Elektrotechnik
Windenergie - Beschäftigungsfeld mit Zukunft
ep9/2000, 4 Seiten
1 Einleitung Der Markt für Windkraftanlagen in Deutschland hat sich in den letzten zehn Jahren rapide entwickelt. Durch das „Erneuerbare Energien Gesetz“, das am 01. April 2000 in Kraft trat, ist mit einer weiteren stetigen Entwicklung zu rechnen (Bild ). Geht man davon aus, dass in diesem Jahr ein weiterer Ausbau von ca. 1.500 MW (Bild ), ähnlich wie im vergangenen Jahr erfolgt, festigt Deutschland seine Stellung als internationale Nummer eins der Windenergienutzung, bezogen auf die installierte Leistung (Bild ). Für den hieraus resultierenden Beschäftigungseffekt bedeutet dies, dass die zur Zeit ca. 25.000 durch Windenergie Beschäftigten rasch die Arbeitsplatzzahlen der Atomwirtschaft übersteigen werden. Durch die neuen gesetzlichen Regelungen bezüglich der Netzanbindung können weitere Netzkapazitäten geschaffen werden, ohne dass es zu übermäßigen wirtschaftlichen Belastungen einzelner regionaler Netzbetreiber kommt. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass die Energieversorger selbst in den Ausbau der Erneuerbaren Energien einsteigen. Der weitere Ausbau, der sich zum einen vorrangig im Binnenland und zum anderen im Bereich von Offshore-Installationen vollziehen wird, muss jedoch in enger Abstimmung mit den Belangen des Landschafts- und Naturschutzes erfolgen. Nur eine anhaltend hohe Akzeptanz in der Bevölkerung sichert den weiteren Ausbau der Windenergie und den Umbau der Energieversorgung auf eine nachhaltige Energiewirtschaft auf Basis erneuerbarer Energiequellen. Im Folgenden wird analysiert, welche technischen Entwicklungen durch die rasante Dynamik des deutschen Marktes angeregt wurden und welche Wertschöpfung in den verschiedenen Gewerken, insbesondere der Elektrotechnik, hiermit verknüpft ist. 2 Technische Entwicklung Die letzten zehn Jahre Entwicklung der Windkraftanlagen stellen ein unvergleichlich schnelles Wachstum dar, wie es in kaum einer anderen Branche des Maschinen- und Anlagenbaus je stattgefunden hat. Bild verdeutlicht diese Tendenz mit einer Steigerung um den Faktor 10 innerhalb der letzten zehn Jahre, ausgehend von Anlagen mit 150 kW Nennleistung in 1990. Heutige Windkraftanlagen der neuesten Generation weisen Rotordurchmesser von 80 m und Nennleistungen von 2,0 MW bis 2,5 MW auf. Alternative Energie Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 9 762 Windenergie - Beschäftigungsfeld mit Zukunft J. Twele, Berlin Die Entwicklung des Marktes für Windkraftanlagen zeigte in den vergangenen Jahren in Deutschland hohe Wachstumsraten von 30 % bis 50 %. Durch das „Erneuerbare Energien Gesetz“ ist die wesentliche Grundlage für den weiteren stetigen Ausbau der Windenergie gegeben. Die hiermit verbundenen Beschäftigungseffekte schaffen gerade für Berufe der Elektroindustrie und des Elektrohandwerks eine langfristige Zukunftsperspektive. Dr.-Ing. Jochen Twele ist seit 15 Jahren in der Windkraftbranche tätig und seit Januar 2000 beim Bundesverband Wind-Energie (BWE) als Leiter des Büros in Berlin beschäftigt. Autor Aufschwung: Im ersten Halbjahr 2000 gingen bundesweit 493 Windturbinen mit einer Gesamtleistung von 528,24 MW neu an das Stromnetz Fotos: J. Krause Ausbau der Windenergie in Deutschland Quelle: Bundesverband Wind Energie Zum 30. Juni 2000 drehten über 8370 Windkraftanlagen ihre Rotoren in den Wind, die gesamte installierte Leistung betrug rund 4970 MW Bezüglich der technischen Konzepte kann zwischen zwei grundsätzlichen Prinzipien unterschieden werden. Das klassische dänische System mit drehzahlfestem Betrieb, die so genannte Stall-Regulierung zur Leistungsbegrenzung (Strömungsabriss am Rotorblatt) und netzgeführtem Asynchrongenerator (Bild ) hat in den letzten Jahren den Markt im Leistungsbereich 300 kW bis 600 kW dominiert. Mit zunehmender Größe der Windkraftanlagen wechseln auch einige Anbieter von stall-geregelten Anlagen zu drehzahlvariablem Betrieb mit Blattwinkelverstellung (Pitch-Regulierung) und Netzaufschaltung über Umrichter (Bild ). Dieses Prinzip wird von einigen Anbietern als getriebeloser Aufbau mit vielpoligem Ringgenerator oder als mechanischer Triebstrang mit Getriebe gebaut. Bei den Anbietern mit Getriebe wird oft statt des Synchrongenerators Alternative Energie Größenentwicklung von Serien-Windkraftanlagen WKA mit fester Drehzahl, Stall-Regelung und netzgeführtem Asynchron-Generator Quelle: Bundesverband Wind Energie ein doppeltgespeister Asynchron-Generator verwendet (Bild ). Grundsätzlich werden größere Windkraftanlagen im MW-Bereich auf „weichen“ Betrieb getrimmt, um Lastspitzen und Belastungsstöße zu vermeiden. Einen Kompromiss suchen einige Hersteller in „aktivstall“-geregelten Windkraftanlagen, bei denen der Stall-Effekt durch aktive Verstellung des Blattwinkels um die Längsachse des