Regenerative/Alternative Energien
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Elektrotechnik
Brennstoffzellen mit hoher Betriebstemperatur - Überblick
ep10/2001, 4 Seiten
1 Drei Argumente für die H-BZ Heute unterscheidet man im wesentlichen fünf verschiedene Typen von Brennstoffzellen (BZ): · Alkalische-BZ (AFC) · Polymer-Elektrolyt-Membran-BZ (PEMFC, auch PEFC) · Phosphorsaure-BZ (PAFC) · Schmelzkarbonat-BZ (MCFC) · Oxidkeramische-BZ (SOFC). Nach ihrer Betriebstemperatur werden sie unterteilt in Niedertemperatur-BZ (N-BZ) und Hochtemperatur-BZ (um 600 °C bzw. unterhalb 1000 °C). Die fünf Typen unterscheiden sich aber nicht nur hinsichtlich des Elektrolyten und der Betriebstemperatur, sondern auch bezüglich Brennstoffversorgung, Wirkungsgrad, möglichen Einsatzgebieten und Entwicklungsstand (vgl. ep 1/00, LuK S. 11-13 und ep 10/00, LuK S. 12-14/22). 1.1 Hoher Wirkungsgrad H-BZ werden N-BZ auf absehbare Zeit nicht ersetzen können. Dennoch haben H-BZ ein größeres Entwicklungspotential und können gekoppelt mit nachgeschalteten Turbinen elektrische Wirkungsgrade erreichen, die den heute dominierenden leistungsstarken Wärmekraftwerken wie auch den motorgetriebenen Blockheizkraftwerken (BHKW) aus physikalischen Gründen verschlossen bleiben (Bild ). 1.2 Erdgas nur entschwefeln Im stationären Bereich werden die BZ mit Erdgas versorgt. Das erfordert eine vorgeschaltete Aufbereitung, die wegen der unterschiedlichen Empfindlichkeit gegen Kohlenwasserstoffe vor allem für N-BZ recht aufwändig ist (Bild ). Sie können nur Wasserstoff (H2) mit Sauerstoff (O2) in Strom umwandeln. H-BZ wandeln aber auch Kohlenmonoxyd und einfache Kohlenwasserstoffe in Strom um. Die Erdgasaufbereitung reduziert sich auf „Entschwefeln“ und die Umwandlung verlagert sich in die H-BZ (interne Reformierung). 1.3 Erweitertes Brennstoffangebot Die Fähigkeit der H-BZ, begrenzt auch Kohlenwasserstoffe zur Stromerzeugung zu Energieversorgung Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 10 824 Brennstoffzellen mit hoher Betriebstemperatur - Überblick H. Kabisch, Berlin Im Ergebnis jahrzehntelanger Forschung und Produktentwicklung haben Brennstoffzellen für hohe Betriebstemperaturen (H-BZ) einen hohen technischen Reifegrad erreicht. Ihr zukünftiges Einsatzgebiet liegt zunächst im stationären Bereich. Marktreife Erzeugnisse werden in einigen Jahren nicht nur Strom und Wärme für das Einfamilienhaus, für die Industrie oder für ganze Wohngebiete liefern. Alternativ sollen sie die dezentrale Stromversorgung mit Leistungen bis zu 1 MW (Planung 10 MW) ergänzen. Dipl.-Ing. Helmut Kabisch ist freier Fachjournalist, Berlin. Autor H-BZ verlagern die Brennstoffaufbereitung in das Innere - ein Reformer entfällt (Quelle: HGC) CO-Rest entfernen Erdgas ganz in CO und H2 umwandeln Erdgas teils in CO und H2 umwandeln entschwefeln Erdgas verdampfen Flüssige Brennstoffe kein CO, CO2 AFC CO2-freie Luft kein CO PEFC CO-freie Luft int. Reformer MCFC Luft int. Reformer SOFC Luft CO zu CO2 konvertieren reiner Wasserstoff wenig CO PAFC Luft H2-reiches Gasgemisch 80 °C 800 °C 800 °C 300 °C 440 °C Elektrischer Wirkungsgrad von BZ-Kraftwerken (>10 MW prognostisch) Konkrete Produktentwicklungen lassen erwarten, dass unter Ausnutzung der Wärmeenergie bereits in 3 bis 4 Jahren mit der SOFC ab 1 MW ein Wirkungsgrad von 60 % erreicht werden kann (die in diesem Bereich bisher eingesetzten gasmotorisch angetriebenen BHKW erreichen etwa 41 %!) (Quelle: Alstom) nutzen, erweitert kostengünstig das Brennstoffangebot. Das gilt für Klärgas, Biogas jeder Art, Grubengas usw. Auch an der Verwendung von Heizöl wird gearbeitet. Damit erweitert sich die BZ-Nutzung auf nicht mit Erdgas versorgte Gebiete. Außerdem reduzieren sich die Kosten zur Stromgewinnung aus der extrem umweltfreundlichen Biomasse (vgl. ep 7/01, S. 524). 