. Die Preise werden auch von einer weitgehend automatisierten Serienproduktion der BZ-Stapel und der dafür benötigten Zulieferteile bestimmt. Deshalb sind Hersteller dazu übergegangen, selbst im unteren Leistungsbereich von weit weniger als 10 kW, beispielsweise zwei BZ-Stapel parallel zu schalten und zunächst nur einen BZ-Typ zu realisieren. Bevorzugt werden BZ aus den USA, die auf Grund ihres zeitlichen Vorsprungs auch auf dem europäischen Markt Fuß fassen. Dennoch gehen die zukünftigen Lieferanten der kompletten BZ-BHKW davon aus, dass die Bundesregierung den Markteintritt durch eine Anschubförderung subventioniert. Dazu gehört auch die Einbeziehung der neuen Technologie in den von der Bundesregierung beschlossenen Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Bis Jahresende sollen die Eckpunkte einer so genannten Quotenregelung vorliegen, die Energieerzeugung Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 4 314 Brennstoffzelle und Wasserstoff: Energiekonzept der Zukunft H. Kabisch, Berlin Die für die Jahre 2002/03 angekündigten ersten kommerziell verfügbaren Brennstoffzellen und die laufenden Tests der Vorserienmuster zeigen es: Die Zeit ist reif. Elektroindustrie und -handwerk müssen jetzt zusammen mit den Fachverbänden in die Vermarktung dieser Technologie einsteigen. Schließlich handelt es sich um eine Innovation, die in Verbindung mit Wasserstoff und regenerativen Energiequellen die Versorgung mit Strom und Wärme verändern wird. Dipl.-Ing. Helmut Kabisch ist als freier Fachjournalist in Berlin tätig. Autor An der BZ tüftelte ihr Erfinder, der Brite William Grove, schon 1839. Erst neueste Forschungsergebnisse, beispielsweise aus der Nanotechnologie (1 Nanometer = 1 Millionstel mm), verhalfen ihr jetzt zur Marktreife. Im BZ-Auto ermöglichen ihre extrem kleinen Strukturen den Aufbau effizienter H2-Speicher. (Foto: Siemens) Wasserstoff und Brennstoffzellen Die beiden Gemeinschaftsstände zu Wasserstofftechnologie und Brennstoffzellen auf der Hannover Messe 2001 (23. bis 28. April 2001) werden ihre Vorgänger in jeder Hinsicht übertreffen. Die Ausstellungsfläche ist mit 1600 m2 etwa doppelt so groß wie bei der letzten Messe. Derzeit haben sich 52 Aussteller fest angemeldet (2000: 32). Sieben Länder sind neben Deutschland vertreten. Mehr und mehr sind neben den Entwicklern und eigentlichen Zellenherstellern die Zulieferer und Anwender vertreten. Die Schau wird auf die Hallen 18 und 13 verteilt sein. In Halle 18 stehen Forschung und Entwicklung im Mittelpunkt. Hochschulen, Forschungsinstitute und Firmen werfen einen Blick in die Zukunft. In Halle 13 bilden die Gegenwart und unmittelbare Zukunft das Herzstück: Den Besuchern werden jetzt oder in Kürze einsetzbare kommerzielle Produkte und Dienstleistungen vorgeführt. Wasserstoff und Brennstoffzellen stehen dicht an der Schwelle des Marktes. Die Ausstellungsfläche in Halle 13 hat sich im Vergleich zum letzten Mal beinahe vervierfacht. Der Deutsche Wasserstoff-Verband e.V. (DWV) wird in beiden Hallen vertreten sein. Hannover Messe 2001 ab 2002 den Einsatz von BZ-BHKW unterstützen könnte. Unabhängig davon denken Unternehmen der Energiebranche darüber nach, ob Finanzierungskonzepte wie Leasing oder die Bezahlung der Investitionen mit dem Strom, den der Betreiber über seinen Eigenverbrauch in das Netz liefert, sinnvoll sind. Fernziel ist die H2-Energiewirtschaft Der zum Betrieb der BZ erforderliche Brennstoff H2 kommt in der Natur nicht ungebunden vor. Er ist aber insbesondere als Wasser (H2O) reichlich vorhanden. Um mobile, portable oder stationäre BZ flächendeckend mit Energie zu versorgen, soll H2 perspektivisch zentral erzeugt und über eine entsprechende Infrastruktur (Tankstellen, Rohrsysteme usw.) bis an die Zapfstellen und in die Gebäude verteilt werden. Beide Voraussetzungen sind gegenwärtig nicht erfüllt, so dass die Nutzung von H2 „pur“ nur das Endziel einer völlig