Personal tauschen statt entlassen
ep3/2005, 2 Seiten
Auftragschancen nutzen In diesem Beispiel nutzt der Elektromeister eine Möglichkeit der Arbeitnehmerüberlassung, die im Handwerk noch relativ wenig verbreitet und bekannt ist: Er ruft bei anderen Betrieben seiner Innung an und fragt nach, ob sie ihm mit geeigneten Mitarbeitern aushelfen können. Dieser unkonventionelle Austausch von Personal ist im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) gesetzlich geregelt. Damit ist der Unternehmer in der Lage, auch größere bzw. zusätzliche Aufträge anzunehmen, die normalerweise die Kapazitätsgrenzen seiner Personaldecke überschreiten. Damit muss er seine Kunden nicht unnötig vertrösten oder gar den Verlust der Aufträge befürchten. Andererseits kann er in einer weniger günstigen Auftragssituation seine Mitarbeiter an die Kollegen der Branche entleihen. Damit werden die ansonsten meist erforderlichen Entlassungen von Fachkräften vermieden. Arbeitnehmerüberlassung im Elektrohandwerk Das AÜG regelt gerenerell den Verleih von Arbeitnehmern an Dritte - aber auch auf direktem Wege zwischen zwei Unternehmen. Dies erweitert die Möglichkeiten für Betriebe, die vorübergehend Arbeitskräfte brauchen. Dabei sind jedoch einige Voraussetzungen zu erfüllen: Diese Möglichkeiten gibt es für Unternehmen desselben Wirtschaftszweigs, sofern für sie ein spezieller Tarifvertrag gilt, in dem der Austausch geregelt wird. Ist das der Fall, können sie laut AÜG unbürokratisch und ohne behördliche Genehmigung Personal untereinander austauschen, Damit müssen die Unternehmer nicht unbedingt auf Zeitarbeitsfirmen zurückgreifen, die die Erlaubnis zum Personalverleih haben. Es ist auch nicht notwendig, für jeden Einzelfall einen Antrag bei der Agentur für Arbeit zu stellen. Dessen Genehmigung dauert und ist zumeist auch an viele Kriterien gebunden. Arbeitnehmer eines Elektrobetriebes können unter diesen Voraussetzungen an einen anderen Elektrofachbetrieb abgegeben werden. Ist für diese Art der Arbeitnehmerüberlassung ein Tarifvertrag geschlossen, wie es in einigen Bereichen des Elektrohandwerks geschehen ist, entfallen die Formalitäten wie das Anmelden oder die Genehmigung durch die Bundesagentur für Arbeit. Partner dieses Tarifvertrages sind die zuständigen Innungen (regional oder überregional) sowie die zuständige Gewerkschaft wie z. B. die IG Metall. Vorteile kontra Vorurteile Ein wichtiger Vorteil dieses Verfahrens besteht für die teilnehmenden Betriebe darin, dass vor allem qualifizierte Arbeitnehmer zum Einsatz kommen. Die Kosten dürften im Vergleich zur herkömmlichen Arbeitnehmerüberlassung etwa gleich ausfallen. Es entstehen zwar nur die reinen Personalkosten. Jedoch werden diese Arbeitnehmer häufig besser bezahlt als klassische Leiharbeitnehmer. Obwohl der Mitarbeitertausch prinzipiell ein gutes Instrument ist, um mit schwankender Auftragslage klar zu kommen, wird diese Möglichkeit im Handwerk bisher noch eher selten genutzt. Viele Betriebsinhaber sind skeptisch und befürchten unkoordinierte Aktionen. Sie sprechen sich daher für eine zentrale Stelle aus, die die Überlassung regelt. Kollegenhilfe in der Praxis So kompliziert sieht das Ralph Beyer senior, Obermeister der Innung für Elektrotechnik in Dortmund und Lünen sowie Inhaber der Firma Elektro Brinkmann, aber nicht: „Gerade kleine Firmen haben die Möglichkeit, den Personaltausch ganz unbürokratisch zu regeln. Wenn ein Unternehmen eine qualifizierte Arbeitskraft braucht, ruft es einfach bei den anderen Betrieben an und Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 3 188 BETRIEBSFÜHRUNG Personal tauschen statt entlassen Elektromeister Schmitz hat gerade einen Auftrag bekommen, der seine personellen Möglichkeiten deutlich überfordert. Im Terminplan wird es eng. Bisher wäre Schmitz in einer solchen Situation zu einer Zeitarbeitsfirma gegangen, um sich Personal auszuleihen. Seit kurzem aber greift er zur ,,Kollegenhilfe“. fragt, ob sie jemanden abstellen können. Wenn ja, wechselt der Mitarbeiter so lange, wie es nötig ist bzw. wie er entbehrt werden kann, in den anderen Betrieb. Per Telefon wird auch geklärt, welche