Normen und Vorschriften
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Sicherheitstechnik
Sicherheitstechnik und Vorschriften
ep7/2009, 2 Seiten
Normen Empfehlungs- oder Gesetzescharakter. Zu Gesetzen und deren Einhaltung muss nichts näher ausgeführt werden. Anders sieht es z. B. bei den Normen aus. Sie haben grundsätzlich erst einmal Empfehlungscharakter, selbst wenn im Internet der Begriff „Bestimmungen“ verwendet wird. Wird allerdings in einem übergeordneten Gesetz auf eine Norm verwiesen oder von einer Baubehörde deren Einhaltung explizit gefordert, so erhalten Normen ebenfalls Gesetzescharakter und sind (mit Einschränkung) bindend. Eine Einschränkung ist immer dann vorzunehmen, wenn z. B. eine Baubehörde die Anwendung fordert, gleichzeitig aber in unverantwortlicher Weise selber davon abweicht. Stand der Technik. Ferner sei darauf hingewiesen, dass Normen den Stand der Technik bzw. die allgemein anerkannten Regeln der Technik widerspiegeln sollen. Ein Knackpunkt dabei ist der Stand der Technik. Normen entstehen in einem z. T. langwierigen Prozess. Entwürfe werden erarbeitet und herausgegeben, diese dann teils wiederholt überarbeitet, bis sie „irgendwann“ als endgültige Norm erscheinen. In der Zwischenzeit bleibt der tatsächliche Stand der Technik nicht stehen, sondern entwickelt sich außerhalb der Normungsgremien ständig weiter, so dass bei Erscheinen der endgültigen Fassung einer Norm diese bereits überholt sein kann. Welche Auswirkungen solche zeitlichen Unterschiede haben können und dass DIN-Normen manchmal einen technischen Rückschritt bedeuten, kann man im Internet nachlesen. Normenkorruption. Außerdem muss daran gedacht werden, dass Normen auf privatrechtlicher Basis und nicht durch eine unabhängige Institution erarbeitet werden. Selbst Gerichte verweisen wiederholt darauf hin, dass Interessen bestimmter Unternehmen hier mit einfließen („Meersburg“-Urteil zur Normenkorruption vom 22.05.1987). Mindeststandard. Ein weiterer Aspekt ist der, dass u. a. in der allgemeinen Rechtsprechung ausgeführt wird, Normen stellten nur einen Mindeststandard dar. Damit ist ein Abweichen von Normen zulässig, wenn mit anderen Mitteln ebenfalls das der jeweiligen Norm zugrunde liegende Ergebnis erreicht oder ein höherwertiges Ergebnis erzielt wird. Fazit. Normen sind als Grundlage für die tägliche Arbeit anzusehen. Das entbindet jedoch den Errichter nicht davon, zu prüfen: · Ist der Empfehlungs- oder der Gesetzescharakter gegeben? · Trifft eine Norm auf die eigene Arbeit tatsächlich zu? · Ist mit der Norm der Stand der Technik zu erreichen? VdS-Richtlinien Nach den Normen gibt es ein weiteres umfangreiches Regelwerk, das häufig ungenügend bzw. falsch beachtet wird. Dabei handelt es sich um die VdS-Richtlinien. Sie werden immer wieder gefordert, ohne dass sich Kunden und Errichter über die Zusammenhänge im Klaren sind. Kein Gesetzescharakter. Zuerst einmal besagt der Begriff „Richtlinien“, dass es sich um ein Regelwerk ohne Gesetzescharakter handelt. Wie die Normen, so entstehen diese Richtlinien ebenfalls auf privatrechtlicher Basis. Der VdS hat gegenüber früheren Zeiten die Gmb H als Unternehmensform und somit rein wirtschaftliche Interessen an der Umsetzung seiner Richtlinien. Aktualität. Was bei den Normen bereits zum Thema der Aktualität ausgeführt wurde, trifft hier in gleichem Maße zu. VdS-Richtlinien entstehen teilweise im Nachgang zu den vergleichbaren Normen. Wenn aber Normen aufgrund ihres langen Entstehungsprozesses bereits überholt sein können, so ist bei der Anwendung von VdS-Richtlinien in besonderem Maße u. a. auf die Aktualität der anerkannten