Gebäudesystemtechnik
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Elektrotechnik
BACnet im Multifunktionsbau
ep6/2010, 3 Seiten
Besondere Anforderungen an die Gebäudeautomation Multifunktionszentren vereinen auf einer großen Fläche und meist über mehrere Etagen hinweg verschiedene Einheiten, wie Geschäfte, Restaurants, Kultur- bzw. Freizeiteinrichtungen und Büros. Dies bedeutet für die Gebäudeautomation die Integration unzähliger technischer Lösungen verschiedener Hersteller sowie tausender Datenpunkte in ein Gesamtsystem. Die Vielzahl unterschiedlicher Funktionen muss nicht nur unter einem Dach vereint, sondern auch effizient betrieben werden. Bei derart komplexen Projekten kann der notwendige Datenaustausch zwischen den einzelnen Komponenten kompliziert sein, wenn dafür nicht ein einheitlicher Kommunikationsstandard genutzt wird, denn oft favorisieren die Produkte eines Herstellers Funktionen oder Standards, die sich von denen anderer Firmen unterscheiden. Standard für Integration und effizienten Betrieb Eine optimale Basis für die gebäudetechnische Ausstattung von Bauten mit Multifunktions-Charakter ist BACnet, das offene Kommunikationsprotokoll für die Gebäudeautomation, mit dem die Interoperabilität zwischen den Geräten verschiedener Hersteller sichergestellt und so ein leistungsfähiges Gesamtsystem realisiert werden kann. BACnet ist als Norm DIN EN ISO 16484-5 [1] international anerkannt und wird weltweit von den bedeutensten Herstellern sowie auch Integratoren der Gebäudeautomation unterstützt. Von der Leittechnik über digitale Regelsysteme bis hin zu den Sensoren und Aktoren gewährleistet der BACnet-Standard durchgängigen Datenfluss. Neben HLK-Anlagen lassen sich damit auch Licht- und Brandmeldetechnik sowie Zutrittskontrolle, Aufzugssteuerung, Funktechnologie und zahlreiche weitere Funktionen in ein Netzwerk einbinden. Auch aus wirtschaftlicher und ökologischer Sicht haben BAC-net-Netzwerke Vorzüge gegenüber heterogenen Systemen, denn selbst wenn ein Datenprotokoll an sich nicht Energie einsparen kann, so trägt es doch erheblich zu der Energieeffizienz einer Liegenschaft bei. Einerseits können sich die Verantwortlichen jederzeit ohne Rücksicht auf bisher eingesetzte Geräte oder Hersteller für die neueste und umweltfreundlichste Anlagentechnik entscheiden, da die Integration sichergestellt ist. Andererseits erlaubt der reibungslose Datenaustausch zwischen der Automations- und Managementebene ein besonders energieeffizientes Management der Liegenschaft, da die energierelevanten Daten, Analysen sowie Sparfunktionen sowohl zwischen den Geräten ausgetauscht als auch zentral überwacht und gesteuert werden können. Nürnbergs energieeffiziente Begegnungsstätte Ein Beispiel für die Realisierung eines Multifunktionsbaus mit BACnet ist das Nürnberger Südstadtforum (Bild ), ein öffentliches Stadtteilzentrum, das Einrichtungen aus Bildung, Kultur und Freizeit in einem Gebäudekomplex vereint. Der viergeschossige Neubau mit einer Gesamtnutzfläche von 3650 m2 wurde nach dem Passivhaus-Standard errichtet. Dabei musste ein bestehender und denkmalgeschützter Altbau aus dem Jahr Elektropraktiker, Berlin 64 (2010) 6 522 AUS DER PRAXIS BACnet im Multifunktionsbau Multifunktions- und Einkaufszentren benötigen aufgrund ihrer vielseitigen Nutzung eine besonders komplexe und ausgefeilte Gebäudeautomation. Hierfür müssen entsprechende Produkte verschiedener Hersteller in ein Gesamtprojekt eingebunden und energieeffizient betrieben werden. Der herstellerneutrale BACnet-Standard kann für eine reibungslose Integration und das gewünschte Zusammenspiel der Komponenten sorgen. Außenansicht des Nürnberger Südstadtforums Beleuchtungsanlage