2 MCFC-Hot Module Unter den H-BZ ist am weitesten die Schmelzkarbonat-BZ, englisch MCFC (Molten Carbonate Fuel Cell), entwickelt. 2.1 Funktionsprinzip Der Elektrolyt besteht aus einer Mischung von Kalium- und Lithiumkarbonat, die in eine Matrix eingebunden ist. Bei 480 °C schmilzt dieses Gemisch und wird bei weiterer Temperaturerhöhung elektrolytisch leitfähig: Die Karbonat-Ionen (CO3 2-) entladen sich an der Anodenseite und geben ein Sauerstoff-Atom ab, das sich mit dem vorbeiströmenden Wasserstoff zu Wasser (H2O) verbindet. Das verbleibende Kohlendioxid (CO2) kehrt zur Kathodenseite zurück, nimmt dort zwei Elektronen und ein Sauerstoff-Atom aus der vorbeiströmen- Ansicht des aus drei Komponenten bestehenden Kleinkraftwerkes „Hot Module“ Brenngas (Erdgas, Wasserstoff oder andere Brennstoffe) Umwälzgebläse Mischkammer für Frischluft, Anodengas und Kathodenluft Sammelhaube für Kathodenabgas Frischluft Abluft Abluft Frischwasser Frischlufteintritt gereinigtes Brenngas Elektro-Heizregister zum Starten des Prozesses Umluft Elektroschrank mit Steuerung und Wechselrichter ca. ca. 2 ca. 3 ca. 4 Stahlkessel mit 300 in Reihe geschalteten großflächigen, scheibenförmigen BZ-Kernelement des Hot Module (im Vordergrund ist die Spanneinrichtung erkennbar) (Bilder: MTU) Energieversorgung den Luft auf und kehrt so als Karbonat-Ion (CO3 2-) erneut in den Prozess zurück. 2.2 Aufbau Wegen ihrer relativ niedrigen Temperatur von etwa 600 °C sind die Materialkosten geringer als bei der SOFC. Diese Temperatur erlaubt es, auf teure Katalysatoren aus Edelmetall zu verzichten. Nickel reicht aus, um die BZ-Reaktion in Gang zu bringen. Zu den weltweit erfolgreichsten Entwicklern der MCFC zählt die Friedrichshafener MTU (Motoren- und Turbinen-Union) - eine Tochter des Daimler Chrysler-Konzerns. Ihr ist es im Ergebnis einer etwa l0jährigen Forschung und Produktentwicklung u. a. gelungen, die Betriebstemperatur von ursprünglich 650 °C auf 600 °C zu senken. Bild zeigt den Aufbau eines Kleinkraftwerkes vom Typ MCFC. Die Anlage besteht aus drei separaten Komponenten: · zentraler Stahlkessel mit dem Brennstoffzellen-Stapel - dieser ist das eigentliche Hot Modul, das der gesamten Anlage ihren Namen gab, · vorgeschaltete Gasreinigungsanlage und · Elektroschrank, mit dem der elektrische Wechselstrom konditioniert und die Anlage gesteuert wird. 300 einzelne Zellen, die hintereinander montiert und durch Zuganker zusammen-Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 10 826 Bauformen der SOFC-Einzelzelle: Planare (Sandwich-)Technologie und tubulare (Röhren-) Technologie (Quelle: ASUE) Das SOFC-Hybridsystem für 220 kW arbeitet mit nachgeschalteter Turbine (ähnlich wie die MCFC). 21 kW leistet ein Heißgasturbosatz, der Abwärme und Druckunterschiede ausnutzt. Die Wirkungsgrade erhöhen sich leistungsabhängig (bei späteren Typen für 2 bis 3 MW voraussichtlich auf 70 %) Nicht viel dicker als Besenstiele sind die 1,50 m langen SOFC-Röhren der 1. Generation (Foto: Siemens-Westinghouse) Schema der Feldtestanlage Reformer Verdampfer Erdgas Luft Abgas Zellenstapel 16 kWth Heizgerät Schema der HXS 1000 - durch kompakteren Aufbau wird der Wasserspeicher im gleichen Gehäuse untergebracht (Quelle 8 und 9: Sulzer Hexis) Abgas Brauchwasser Heizung Wechselrichter Luft Elektrische Netzkopplung Speicher Zellenstapel Erdgas Aufbau des Heizgerätes mit SOFC (vgl. ep 5/01, S. 5). A Termische Isolation; B Zellenstapel; C Wärmetauscher; D Wärmespeicher; E Steuerung; F Zusatzheizgerät; G Wechselrichter; H Gasentschwefelung; I Abgas (Foto: Sulzer Hexis) Energieversorgung gehalten werden, bilden zusammen