Regeln der Technik zu achten. Über Normen hinaus. Im Vergleich von Normen und VdS-Richtlinien wird immer wieder dargestellt, dass die Richtlinien über die Normen hinaus gehen und damit das erzielte Ergebnis noch besser sei. Legt man aber bestimmte Normen und die dazu äquivalente Richtlinie übereinander, kann man ggf. Erstaunliches feststellen. Neben eher belanglosen und wenig relevanten Ergänzungen werden z. B. jahrzehntelang in der Branche bekannte Begriffe durch neue ersetzt. Ansonsten ist der Normentext wortwörtlich wiedergegeben. Und diese „Abschriften“ haben natürlich ihren Preis. Zertifizierung. Die Zertifizierung sicherheitstechnischer Geräte und Systeme sind in gleicher Weise zu hinterfragen. Hersteller entwickeln Geräte und reichen sie zur Zertifizierung ein. Immer wie-Elektropraktiker, Berlin 63 (2009) 7 546 BETRIEBSFÜHRUNG Sicherheitstechnik und Vorschriften A. Kraheck, Troisdorf In der Sicherheitstechnik ist die Struktur von Gesetzen, Vorschriften, Normen und sonstigen Regelwerken prinzipiell vergleichbar mit der Situation im rein elektrotechnischen Bereich. Anders ist hier jedoch die Vielzahl derer, die mitentscheiden bzw. mitbestimmen wollen. Dadurch entstehen nicht nur Rechtsunsicherheiten, sondern auch viele Fehler durch Falschinterpretation oder nur aus Unkenntnis. MEISTERWISSEN Autor Adolf Kraheck, Troisdorf, ist freier Fachautor auf dem Gebiet unabhängiger sicherheitstechnischer Beratung und Planung. Gesetzgeber VdS VBG Polizei DIN VDE Feuerwehr GUVV BSI LASI BHE DIBt VDMA ZVEI AMEV VfS fvir Nicht bei jedem Einfluss steht die Sicherheit an erster Stelle der ist davon zu hören, dass die Verfahren ein Jahr und länger dauern. In der gleichen Zeit entwickeln andere Hersteller ihre Geräte ohne Zertifizierung weiter. Bei dem schnellen Fortschritt, insbesondere im Elektronikbereich, muss darauf geachtet werden, welches Gerät tatsächlich (noch) dem Stand der Technik entspricht. Der Errichter hat sich daran zu orientieren, will er nicht Gefahr laufen, ein mangelbehaftetes Werk abzuliefern. Datenschutz Verschwiegenheit. Unabhängig von Einfluss nehmenden Regelwerken ist der Errichter gegenüber seinem Kunden zur Verschwiegenheit verpflichtet. Beispielsweise darf er ihm im Zusammenhang mit einem Auftrag anvertraute Unterlagen nicht ohne Wissen und Einverständnis des Kunden weitergeben, da er sich ansonsten strafbar macht und ggf. für einen daraus entstandenen Schaden haftbar ist. Dies wird immer wieder „übersehen“. Ein VdS-anerkannter Errichter soll aber bereits in der Planungsphase vertrauliche Daten und Unterlagen des Kunden mit dem Attest einreichen, u. z. an ein privates Unternehmen, auf dessen Weiterverwendung der Unterlagen er keinen Einfluss hat. Uneingeschränkte Kontrolle. Gleichzeitig hat der Errichter im Rahmen der Anerkennung zugestimmt, eine jederzeitige und uneingeschränkte Kontrolle der (vertraulichen) Kundenunterlagen in seinem Unternehmen zuzulassen. In der anderen Richtung muss der VdS im Rahmen des eigenen Akkreditierungsverfahrens die Überprüfung der ihm von den Errichtern anvertrauten Unterlagen gewähren. Der Errichter muss sich im Klaren darüber sein, dass er im Falle eines Missbrauchs der vertraulichen Daten und Unterlagen derjenige ist, der seinem Kunden gegenüber verpflichtet und ggf. haftbar ist. Datenschutz- und Informationsfreiheitsberichte. Um diesen Konstrukt im Zusammenhang mit der Verbreitung vertraulichen Informationen noch besser zu verstehen, empfiehlt es sich, frei zugängliche Lektüre, wie Datenschutz- und Informationsfreiheitsberichte zu lesen. Darin werden datenschutzrechtliche Verstöße des GdV (Gesamtverband der