im Foyer des Multifunktionsbaus Blick vom Haupteingang auf den Empfang (links) und ein Lernzentrum (Mitte) Fotos: Delta Controls dass die Straßenbeleuchtung zu nachtschlafender Zeit nur 20 Prozent ihrer Lichtleistung produziert und sie nicht durch Streulicht am Schlafzimmerfenster gestört werden", ist sich Bürgermeister Fischer sicher. Von 5:00 bis 6:00 Uhr morgens wird das Niveau zunächst auf 70 % erhöht und erst ab 6:00 Uhr morgens, mit Einsetzen des Berufsverkehrs, erreicht die Beleuchtung wieder ihr volles Niveau. Die Beleuchtung im 100 %-Modus entspricht dabei der DIN 13201/Beleuchtungsklasse S4. Bei der beschriebenen Leistungsreduzierung erreicht die Gleichmäßigkeit der Beleuchtung in jeder Stufe ein gleich bleibend hohes Niveau. Hierbei werden gravierende Hell-/Dunkel-Übergänge und unbeleuchtete Bereiche vermieden. Nebeneffekte und Technik Die hochmoderne Anlage hat zudem zahlreiche positive Nebeneffekte: Der tatsächliche Stromverbrauch lässt sich schon am nächsten Morgen ablesen und die LED-Lampen halten noch länger, weil sie überwiegend mit verminderter Leistung betrieben werden. Störungen und ihre Ursachen werden über das Steuerungssystem per Datentransfer sofort angezeigt. Bei dem Projekt kam die LED-Leuchte „RFL 534“ des Bispinger Herstellers WE-EF zum Einsatz. Die Steuerung der gesamten Anlage wird durch das System „Siteco Control“ verwirklicht. Die letztendliche Bestimmung der hier für die Straßenbeleuchtung eingesetzten Anwesenheitssensoren mussten die enercity-Techniker in zahlreichen nächtlichen Versuchen selbst herausfinden. An jedem Beleuchtungsmast ist ein Bewegungsmelder in 3 m Höhe angebracht. Die Anlage läuft seit dem 1. März problemlos. Andere Projekte, die auf eine Anforderungs- bzw. Bedarfssteuerung der Straßenbeleuchtung abzielten, erwiesen sich bisher als wenig praxistauglich. Beispiele wären die Aktivierung per Knopfdruck an der Laterne (Konstanz) oder Freischaltung über eine Servicenummer per Handy (Lemgo). In Langenhagen geschieht dies nun höchst komfortabel vollautomatisch. AUS DER PRAXIS 1899 in das Projekt eingebunden und saniert werden. Eine MSR-Anlage mit BACnet-Gebäudeautomation der Firma Delta Controls sorgt dafür, dass das Zentrum mit dem neuen Namen „Südpunkt“ trotz unterschiedlicher Nutzergruppen den hohen Anforderungen an Energieeffizienz gerecht wird. Wichtige Kriterien bei der Umsetzung waren neben Energieeinsparung auch die einfache Bedienbarkeit sowie thermische, visuelle und akustische Behaglichkeit. Die Wärmeerzeugung basiert auf Fernwärme. Um den Heizwärmebedarf niedrig zu halten, wurde die Passivhaus-Gebäudehülle gedämmt bzw. verglast und luftdicht ausgeführt. Zentrale Lüftungsanlagen mit effizienter Wärmerückgewinnung sorgen für den notwendigen Luftwechsel und bei Spitzenlasten in EDV-Schulungsräumen oder im Veranstaltungssaal wird die Zuluft mittels einer über Erdsonden rückgekühlten reversiblen Wärmepumpe auf ein tieferes Temperaturniveau gesenkt. Aufgrund der in solchen Bauten üblichen relativ langen Nutzungszeit von täglich bis zu 14 Stunden spielt auch die Raumbeleuchtung eine wichtige Rolle. Tages- und Kunstlichtanteile sind optimal aufeinander abgestimmt (Bild ). Hierbei wird das Tageslicht durch eine via LON verbundene Steuerung des außen liegenden Sonnenschutzes genutzt oder ausgeschlossen. In sechs Referenzräumen werden alle relevanten Daten, wie z. B. Temperatur, Feuchte und Wärmezufuhr, gemessen und erfasst. Diese Informationen lassen sich dann auf das gesamte Gebäude hochrechnen. Die Steuerung und Regelung der Primäranlagen sowie die Erfassung der Messwerte erfolgt dezentral über offene Bussysteme, wie BACnet/IP mit DDC-Automationsstationen und BACnet MS/TP