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Elektrotechnik

Dynamische Fluchtweglenkung

ep10/2005, 2 Seiten

Im Fall eines Brandes besteht an öffentlichen Orten mit hohem Personenaufkommen ein erhebliches Risiko, die Orientierung zu verlieren. Herkömmliche Fluchtwegkennzeichnungen oberhalb von Türen sind wegen starker Qualmentwicklung oftmals nur schwer zu erkennen. Derartige Probleme lassen sich durch eine intelligente, dynamische Fluchtweglenkung vermeiden.


Vorschriften In Großkinos, Hotels, Altenheimen und Krankenhäusern, Bahnhöfen, Flughäfen und Sportarenen treffen viele Menschen zusammen. Eine besondere Gefährdung besteht bei Versammlungen in geschlossenen Räumen. Für diese Gebäude wird eine Sicherheitsbeleuchtung gesetzlich gefordert. Ihre Ausführung ist in Normen sowie technischen Richtlinien geregelt. Alle bisherigen Vorschriften bezogen sich auf ein statisches System der Notbeleuchtung und Fluchtwegkennzeichnung. Grundsätzlich ist eine statische Notbeleuchtung auch ausreichend. Die dynamische Fluchtweglenkung, die seit Juli 2001 durch die BGR 216 (siehe Kasten) legitimiert ist, bietet jedoch zusätzliche Vorteile. Schwachstellen konventioneller Systeme Die herkömmlich verwendeten, statischen Fluchtwegsysteme weisen zwei Mängel auf: · Aufgrund ihrer Einbauhöhe sind sie bei zunehmender Verqualmung nur noch schwer zu erkennen. Tatsache ist, dass sich der Rauch nach dem Entstehen im oberen Raumdrittel konzentriert. · Ein Flüchtender kann nicht sehen, ob er tatsächlich einen sicheren Bereich erreicht. Bei mehreren betroffenen Zonen kann er so in andere, möglicherweise noch stärker verqualmte Räume geleitet werden. Beim Flughafenbrand in Düsseldorf 1996 waren die angeführten Nachteile vorhanden, wodurch Menschen großen Gefahren ausgesetzt waren. 72 Personen wurden schwer verletzt, 17 Menschen starben. Wegen der extrem starken Rauchentwicklung und der örtlichen Gegebenheiten erwies sich die Sicherheitsbeleuchtung als wirkungslose Fluchtwegorientierungshilfe. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich ein bodennahes Kennzeichnungssystem für Rettungswege, aus lang nachleuchtenden Elementen (lichtspeichernde Systeme) oder mit Leuchten (Elektrolumineszenzsysteme, LED-Systeme, Lichtleiter), nicht durchsetzen können. Verschiedene Gründe, unter anderem die Kosten und der Wartungsaufwand, waren dafür verantwortlich. Kritiker sprachen vor allem von der Unvereinbarkeit eines solchen Systems mit den DIN-Normen. Anforderungen an sichere Fluchtwege In die Auswertungen des Brandgeschehens in Düsseldorf und die anschließende Neukonzeption des Evakuierungssystems flossen verschiedene Überlegungen ein: · Alle vorhandenen Sicherheitseinrichtungen der Gebäudesystemtechnik, z. B. Brand- und Rauchmelder, Wärmefühler, sollen den Gefahrenherd unmittelbar nach Brandausbruch genau lokalisieren. · Ein wirksames Fluchtwegleitsystem besitzt die Aufgabe, betroffene Personen - trotz Einschränkungen wie Feuer, starker Rauchbildung und Sprinklerauslösung - sicher vom Brandherd wegzuführen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass bei Bränden in größeren Gebäudekomplexen Fluchtwege sternförmig angelegt sein können. · Dem Auftreten mehrerer Brände in verschiedenen Brandabschnitten, so genannter Streubrände, ist Rechnung zu tragen. Bei der praktischen Umsetzung dieser Vorgaben stellte sich heraus, dass Notleuchten mit statischen Fluchtweganzeigen nach DIN VDE 0108 [2] allein nicht einsetzbar sind. Die zulässigen Pfeilrichtungen, die