Schutzmaßnahmen
Polyswitch-Sicherungen - Teil 1: Allgemeines Betriebsverhalten
ep1/2009, 2 Seiten
Elektropraktiker, Berlin 63 (2009) 1 BETRIEBSFÜHRUNG Unterschiedliche Sicherungen Der Schutz elektrischer Einrichtungen ist durch verschiedenste Sicherungsbausteine möglich. Bekannt sind superflinke, flinke, mittelträge, träge und superträge Ausführungen. Sie sind für beide Stromrichtungen - also für Wechselströme - nutzbar. Kennzeichnend ist ein mehr oder weniger kräftiger Lichtbogen beim Ansprechen des Schutzes, der je nach Ausführungsvariante durch geeignete konstruktive Maßnahmen beherrscht wird. Eine erneute Inbetriebnahme der geschützten Anordnung ist bei Schmelzsicherungen durch Austausch oder bei Leitungsschutzschaltern durch Wiedereinschalten möglich. Bei empfindlichen elektronischen Einrichtungen sind üblicherweise deutlich schneller ansprechende Sicherungen für einen ausreichenden Schutz unverzichtbar. Solche elektronischen Sicherungen sind meist nur für die Überwachung eines Gleichstromes geeignet - also nur einer Stromrichtung. Eine Erweiterung auf zwei Stromrichtungen ist mit Hilfe von Gleichrichter-Anordnungen möglich, wodurch allerdings Spannungsabfall und Verluste am Sicherungsbaustein ansteigen. Als Ergänzung bzw. Zusatzschutz werden in elektronischen Einrichtungen häufig klassische Feinsicherungen eingesetzt. Mit den noch relativ wenig verbreiteten sogenannten Polyswitch-Sicherungselementen stehen Schutzelemente zur Verfügung, die für beide mögliche Stromrichtungen - also auch für Wechselströme in Niederspannungsanlagen - nutzbar sind. Wesentliche Kennzeichen dieser Sicherungselemente sind · niedriger Basiswiderstand und damit geringer Spannungsabfall bei minimalen Verlusten im Normalbetrieb, · überstromabhängige kurze Ansprechzeiten, · Wegfall eines Lichtbogens beim Ansprechen, · hoher Abschaltwiderstand, · verschiedenartige räumlich kleine Bauformen, auch oberflächenmontierbare, sowie · selbsthaltende und selbstrückstellende Eigenschaften. Nachfolgend sollen wichtige Betriebsparameter dieser Sicherungselemente und einige ausgewählte Anwendungsmöglichkeiten diskutiert werden. Wirkprinzip Das Wirkprinzip von Polyswitch-Sicherungselementen gründet sich auf dem von keramischen Kaltleitern her bekannten PTC-Effekt. Im Unterschied dazu bestehen Polyswitch-Elemente aus organischen Polymeren mit eingeschlossenen leitfähigen Partikeln. Hieraus resultiert ein relativ eng begrenzter Temperaturbereich, in dem ein sehr großer positiver Temperaturkoeffizient auftritt. Bei typischen Varianten tritt die drastische Widerstandserhöhung bei etwa 120 °C Bauteiltemperatur ein (Bild ), was üblichen anwendungstechnischen Erfordernissen entspricht. Die Eigenschaft eines in einem bestimmten Temperaturbereich sehr großen positiven Temperaturkoeffizienten führte zu der Bezeichnung PPTC-Element (Polymer Positive Temperature Coefficient). Bereits aus der Abhängigkeit des wirksamen Widerstandes von PPTC-Elementen von der Bauteiltemperatur (Bild ) ist ersichtlich, dass sowohl die thermischen Vorgänge als auch die thermischen Randbedingungen im praktischen Betrieb eine bedeutende Rolle spielen. Zur Erläuterung dieser Zusammenhänge soll von einer stark vereinfachten analogen elektrischen Ersatzschaltung für die thermischen Vorgänge ausgegangen werden (Bild ). Der im Bauteil bei Stromfluss entstehende Wärmestrom kann durch eine Ersatz-Stromquelle (t) dargestellt werden, die in der Realität eine Erwärmung bewirkt. Eine für die Aufheiz- und Abkühlvorgänge wichtige Größe ist die Wärmekapazität Cth. Da im praktischen Betrieb bei Temperaturerhöhung stets zugleich eine Wärmeabgabe an die Umgebung erfolgt, ist im Bild ein