Arbeit zu machen ist und wie Arbeitszeit und Lohn sind. Dem Mitarbeiter entstehen dadurch keine Nachteile, denn sein Arbeitgeber zahlt ihm weiterhin sein Gehalt." Auch der Zahlungsverkehr zwischen den beiden Betrieben ist unbürokratisch. Der Verleiher stellt dem ausleihenden Betrieb eine Rechnung über das Arbeitgeberbrutto. Bislang gab es damit noch nie Schwierigkeiten - so Ralph Beyer. Die betreffenden Mitarbeiter reagierten zwar häufig erstaunt darüber, am andern Tag plötzlich woanders eingesetzt zu werden. „Aber wenn sie verstanden haben, worum es geht, dann ist es kein Thema mehr, dass sie mitmachen. Und der Kunde merkt davon gar nichts. Der verliehene Mitarbeiter tritt bei ihm entweder in neutraler Kleidung auf, oder er bekommt für die Zeit neue Firmenkleidung gestellt“ - so der Obermeister. Vertrauen als wichtigste Voraussetzung „Damit Kollegenhilfe funktioniert, müssen sich die Betriebsinhaber untereinander kennen und Vertrauen zueinander haben“, diese Erfahrung machte Dr. Andreas Bach von der CE Consult in Dortmund. Er betreut dort das Projekt „Beschäftigungssicherung in der Dortmunder Metall- und Elektrobranche“. Weiterhin ist ebenso zu berücksichtigen, dass die Konkurrenz der Unternehmen, die das Instrument des Personalaustauschs nutzen möchten, nicht zu groß ist. Eine andere Hürde sei für kleinere Handwerksbetriebe schwerer zu bewältigen: Die Mitarbeiter müssen für ihren Einsatz im anderen Betrieb auch über die erforderliche Qualifikation verfügen. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, den geigneten Beschäftigten zu finden, in Unternehmen mit mehr Mitarbeitern größer. Andererseits kann durch den überbetrieblichen Austausch die Qualifikation des Personals erweitert werden. Das eröffnet dem Mitarbeiter neue Chancen oder erhöht zumindest die Beschäftigungssicherheit. Für die beteiligten Betriebe kann der Zusammenschluss die Verbesserung der eigenen Wettbewerbs- und Strategiefähigkeit bedeuten. U. Habelt, Dr. A. Bach BETRIEBSFÜHRUNG AUF EINEN BLICK Hintergrundinformationen zum Personalaustausch · Rechtsgrundlage für die Kollegenhilfe ist das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Durch den Personalaustausch sollen Kurzarbeit und Entlassungen vermieden werden. Nach § 1 des AÜG fällt die Erlaubnispflicht weg, wenn die beteiligten Unternehmen einem Tarifvertrag zur Arbeitsnehmerüberlassung beigetreten sind. · In den bestehenden Tarifverträgen ist in der Regel keine entsprechende Vereinbarung gemäß AÜG § 1 vorgesehen. Daher ist ein spezieller Tarifvertrag notwendig, der regional geschlossen werden kann. · Wenn ein Unternehmen an der Kollegenhilfe teilnehmen will, ist vorab zu klären, ob eine entsprechende regionale Regelung (Tarifvertrag) bereits existiert. Hierüber können die Innungen und Verbände oder auch Kammern Auskunft geben. · Wenn die grundsätzlichen Voraussetzungen bestehen und das Unternehmen dem Tarifvertrag beigetreten ist, ist der eigentliche Austausch zwischen den beteiligten Unternehmen unbürokratisch möglich. · Im Unterschied zur klassischen Leiharbeit fallen nur die reinen Personalkosten an. Dennoch sind die Kosten vergleichbar, da Leiharbeitnehmer deutlich schlechter entlohnt werden. Der Personalaustausch bietet jedoch den Vorteil, dass beide Richtungen des Verleihs (Verleihen und Entleihen) möglich und üblich sind. · Mit dem betreffenden Beschäftigten können schriftliche oder auch nur mündliche Vereinbarungen getroffen werden. Falls z. B. die tägliche Wegstrecke zur Arbeit sich durch den Verleih deutlich erhöht, sollte eine freiwillige finanzielle Entschädigung vereinbart werden. · Die beteiligten Unternehmen müssen ihre Beschäftigten, wie vorgeschrieben, in der zuständigen Berufsgenossenschaft versichert haben. TIPP Weitere Informationen gibt es in der Broschüre: „12 Instrumente zur Beschäftigungssicherung in der Metall- und Elektrowirtschaft“. Diese ist kostenfrei erhältlich über die CE-Consult Dortmund, Telefon: 0231-2020011.
Weitere Nachrichten zu diesem Thema
Autoren
- U. Habelt
- Dr. A. Bach
Downloads
Laden Sie diesen Artikel herunterTop Fachartikel
In den letzten 7 Tagen:
Sie haben eine Fachfrage?