nach links, rechts und nach unten zeigen, reichen nicht aus. Die erforderliche Lenkfunktion lässt sich aufgrund der Statik der Anzeige nicht realisieren. Bestenfalls ergänzen sie ein tatsächliches, dynamisches Fluchtwegleitsystem. Dynamische Systeme Bei der Installation sind die Brandschutzvorschriften der Elektroinstallation einzuhalten (Funktionserhalt) sowie bau- und brandschutzrechtliche Regelungen zu beachten (z. B. RbALei oder MLAR). Die Sicherungssymbole sind nach BGV A8 (früher VBG 125) ausgeführt. Die Farbe Grün weist auf rettende Türen, Ausgänge oder Stationen hin. Arbeitsweise Am Beispiel des situationsorientierten Fluchtwegleitsystems D.E.R. (Dynamic Escape Routing) wird die prinzipielle Arbeitsweise dargestellt. Nach Entdeckung eines Feuers durch einen Brandmelder führt das System die Rettungssuchenden mittels Dioden-Leuchten vom Brandherd bzw. der Gefahrenstelle weg. Das Auslösen von Rauchmeldern verändert die in einem Zentralrechner gespeicherten Anzeigeschemata entsprechend vorher festgelegten Regelungen. Im Falle eines Brandes ergänzen sich drei Komponenten der Fluchtwegkennzeichnung zu einer durchdachten Einheit (Bild ): · Flucht- und Rettungswegkennzeichen oberhalb von Türen, die Menschen in den betroffenen Bereich lenken würden, zeigen durch Pfeile in andere Fluchtrichtungen oder verlöschen und werden durch rote Kreuze ersetzt. · In Bodennähe angebrachte Fluchtwegkennzeichen und helle Leuchten neben den Fluchttüren ergänzen die Beschilderung oberhalb der Tür. · In den Boden als Reihe eingelassene Leuchten mit einem grünen Pfeilsymbol leiten, vergleichbar Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 10 810 AUS DER PRAXIS Dynamische Fluchtweglenkung Im Fall eines Brandes besteht an öffentlichen Orten mit hohem Personenaufkommen ein erhebliches Risiko, die Orientierung zu verlieren. Herkömmliche Fluchtwegkennzeichnungen oberhalb von Türen sind wegen starker Qualmentwicklung oftmals nur schwer zu erkennen. Derartige Probleme lassen sich durch eine intelligente, dynamische Fluchtweglenkung vermeiden. Forderungen an die dynamische Fluchtweglenkung In der BGR 216 [1] wird gefordert: Der Unternehmer hat dafür Sorge zu tragen, dass der Arbeitsplatz im Gefahrfall sicher über gekennzeichnete Rettungswege (optische Sicherheitsleitsysteme, wie elektrische und lichtspeichernde Systeme) verlassen werden kann. In der Regel befindet sich die Kennzeichnung der Rettungswege im sichtbaren Bereich an den Wänden. Bodennahe Sicherheitsleitsysteme sind anzubringen · bei entsprechenden Brandlasten von stark Rauch entwickelnden Materialien, · bei unübersichtlicher oder mehrgeschossiger Bauweise mit großer Personenbelegung, · in Krankenhäusern oder Altenheimen, in denen sich Menschen mit geringer Mobilität aufhalten, · auf Flughäfen oder in U-Bahnanlagen, · in Großkaufhäusern, großen Hotels, auch solchen mit verwinkelten Fluchtwegen, · in Kraftwerken. Theater, Universitäten, Großkinos und Großkliniken gelten in diesem Zusammenhang als Gebäude mit erhöhter Gefährdung. Eine Lenkung der Fluchtrichtung durch Änderung der Leuchtendisplays ist für sie eindeutig festgelegt. Dynamisches Fuchtweglenksystem - unverraucht und verraucht (Fotos: Inotec) mit den Systemen in Flugzeugen, zum nächsten sicheren Ausgang. An Kreuzungspunkten dieser Leuchtenreihen wird der Flüchtende, entsprechend der im Rechner programmierten Modelle, zur nächsten sicheren Tür gelenkt. Rettungszeichenleuchten Wie gesetzlich gefordert sind Rettungszeichenleuchten