thermischer Außenwiderstand Rtha angegeben. Dieser steht repräsentativ für alle zugleich wirkenden Vorgänge der Wärmeabgabe. In praktischen Betriebsfällen dürfte Konvektion dominieren, Wärmeableitung über die Anschlüsse ist abhängig von der Montageart zu beachten, Wärmestrahlung ist in der Regel vernachlässigbar. Arbeitsbereich Im normalen Betrieb bewirkt der Strom über das PPTC-Element eine Erwärmung; der Wärmestrom (t) lädt die Wärmekapazität Cth bei gleichzeitig zunehmender Wärmeabfuhr über den thermischen Außenwiderstand Rtha. Nach einer gewissen Zeit stellt sich ein Gleichgewichtszustand mit konstanter Betriebstemperatur ein. Das heißt, dass sich während des Aufheizvorganges der Arbeitspunkt auf der Kennlinie nach Bild von links nach rechts bewegt, den Übergangsbereich jedoch noch nicht erreicht. PPTC-Elemente haben in diesem typischen normalen Betriebsbereich (etwa -40° bis +85 °C) typenabhängig wirksame Widerstände zwischen 5 m und 20 . Überstromschutz Bei erhöhter Umgebungstemperatur (was einer Vorladung von Cth gleichkommt und mit verminderter Wärmeabfuhr über Rtha verbunden ist) reicht nur noch ein vergleichsweise geringerer vom Strom über das PPTC-Element verursachter Wärmestrom (t) aus, um einen thermischen Gleichgewichtszustand an vergleichbarer Stelle auf der Kennlinie zu erreichen. Im umgekehrten Fall kann bei niedrigerer Umgebungstemperatur ein höherer Strom über das Sicherungsele-Polyswitch-Sicherungen Teil 1: Allgemeines Betriebsverhalten G. Graichen, Chemnitz Mit den noch relativ wenig verbreiteten PPTC-Elementen stehen für beide mögliche Stromrichtungen (Wechselströme) vorteilhaft einsetzbare Sicherungen zur Verfügung. Die Einordnung dieses Sicherungstyps, das Wirkprinzip sowie das Betriebsverhalten sind die Schwerpunkte der Betrachtungen im Beitrag. MEISTERWISSEN Dr.-Ing. Günter Graichen ist als freier Fachjournalist tätig, Chemnitz. 108 106 105 104 103 102 0 20 40 60 80 100 120 160 (t) Cth Rtha Analoges elektrisches Ersatzschaltbild (stark vereinfacht) Typischer Verlauf des wirksamen Widerstandes in Abhängigkeit von der Raumtemperatur bei einem PPTC-Element ment fließen. Daraus resultieren die im Bild gezeigten typischen Lastabminderungs-bzw. Deratingkurven für den Ansprechstrom (obere Kurve) und den Haltestrom (untere Kurve) des Sicherungselementes. Aus dem nicht abrupten Übergang der Kennlinie nach Bild in den Bereich mit großem positivem Temperaturkoeffizienten und nicht unwesentlich aus den konkreten Kühlbedingungen ergeben sich Streubereiche, die für ein sicheres Noch-Nicht-Ansprechen bzw. ein sicheres Ansprechen zu beachten sind. Analoge Überlegungen bezüglich Streubereiche sind für den Haltestrom anzustellen. Die Neigung der Kurven nach Bild und die Geschwindigkeit des Durchlaufens des Übergangsbereiches hängen in der Praxis stark von den konkreten Gegebenheiten ab (Überstrom, Bauform und damit Wärmekapazität, Montage- und Kühlverhältnisse und damit äußerer Wärmewiderstand). Das Durchlaufen des Übergangsbereiches bis zum Ansprechen kann beispielsweise bei Nennstrom Stunden dauern, bei 2,5 · IN in etwa 5 s erfolgen und bei 4 · IN schon nach 50 ms abgeschlossen sein. Hier sind in der Realität deutliche Abweichungen denkbar. Übertemperaturschutz Aus Bild ist weiterhin erkennbar, dass PPTC-Elemente neben der Hauptanwendung als Überstromschutz auch als Übertemperatur-Schutzelement nutzbar sind. So kann z. B. ein mit konstantem Nennstrom betriebenes Bauteil bereits bei Umgebungstemperaturen oberhalb 30 °C nach einer mehr oder weniger großen Verzögerungszeit in den hochohmigen Zustand übergehen; bei Umgebungstemperaturen von beispielsweise 70 °C würde dieser rasch erreicht. Hieraus