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Blitz- und Überspannungsschutz | Regenerative/Alternative Energien | Elektrotechnik

Blitzschutzkonzept für Biogasanlagen

ep1/2007, 5 Seiten

Beim Bau und beim Betrieb einer Biogasanlage sind besondere Sicherheitsvorschriften zu beachten. Um Personen- und Sachschäden zu vermeiden und die Anlagenverfügbarkeit sicherzustellen, sind das Risiko eines Blitzeinschlages zu beurteilen und Schutzmaßnahmen gegen Blitzströme und Überspannungen zu treffen, die sich nach dem zu beherrschenden Risiko richten.


Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 1 45 Blitz- und Überspannungsschutz FÜR DIE PRAXIS Prinzip einer Biogasanlage Das Geschäft mit dem Biogas boomt. Landwirte erhoffen sich durch die Biogasproduktion eine zusätzliche Einnahmequelle. Biogas-Anlagenbetreiber bekommen durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) die notwendige Planungssicherheit. Grund hierfür ist das erhöhte Entgelt für die in das Stromnetz eingespeiste elektrische Energie, welche auf 20 Jahre festgeschrieben ist. In Deutschland erreichte die Bioenergie 2005 einen Anteil am Stromverbrauch von knapp 2,2 % und die Tendenz ist steigend. Das Prinzip einer Biogasanlage ist wie folgt: Nachwachsende Rohstoffe und Gülle werden vergoren und erzeugen Methangas. Dieses Gas wird beispielsweise in einer Gasblase gespeichert und nach Bedarf in ein oder in mehrere Blockheizkraftwerke (BHKW) geleitet. Dort werden dann Strom und nutzbare Wärme erzeugt. Die elektrische Energie wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Die erzeugte Wärme wird zum Beheizen der Biogasreaktoren, auch Fermenter genannt, verwendet und zur Beheizung von Wohn- und landwirtschaftlichen Gebäuden genutzt. Am Ende des Prozesses bleibt ein gerucharmes Substrat übrig, welches als hochwertiger Dünger auf den Feldern ausgebracht werden kann. Gefährdung durch Blitzschlag Biogas ist ein Gasgemisch, welches sich aus Methan (50 - 80 Vol.-%), Kohlendioxid (20 - 50 Vol.-%), Schwefelwasserstoff (0,01 - 0,4 Vol-%) sowie weiteren Spurengasen zusammensetzt [1]. In Verbindung mit Sauerstoff ist das Gasgemisch Biogas in bestimmten Grenzen explosionsfähig. Aus diesem Grund sind beim Bau und beim Betrieb einer Biogasanlage besondere Sicherheitsvorschriften zu beachten. Unter anderem muss bei der Errichtung einer Biogasanlage auch das Risiko eines Blitzeinschlages beurteilt werden. Während der Entladung von Blitzen entstehen Temperaturen von einigen 10000 °C. Diese hohen Temperaturen sind ausreichend, um Biogas explosionsartig in Brand zu setzen, da bei einem Blitzschlag die Zündtemperatur von Biogas, die etwa bei 700 °C [1] liegt, bei weitem überschritten wird. Die Folge können Personen-, Sach- und Umweltgefährdungen sein. Um die Gefährdung von Menschenleben zu vermeiden und die Anlageverfügbarkeit einer Biogasanlage sicherzustellen, sind Schutzmaßnahmen gegen Blitzströme und Überspannungen notwendig, die sich nach dem zu beherrschenden Risiko richten. Blitzstromverhalten von Biogasfolien Bei Fermentern mit Tragluftdächern kommt eine Doppelmembran zum Einsatz. Oberhalb des Flüssigkeitsniveaus des Fermenters befindet sich ein Gasraum, der mit einer gasdichten Membran abgeschlossen ist. An der Oberkante des Fermenters wird ein Traggestell eingebaut, auf dem die Membran bei leerem Gasspeicher aufliegt. Durch eine fest installierte wetterfeste Folie wird die Membran vor Witterungs- und Windeinflüssen geschützt. Zwischen den Folien wird mit einem Gebläse ein geringer Druck aufgebaut, wodurch der äußeren Folie ihre Formstabilität und gleichzeitig Druck