Elektrotechnik
Energieeinsparverordnung: Neue Maßstäbe für Gebäudetechnik
ep5/2000, 2 Seiten
Energieeinsparverordnung 2000 Schwerpunkt der in diesem Jahr größten deutschen Baufachmesse unter dem Berliner Funkturm war nicht zuletzt die Reduzierung des Bedarfs an konventionellen Energieträgern durch eine weiterentwickelte Gebäudehülle und -technik. Anlass war u. a. die seit 1999 als Referentenentwurf vorliegende Energieeinsparverordnung (ENEV) 2000. Sie löst frühestens Mitte 2001 die seit 1995 geltende dritte Wärmeschutzverordnung (WSO) sowie die Heizungsanlagenverordnung ab. Als ein weiterer Schritt zur CO2-geminderten und damit umweltverträglicheren Energieversorgung gibt sie neue kWh/m2·a-Grenzwerte vor, die zu einer durchschnittlichen Senkung der Gesamtenergiebilanz um 30% führen sollen. Damit wird das Niedrigenergiehaus ein Quasistandard (vgl. ep 5/98, S.422-424 und ep 1/99, S.6-8). Voraussetzung ist es, die Wohnqualität aufrechtzuerhalten bzw. den steigenden Anforderungen anzupassen sowie den Kostenrahmen nicht wesentlich zu überschreiten. Mit der ENEV 2000 verändern sich die Bewertungen der Wärmeenergieträger - und in Umsetzung einer EU-Richtlinie auch die Berechnung - erheblich. Die neue Regelung fasst Wärmeerzeugung, Wärmetransport sowie die von außen zugeführte Wärmemenge für die Gebäudeheizung erstmalig zu einer Einheit zusammen. Neu ist auch die Erweiterung der Energiebilanz um die Wärmeverluste im Heizsystem des Gebäudes wie auch um alle Verluste, die durch Umwandlung von Primärenergie (Gas, Heizöl etc.) und Elektroenergie entstehen. Der Heizenergiebedarf wird durch interne und externe solare Energiequellen ebenso entlastet wie durch Wärmegewinne aus Erdwärme, Biogas etc. Erneuerbare Energien Durch die erstmalige Einbeziehung von Energiegewinnen wächst der Anreiz zur Gebäudeintegration von Blockheizkraftwerken, in einigen Jahren vermutlich mit Brennstoffzellen, deren Stromanteil wesentlich größer ist. Der Bundestag hat am 25.02.2000 die Erhöhung der Vergütungssätze für Strom aus Sonne, Wasser, Biomasse/Biogas und Erdwärme bei der Netzeinspeisung beschlossen. Weiterhin ist die Förderung der BHKW beabsichtigt. Damit eröffnen sich dem Elektrohandwerk sowie einschlägigen Ingenieurbüros verbesserte Verkaufschancen im Alt- und Neubau. Die Stromerzeugung mit Photovoltaik, die durch das 100.000-Dächer-Programm ein anhaltend zweistelliges Wachstum erreicht, wird mit 99 Pf/kWh vergütet. Nachdem in Deutschland ein zweites Unternehmen hochautomatisiert Solarzellen fertigt, wachsen auch die Hoffnungen, dass Solarmodule in einigen Jahren preisreduziert angeboten werden (Bild ). Der staatlich geförderte Einsatz von Solarkollektoren leistet einen wesentlichen Beitrag zur CO2-freien Warmwasseraufbereitung und zur Klimatisierung (vgl. ep 9/99, S.814-819). Ein von UFE Solar vorgestellter Sorptionsspeicher könnte infolge seiner hohen Energiedichte die mit Solarkollektoren gewonnene Wärmeenergie technisch und wirtschaftlich besser als die bekannten Wasserspeicher für den Winter sammeln. „Der Energiebedarf eines Niedrigenergiehauses kann damit bis zu 100 % gedeckt werden“ - so die UFE-Erklärung. Elektropraktiker, Berlin 54 (2000) 5 384 Branche aktuell Wie im Automobilbau: Vollautomatische Fertigung von Bauteilen für Massivhäuser. Eines von hundert Systemen: Mit drei Bohr- und Fräshammern werden sämtliche für die anschließende Montage erforderlichen Bohrungen und Fräsungen ausgeführt - in Reinraumatmosphäre und schallisoliert. Quelle: Europahaus Ein Gegenstand langjähriger Forschung und Entwicklung hat die Marktreife erreicht. Ein Neubau der Stadtsparkasse Dresden verfügt als Bestandteil des Energiemanagements über Europas erste Fassade mit elektrochromer Transparenz-Steuerung. Foto: Flabeg/Pilkington Europas größte Produktionsanlage zur Herstellung von Solarzellen wurde am 16. November 1999 in Gelsenkirchen offiziell in Betrieb genommen. Das Bild zeigt den Verwaltungstrakt. Wie ein Teil des angrenzenden Hallendaches ist er mit Solarzellen bestückt, die pro Jahr in der Endausbaustufe rund 100 MWh liefern. Foto: Deutsche Shell AG Auf der Berliner bautec 2000 notiert: Energieeinsparverordnung: Neue Maßstäbe für Gebäudetechnik Langjährig verfolgtes Ziel einer umweltverträglichen Energieversorgung von Gebäuden ist die Reduzierung der