Elektrotechnik
Moderne Gebäudeleittechnik in Karlsruher Großsporthalle
ep5/2000, 3 Seiten
Mit der Europahalle verfügt die Stadt Karlsruhe über eine Großsporthalle mit gutem Ruf (Bild ). Vom Davis-Cup über Europa-Boxmeisterschaften und Weltmeisterschaft in den Standardtänzen bis hin zu Konzerten von Herbert Grönemeyer und der Kelly Family reicht der Veranstaltungsplan. Gleichzeitig wird die Halle das ganze Jahr über von Schulen und örtlichen Sportvereinen genutzt, so dass sich eine unter den bundesdeutschen Großsporthallen einmalige Auslastung ergibt. Gebäudeleitsystem für Erweiterungsbau und Halle Um die Infrastruktur weiter zu verbessern und den vielfältigen Anforderungen noch besser gerecht zu werden, ergänzte die Stadt Karlsruhe die Europahalle Mitte der 90er Jahre auf der Südseite durch einen Erweiterungsbau. Der dreigeschossige Anbau ist durch eine glasgedeckte Wandelhalle mit der Haupthalle verbunden. Er bietet neben Büros für die Hallenverwaltung und einem Bistro zusätzliche Geräte- und Materiallager mit Werkstatt sowie verschiedene Wirtschafts- und Mehrzweckräume für VIP, Presse, Veranstalter-Teams oder Sonderbewirtungen. Man entschied sich, im Rahmen der Neubauarbeiten ein modernes Gebäudeleitsystem für die gesamte Europahalle einzusetzen. Steffen Kolb vom gleichnamigen Ingenieurbüro, das für Planung und Durchführung der Elektroinstallation zuständig war, hat seinerzeit alle in Frage kommenden Installationsbussysteme unter die Lupe genommen. Nach Vorlage der Rechercheergebnisse bei den Ingenieuren des städtischen Hochbauamts, fiel die Wahl eindeutig zu Gunsten des „Local Control Network“ (LCN) aus. Das von der Firma Issendorff entwickelte LCN überzeugte nicht nur durch sein modernes technisches Konzept, sondern erwies sich auch vom Preis-Leistungsverhältnis her als die günstigste Lösung. Dabei wurde auf einfache Planung und Installation sowie Zukunftssicherheit hoher Wert gelegt, ebenso auf leichte Erlern- und Bedienbarkeit des Systems. Nur eine zusätzliche Ader Der Wirkungsbereich der neuen Gebäudeleittechnik erstreckt sich über die gesamte Europahalle einschließlich Neubau und Außenanlagen. Naturgemäß fällt bei derartigen Großprojekten der Installationsaufwand für das Verlegen der benötigten Busleitungen besonders ins Gewicht. Schon in dieser Hinsicht erwies sich LCN durch seine „Genügsamkeit“ als dankbare Investition. Neben der Standard-Elektroinstallation benötigt das System zum vollständigen Betrieb lediglich eine zusätzliche Ader für den Datentransport. Dass heisst, anstelle einer dreiadrigen Standardleitung wird eine vieradrige NYM-Leitung eingesetzt; bei Drehstromversorgungen sieht man insgesamt sechs Adern vor. Ansonsten brauchen LCN-Module keine zusätzliche Stromversorgungen oder spezielle Zuleitungen. Bis zu 250 Module lassen sich über drei Anschlüsse (Außenleiter, Neutralleiter und Datenader) direkt miteinander verbinden und bilden ein Bussegment. Bei großen Gebäudekomplexen können maximal 120 Segmente miteinander gekoppelt werden. Die gesamte Leittechnik der Europahalle kommt jedoch mit einem einzigen Segment aus, was die Leistungsreserven des LCN-Systems verdeutlicht. Bussystem als „Mädchen für alles“ Zum Steuerungs- bzw. Überwachungsbereich des Leitsystems (Bilder und ) in der Europahalle zählt praktisch alles außer der Heizungsanlage, die sich aus historischen Gründen nicht in das System integrieren ließ. Der Bus steuert die Beleuchtung, öffnet und schließt Fenster bzw. Lüftungen und fährt Markisen automatisch hoch, wenn der Windsensor Sturm meldet. Sogar die Flaschenzüge für schwere Sportgeräte, PA-Beschallungsanlagen usw. werden über das