auf den Gasspeicher gegeben wird. Im Blitzstrom-Laboratorium der Firma Dehn + Söhne wurden das Verhalten derartiger Folien für Fermenter bei Beanspruchungen durch Lichtbögen, die Blitzstrom gespeist werden, untersucht. In Abhängigkeit vom Blitztyp besteht jede Blitzentladung aus einem oder mehreren Teilblitzen. Eine Blitzentladung ist eine Kombination aus Stoßströmen und Langzeitströmen. Die Folie solch eines Fermenters wurde mit einer Kombination aus einem Stoßstrom 50 kA 10/350 s und einem definierten Langzeitstrom 100 C/0,5 s belastet. Das Ergebnis der Prüfung war eine Perforation der Folien am Eintrittspunkt der Blitzentladung. Zusätzlich trat eine verstärkte Berußung/Verkohlung auf der Oberfläche auf. Außerdem kam es zur Flammenentwicklung der Folie im Lichtbogenbereich (Bild ). Im Falle eines Blitzeinschlages kann es, wie in den Versuchen gezeigt, zu einer Zündung der gefährlichen explosionsfähigen Atmosphäre auf Grund der Flammenbildung oder auch durch abtropfendes Material kommen. Es konnte außerdem nachgewiesen werden, dass es durch Blitzeinwirkungen, auch ohne Blitzlangzeitströme, zur Durchlöcherung der „Biogasfolie“ kommen kann. Aufgrund der Ergebnisse der durchgeführten Versuche im Blitzstrom-Labor sind Maßnahmen gegen die Zündquelle Blitz zu treffen. Durch die exponierte und ausgedehnte Lage von Biogasanlagen kann ein Einschlag in Anlagenteile, welche durch „Biogasfolien“ abgedeckt sind, nicht ausgeschlossen werden. Deshalb müssen die Blitzschutzmaßnahmen so ausgeführt werden, dass es zu keinem Direktblitzeinschlag in die Folienhaube des Fermenters kommen kann. Notwendigkeit für Schutzmaßnahmen Im Dezember 1999 verabschiedeten das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie 1999/92/EG, die so genannte ATEX 137, in welcher Mindestanforderungen für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz von Mitarbeitern festgelegt werden, die den Risiken einer explosionsfähigen Atmosphäre ausgesetzt sind. Diese wurde sinngemäß durch die Betriebssicherheitsverordnung (Betr Sich V) [2] in nationales Recht umgesetzt. Die Betriebssicherheitsverordnung trat im Oktober 2002 in Kraft. Mit dieser Verordnung liegt nun eine einheitliche Rechtsgrundlage für die Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln und den Betrieb von überwachungsbedürftigen Anlagen vor. Nach dem Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (GPSG) [3] zählen zu den überwachungsbedürftigen Anlagen auch Anlagen mit explosionsgefährdeten Bereichen. Da in der Umgebung, z. B. von Gasspeichern und Gärbehältern, einer Biogasanlage mit einem explosionsfähigen Gas-/Luftgemisch zu rechnen ist, sind Biogasanlagen als explosionsgefährdete Anlagen einzustufen. Blitzschutzkonzept für Biogasanlagen B. Schulz, Neumarkt Beim Bau und beim Betrieb einer Biogasanlage sind besondere Sicherheitsvorschriften zu beachten. Um Personen- und Sachschäden zu vermeiden und die Anlagenverfügbarkeit sicherzustellen, sind das Risiko eines Blitzeinschlages zu beurteilen und Schutzmaßnahmen gegen Blitzströme und Überspannungen zu treffen, die sich nach dem zu beherrschenden Risiko richten. Autor Dipl.