Versicherungswirtschaft) angeprangert und der VdS ist ein Teil des GdV! Feuerwehr-Richtlinien Ganz allgemein ist es sinnvoll und empfehlenswert, in den Bereichen Brandschutz und Brandmeldetechnik die zuständige Feuerwehr mit einzubeziehen. Auf deren Erfahrungsschatz zurückzugreifen kann Fehler vermeiden helfen. Allerdings wird deren rechtliche Einordnung immer wieder falsch verstanden. Richtlinien. Feuerwehren erstellen Richtlinien, in der Hauptsache für Brandmeldeanlagen, die auf ihre Leitstellen aufgeschaltet werden sollen. Zurzeit sind es rund 140 verschiedene TABs. Ferner kann von behördlicher Seite die Einhaltung dieser Richtlinien gefordert werden. Grundsätzlich fehlt den Richtlinien der Gesetzescharakter, es sei denn, eine dazu befugte Institution (wie ein Bauamt) verlangt die Einhaltung. Dann gilt das gleiche, wie bei den Normen. Feuerwehrgesetze. Grundlage für die Arbeiten der Feuerwehren sind die einzelnen Feuerwehrgesetze der Länder. Diese enthalten aber keine Vorgaben, die die Arbeiten eines Errichters reglementieren. Eine gute Argumentationshilfe, wenn gelegentlich die Zusammenarbeit nicht funktioniert und die Begriffe Vorbeugen und Machtposition verwechselt werden. Kriminalpolizeiliche Empfehlungen Werden bei der Absicherung von Objekten die kriminalpolizeilichen Beratungsstellen mit einbezogen, so erfolgen von deren Seite keine Vorschriften, sondern sie sprechen aufgrund ihres Erfahrungsschatzes Empfehlungen aus. Auch wenn es keinen rechtlichen Zwang zur Umsetzung gibt, so ist die Übernahme dieser Empfehlungen immer sinnvoll. Lehnt der Kunde die empfohlenen Maßnahmen ab, sollte die diesbezügliche Dokumentation nicht vergessen werden. Verbandsrichtlinien Neben den bisher aufgeführten Institutionen gibt es auch solche, deren Richtlinien in erster Linie für die eigenen Mitglieder bestimmt sind. Trotzdem können Errichter daraus wertvolle Erkenntnisse für die eigenen Arbeiten entnehmen bzw. sich bei den eigenen Arbeiten an diesen Richtlinien orientieren. Dies sind unter Anderem: · AMEV (Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen), in der Sicherheitstechnik bekannt durch die GMA94, · fvlr (Fachverband Tageslicht und Rauchschutz) mit Schwerpunkt Entrauchung und RWA, · AGE (Aktionsgemeinschaft Entrauchung) mit den besonderen Themen Vorbeugender Brandschutz und Entrauchung. Im Internet stehen hier umfangreiche Informationen und Hilfestellungen zur Verfügung. Außer DIN-Normen, VdS- und BHE-Richtlinien sind fast alle relevanten Regelwerke, Richtlinien und Empfehlungen kostenfrei über das Internet erhältlich. Zusammenfassung Rechtliche Aspekte sind im Zusammenhang mit sicherheitstechnischen Arbeiten und Handeln zu einem nicht zu vernachlässigenden Bestandteil geworden. Wichtig ist, zu wissen, wann es sich um eine Muss- und wann um eine Kannbestimmung handelt, welche Zusammenhänge und Hintergründe bei einzelnen Regelwerken bestehen und welche Risiken entstehen können, wenn selbst unbewusst ein Teil eines Regelwerkes nicht beachtet wurde. Elektropraktiker, Berlin 63 (2009) 7 547 BETRIEBSFÜHRUNG 13., überarb. und erw. Aufl. 2009 1.016 Seiten, ISBN 978-3-8007-3130-5 39,- Preisänderungen und Irrtümer vorbehalten. Es gelten die Liefer- und Zahlungsbedingungen des VDE VERLAGs. Weitere Informationen und Bestellmöglichkeit: www.vde-verlag.de/vde0100 Kiefer, G. VDE 0100 und die Praxis Wegweiser für Anfänger und Profis VDE VERLAG GMBH · Berlin · Offenbach Bismarckstraße 33 · 10625 Berlin Tel.: (030) 34 80 01-220 · Fax: (030) 34 80 01-9088 Mail: kundenservice@vde-verlag.de vde-verlag.de
Autor
- A. Kraheck
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