Elektrotechnik
Photovoltaik auf dem langen Weg zur kompletten Marktreife
ep6/2002, 3 Seiten
Technisch marktfähig, netzgekoppelt aber am Fördertopf Im Ergebnis des auf 2500 Dächer erweiterten 1000-Solardächer-Förderungsprogramms wurde bereits Mitte der 90er Jahre ein hoher technischer Reifegrad erzielt. Förderprogramme der Bundesländer unterstützten diese Entwicklung. Insbesondere gelang es, auch das Elektrohandwerk mit der neuen Technologie vertraut zu machen, Schwachstellen im Rahmen der Weiterentwicklungen zu beseitigen und den Service zu verbessern. Im Ergebnis der Langzeiterprobungen wurde vor allem die Zuverlässigkeit von Wechselrichtern und PV-Modulen erheblich verbessert. Heute auftretende Mängel betreffen nicht selten ältere Anlagen, bei denen die Kinderkrankheiten nicht ausreichend beseitigt wurden. Dafür sprechen u. a. auch die inzwischen üblichen Garantiezeiten von 20 bis 25 Jahren für PV-Module. Nach wie vor gibt es aber Ergebniseinbußen durch Verschattung des Solargenerators. Hauptursachen sind Planungsfehler, nachträgliche Veränderung der Bausubstanz (bis zur Fahnenstange!) und nachwachsende Bäume. In kritischen Fällen sind genauere Berechnungen sowie der Einsatz spezieller Generator- und Wechselrichterschaltungen zu empfehlen. Das für normale Fälle konfigurierte PV-Anlagen-Paket ist für diese Ausnahmefälle wenig geeignet [1], [2]. Parallel zur netzgekoppelten Anwendung entwickelte sich in Deutschland ein Markt für photovoltaisch versorgte mobile Geräte und zur Stromversorgung netzfern installierter Verbraucher (Bild ). Beide können heute nicht nur technisch, sondern weitgehend auch preislich mit anderen Stromversorgungssystemen konkurrieren. Zwar sind auch für letztere die Investitionskosten der PV-Anlage hoch. Sie werden aber durch den Verzicht auf die Verlegung eines zusätzlichen Netzanschlusses kompensiert - soweit nicht ein auf Kraftstoff angewiesenes schadstoff- und CO2-behaftetes und nicht sehr leises Dieselaggregat die Stromversorgung übernimmt - für Almhütten, Gaststätten etc. weniger geeignet. Bei netzgekoppelten PV-Anlagen entstehen trotz der seit dem 1000-Dächerprogramm eingetretenen Kostenreduzierungen nach wie vor zu hohe Investionskosten und damit unvertretbare Stromkosten. Sie werden zwar durch finanzielle Förderung reduziert, erfordern aber von der Solarbranche intensive Bemühungen zur Kosteneinsparung und damit zur Sicherung der vollen Marktreife. Auch zur Förderung des Regenerative Energien Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 6 492 Photovoltaik auf dem langen Weg zur kompletten Marktreife H. Kabisch, Berlin Die Photovoltaik (PV) braucht zur Marktreife dreierlei: einen hohen und langzeitstabilen Wirkungsgrad, eine hohe Anlagenzuverlässigkeit und niedrige Kosten. Die Lösung des letztgenannten Problems ist zeitaufwendig und vielschichtig. Deshalb benötigt die PV auch nach Abschluss des 100 00O Dächerprogramms weiterhin finanzielle Fördermittel. Infolge der erheblichen Anfangserfolge wird selbst eine neue Bundesregierung das hohe Wachstum durch einen Verzicht auf weitere Markteinführungs- und Forschungsprogramme nicht stoppen wollen und können. Dipl.