-Ing. Brigitte Schulz ist Marktmanagerin Blitz- und Überspannungsschutz bei Dehn + Söhne, Neumarkt. Verhalten einer Folienabdeckung bei Blitzfolgeströmen und multiplen Entladungen Foto: Dehn + Söhne EP0107-45-51 13.12.2006 11:26 Uhr Seite 45 Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 1 FÜR DIE PRAXIS Blitz- und Überspannungsschutz Somit muss jeder Betreiber einer Biogasanlage aufgrund der Betr Sich V ein Explosionsschutz-Dokument erstellen, das ständig auf dem aktuellen Stand zu halten ist. In Abhängigkeit von der Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer explosionsfähigen Atmosphäre werden die verschiedenen Anlagenbereiche durch die BGR 104 - Explosionsschutz-Regeln (EX-RL)" [4] in explosionsgefährdete Bereiche (Ex-Zonen) eingeteilt, in denen entsprechende Vorsorge- und Sicherheitsmaßnahmen zu treffen sind. Das heißt, in diesen explosionsgefährdeten Bereichen müssen Maßnahmen gemäß BGR 104, Abschnitt E2 zur Vermeidung von Zündquellen getroffen werden. Beurteilung der Zündquelle „Blitzschlag“ Beim Einsatz von Betriebsmitteln sowie beim Betrieb von Anlagen (z. B. Biogasanlage) innerhalb explosionsgefährdeter Bereiche ist zu prüfen, ob Zündgefahren auftreten können. Dabei wird die Zündwirksamkeit der Zündquelle mit der Entzündbarkeit des brennbaren Stoffes verglichen. Insgesamt werden nach EN 1127-1 [5] dreizehn verschiedene Zündquellen unterschieden. Eine dieser Zündquellen, die es zu beurteilen gilt, ist der Blitz. Nach Abschnitt 5.3.8 der EN 1127 als auch nach der BGR 104 wird eine explosionsfähige Atmosphäre stets entzündet, wenn ein Blitz in diese einschlägt: „Außerdem besteht eine Zündmöglichkeit durch starke Erwärmung der Ableitwege des Blitzes. Zudem fließen von Blitzeinschlagstellen starke Ströme, die in der Nachbarschaft der Einschlagsstelle Funken hervorrufen können. Selbst ohne Blitzeinschlag können Gewitter zu hohen induzierten Spannungen in Geräten, Schutzsystemen und Komponenten führen“ [5]. Nach der BGR 104 sind geeignete Blitzschutzmaßnamen zu treffen, wenn Gefährdungen durch Blitzschlag auftreten [6]. Planung und Ausführung des Blitzschutzsystems Zu Beginn des Jahres 2006 wurden die neuen IEC-Standards zum Blitzschutz veröffentlicht, d. h. die Teile 1 - 4 der Reihe IEC 62305. Nahezu gleichzeitig traten sie damit auch als Europäische Blitzschutznormen EN 62305-1... 4 [7] in Kraft. Ab Oktober 2006 wurden diese Normen vom DKE als DIN EN 62305-1... 4 übernommen. Die VDE-Klassifizierung lautet VDE 0185-305-1-4. Diese neuen Normen ersetzen die Vornormen der Reihe DIN V VDE V 0185-1... 4 aus dem Jahr 2002. Anfang 2007 werden im Rahmen der DIN EN 62305 auch Beiblätter veröffentlicht. Eines dieser Beiblätter wird sich mit zusätzlichen Informationen für besondere bauliche Anlagen beschäftigen. Hierin werden auch Schutzmaßnahmen für Biogasanlagen beschrieben werden. Der Teil 1 der VDE 0185-305 gibt allgemeine Informationen zum Blitz, wie z. B. Gefährdungen, Blitzkenndaten, Informationen zur Simulation von Blitzwirkungen. Der Teil 2 beinhaltet die Risikoanalyse mit der Ermittlung der Notwendigkeit des Blitzschutzes sowie die Festlegung der technischen und wirtschaftlichen Maßnahmen zum Blitzschutz. Der Teil 3 behandelt die Schutzmaßnahmen für bauliche Anlagen gegen direkte Blitzeinschläge. Der Teil 4 befasst sich mit den Schutzmaßnahmen für elektronische und elektrische Systeme gegen die elektromagnetischen Wirkungen des Blitzimpulses. Nach der Normenreihe VDE 0185-305 ist entsprechend des zu schützenden Objekts eine Blitzschutzklasse zu ermitteln, um entscheiden zu können, in welchem Umfang und welche Blitzschutzmaßnahmen für eine bauliche Anlage vorzusehen sind. In der Blitz- Einsatz von Stahl-Tele-Blitzschutzmasten zum Schutz einer Gasblase (rechts im Bild) Foto: Blitzschutzbau Jepsen Einsatz einer HVI-Leitung zum Schutz der Fermenter und des Betriebsgebäudes Quelle: Oberösterreichische Blitzschutzgesellschaft, Linz Einsatz des DEHNiso-Combi-Systems zum Schutz des Fermenters Foto: Dehn + Söhne EP0107-45-51 13.12.2006 11:26 Uhr Seite 46 Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 