neuen Energiewirtschaft ist. Bild zeigt, auf welchen Wegen H2 gewonnen werden könnte. Allerdings sind nicht alle Verfahren geeignet, einen Beitrag zu einer klimaneutralen sowie ressourcenschonenden H2-Energiewirtschaft zu leisten. Ihre Nutzung setzt voraus, dass alle Verfahren erforscht sind und daraus Realisierungsmöglichkeiten, Kosten und Grenzen der Anwendung abgeleitet werden. In dieses erst am Anfang stehende Forschungsprogramm sind auch weitgehend unbekannte Verfahren der Solarchemie einbezogen. Ihr Ziel ist es, mit thermo- oder photochemischen Reaktionen solar gewonnene Energie in Form von chemischer Energie zu speichern. H2 und regenerative Energien Von zentraler Bedeutung für den Aufbau einer nachhaltigen Energiewirtschaft sind auch Verfahren, die mit Strom aus Sonnenenergie oder Biomasse Wasser elektrolytisch in H2 und O2 spalten. Allerdings sind die dabei verursachten Energieverluste groß. Deshalb wird auf diesem Weg H2 nur erzeugt, um damit die Lastspitzen abzudecken. Das bedeutet, dass auf dem Umweg über die Elektrolyse nur der Anteil an regenerativ gewonnenem Strom in H2 gewandelt und gespeichert wird, der im netzgekoppelten Betrieb zeitweise nicht verbraucht werden kann. Eine Umsetzung dieses Konzepts ist erst dann flächendeckend möglich, wenn der Stromanteil aus erneuerbaren Quellen drastisch erhöht wird - ein Programm für mehr als zwei Jahrzehnte. Die Zeit wird zeigen, ob und inwieweit ein solches Programm wirtschaftlich realisierbar ist. Alternativ gäbe es die Möglichkeit, ähnlich wie heute Erdgas, künftig H2 über Rohrleitungssysteme oder im Schiffstransport zu beziehen. Untersucht werden deshalb Möglichkeiten, beispielsweise mit Sonnenenergie in der Sahara oder mit Wasserkraft in Kanada gewonnenen H2 zu importieren. Letztlich ist es das Bestreben, anstelle der bisher genutzten fossilen Energieträger den gesamten Energiebedarf regenerativ abzudecken. Dabei wird H2 als Energiespeicher für eine auf den Verbrauch orientierte Strom- und Wärmelieferung über BZ genutzt. Erdgas als Zwischenlösung Nach übereinstimmender Meinung der Experten sollte eine Realisierung des vorgestellten H2-Konzepts etwa bis zur Mitte des Jahrhunderts möglich sein. Voraussetzung ist aber, dass BZ und andere zukunftsträchtige Technologien zur Stromerzeugung und Gewinnung von Nutzwärme breitenwirksam und klimaschonend eingesetzt werden. Gleichzeitig ist schrittweise das Innovationspotential dieser Technologien zu erschließen. Die im Bild angedeutete Nutzung des vorher aufbereiteten wasserstoffreichen Erdgases als Brennstoff für BZ im Bereich der stationären Energieversorgung ist inzwischen vielfach erprobt [1]. Eine leistungs- und erweiterungsfähige Infrastruktur ist in Gestalt der Fern- und der feingegliederten Verteilungsnetze für Erdgas häufig bis in die Gebäude vorhanden [3]. An die Stelle der zentralen Reformierung treten kleinere Einheiten, die das Erd-Energieerzeugung Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 4 316 Technologische Varianten zur Bereitstellung von Wasserstoff: CxHy + H2O kennzeichnen den Reformierungsprozess, der in der Praxis für eine meist mehrstufige Brennstoffaufbereitung steht. GH2 ist gasförmiger, LH2 flüssiger Wasserstoff. (Quelle: TU München) Energieträger Erzeugung Logistik Anwendung Elektrolyse H2O Reformierung Vergasung CxHy + H2O Strom Benzin Diesel Methanol Sonne Erdgas Erdöl Kohle Biomasse stationär mobil portabel Verdichtung GH2 Transport Speicherung Verteilung Verflüssigung LH2 Transport Speicherung Betankung 1500 1000 500 1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020 2040 2060 Exajoules noch offen Geo-/ozean. Energie Solarenergie neue Biomasse Windenergie Wasserkraft trad. Biomasse Kernkraft Erdgas Erdöl Kohle erneuerbare Energie Der Deutsche Wasserstoff-Verband e. V. (DWV) hat eine neue Broschüre, den „Wasserstoff-Führer“ veröffentlicht. Darin sind die 21 wichtigsten Demonstrationsprojekte