ergeben sich Anwendungsmöglichkeiten auch als Verzögerungselement. Selbsthaltung Wird im praktischen Betrieb infolge Überstrom ein PPTC-Sicherungselement in den hochohmigen Bereich der Kennlinie nach Bild gesteuert, wird der Strom auf einen sehr geringen Restwert reduziert, also praktisch abgeschaltet. Daraus ergibt sich ein nur noch vernachlässigbar kleiner Wärmestrom (t) nach Bild . Je nach Montage- und Kühlbedingungen kommt es zu einer mehr oder weniger raschen Abkühlung des Sicherungselementes. Der hochohmige Zustand bleibt also immer für eine gewisse Zeit erhalten (Selbsthaltung im abgeschalteten Zustand). Bei der Auswahl des Sicherungselementes ist darauf zu achten, dass die im abgeschalteten Zustand anliegende Spannung keine unzulässig hohen Werte erreichen kann. Für den Einsatz in elektronischen Schaltungen dürften zulässige Spannungswerte von etwa 100 V in der Regel ausreichend sein, für den Einsatz im Niederspannungsbereich stehen PPTC-Sicherungselemente mit zulässigen Spannungen von 600 V zur Verfügung. Selbsttätige Rückstellung Hat sich das Sicherungselement hinreichend abgekühlt, wobei der Abkühlvorgang in Analogie zur Entladung eines Kondensators näherungsweise nach einer einfachen Exponentialfunktion erfolgt (Bild ), wird die Selbsthaltephase beendet und der niederohmige Zustand wieder eingenommen (selbsttätige Rückstellung der Sicherung). Grobe Orientierungswerte für zu erwartende Abkühlzeiten (entspricht Dauer der Selbsthaltung) können aus Bild ersehen werden. Der Wirkung des den Abkühlvorgang beeinflussenden Parameters Umgebungstemperatur ist angedeutet (zweifach logarithmischen Maßstab beachten). Anhaltende Störung Ist eine für Überstrom und damit ein Ansprechen der Sicherung verantwortliche Störung beseitigt, stellt sich nach der selbsttätigen Rückstellung der PPTC-Sicherung wieder Normalbetrieb ein. Bei noch wirksamer Störung führt ein erneuter Stromanstieg wieder zu einer Abschaltung. Betriebszuverlässigkeit Für den praktischen Einsatz von PPTC-Sicherungselementen ist u. a. von Vorteil, dass selbst bei hohen Abschaltströmen im Kurzschlussfall kein Lichtbogen beim Abschalten auftritt. Nicht zuletzt hieraus resultieren hohe Betriebszuverlässigkeit und geringe Abweichungen der Kennwerte infolge Alterung. Von den Herstellern nicht empfohlen wird der Einsatz von PPTC-Elementen bei sich betriebsmäßig permanent wiederholenden Schaltvorgängen. Anwendungen Die Erläuterungen zum Betriebsverhalten von PPTC-Elementen machten deutlich, dass für den Anwender große Freiräume und Gestaltungsmöglichkeiten für eine Anpassung an konkrete Erfordernisse bestehen. Die vielfältigen Abhängigkeiten bzw. Wechselwirkungen sollten hinreichend berücksichtigt werden und es muss eine wohl überlegte Auswahl des einzusetzenden PPTC-Bauteils sowie eine sorgfältige elektrische und vor allem thermische Bemessung erfolgen. Bei einem evtl. notwendigen Wechsel eines Sicherungs-Bauteils sind folglich nicht nur äquivalente elektrische und thermische Kenndaten einzuhalten, sondern auch die thermischen Gegebenheiten (Kühlverhältnisse) unverändert zu bewahren. In einem späteren Beitrag sollen in Form einiger ausgewählter Beispiele Anregungen zum praktischen Einsatz von PPTC-Bauteile gegeben werden. Elektropraktiker, Berlin 63 (2009) 1 49 BETRIEBSFÜHRUNG Anwendungsbeispiele von Polyswitch-Sicherungen Fortsetzung -40 -20 0 20 40 60 80 I/IN 108 106 104 102 102 104 108 min 0,01 0,1 1 10 Typische Lastabminderungskurven von PPTC-Elementen Typisches Abkühlverhalten von PPTC-Elementen (grobe Richtwerte)
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- G. Graichen
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