1 47 Blitz- und Überspannungsschutz FÜR DIE PRAXIS Summendifferenzmessung Netzeinspeisung PAS SPD Bezugsmessung SPD SPD SPD BHKW Steuerung Regelung Technikraum Getreidesilo Vorgrube System zur Flüssigkonservierung von Futtermittel SPD Fermenter SPD Nachfermenter Endlager 3 x 20 kV PAS Vermaschte Erdungsanlage einer Biogasanlage schutznorm VDE 0185-305 [7] werden im Anhang D weitere Informationen für Blitzschutzsysteme für explosionsgefährdete bauliche Anlagen gegeben. Demnach sollte für explosionsgefährdete bauliche Anlagen mindestens ein Blitzschutzsystem der Schutzklasse II eingesetzt werden. Für die Planung und Beurteilung eines Blitzschutzsystems (engl: Lightning Protecion System (LPS)) an Biogasanlagen werden aktuelle und gegebenenfalls behördlich genehmigte Ex-Zonenpläne der betreffenden Anlage in maßstäblicher Ausführung benötigt. Die Ex-Zonenpläne sind in Grund- und Aufriss mit den erforderlichen Schnittplänen beizustellen. Das Blitzschutzsystem ist dann so zu errichten, dass möglichst keine Lichtbögen, Schmelz-, Sprüh- und Funkenwirkungen entstehen, die in Ex-Zone 0 oder 1 eindringen können (z. B. Abschmelzungen von Blechabdeckungen oberhalb der Gasblase, Überschläge an Klemmverbindungen und Stellen unterschiedlichen Potentials). Das Blitzschutzsystem besteht aus Äußerem und Innerem Blitzschutz. Der Äußere Blitzschutz hat die Aufgabe, alle Blitzeinschläge, einschließlich seitlicher Einschläge, in die bauliche Anlage einzufangen, den Blitzstrom vom Einschlagspunkt abzuleiten und in der Erde zu verteilen, ohne das durch thermische, mechanische oder elektrische Wirkung Schäden an der zu schützenden Anlage auftreten. Aufgrund verschiedener Bauweisen der Gasspeicher ergeben sich unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten für das Blitzschutzsystem. Vermeidung direkter Blitzeinschläge Zur Vermeidung direkter Blitzeinschläge in den in Bild gezeigten Gasspeicher und der Entschwefelungsanlage lassen sich Stahl-Tele-Blitzschutzmasten einsetzen. Diese Masten werden im Bodenfundament errichtet. Mit diesen Masten können freie Höhen über Flur von 19 m oder auch höher erreicht werden. Eine andere Möglichkeit einen Fermenter vor direkten Blitzeinschlägen zu schützen, ist der Einsatz einer getrennten Fangeinrichtung, wie beispielsweise DEHNiso-Combi (Bild ). Damit es zu keinen unkontrollierten Überschlägen von der Ableitung auf die metallene Wand des Fermenters kommt, wird diese als getrennte Ableitung ausgeführt. Durch die getrennte Führung der Ableitung über Distanzhalter aus GFK (GFK - glasfaserverstärkter Kunststoff), kann eine elektrische Isolation des Blitzschutzsystems von leitenden Teilen des Fermenters erreicht werden. Die Länge der Distanzhalter ergibt sich aus dem Trennungsabstand, der nach VDE 0185-305-3 ermittelt wird. Die Höhe der Fangeinrichtung wird mittels des Blitzkugelverfahrens bestimmt. Bei diesem Verfahren wird theoretisch eine Kugel mit definiertem Radius r (entsprechend der Schutzklasse) in allen Richtungen über das Gebäude/Anlage und den Erdboden „gerollt“. Die Blitzkugel darf dabei nur den Erdboden und/oder die Fangeinrichtung berühren. Entsprechend der Schutzklasse II für Biogasanlagen, ergibt sich ein Blitzkugelradius von 30 m. Eine dritte Lösungsmöglichkeit ist in Bild dargestellt. In diesem Beispiel werden der Fermenter und das Gebäude mit dem Gasspeicher mittels des DEHNconductor-Systems geschützt. Diese Bauteileprogramm besteht aus der so genannten HVI-Leitung und einem auf diese Leitung abgestimmten Programm mit Anschluss- und Befestigungselementen. Die HVI-Leitung ist eine