-Ing. Helmut Kabisch ist freier Fachjournalist, Berlin. Autor Multifunktionale Glasflächen bestückt mlt Solarzellen vom Typ amorphes Silizium (so wird jede gewünschte Beschattung möglich und eine Überhitzung der Räume verhindert) Quelle: RWE Dreischicht-Solarzellen aus amorphem Silizium sichern auch bei diffusem Licht und geringer Sonneneinstrahlung einen guten Energieertrag. Sie werden vom Hersteller der Dacheindeckung auf das Stahldach dauerhaft aufgeklebt und bei der Montage mit nur 2 Steckverbindern verschaltet. Quelle: Rheinzink Bushaltestelle mit Solarmodul, Leuchte und Leuchtevitrine Quelle: Sunovation Exports von PV-Anlagen in Entwicklungsländer sind Kosteneinsparungen notwendig, denn etwa 30 % der Weltbevölkerung wohnt und arbeitet in netzfreien Regionen und hat nicht viel Geld für Licht und Radio zur Verfügung [3]. Kosteneinsparung durch automatisierte Massenproduktion Die Kosten einer PV-Anlage werden zu großen Teilen vom Solargenerator und damit von den PV-Modulen bestimmt. Um sie zu senken, bedarf es einer automatisierten Massenproduktion von Solarzellen und Modulen, die sich nur mit einer Bedarfserhöhung realisieren lässt. Da ein großer Teil der netzfern zu installierenden PV-Anlagen eine geringe Leistung erfordern, setzt die Solarbranche in Deutschland bei der Massenproduktion vor allem auf netzgekoppelte Anlagen. Zur Steigerung dieses Bedarfs wurde 1999 das 100 000 Dächer-Förderprogramm als Teil des Erneuerbaren Energie-Gesetzes (EEG) gestartet [4]. Nach Überwindung der Kinderkrankheiten wurde im vergangenen Jahr PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 77,4 MW durch die für die Förderung zuständige Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) bewilligt und gleichzeitig durch die Überschreitung der vorgegebenen Grenze um mehr als 12 MW die Unterschreitung des Jahres 2000 kompensiert. Damit verdoppelte sich innerhalb eines Jahres die Zahl der bewilligten Anträge. Das Marktanreiz-Programm wird bis 2003 mit jährlich reduzierten Förderquoten fortgesetzt und soll damit die sinkenden Preise für PV-Anlagen berücksichtigen. Inzwischen sind u. a. die RWE und Shell in Deutschland zur Fertigung von Solarzellen auf automatisierten Anlagen übergegangen und bauen ihre führende Position zurzeit noch weiter aus. Zu den Solarzellenherstellern zählen auch die Sunway AG, die Q-Cells AG und die Ersol Solar Energy AG. Rund ein Dutzend Hersteller fertigen PV-Module. Ende des Jahres will auch die BP mit einer leistungsfähigen Fabrik in die deutsche Modulproduktion einsteigen. Aufgrund des wachsenden Bedarfs wollen die in Deutschland produzierenden Hersteller von Wafern (dem Ausgangsprodukt von Solarzellen), Solarzellen und Modulen in diesem Jahr ihre Produktion teilweise mehr als verdoppeln (Quelle: Zeitschrift Photon). Durch die damit verbundene Verbesserung der Fertigungstechnologie erwartet die Branche eine schrittweise Aufholung des Rückstandes zu den USA und zu Japan und darüber hinaus die Schaffung weiterer Arbeitsplätze. Das wird auch dadurch unterstrichen, dass die Bundesrepublik die in jüngster Zeit registrierten globalen Wachstumsraten von durchschnittlich 30 % (2001 35 %!) 