Leitsystem bedient. Dasselbe gilt für die Positionierung der Ballfangnetze, die Betätigung des Fahnenaufzugs (bei Siegerehrungen) oder der Trennwände, die im Alltagsbetrieb die Halle quer abteilen, so dass mehrere Schulklassen oder Vereinsgruppen parallel trainieren können. Bezahlt macht sich das LCN-System im wahrsten Sinne des Wortes bei der Brandmeldeanlage. Im Alarmfall müssen die Hallenmeister schnellstmöglich den genauen Auslösepunkt lokalisieren. Fehlalarme, die verhältnismäßig häufig vorkommen, gilt es sofort zu stornieren; denn steht die Feuerwehr erst vor der Tür, kostet ein Fehlalarm bares Geld im vierstelligen Bereich. Es gibt zwar eine Brandmeldezentrale mit Einzelmeldung in der Eingangshalle. Sie ist jedoch im Alltagsbetrieb verständlicherweise nicht besetzt. Mit dem Leitsystem kann man sich nun auch vom Verwaltungsgebäude auf der gegenüberliegenden Hallenseite sofort anzeigen lassen, welche Linie des Alarmsystems angeschlagen hat, und gezielte Maßnahmen einleiten. Höchste Anforderungen an die Beleuchtung Am meisten profitiert in der Europahalle die umfangreiche Beleuchtungsanlage von den Möglichkeiten des LCN-Systems. Je nachdem, ob Handball, Tennis, Boxen, Kunstturnen oder eine Tanzveranstaltung auf dem Programm steht, unterscheidet sich die Art der Beleuchtung. Bei der Leichtathletik liegt das Hauptaugenmerk z. B. im Außenbereich auf der Rundbahn, während bei TV-Aufzeichnungen Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 5 440 Report Moderne Gebäudeleittechnik in Karlsruher Großsporthalle Sowohl für private als auch öffentliche Gebäude werden Bussysteme für die Gebäudeautomatisierung immer interessanter. Im Heimbereich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Steuerung und Überwachung von Licht, Rolläden, Heizung usw. über Bussysteme so selbstverständlich sein werden, wie die übrige Elektroinstallation. Viele mittlere und große Gebäudeprojekte profitieren bereits von den Vorzügen moderner Gebäudeleittechnik. Bisweilen ist ein rationeller Betrieb ohne deren Unterstützung kaum vorstellbar. Einen interessanten Beitrag hierzu leistet das in der Europahalle Karlsruhe installierte LCN-System. wiederum eine generell helle Ausleuchtung erforderlich ist. Deshalb lassen sich die zahlreichen Leuchten und Strahler einzeln schalten. Früher war zu diesem Zweck in einer der Hallenwarten eine Tafel mit 144 einzelnen Schaltern installiert. Um den verschiedenen Beleuchtungsanforderungen gerecht zu werden, gab es jeweils eine spezielle Plexiglasmatrix, die über die gesamte Tafel gelegt wurde und nur diejenigen Schalter freigab, deren Leuchten eingeschaltet werden sollten. Diese (Not-)Lösung ist zwar einfach und originell, stieß jedoch regelmäßig an ihre Grenzen, z. B. bei Sonderwünschen von Kamerateams. Abweichend von der jeweiligen Grundbeleuchtung sind, je nach Kamerastandpunkt, mal hier mal dort ein paar Leuchten zu-oder abzuschalten - eine umständliche Prozedur, wenn die Matrix den betreffenden Schalter gerade abdeckt. Noch schlimmer war es, wenn eine der Halogen-Metalldampflampen versehentlich abgeschaltet wurde, da diese sich erst nach geraumer Abkühlphase wieder starten lassen. Solche und andere Probleme gehören mit dem LCN-Bus der Vergangenheit an. Man kann beliebige Leuchtengruppen bilden und unzählige Szenen auf dem PC abspeichern. Jeder Schaltausgang verfügt beispielsweise über 60 Szenenspeicher. Dimmbare Leuchtmittel werden mit zwei Parametern angesteuert: der gewünschten Helligkeit und der Geschwindigkeit, mit der diese Helligkeit angefahren wird. Durch entsprechende Visualisierung auf dem Bildschirm sind Fehlschaltungen praktisch