für Applikationscontroller. Auf einen BACnet-GLT-Rechner sind die Zähler über den M-Bus und der Sonnenschutz mit Hilfe von Gateways über LON aufgeschaltet. Die Errichtung und Programmierung der DDC-Stationen sowie auch die Visualisierung der GLT realisierte die Münchner Firma SZ Regel- und Klimatechnik. Alle Informationsschwerpunkte sind mit einer Handbedienebene und einem Touchscreen-Display für die komfortable Vorort-Bedienung Im Mediterraneo in Bremerhaven können die Besucher beim Einkauf südländisches Flair genießen Insgesamt sorgen 18 Zu- und Abluftgeräte für optimales mediterranes Klima im Einkaufszentrum Fotos: Danfoss Die Komplettlösung Vorkonfektionierte Zentralwechselrichterstation 540 kW | Einfache Planung und Installation -- komplette Elektrotechnik inklusive Monitoringsystem bis zum 20kV Einspeisepunkt | Höchste Erträge -- Spitzenwirkungsgrad Wechselrichter 98,8% | International einsetzbar -- europaweit zertifizierte Wechselrichter, Bauart geprüftes Design und TÜV geprüftes Lüftungssystem voltwerk electronics Gmb H Anckelmannsplatz 1 20537 Hamburg www.voltwerk.com ausgestattet worden. Nach einer Bauphase von ungefähr zweieinhalb Jahren wurde das Projekt zu Beginn des Jahres 2009 abgeschlossen. Einkaufszentrum mit südländischem Flair Dass sich mit Hilfe von BACnet ein angenehm mediterranes Ambiente in einem Einkaufszentrum mit der Fläche von 9000 m2 umsetzen lässt, zeigt das Bremerhavener Mediterraneo (Bild ) - eine 2008 eröffnete Einkaufs-und Erlebniswelt mit insgesamt 40 Geschäften und Restaurants. Das Herz dieses Zentrums bildet eine Plaza, die durch eine 58 m hohe gläserne Kuppel überdacht ist. Die Klimatisierung und den optimalen Luftaustausch für die 8000 bis 10000 Besucher pro Tag erledigen Lüftungsanlagen der Firma Alko, die von Frequenzumrichtern des Herstellers Danfoss gesteuert werden. Die dafür notwendigen Signale erhalten die Umrichter via BACnet-Anbindung an das Leitsystem. Insgesamt sind im Mediterraneo vier Lüftungszentralen untergebracht, in denen neben einer Wärmepumpenanlage auch 18 Zu- und Abluftgeräte ihren Dienst verrichten (Bild ). Für die Steuerung der Lüftungsanlagen-Ventilatoren wird ein auf solche HKL-Anwendungen optimierter Frequenzumrichter von Danfoss verwendet, da sein modularer Aufbau eine einfache Anpassung an die jeweils benötigte Feldbustechnologie ebenso erlaubt wie eine angepasste Erweiterung für zusätzliche Ein- und Ausgänge oder die externe Versorgung mit DC 24 V. Die Feldbusanbindung erfolgt mit Hilfe einer optionalen BACnet-Erweiterungskarte. Bereits serienmäßig verfügt der eingesetzte Frequenzumrichter VLT HVAC Drive FC 102 über alle notwendigen Funktionen, um ihn realtiv unkompliziert in ein Gebäudeleitsystem einbinden zu können. So lassen sich Ist- und Sollwerte zwischen den einzelnen Systemen übertragen und auch Datenpunkte setzen sowie auslesen. Die Schnittstelle unterstützt den BACnet-Standard und ermöglicht die Kommunikation gemäß dem Client-Server-Prinzip. Noch mehr Funktionalität bietet der hier eingesetzte Antrieb VLT BACnet MCB 109, der mit dem BACnet-MS/TP-Standard arbeitet und relativ einfach nachgerüstet oder auch bereits montiert bestellt werden kann. Mit Hilfe von BACnet-MS/TP können Antriebe direkt über das BACnet-Protokoll mit anderen BACnet-Geräten kommunizieren. Zusätzliche Software für die Inbetriebnahme ist nicht notwendig, da sich alle Einstellungen über das Protokoll vornehmen lassen. Aufgrund des einfachen physikalischen Aufbaus ist BACnet-MS/TP gut geeignet für die Buskommunikation in der Feldebene. Fazit Aufgrund ihrer Größe und stark variierenden Nutzergruppen benötigen Multifunktionsbauten ein verlässliches und flexibles