2002 erheblich überschreiten wird. Hohe Kosten in der Solarzellenfertigung Gegenwärtig beherrschen Solarzellen aus kristallinen Silizium den Markt. Zur Auswahl stehen Module mit monokristallinen und solche mit polykristallinen Silizium - leicht zu unterscheiden in Farbton und Struktur und damit beide Varianten auch als Gestaltungselement für Gebäude interessant. Die Fertigungstechnologie beruht in der Regel auf der Herstellung von Siliziumblöcken, die in etwa 300 µm dicke Scheiben (Wafer genannt) zersägt werden. Alternativ dazu lassen sich die Wafer bei RWE nach einem patentierten Verfahren aus einer Siliziumschmelze herstellen. In beiden Fällen werden in die Wafer sog. Dotierstoffe eingebracht und die Scheiben einseitig beschichtet. Mehrere dieser nunmehr elektrisch funktionsfähigen Solarzellen werden anschließend in einer getrennten Fabrik zu einem PV-Modul gefügt und dabei untereinander verdrahtet. Die genannten Technologien sind - wenn auch unterschiedlich - kostenintensiv. Experten gehen davon aus, dass verfeinerte Technologien insbesondere den Material-und Energieverbrauch reduzieren und im laufenden Jahrzehnt die anteiligen Kosten halbieren. Eine wesentlich größerer Zeit-, Material-und Energieeinsparung ermöglicht die noch weit am Anfang ihrer Entwicklung stehende Dünnschichttechnologie. Dabei werden solaraktive Schichten etc. bei niedrigen Prozesstemperaturen auf Glas, Plastik oder Stahl aufgedampft und in einem hochautomatisierten Fertigungsprozess Solarzellen und PV-Module gefertigt. Mit der Dünnschichttechnologie lassen sich u. a. die Dicke der Solarzelle auf weniger als ein hundertstel der eingangs genannten Solarzellen reduzieren und in der Perspektive kostengünstig großflächige Module mit hohem solaren Wirkungsgrad fertigen [5]. Das amorphe Silizium (a-Si) ist bisher die einzige Dünnschichttechnologie, die weltweit den Durchbruch zur Massenproduktion geschaffen hat. Sie erreichte bereits 1999 einen Marktanteil von 12,3 % und hat aufgrund seines moderaten Preises trotz eines Wirkungsgrades von 6 bis 8 % ein breites Anwendungsfeld gefunden. Das reicht von 750-kW-Solaranlagen in Mecklenburg-Vorpommern (Verdopplung geplant) über eine 3230 m2 umfassende Dachinstallation in den Berliner Bundesbauten (Paul-Löbe-Haus) bis zur Raumfahrt sowie zu universell einsetzbaren semitransparenten Glaselementen und universell verwendbaren Modulen für Dach und Fassade (Bilder und ). Regenerative Energien Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 6 Insgesamt haben Wafer- und a-Si-Technologien noch ein hohes Potential, um die Herstellungskosten zu reduzieren und den Wirkungsgrad zu erhöhen. Experten erwarten, dass erst im nächsten Jahrzehnt eine neue Generation von Dünnschicht-Solarmodulen die genannten Technologien in oberen Leistungsbereichen ablöst. Basis dieser Generation sind die sog. Verbindungshalbleiter und Silizium. Am weitesten fortgeschritten sind in Deutschland die CIS-Dünnschichtzelle (Kupfer, Indium, Selen) und die CdTe-Dünnschichtzelle (Cadmium, Tellurid). Ziel ist die Realisierung zweier Fabriken für eine jährliche Produktion in Höhe von 10 MW. Die nächsten Jahre werden zeigen, wann die ersten großflächigen Module mit vergleichbaren Wirkungsgraden und Preisen den derzeit dominierenden Technologien Paroli bieten. Ein noch viel größerer Zeitraum wird vergehen, bis sich der Wirkungsgrad in Massen produzierter Dünnschichtmodule den theoretisch möglichen Spitzenwerten von 38 bzw. 44 % [5] annähert. Noch ist nicht entschieden, ob die geringsten Kosten nicht mit extrem billig produzierten Produkten und geringeren Wirkungsgraden erreichbar sind. Kosteneinsparung durch multifunktionale Nutzung Auch bei Ausschöpfung der Kostenreduzierung durch automatisierte Massenfertigung von Solarmodulen und einer moderaten Steigerung ihrer Energieerträge gelingt es in Mitteleuropa nicht, in diesem Jahrzehnt