den Zellstapel (Bild ). Die einzelnen Zellen sind als flache Sandwiches gebaut (planare Bauweise). Hier umschließen zwei Elektroden (Anode und Kathode) eine Trägerfolie, die mit dem Elektrolyt Lithium-Kalium-Karbonat gefüllt ist. 2.3 Weg zur Serienfertigung Die erste 250 kWel leistende Feldversuchsanlage in Bielefeld hat inzwischen ihren Ein-Jahres-Test abgeschlossen. Dabei wurde mit einem Anlagenwirkungsgrad von 47 % ein Rekordwert in dieser Leistungsklasse erreicht. Durch Verringerung der Verluste in Höhe von 9 % um 3 % soll der Anlagenwirkungsgrad auf 50 % gesteigert werden. Bereits im Mai wurde bei der Rhön Kliniken AG im fränkischen Bad Neustadt eine weiterentwickelte Anlage in Betrieb genommen, die auch die Notstromversorgung übernimmt - ähnlich wie zurzeit beispielsweise Blockheizkraftwerke (BHKW). Insgesamt sollen in diesem Jahr acht dieser MCFC-Kleinkraftwerke in Betrieb gehen - darunter auch Testobjekte für spätere Käufer. Dazu gehört auch der Energiekonzern RWE, der Ende des Jahres einen 300-kW-Prototyp in der Essener Demonstrationsanlage installiert. Durch die Integration einer mit Abwärme angetriebenen Dampfturbine wird die Leistung erhöht und der Wirkungsgrad auf 65 % gesteigert - das ist mehr als modernste Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerke erreichen. Wie bei anderen BZ-Projekten laufen auch beim Hot Module Dauererprobung, Weiterentwicklung, Verbesserung des Kosten/ Nutzen-Verhältnisses vom letzten Feldtestgerät zum nächsten sowie Fertigungsvorbereitung parallel. Ab 2005 plant das Unternehmen, die Kleinkraftwerke „zu Preisen anzubieten, die in ersten attraktiven Anwendungen einen wirtschaftlichen Betrieb erlauben“. Sie konkurrieren dabei mit Gasmotoren-Anlagen, die heute 1000 pro kW kosten. Da ihr Wirkungsgrad aber 9 % niedriger liegt, will MTU das Hot Module für 1000 bis 1200 anbieten. Eine hohe finanzielle Belastung ergibt sich aber durch die erheblichen Vorleistungen der letzten 15 Jahre (Forschung, Produktentwicklung, Fertigungsvorbereitung). 3 Leistungsstarke SOFC für die dezentrale Energieversorgung Die oxydkeramische BZ, auch als Festkeramik-BZ oder kurz als SOFC (Solid Oxyde Fuel Cell) bezeichnet, arbeitet mit den höchsten Temperaturen - ursprünglich bis zur 1000-°C-Grenze. Der Elektrolyt besteht aus einer hauchdünnen Zirkondioxid-Keramik. Sie verspricht die Stromerzeugung mit den besten elektrischen Wirkungsgraden und könnte langfristig sogar die gegenwärtigen Wärme-Großkraftwerke verdrängen (Bild ). Im internationalen Wettlauf um die erste und beste SOFC für hohe Leistungen hat sich nach 35 Jahren Siemens als Marktführer profiliert. Nach Übernahme des SOFC-Entwicklungspotentials von Westinghouse in den USA hat der Konzern das scheibenförmige Sandwich-Konzept aufgegeben und setzt auf das Röhrenkonzept (Bilder und ). Weit mehr als 1000 dieser röhrenförmigen Einzelzellen waren für die erste 100-kW-SOFC-Anlage (Holland) notwendig. Von 1998 bis 2000 wurde sie 16000 Stunden getestet - störungsfrei, ohne die gefürchteten Alterungserscheinungen und mit einem elektrischen Wirkungsgrad von 47 %. Eine zweite Anlage steht in Essen. Mitte des nächsten Jahres folgt dort als Weltpremiere eine druckaufgeladene SOFC der 300- kW-Klasse. 