über den Brandschutztüren installiert. Hier sind sie allerdings zweiteilig ausgeführt. Der untere Teil mit einem Fluchtwegpiktogramm ohne Pfeil ist statisch. Ein- und ausgeschaltet wird nur die Beleuchtung. Den oberen Teil der Leuchte regelt der Mikroprozessor. Durch die Kombination verschiedener Leuchtdioden ist die Anzeige von vier unterschiedlichen, blinkenden Kennzeichen möglich. Darstellen lassen sich der Pfeil nach links, rechts oder unten, sowie ein rotes Kreuz, das verhindern soll, den Ausgang als Fluchtweg zu nutzen (Bild ). Mittlerweile steht ein großes Spektrum lenkender, diodengestützter Leuchten zur Verfügung. Nahezu jegliche gewünschte Applikation ist zu realisieren. Anfänglich wurden bei dem Konzept nur Boden- und Wandleuchten eingesetzt. Heute sind bereits IP 65-Versionen für raue Einsatzbedingungen (z. B. angeschlossene Großgaragen), Türdisplays mit Anzeige der Raumbelegung oder winklige Leuchtengehäuse entwickelt. Letztere können auch Ecken und andere Verläufe des Fluchtwegs darstellen. Multifunktionsleuchten mit Weisung aller Richtungen oder Sperrung der Fluchtwege gehören ebenso dazu wie Über-Tür-Leisten mit entsprechenden Fluchtweganzeigen und Dioden. D.E.R.-Leuchten benötigen eine Betriebsspannung von 48 V und sind im Regelfall zu Leuchtensträngen zusammengefasst, die sich autark voneinander ansteuern lassen. Das ermöglicht Führung und Lenkung in beliebige Richtungen. Fluchtwegsteuerung Bei Netzausfall gewährleistet eine Zentralbatterie den Betrieb aller Systemkomponenten. Ein Steuerteil, in dem alle Fluchtwegmöglichkeiten hinterlegt sind, prüft innerhalb kürzester Zeit verschiedene Fluchtwegmuster und wählt gegebenenfalls günstige Fluchtwege aus. Bei starker Rauchentwicklung bewähren sich die Boden- und Wandeinbauleuchten, denn der Rauch konzentriert sich im höheren Bereich. Bis zu einer Höhe von etwa 0,5 m bildet sich zunächst eine raucharme Zone, in der nicht nur die toxische Belastung erträglich, sondern auch die Sicht noch eindeutig gegeben ist. Deshalb sollte der Rückzug im Gefahrenfall auch möglichst kriechend erfolgen. Wichtig sind aus diesem Grunde die in den Fußboden eingelassenen Leuchten. Diese sind als Dioden-Leuchten (lichtstarke Lumineszenz-Dioden) ausgeführt und zeigen blinkend die Lauf- und damit Fluchtrichtung an. Dabei ist die Ausrichtung der Pfeile von der räumlichen Lage ansprechender Rauchmelder abhängig. Bodennah sind neben den Fluchttüren außerdem zweiteilige Leuchten angebracht. Im mittleren Wandbereich weist ein grüner Pfeil ebenfalls in die Fluchtrichtung. Darunter ist eine lichtstarke, auf den Boden ausgerichtete Leuchtstofflampe angeordnet. Auf die zu erreichende Fluchttür macht ein Xenon-Blitz aufmerksam. Dieser signalisiert, dass Flüchtende an einem neuen, sicheren Brandabschnitt angekommen sind. Das Steuerteil überwacht automatisch das Gesamtsystem und kann maximal sechs Karten oder Stränge mit bis zu 96 Einzelleuchten ansteuern und verwalten. So wird der Weg zum nächstgelegenen Ausgang durch Sicherheits- und Rettungszeichenleuchten signalisiert. Literatur [1] BGR 216 Optische Sicherheitsleitsysteme (einschließlich Sicherheitsbeleuchtung). [2] DIN VDE 0108 Starkstromanlagen und Sicherheitsstromversorgung in baulichen Anlagen für Menschenansammlungen. I. Kölbl, S. Wagner Elektropraktiker, Berlin 59 (2005) 10 811 AUS DER PRAXIS Fluchtwegpiktogramm mit dynamischer Richtungsanzeige

Autoren
  • I. Kölbl
  • S. Wagner
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