CO2-Emissionen, die bei der Verbrennung fossiler Energieträger (Öl, Gas, Kohle u. a.) entstehen. Das erzwingt ein Umdenken bei der Energieerzeugung und -nutzung. Die neue Energiesparverordnung wird die Grundlage des voraussichtlich ab 2001 vorgeschriebenen Niedrigenergiehauses - eine Herausforderung auch für die Elektrobranche. Branche aktuell Altbausanierung eröffnet zusätzliche Chancen für die Elektrobranche Während die gültige WSO vor allem auf die Reduzierung des Energiebedarfs für Neubauten orientiert, wird ab 2001 die Altbausanierung die Nachfrage bestimmen. Prof. K. Gertis, Direktor des renommierten Stuttgarter Frauenhofer-Instituts für Bauphysik, begründete ausführlich den Vorrang der Sanierung vor Neubau. Er bezifferte die Zahl der modernisierungsbedürftigen Altbauwohnungen auf 18 Millionen in den alten und sechs Millionen in den neuen Bundesländern. Die sanierungsbedürftigen, vielfach vor mehr als zwei Jahrzehnten errichteten Gebäude werden zunehmend auch eine busorientierte Elektroinstallation mit ihren bekannten Vorzügen erhalten. Damit lässt sich ein kosten- und energieoptimal gesteuertes Energiemanagementsystem verwirklichen. Darin lassen sich alle Lieferanten von Heiz-, Wärme- und Elektroenergie ebenso einbeziehen wie intelligente Fenster, Lüfter, Energieverbraucher etc. Kontrollierte Wohnungslüftung und intelligente Fenstersysteme Niedrigenergiegebäude erfordern aufgrund der höheren Dichtigkeit des Baukörpers zwingend eine kontrollierte Lüftung, die aus energetischen Gründen mit einer Wärmerückgewinnung gekoppelt wird (vgl. LuK 1/97. S.8-11). Die „Intelligenz“ moderner Glasbauten und im Besonderen der Fenstersysteme beschränkt sich nicht nur auf Lüftung, Verriegelung und Einbruchüberwachung. Selbst integrierte Rollos oder Solarzellen zur Verschattung sind lieferbar. Speziell beschichtete Gläser mit 2- oder 3fach Verglasung mit extrem niedrigen Wärmedurchgangskoeffizienten von 0,8 W/m2K (Grad Kelvin) werden in verschiedenen Varianten gefertigt. Sie verbinden eine hohe Durchlässigkeit für die energiereiche Sonneneinstrahlung mit der Fähigkeit, durch Reflektion Solarwärme in den Innenraum zu transportieren. Zu den herausragenden Neuheiten zählt das Sonnen- und Wärmeschutzglas Econtrol. Eine elektrochrome Beschichtung verändert bei angelegter Gleichspannung unterhalb 3 V die Transparenz von Glasfassaden und Fenstern im Bereich von 15-50 % (vgl. ep 1/99, S.6-8). Dadurch lassen sich in Abhängigkeit von der Sonnenstrahlung Raumtemperatur und -ausleuchtung in fünf Stufen steuern. Die in Bild gezeigte Fassade wird über ein Bussystem geführt. Eine andere Variante ist die Infrarot-Fernsteuerung. Auf dem Weg zum Passivhaus Eine erwähnenswerte Entwicklung auf dem Weg zum Niedrigenergie-Standard ist das Europahaus. Mit veränderten Fertigungstechnologien sollen die Kosten für das fertige Gebäude auf 1500 DM/m2 (Garantiewert) begrenzt werden. Ab 2002 werden täglich Bauteile für 20 individuell entworfene Massivhäuser gefertigt (Bild ). 3,5 Stunden nach Entladung soll das montierte, installierte und tapezierte Haus bezugsfertig sein. Grundlage für Planung, Fertigung und Logistik sind in Anlehnung an den automatisierten Automobilbau entwickelte Systeme. Dabei kann der Bauherr aus einer „riesigen Anzahl von virtuellen und realen Mustern jedes Detail seines Hauses selbst bestimmen“ - so der zuständige Geschäftsführer. Das gilt auch für die Elektrik, die optional als Busverkabelung mit Steuer- und Diagnosesystem geliefert wird. Ähnlich wie in der Autoindustrie benötigt die Europahaus-Produktion ausdrücklich auch für Elektroenergieversorgung und die intelligente Haustechnik Zulieferbetriebe. Die Integration von Wärmepumpen, konventionellen wie Brennstoffzellen-BHKW, soll ebenso möglich sein wie von Solarkollektoren und von PV-Anlagen. Damit wird nach Herstelleraussagen auch die Realisierung eines Passivhauses möglich. Ziel ist die Senkung des Jahresheizwärmebedarfs von 40-70 kWh/m2·a auf 10-30 kWh/m2·a. Einzige Wärmelieferanten sind im Extremfall die Sonne, Verluste elektrischer Geräte und die Gebäudenutzer. Letztlich werden Kostenfragen und die örtlichen Gegebenheiten über die Realisierung entscheiden. H. Kabisch
Autor
- H. Kabisch
Downloads
Laden Sie diesen Artikel herunterTop Fachartikel
In den letzten 7 Tagen:
Sie haben eine Fachfrage?