die PV-Investitionen ohne finanzielle Zuschüsse allein mit dem kostenlos erzeugten Solarstrom zu bezahlen. Das gilt selbst dann, wenn sich der Strom von konventionellen Stromerzeugern durch höhere Preise für die benötigte Primärenergie verteuert - beispielsweise aufgrund der bereits erkennbaren erschwerten Abbaubedingungen bei Erdöl und -gas. Deshalb zielt die Solarbranche, unterstützt durch ihre Institute und Architekten, auf eine Mehrfachnutzung der Solarzellen. Das betrifft u. a. die Funktionen Wärmeschutz, Beschattung und verbesserter Schallschutz (Bild ). Durch eine unterschiedlich dichte Bestückung mit Solarzellen lässt sich die Transparenz von Glasflächen für Balkon, Lichtdach, Wintergarten und Fassade den Bedürfnissen anpassen (Bild ). Sie sind gleichzeitig ein ästhetisches Gestaltungselement, dessen Wirkung durch farbige Solarelemente und biegsame Solarfolien, wie in Bild gezeigt, noch erhöht werden kann. Nicht weniger wichtig ist der teilweise oder komplette Ersatz der Dachhaut durch einzelne PV-Module und vor allem bei Industriebauten durch Metalldächer (Bild ). Die Solarbranche unterstützt - wie Bild zeigt - die Installation eines solchen Industriedaches für Wohn- und Fabrikgebäude - und das auch ohne Verletzung einer voll funktionsfähigen Dachhaut (vgl. ep 3/02, S. 52 Bild 3). Ein Vergleich der Flabag - einem führenden Unternehmen für diese Glaselemente - zeigt, dass Einspeisevergütung und der Verzicht auf andere Fassadenverkleidungen die Investitionskosten der PV schon jetzt nahezu kompensieren. Die Kosten für Fassadenverkleidungen liegen pro m2 für Metall bei etwa 250 Euro, für Glasfassaden bei etwa 600 Euro, für Stein bei 700 Euro und für polierten Stein bei etwa 1200 Euro. PV-Elemente für Fassaden kosten rund 800 Euro pro m2, so dass Solarstrom in vielen Fällen kaum teurer ist als der derzeit gelieferte Netzstrom. Weitere Einsparungen sind bei Wechselrichtern zu erwarten. So könnte der bereits auf dem Markt angebotene modulnah installierte Kleinstwechselrichter durch einen modulintegrierten in mikroelektronischer Ausführung ersetzt werden. Verbunden damit wäre der Übergang von Gleich- auf Wechselstromverdrahtung. Literaturverzeichnis [1] Knaupp, W.: Errichtung von netzgekoppelten Photovoltaik-Anlagen. ep, Berlin 53(1999)2, S. 132-138 [2] Knaupp, W.: Photovoltaik-Anlagen an Gebäuden. ep, Berlin 53(1999)10, S. 944-950 [3] Kabisch, H.: Quo vadis Photovoltaik? ep/LuK, Berlin 55(2001)9, S. 1-3 [4] Wagner, S.: Das 100 000 Dächer-Solarstrom-Programm läuft an. ep, Berlin 53(1999)4, S. 340-341 [5] Fuhs, W.: Photovoltaik - Stand und Perspektiven. Themenband 2000 des Forschungsverbundes Sonnenenergie (Herausgeber) S. 14-20 Regenerative Energien Elektropraktiker, Berlin 56 (2002) 6 494 Modell des Berliner Solar Centers, das anlässlich des von der deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie veranstalteten Internationalen Sonnenforums am 12. September eröffnet wird. Es gilt als das größte Niedrigstenergiegebäude und verspricht neben Solarstrom viel andere erneuerbare Energie. Quelle: Hansaatik HPE Systemlösung mit PV für sanierungsbedürftige Flachdächer Quelle: BP-Solar Dach- und Fassadensysteme aus kunststoffbeschichtetem Stahlblech mit auflamierter Solarfolie ersetzen auch ohne Aufständerung die konventionelle Eindeckung Quelle: Thyssen-Solar
Autor
- H. Kabisch
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