ausgeschlossen. Überwachen, Bedienen und Visualisieren mit dem PC Die meisten Funktionen des LCN-Gebäudeleitsystems sind sowohl zentral als auch dezentral entwe-Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 5 Report Im Schaltschrank sind diejenigen Komponenten des LCN-Systems untergebracht, die nicht dezentral installierbar sind Die meisten Funktionen des LCN-Gebäudeleitsystems sind sowohl zentral als auch dezentral entweder über einen PC oder über ein entsprechendes Tastenfeld steuerbar Europahalle Karlsruhe der über einen PC oder über ein entsprechendes Tastenfeld steuerbar. Allein im Hauptbereich der Halle verteilen sich fünf Busankopplungen, zusätzlich zu denjenigen in der Regiekanzel auf der Empore (Bild ), in den Hallenwarten und Installationsräumen im Keller. An das Koppelmodul mit der RS232-Schnittstelle (Bild ) lässt sich problemlos jeder PC bzw. Laptop anschließen. Derart mit dem System verbunden, eröffnen sich dem Bediener praktisch alle Steuer- und Überwachungsfunktionen - vorausgesetzt natürlich, er kann sich durch den notwendigen Zugriffscode dazu autorisieren. Bei Sportveranstaltungen gibt der Schiedsrichter in unmittelbarer Nähe des Spielfelds Informationen in seinen Laptop ein, die z. B. auf die große Anzeigetafel weitergeleitet werden. Mit LCN lassen sich beliebig viele Tableaus zur Visualisierung auf dem Bildschirm erstellen. Detaillierte Ansichten für Aufwärmhalle, Kraftraum, Gerätehalle, Umkleidebereich usw. geben die exakte Rückmeldungen über den Zustand der Beleuchtung oder ob Fenster offen oder geschlossen sind. Störungen werden auf einer Übersichtsleiste durch einen roten Balken markiert. Per Mausklick zoomt man sich in den jeweiligen Bereich und erhält genaue Informationen über Ort und Ursache. Bedienen ohne Vorkenntnisse Thomas Wiebelt, einer der verantwortlichen Hallenmeister, ist begeistert von der einfachen Erlern-und Bedienbarkeit der Anlage. Auch ohne große PC-Vorkenntnisse konnte er sich mit der Handhabung in kürzester Zeit vertraut machen (Bild ). Außerdem mache es Spaß, mit so einer modernen Anlage zu arbeiten. Sie habe ihm schon viele Laufwege und Zeit erspart. Aber auch nach Feierabend, wenn der Hallenbetrieb längst ruht, nutzt man in Karlsruhe noch das intelligente LCN-System: Beim Anrücken der Putzkolonne, die einen eigens für sie bestimmten Schlüsselschalter betätigt, schaltet sich nur in denjenigen Räumen und Bereichen die Beleuchtung ein, die am Tag benutzt wurden und demnach zu reinigen sind. Der Hallenmeister hat dies zuvor per „Drag&Drop“ auf dem PC „programmiert“. Alles in allem möchten die Verantwortlichen die Funktionalität und den Komfort des Leitsystems nicht mehr missen; man kann sich nicht mehr vorstellen, wie die vielfältigen Anforderungen anders bewältigt werden könnten. Nicht zuletzt ist die funktionierende Halleninfrastruktur für die Konkurrenzfähigkeit im internationalen Veranstaltungsgeschäft ein wichtiges Argument. Mehr als einmal wurde von Veranstalterseite Lob und Anerkennung für die moderne Technik der Europahalle ausgesprochen. V. Paroth Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 5 442 Report Einfache Bedienung: Der PC in der Hallenwarte bietet einen Überblick über die Technik der gesamten Halle. Durch Zoomen in die entsprechenden Bereiche erhält man Detailinformationen und Schaltelemente zur Steuerung Fotos: Karlsruher Sportstätten-Betriebs-Gmb H (1); Issendorff Mikroelektronik (2-6) In allen wichtigen Hallenbereichen befinden sich Busankopplungen für den LCN-Bus z. B. in der Regiekanzel Busankoppelmodul mit RS232-Schnittstelle
Autor
- V. Paroth
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