Rotorblattes erzeugt wird. Vor- und Nachteile der beiden Prinzipien werden je nach Philosophie des Herstellers unterschiedlich bewertet. Bild zeigt die Tendenzen, die sich im deutschen Markt bezüglich der beiden Konstruktionsprinzipien ergeben haben [1] [2] [3]. Sowohl von der Angebots- als auch von der Nachfrageseite lässt sich ein klarer Trend zu Pitch-geregelten Windkraftanlagen erkennen, der in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Größenwachstum steht. Pitch-geregelte Windkraftanlagen hatten im vergangenen Jahr einen auf ca. 60 % gestiegenen Anteil im deutschen Markt, während der Anteil der stall-geregelten Windkraftanlagen auf ca. 40 % sank. In Bezug auf den zukünftigen Bereich der Offshore-Installationen bleiben weiterhin beide Systeme im Wettbewerb. Der größeren Robustheit, mit weniger störanfälligen Komponenten bei stall-geregelten Windkraftanlagen, steht das geringere Gewicht und die bessere Netzanbindung ohne Blindleistungsbedarf der pitch-geregelten Windkraftanlagen gegenüber. Solange nur wenige konkrete Betriebserfahrungen mit Windkraftanlagen im Offshore-Bereich vorliegen, gibt es keinen eindeutigen Vorzug für das eine oder das andere Prinzip. 3 Wertschöpfung in der Elektrobranche Betrachtet man die Anteile der einzelnen Branchen an der gesamten Wertschöpfung der Produktion von Windkraftanlagen anhand deren Kostenanteilen, so ergeben sich Unterschiede zwischen den beiden Konstruktionsprinzipien (Bild ) [4] [5]. Bei den pitch-geregelten Windkraftanlagen liegt der Anteil der Elektrotechnik deutlich höher. Während bei den stall-geregelten Windkraftanlagen der Anteil von Generator und Elektrik lediglich ca. 15 % beträgt und anteilig höhere Kosten im mechani-Alternative Energie Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 9 764 WKA mit variabler Drehzahl, Pitch-Regelung und Umrichter zur Netzkopplung Quelle: Bundesverband Wind Energie Anteile an den Herstellkosten von WKA (Durchschnittswerte für 600 kW) Quelle: Bundesverband Wind Energie Prinzipschaltbild der doppeltgespeisten Asynchronmaschine Quelle: Nordex Windenergieanlagen Marktanteile der beiden Konstruktionsprinzipien im deutschen Markt Quelle: Bundesverband Wind Energie schen Triebstrang auftreten, verschiebt sich bei pitch-geregelten Windkraftanlagen der größte Kostenanteil mit 27 % zum Bereich Generator und Elektrik. Hier sind auch der Antrieb für die Windrichtungsnachführung (Yaw), die Sensorik sowie Steuerung und Umrichter enthalten. Die beispielhaft für Serienanlagen der 600 kW Klasse dargestellten Verhältnisse verändern sich geringfügig mit der Größe der Windkraftanlage. Bezogen auf die Gesamtinvestition mit einem Anteil der Windkraftanlage von rund 70 % kommen bei den 30 % so genannten Investitionsnebenkosten zusätzliche Anteile bei der Windparkverkabelung, bei Trafo- und Übergabestation und anderen Dienstleistungen für die Einrichtung des Netzanschlusses hinzu. Diese Anteile betragen durchschnittlich 9 % der Gesamtinvestition [6]. Ausgehend von einer jährlichen Investitionssumme von ca. 3.000 Mio DM der Windkraftbranche in Deutschland ergibt sich mit den dargestellten Kostenanteilen für die Elektrotechnik ein jährlicher Umsatz von ca. 470 Mio DM beim Verkauf der Windkraftanlagen und zusätzliche 270 Mio DM bei deren Installation. Die Summe von 740 Mio DM Jahresumsatz entspricht in etwa 8.000 Arbeitsplätzen [7]. Auch bei Service und Wartung ist das Elektrohandwerk stark gefragt (Bild ). Bei ca. 400 Servicetechnikern, die für Instandhaltung und Wartung der bald 10.000 Windkraftanlagen benötigt werden, entfällt in etwa die Hälfte auf Berufe des Elektrohandwerks. Literatur [1] K. Rehfeld, DEWI Magazin - Zeitschrift des Deutschen Windenergie-Instituts (DEWI), Wilhelmshaven, 1993 bis 2000, Ausgaben Februar [2] BWE-Marktübersichten 1993 bis 2000, Bundesverwand Wind Energie e. V., Osnabrück [3] C. Hinsch: Marktanteile in Bewegung. Neue Energie - Magazin für Erneuerbare Energien, (2000) 3, S. 34, Zeitschrift des Bundesverbandes Wind Energie e, V., Osnabrück [4] R. Gasch, Windkraftanlagen, B. G. Teubner Verlag, 3. Auflage, Stuttgart 1996 [5] European Wind Energy Association (EWEA), Wind Energy - The Facts, European Commision DG XVII, Bruxelles, 1998 [6] B. Schwenk, K. Rehfeld: Studie zur aktuellen Kostensituation der Windenergienutzung in Deutschland, Deutsches Windenergie-Institut (DEWI), Wilhelmshaven, September 1999 [7] Greenpeace International: Windstärke 10, European Wind Energy Association (EWEA) - Forum for Energy and Development, Brüssel, Oktober 1999 Alternative Energie Handwerker im Gespräch zur Lage der Windenergie: Peter Reuter, Präsident des NFE, Hans-Henning Jacobs, Jacobs Energie Gmb H, und Ulrich Mietschke, Landesinnungsmeister Schleswig-Holstein Foto: J. Krause
Autor
- J. Twele
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