Skip to main content 
Licht- und Beleuchtungstechnik | Elektrotechnik

Interview: LED und Oberschwingungen - Risiken durch neue elektronische Betriebsmittel

ep1/2015, 1 Seite

Wiederholt wurde in den letzten Jahren die Befürchtung geäußert, dass die verstärkte Verbreitung moderner elektronischer Betriebsmittel mit ihren höherfrequenten Strömen zu einer stärkeren Belastung des Neutralleiters führe bis hin zu abgebrannten N- oder PEN-Leitern. Da es solche Fälle durchaus gegeben hat und der Informationsbedarf mit weiterer Verbreitung insbesondere der LED wächst, hat ep-Autor Stefan Fassbinder diese Problematik intensiv untersucht.


Elektropraktiker, Berlin 69 (2015) 1 | www.elektropraktiker.de Ganz Vorne LED und Oberschwingungen - Risiken durch neue elektronische Betriebsmittel Wiederholt wurde in den letzten Jahren die Befürchtung geäußert, dass die verstärkte Verbreitung moderner elektro nischer Betriebsmittel mit ihren höherfrequenten Strömen zu einer stärkeren Belastung des Neutralleiters führe bis hin zu abgebrannten N- oder PEN-Leitern. Da es solche Fälle durchaus gegeben hat und der Informationsbedarf mit weiterer Verbreitung insbesondere der LED wächst, hat ep-Autor Stefan Fassbinder diese Problematik intensiv untersucht. Herr Fassbinder, ist die Oberschwingungsbelastung durch die LED ein Problem? S. Fassbinder: Muss nicht, aber kann, denn die Eingangsstufe zum Netz hin ist doch bei LED-Leuchtmitteln die gleiche wie bei den Kompakt-Leuchtstofflampen (KLL), nämlich ein Brückengleichrichter mit nachgeschaltetem Glättungs-Elko. Die Netzrückwirkungen sind die gleichen. Ein kleiner Unterschied lässt sich an der Stelle aus machen, an der die LED ihre (engen) thermischen Grenzen findet und daher die Aufteilung in viele kleine Lämpchen mehr oder weniger erzwingt - was gleichzeitig, zusammen mit der veränderbaren Farbe, große Vorteile in der dekorativen Beleuchtung mit sich bringt. Das bewirkt aber auch, dass es kaum ein LED-Leuchtmittel für Wohnräume mit einer Anschlussleistung über 25 W gibt. Bis hierhin sind die Anforderungen der DIN EN 61000-3-2 (VDE 0838-2) an den Oberschwingungs-Ausstoß sehr lasch; über 25 W sind sie ziemlich streng. Die LED zwingt also fast dazu, die normativen Vorgaben zu umgehen, indem man eine Lampe zu 100 W durch 5 Lampen zu je 20 W ersetzt. Das ist aber auch schon alles und kein großer Unterschied zu vorher - wenn man Wohnräume betrachtet. Wie verhält es sich dann mit der Neutralleiterbelastung? S. Fassbinder: Die überlasteten Neutralleiter möchte ich mal als extreme Einzelfälle bezeichnen, auch wenn diese verbürgt sind. Bei solchen Fällen kamen zudem mehrere Faktoren zusammen wie beispielsweise die Häufung weiterer elektronischer Betriebsgeräte, Stichwort EDV. Nun verlangen die Normen heute wenigstens, dass der Neutralleiter mit vollem Querschnitt ausgeführt wird - das reicht in aller Regel aus. KLL und LED sparen ja gegenüber der abgeschafften Glühlampe gleichermaßen rund 75 % Energie, also Wirkleistungs-Aufnahme, ein. Sogar mit Berücksichtigung des hohen Verzerrungs-Gehalts vermindert sich der Effektivstrom noch um etwa 50 %. Gibt es weitere Risiken? S. Fassbinder: Ja, allerdings. Außer den Oberschwingungen, die ganzzahlige Vielfache der Netzfrequenz sind, entstehen beliebige andere Frequenzen, die wesentlich weiter nach oben reichen als die Oberschwingungen, verursacht unter anderem durch hochfrequente Taktung in den EVG. Diese Störungen können weit unterhalb des Oberschwingungspegels einsetzen, bei dem ein N-Leiter zu rauchen anfangen könnte - müssen aber nicht! Das macht es so schwierig. Im Arbeitskreis 712.0.6 der DKE, der vor kurzem gegründet wurde, um Grenzwerte für eben diese PA-Leiter-Ströme im Hinblick auf die EMV zu finden, wurde eben dieses Ziel bereits wieder als zwecklos aufgegeben. Stattdessen wird ein Leitfaden erstellt, der erklärt, wie man Störungen vorbeugt bzw. mit bereits bestehenden Störungen umgeht. Ein weiteres Thema sind die Einschaltströme solcher Lasten. So wurde an einer LED-Lampe von nur 3 W (6 VA) z. B. eine Einschaltspitze von 8 A beobachtet. Das ist gut das 200-fache des Bemessungsstroms! Wenn davon mehrere an einem Schaltgerät hängen... Wie kann Abhilfe geschaffen werden? S. Fassbinder: Man benötigt ein TN-S-System, und zwar ein sauberes TN-S-System! „Sauber“ heißt hierbei, dass nur eine einzige Verbindung zwischen N und PE (zentraler Erdungspunkt ZEP) vorhanden sein darf. Anderenfalls, also bei mehreren Brücken und erst recht bei einem TN-C-System, teilen sich die ja doch erhöhten Neutralleiterströme zwischen dem N-Leiter und dem Erdungssystem auf. Dieses hat aber unter anderem die Aufgabe, allen Endgeräten einer EDV-Anlage gleiches Potential zuzuweisen. Wenn Ströme darin fließen, sind die Potentiale aber nicht gleich! Dann kann es zu massiven Missverständnissen zwischen den Endgeräten kommen, abhängig von der eingesetzten Technik. n „Die elektromagnetische Verträglichkeit muss mehr als eine Frage der Netze denn als eine Frage der daran betriebenen Geräte betrachtet werden“, betont Dipl.-Ing. Stefan Fassbinder (rechts) im Gespräch mit ep-Redakteur Stefan Winterfeldt. Herr Fassbinder ist Berater für elektrotechnische Anlagen am Deutschen Kupferinstitut in Düsseldorf und seit vielen Jahren als Fachautor national und international tätig. Quelle: Lesen Sie dazu den Beitrag von S. Fassbinder „Der Neutralleiter wird so schnell nicht abbrennen. LEDs und Oberschwingungen - Teil 1/2“ ab S. 25.

Sie haben eine Fachfrage?