Gebäudeautomationssystem. Insbesondere im Hinblick auf die Schnelllebigkeit von Gewerbeeinheiten und die ständige Weiterentwicklung gebäudetechnischer Anlagen muss eine Erneuerung oder Erweiterung der Gebäudeausrüstung jederzeit möglich sein. Für diese Anforderungen bietet der BACnet-Standard ein hohes Maß an Investitionssicherheit. Der Standard ermöglicht nicht nur die Integration und den energieeffizienten Betrieb von Systemen, die aus Produkten unterschiedlicher Hersteller zusammengesetzt sind und dem aktuellen Stand der Technik entsprechen, sondern ist auch „offen“ für zukünftige Entwicklungen. Zum Beispiel arbeitet das internationale BACnet-Komitee schon an einer standardisierten Kommunikation zwischen Gebäuden und Energieversorgern, um den Energieverbrauch während der Spitzenzeiten durch reduzierte Nachfrage, Echtzeit-Preisgestaltung und andere Maßnahmen zu verringern. Mit neuen Lösung zur Steigerung von Komfort und Energieeffizienz wird auch BACnet ständig weiterentwickelt und ergänzt. Somit ist auch die Nutzung innovativer „grüner Technologien“ in großen Liegenschaften möglich. Literatur [1] DIN EN ISO 16484-5:2008-05 Systeme der Gebäudeautomation - Teil 5: Datenkommunikationsprotokoll (ISO 16484-5:2007). C. Grehl Parallel-Verdrahtung und passive Verkabelung Sensoren oder Aktoren - auch E/A-Geräte genannt - benötigen eine Spannungsversorgung sowie eine oder mehrere Leitungen für die Übertragung von Signalen. Diese Leitungen oder Litzen müssen mit der Steuerung verdrahtet werden. Sind nun mehrere E/A-Geräte im Einsatz, sind bei der Parallel-Verdrahtung zahlreiche Leitungen zur Steuerung zu führen (Bild , links). Die passive Sensor-Aktor-Verkabelung wird auch als passives Installationssystem bezeichnet - Sensoren und Aktoren lassen sich hier dezentral verkabeln (Bild , Mitte). Dies ermöglicht ein Sensor-Aktor-Verteiler, der mehrere Steckplätze aufweist, und der über eine mehrpolige Leitung mit der Steuerung verbunden wird. Diese Leitung, auch Stammleitung genannt, ist eine Hybridleitung, die Litzen für Spannungsversorgung und Signale bereitstellt. Im Verteiler sind diese mit den standardisierten Steckplätzen verbunden. Die Verteiler besitzen häufig eine hohe Schutzart und werden in der Nähe der E/A-Geräte installiert. So sind kurze Wege zu den Sensoren und Aktoren möglich, die dann direkt mit den Steckplätzen der Verteiler verkabelt werden. Durch standardisierte Schnittstellen und Steckverbinder erübrigt sich eine Verdrahtung im Feld. Feldbus-Installationssystem Das Feldbus-Installationssystem (Bild , rechts) basiert ebenfalls auf einer dezentralen Verkabelung der Sensoren und Aktoren. Allerdings werden Elemente der Steuerung zusätzlich im Feld installiert. Diese Elemente, auch I/O-Module genannt, bilden die Verbindung zwischen der Steuerung und den Sensoren oder Aktoren. Zur Verbindung der Steuerung im Schaltschrank mit den I/O-Modulen im Feld wird nur noch eine mehrpolig ausgeführte Leitung benötigt. Sie hat Litzen für die Spannungsversorgung sowie für Elektropraktiker, Berlin 64 (2010) 6 524 AUS DER PRAXIS Sensoren und Aktoren passiv verkabeln Die passive Sensor-Aktor-Verkabelung ist als dezentrale Lösung zwischen der Steuerung sowie den Sensoren und Aktoren seit vielen Jahren etabliert (Bild ). Aber wo ist ihr Einsatz sinnvoll und welche Möglichkeiten bieten die zahlreichen Produkte? Aufschluss über diese Fragen gibt ein detaillierter Blick auf die Feldinstallation mit ihren drei Evolutionsstufen sowie auf die Einsatzfelder der Komponenten. Komponenten der Systemverkabelung weisen hohe Schutzarten auf und trotzen Ölen, Wasser oder Stäuben Fotos: Phoenix Contact
Autor
- C. Grehl
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