75 % des Stromes liefert die BZ, die restlichen 25 % steuern die Abwärme und das Druckgefälle des heißen Abgasstromes von drei auf ein Bar mit einer Mikro-Gasturbine bei. 120 kWth für die Wärmeversorgung und eine Absorptions-Kälte-Anlage erhöhen den Gesamtnutzungsgrad des eingesetzten Erdgases auf über 80 % (Bild ). Siemens-Westinghouse bereitet die Fertigung für 250-kW-BHKW sowie für 300-kW-Hybridsysteme und für 1-MW-Stromerzeuger vor. Beginnend mit einer Einzelfertigung in den Jahren 2003/2004 sollen bis 2005/2006 etwa 100 BHKW bzw. Stromerzeuger für die dezentrale Energieversorgung gefertigt werden. Weitere Leistungssteigerungen sind durch den modularen Aufbau der BZ-Technologie relativ leicht zu realisieren, so dass eine schrittweise Erweiterung auf 10 MW - die Obergrenze für die dezentrale Energieversorgung - noch in diesem Jahrzehnt nicht auszuschließen ist. 4 Planare SOFC für das Einfamilienhaus Trotz der im oberen Leistungsbereich gegenwärtig dominierenden Röhrenbauweise ist auch die planare SOFC internationaler Gegenstand der Entwicklung. In Deutschland arbeiten auf diesem Gebiet das Forschungszentrum in Jülich und das Frauenhofer Institut für keramische Technologien und Sinterwerkstoffe in Dresden. Die Schweizer Sulzer Hexis AG liefert bereits in diesem Jahr erste Vorserienmuster einer 1-kW-SOFC an deutsche Stromversorger wie RWE und EnBW. Die BZ der Sulzer Hexis AG ist Teil einer dezentralen Energieversorgung und erinnert in den Grundfunktionen an das Heizgerät der Fa. Vaillant ( ep 1/00, LuK S. 11-13). Für die ab Ende 2001 verfügbare Vorserie nennt der Hersteller folgende Daten: BZ-Leistung 1 kWel, 2,5 kWth (Maximalwerte); thermische Leistung des Zusatzbrenners in den Varianten 12, 16 und 22 kW; Inhalt des Wärmespeichers 200 Liter, Abmessungen 1080 x 720 x 1800 mm (Breite x Tiefe x Höhe); Gesamtgewicht 350 kg ohne Wasserfüllung. Der elektrische Wirkungsgrad beträgt nach Firmenangaben 25 bis 30 % und liegt damit in einer ähnlichen Größenordnung wie motorbetriebene BHKW. Das Ziel ist eine Steigerung über 30 % hinaus. Während praktisch alle anderen potentiellen Produzenten gebäudeintegrierter BZ in Europa auf den Niedertemperaturbereich setzen, verfolgten die späteren Gründer der Sulzer Hexis AG bereits seit Anfang der 90er Jahre ausschließlich die SOFC-Technologie. Nach ersten Erprobungen zweier Geräte in den Jahren 94 und 97 folgte 1998 ein Feldtest mit sechs Geräten (Bild ). Dabei wurde bis Mai dieses Jahres mit einem Gerät eine Lebensdauer von über 8000 Stunden nachgewiesen - Zielgröße für die Serie bleiben 40000 h. Nicht anders als bei anderen Herstellern gab es auch bei diesem Feldtest Schwachstellen und Betriebsunterbrechungen. Probleme bereiten u. a. · Überhitzungen der Elektronik, · Lastabwürfe des Wechselrichters durch Kontaktschwierigkeiten, · Kontaktprobleme im BZ-Stapel und · fehlerhafte Funktionen in der Regelungstechnik. Aufbauend auf den beim Feldtest gesammelten Erfahrungen wurde ein Vorseriengerät „HXS 1000 Premiere“ entwickelt, das sich in wesentlichen Punkten von den Feldtestgeräten unterscheidet (Bilder , und ). Nach Erprobung dieser Geräte im Zeitraum von 2001 bis 2003 beginnt 2004 die Serienfertigung. 5 SOFC für Fahrzeuge Zurzeit erprobt der PKW-Hersteller BMW den Einsatz einer SOFC als Batterieersatz. Ein bordintegrierter Reformer spaltet Benzin und liefert damit Brennstoff für die 5-kW-BZ. Die Abwärme ist Hilfsenergie für die Reformierung. In etwa 5 Jahren wird das System lieferbar sein. Für Fahrzeugantriebe werden zurzeit ausschließlich N-BZ vom Typ PEMFC erprobt. Dies könnte sich ändern, wenn das Temperatur-Niveau der SOFC extrem erniedrigt werden kann - andernfalls könnte die Wärmeenergie kaum genutzt werden. Forschern in den USA und Japan ist es im Laborversuch gelungen, die Betriebstemperaturen auf 350 bis 500 °C zu senken. Auch die Überlegungen, die erwähnten SOFC-Hybridsysteme auf größeren Straßenfahrzeugen oder im schienengebundenen Verkehr einzusetzen, sind noch weit von einer praktischen Nutzung entfernt. Energieversorgung Elektropraktiker, Berlin 55 (2001) 10 827
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- H. Kabisch
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