zu Wasserstoff und Brennstoffzellen beschrieben. Die Veröffentlichung ist gegen eine Schutzgebühr von 5,- DM beim DWV zu beziehen. Er ist auch im Internet unter www.h2guide.de einzusehen. Deutscher Wassrstoff-Verband e. V. Dr. Ulrich Schmidtchen Unter den Eichen 87 12205 Berlin Tel.: (07 00) 4 93 76-835 Fax: (07 00) 4 93 76-329 E-Mail: h2@dwv-info.de Internet: www.dwv-info.de Wasserstoff-Führer Broschüre Prognostizierter Weltenergieverbrauch von 1990 bis 2060: Unter Annahme eines nachhaltigen Wachstums geht die Studie davon aus, dass Mitte des Jahrhunderts erneuerbare Energiequellen 50 % des Weltenergiebedarfs decken könnten. gas so aufbereiten, dass jede BZ optimal mit gereinigtem Brennstoff versorgt wird (vgl. LuK 1/00, S. 11-13 und LuK 10/00, S. 12-15). Eine zusätzliche Versorgungsstruktur ist nicht notwendig. Es ist sogar möglich, in der Übergangsperiode zur H2-Energiewirtschaft das Erdgas in gewissen Grenzen mit H2 anzureichern [4]. Die Erdgasnutzung ist damit eine Vorstufe auf dem Weg zur H2-Technologie. Erdgas ist unter den fossilen Energieträgern der am wenigsten klimaschädliche (vgl. [3], Bild ). Dennoch ist es nur eine Übergangslösung, denn das rasante weltweite Bevölkerungswachstum und die daraus abgeleitete Steigerung des Weltenergiebedarfs erhöhen insgesamt die von Menschen verursachten CO2-Emissionen (Bild ). Keine Alternative zu Erdgas, H2 und BZ Die Erdgas- und Erdölnutzung wird durch die notwendige Schonung der in Jahrmillionen entstandenen und damit unersetzlichen Rohstoffe begrenzt. Da ihre Gewinnung immer komplizierter wird, erwarten die Konzerne bei der Erschließung neuer Lagerstätten höhere Kosten. Nicht zuletzt deshalb rechnet der weltweit zweitgrößte Öl- und Gaskonzern Royal Dutch Shell laut einer Studie in den nächsten Jahrzehnten mit sinkenden Anteilen bei Erdöl/Erdgas (Bild ). Er ist nicht der einzige Mineralölkonzern, der inzwischen in Photovoltaik und Biomasse investiert und sich auch auf diesen Gebieten profiliert (Bild ). Erdgas - so die abschließende Bewertung - ist eine unverzichtbare Brücke beim Übergang zu einem nichtfossilen Energieträger. Darüber sind sich Forscher und die Energiekonzerne weitgehend einig. Erdgas ist wirtschaftlich, wird seine dominierende Stellung weiter ausbauen und sich noch lange gegenüber H2 behaupten. Ohne Erdgas würde die BZ in der stationären Stromversorgung Deutschlands keine Chance haben. In den damit verbundenen Branchen entstünden keine neuen Arbeitsplätze. Aber zur H2-Technologie gibt es keine ernsthafte Alternative. Die fossilen Rohstoffe sind endlich und zur H2-Energiewirtschaft gibt es keine andere Wahl - sofern man die Kernfusion nicht bewertet. Literatur [1] Kabisch, H.: Brennstoffzellen - der lange Weg vom Dauertest zur Marktreife. Elektropraktiker, Berlin 54(2000)12, S. 1069-1074. [2] Kabisch, H.: Blockheizkraftwerke unterstützen umweltfreundlich die Versorgung mit Strom und Wärme. Elektropraktiker, Berlin 53(1999)3, S. 228-232. [3] Kabisch, H.: Minderung der CO2-Emission durch Energiemix. Elektropraktiker, Berlin 55(2001)1, S. 54-56. [4] Kabisch, H.: Innovationspark informiert über Brennstoffzellen. Elektropraktiker, Berlin 54(2000)12, Seite 1084-1085. Energieerzeugung Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 4 Laut einer Studie ist für Erdöl/Erdgas der Höhepunkt der weltweiten Anteile am gesamten Energieaufkommen überschritten. (Quelle: Bilder 3 bis 5 Deutsche Shell AG) 1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000 2020 2040 2060 traditionelle Biomasse Kohle Öl, Gas erneuerbare Energie Kernkraft noch offen Ende 1999 hat Shell Solar Deutschland in Gelsenkirchen eine der weltweit größten Fabriken zur Herstellung von Solarzellen in Betrieb genommen. Hier die sechsgliedrige Produktionshalle. Shell und BP gehören inzwischen zu den bedeutendsten PV-Produzenten.
Autor
- H. Kabisch
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