spannungsgesteuerte, hochspannungsisolierte Leitung mit einem speziellen Außenmantel. Mit dieser Leitung wird dem Planer und Errichter von Blitzschutz- EP0107-45-51 13.12.2006 11:26 Uhr Seite 47 anlagen eine Gestaltungsmöglichkeit gegeben, die Einhaltung des notwendigen Trennungsabstandes zu realisieren. Der Trennungsabstand muss entsprechend der normativen Vorgabe VDE 0185-305 Teil 3 berechnet werden. Erdungskonzept und Potentialausgleich Um hohe Potentialdifferenzen zwischen den einzelnen Erdungsanlagen zu vermeiden, sind diese zu einer Gesamterdungsanlage zu verbinden. Dazu werden alle einzelnen Gebäude-und Systemerdungsanlagen miteinander vermascht. Potentialdifferenzen zwischen den Anlagenteilen werden dadurch deutlich reduziert. Auch die Spannungsbeanspruchung der gebäudeüberschreitenden elektrischen Verbindungsleitungen im Fall einer Blitzeinwirkung wird damit verringert. In Bild ist ein allgemeines Prinzipschaltbild für solch eine vermaschte Erdungsanlage in einer Biogasanlage gezeigt. Schutzkonzept für die Netzeinspeisung Die erzeugte elektrische Energie aus den Blockheizkraftwerken wird über einen Einspeisezähler in die Niederspannungs-Hauptverteilung (NSHV) in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Der Blitzschutz-Potentialausgleich ist wesentlicher Bestandteil des Blitzschutzsystems. Dieser ist für alle von außen ins Gebäude eingeführten leitfähigen Systeme auszuführen. Der Blitzschutz-Potentialausgleich fordert, dass alle metallenen Systeme möglichst niederimpedant und alle unter Betriebsspannung stehenden Systeme indirekt über Überspannungs-Schutzgeräte Typ 1 in den Potentialausgleich einzubinden sind. Der Blitzschutz-Potentialausgleich soll möglichst nahe an der Eintrittsstelle der baulichen Anlage erfolgen, um ein Eindringen von Blitzteilströmen in das Gebäude zu verhindern. So werden in die von außen eingeführten 230/400 AC-Leitungen in die NSHV der Erzeugungsanlage (Bild ) Überspannungsschutzgeräte SPD Typ 1 (SPD - Surge Protective Device) eingesetzt. Wird als Überspannungsschutzgerät beispielsweise das DEHNventil Modular mit RADX-Flow-Funkenstrecke eingesetzt, kann eine hohe Anlagenverfügbarkeit erreicht werden. Denn durch eine Folgestrombegrenzung und Folgestromlöschung können auch bei großen Kurzschlussströmen bis zu 50 kAeff auftretende Folgeströme so stark reduziert werden, dass vorgelagerte Sicherungen nicht ausgelöst werden. Eine Modulentriegelungstaste ermöglicht die einfache Entnahme des Schutzmoduls ohne Hilfswerkzeug. Über eine 3-polige Anschlussklemme kann eine Funktions-/Defektmeldung dieses Gerätes fernsignalisiert werden. Durch die Ausführung des Fernmeldekontaktes als potentialfreien Wechsler kann dieser, je nach Schaltungskonzept, als Öffner oder Schließer verwendet werden. Auch die von außen eingeführten 230/400 AC-Leitungen in die NSHV der Abnehmeranlage (Bild ) werden mit einem SPD Typ 1 geschützt. Hier lässt sich beispielsweise der koordinierte Blitzstrom-Ableiter, DEHNbloc Maxi S, für die Sammelschiene einsetzen. Dieser Blitzstrom-Ableiter kann direkt auf die PEN-/N-Schiene montiert werden. Mit der im Gerät integrierten Ableiter-Vorsicherung entfällt der Installationsaufwand für separate Ableiter-Vorsicherungen. Nachgeschalteten Unterverteilungen lassen sich beispielsweise mit dem Überspannungsschutzgerät DEHNguard (SPD Typ 2) schützen. Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 1 FÜR DIE PRAXIS Blitz- und Überspannungsschutz 20 kV; 3 50 Hz BHKW Verteiler SPD TYP 1 SPD TYP 1 SPD TYP 2 Abnehmeranlage Erzeugungsanlage Auszug aus dem Schaltplan einer Biogasanlage Quelle: Dehn + Söhne EP0107-45-51 13.12.2006 11:26 Uhr Seite 48 Umfeld und Anforderungen 1.1 Elektrische Anlagen für Steuer- und Verteilzwecke Ein wesentlicher Teil jeder elektrischen Anlage sind Steuerungs- und Stromverteiler. Gerade bei diesen Produkten hat der Kostendruck in den letzten Jahren enorm zugenommen. Die Anlagen müssen ja „einfach nur Strom“ liefern und beim Einkauf möglichst billig sein. Diese Anforderungen werden meist schon vom Bauträger vorgegeben und wirken sich bei allen weiteren Schritten bis zur Erstellung der Anlage aus. Die Bemessung der notwendigen Komponenten und der Anlage selbst werden bereits bei der Planung und noch mehr bei der Angebotserstellung auf das absolute Minimum der geforderten Werte beschränkt. Der Platzbedarf wird möglichst minimiert, kleinstmögliche Schränke gewählt. Die Bemessungswerte der ausgewählten Betriebsmittel liegen nur sehr knapp über den geplanten Dauerbetriebsströmen. Dies ist jedoch in den meisten Fällen keine ausreichende Bemessung. Somit wird zwar anfänglich „billig“ eingekauft, aber weder sinnvoll noch kostengünstig im Hinblick auf die Anlagenlebensdauer. Der sichere Betriebszustand der Anlage, insbesondere über die gewünschte Lebensdauer hinaus, ist bei dieser Auswahl sicher nicht gegeben. Eine unzulässige Überlastung der Betriebsmittel ist hochgradig wahrscheinlich und führt von wiederholten Abschaltungen von Schutzorganen bis zum Ausfall von Geräten (elektronische Bauteilen bis Computer) und im schlechtesten Fall zu Bränden und Personenschäden. Erfreulicherweise gibt es in verschiedenen Industrien bereits starke Tendenzen, die meist wesentlichen Nachfolgekosten zu erkennen und die Nachhaltigkeit der Investitionsentscheidungen zu bewerten. 1.2 Lebensdauer der Anlage In der Vergangenheit wurden Anlagen fast immer mit Nennwerten (heute Bemessungswerten) deutlich über den zum Zeitpunkt der Errichtung notwendigen ausgelegt. Dies ist einer der Gründe für die erhebliche Lebensdauer älterer Anlagen. Über die Lebensdauer betrachtet waren bzw. sind diese Anlagen sehr ökonomisch, der Wartungsaufwand entsprechend sehr gering. Eine neue, im Einkauf billige Anlage führt dagegen u. U. zu hohen Wartungskosten sowie zu Ausfällen und den damit verbundenen Kosten der Unterbrechung und notwendigen Störungsbehebung. Darüber hinaus sind die Kosten einer früher notwendigen Neuinvestition im Vergleich zu beachten (fehlende Reserven). 1.3 Rechtliche Situation Die rechtliche Haftung für den sicheren Betrieb einer elektrischen Anlage trägt in erster Linie der Betreiber der Anlage. Der Hersteller der Anlage (Schaltanlagenbauer, Elektroinstallateur) haftet in dem Umfang, in dem er nach Angaben des Betreibers und den vorliegenden Errichtungsnormen die Anlage errichtet. Eine Überschreitung oder Nichtbeachtung der Bemessungsdaten (z. B. des maximal zulässigen Betriebsstromes) liegt im Bereich des Betreibers. Vom Betreiber ist eine klare Definition der notwendigen Bemessungsdaten erforderlich, wobei auf mögliche Erweiterungen im Nachhinein bereits Rücksicht genommen werden sollte. Eine höhere Investition in die Anlage am Anfang macht sich meist innerhalb kurzer Zeit bezahlt. Thermische Belastung 2.1 Grundlagen Die kompakte Bauweise (möglichst viele Geräte auf kleinstem Raum) und die Abschottung des Schrankes (Schutzart IP43, Lüftungen, Berührungsschutz) lassen bei der hohen Auslastung praktisch keinen Platz für die Abfuhr der durch die Geräte entstehenden Wärme. Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 1 49 Energieversorgung FÜR DIE PRAXIS Schutzkonzept für die Prozesssteuerung Die Automatisierung von Biogasanlagen nimmt in immer stärkeren Maß zu. Durch Prozessleitsysteme können die meisten Aggregate einer Biogasanlage gesteuert werden. Das Prozessleitsystem soll zentral alle Pumpen und Rührwerke betätigen können, Prozessdaten wie Gasmenge und Gasqualität erfassen, die Temperatur überwachen und sämtliche Daten visualisieren und dokumentieren. Fällt die Prozessteuerung durch Überspannungen aus, werden verfahrenstechnische Abläufe zur Erzeugung des Biogases gestört und abgebrochen. Der komplette Betrieb einer Biogasanlage kann durch solche Ausfälle mehrere Wochen unterbrochen werden [3]. Um eine ungestörte und fortlaufende Übertragung der messtechnischen Daten an die Steuereinheit im Steuerschrank jederzeit sicherzustellen, sind die gebäudeüberschreitenden Steuer- und Signalleitungen (z. B. Frequenzumrichter, Stellantriebe), möglichst nahe am Eintrittspunkt mit Blitzstrom-Ableitern Typ 1, z. B. Blitzductor CT LC, zu beschalten. In diesem Überspannungs-Ableiter ist eine berührungslose und schnelle Ableiterprüfung (Life Check) integriert. Eine extreme thermische oder elektrische Belastung wird erkannt und lässt sich sekundenschnell in berührungsloser RFID-Technik mit dem Handlesegerät DEHNrecord LC auslesen. Die Auswahl der Schutzgeräte für informationstechnische Systeme erfolgt nach der maximalen Betriebsspannung, dem Nennstrom, der Signalart (DC, NF, HF) und dem Signalbezug (symmetrisch, unsymmetrisch). Literatur [1] Handreichung Biogasgewinnung und -nutzung, Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V., Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft, Gülzow 2005 [2] Verordnung zur Rechtsvereinfachung im Bereich der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Bereitstellung von Arbeitsmitteln und deren Benutzung bei der Arbeit, der Sicherheit beim Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen und der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes (Betr Sich V), BGBl. Nr. 70 vom 27. September 2002 (S. 3777) [3] Geräte- und Produktsicherheitsgesetz - GPSG, Stand 06.01.04 [4] Regeln für das Vermeiden der Gefahren durch explosionsfähige Atmosphäre BGR 104 - Explosionsschutz-Regeln - Ex-RL - 12/2002 [5] DIN EN 1127-1: 1997-1, Explosionsfähige Atmosphären - Explosionsschutz Teil 1: Grundlagen und Methodik [6] Schulz, B.: Blitz- und Überspannungsschutz für Anlagen im Ex-Bereich etz, Heft 2/2006 [7] DIN EN 62305-1 (VDE0185-305-1): 2006-10; Blitzschutz, Teil 1: Allgemeine Grundsätze DIN EN 62305-2 (VDE0185-305-2): 2006-10; Blitzschutz, Teil 2: Risiko-Management: DIN EN 62305-3 (VDE0185-305-3): 2006-10; Blitzschutz, Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen DIN EN 62305-4 (VDE0185-305-4): 2006-10; Blitzschutz, Teil 4: Elektrische und elektronische Systeme in baulichen Anlagen [8] Blitzplaner 2005, Dehn + Söhne 10 Optimale Dimensionierung von Schaltanlagen M. Altenhuber, Wien Zum Zeitpunkt der Investition wird oft der Tatsache nicht genügend Rechnung getragen, dass eine Energieverteilungsanlage bis zu 30 Jahre und mehr im Einsatz ist. Der Beitrag zeigt am Beispiel eines Verteilerschrankes die sinnvolle Auslastung und Optimierung der so genannten Total Cost of Ownership (Gesamtkosten über die Lebensdauer der Anlage) im Hinblick auf die Erwärmung. Autor Dipl.-Ing. Michael Altenhuber ist selbständiger Ingenieurkonsulent, Wien, und Vorsitzender des ÖVE-Fachnormenausschusses Installationsmaterial und Schaltgeräte sowie Mitglied des Lenkungssausschusses des ÖVE und mehrerer IEC Committees. EP0107-45-51 13.12.2006 11:26 Uhr Seite 49

Autor
  • B. Schulz
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