Blitz- und Überspannungsschutz
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Elektrotechnik
Blitz- und Überspannungsschutz für ein Wasserwerk - Sicherung der Trinkwasserversorgung für Frankfurt/Oder durch die Anwendung eines Blitzschutzzonen-Konzeptes
ep8/2007, 6 Seiten
Ausgangssituation Das Wasserwerk Briesen wurde im Jahr 1969 erbaut und umfasst eine Fläche von etwa 60000 m2 mit derzeit 13 aktiven Gebäuden bzw. technischen Anlagen. Alle Gebäude sind untereinander drahtgebunden elektroenergetisch und/oder informationstechnisch sowie teilweise über Lichtwellenleiter vernetzt. Die Mehrzahl der Gebäude sind mit äußerem Blitzschutz ausgerüstet, Gebäudeschirmung ist nicht vorhanden. Die letzten Prüfprotokolle für das äußere Blitzschutzsystem (LPS) datieren aus dem Jahr 2006 (Abkürzungsverzeichnis siehe Kasten S. 698). Die Erdungsanlagen sind in Dokumenten aus früheren Jahren festgehalten, mussten aber aufgrund der Ergebnisse der Begehungen zur Bearbeitung in das Gesamtkonzept verwiesen werden. Ebenso war es notwendig, die Trennungsabstände neu zu berechnen und danach zu verändern. Einige zugehörige Funktionsgebäude befinden sich außerhalb des Wasserwerks in weiter Entfernung. Dazu zählen Transformatoren, Sammelbrunnen (SB), Infiltrations-Pumpwerk, Infiltrationsbecken mit Pegelhaus und auch Rohrbruchsicherungen (RBS). In verschiedenen Gebäuden und Anlagen sind elektrischer Potentialausgleich, Blitzschutz-Potentialausgleich (EB) und Überspannungsschutz vorzufinden. Weitere mit dem Wasserwerk korrespondierende, aber für sich eigenständige technische Anlagen befinden sich in Frankfurt (Oder) und Umgebung. Eine schematische Gesamtübersicht des Wasserwerks ist in Bild dargestellt. Die technische Gebäudeausrüstung umfasst die elektrische Energieversorgung mit Mittelspannungseinführung 20 kV, herunter transformierte Anlagen auf 6-kV und Niederspannnungsanlagen (230/400 V), USV und Gleichspannungsversorgung sowie Telekommunikations- und Leittechnik für die Trinkwasserproduktion. Im Einsatz sind modernste elektronische Einrichtungen, die eine hohe Verfügbarkeit der Trinkwasserversorgung garantieren müssen. Weder die Gebäude noch deren technische Ausrüstungen sind gegenwärtig einer Ex-Zone zugeordnet, deshalb konnten diesbezüglich alle Betrachtungen für den Blitzschutz entfallen. Die größte Gefahr für die elektrischen und elektronischen Geräte sind Überspannungen, verursacht durch Blitze (LEMP), Schalthandlungen im Energieversorgungsnetz (SEMP) oder elektrostatische Entladungen (ESD) und von Blitzen abgestrahlte magnetische Felder. Um diesen Gefahren erfolgreich zu begegnen, war es notwendig, ein in sich geschlossenes LEMP-Schutzsystem (LPMS) zu entwickeln und für die Praxis aufzubereiten. Von vornherein wurde durch den Betreiber vorgegeben, dass eine nachträgliche Gebäudeschirmung nicht in Frage kommt. Lediglich geschirmte Gehäuse (Schaltschränke, Betriebsmittel, Kabel, Leitungen) waren in Ansatz zu bringen. Damit ließ sich nur ein LPMS mit teilweise geschirmten Leitungen und Geräten sowie Überspannungsschutz an den Übergängen der Blitzschutzzonen (LPZ) erreichen. Ein wichtiger Aspekt war, die vorhandenen aber lückenhaft und energetisch unkoordinierten Überspannungsschutzgeräte (SPD), fachgerecht in das neue Blitzschutzzonen-Konzept (BSZK) zu integrieren. Welche Schutzklasse anzusetzen ist und welche Schutzmaßnahmen notwendig sind, musste durch Berech- Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 8 696 FÜR DIE PRAXIS Blitz- und Überspannungsschutz Blitz- und Überspannungsschutz für ein Wasserwerk Sicherung der Trinkwasserversorgung für Frankfurt (Oder) durch die Anwendung eines Blitzschutzzonen-Konzeptes W. Weigt, Rüdnitz; F. Rusch, Frankfurt (Oder); C. Kausch, Berlin Aufgrund zunehmender Unwetter und Gewitter in der Oder-Region entschloss sich die Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft, die Trinkwasserversorgung gegen von außen einwirkende Gefahren abzusichern. Demzufolge wurden die bereits vorhandenen Blitz- und Überspannungsschutzmaßnahmen auf ihre allseitige Wirksamkeit überprüft und gemäß DIN EN 62305-1 bis 4 ein Risikomanagement durchgeführt sowie ein Blitzschutzzonen-Konzept mit eingeschränktem LEMP-Schutzsystem erarbeitet. Autoren Dipl.-Ing. Wolfgang Weigt ist freier Sachverständiger für Arbeitssicherheit, Erdung, Blitzschutz und Potentialausgleich sowie Obmann des AK Blitzschutz beim ETV im VDE Berlin-Brandenburg, Rüdnitz. Dipl.-Ing. (FH) Friedhelm Rusch ist Koordinator E/MSR-Technik bei der Frankfurter Wasser- und Abwassergesellschaft mb H, Frankfurt (Oder). Dr.-Ing. Cersten Kausch ist Eigner und Leiter des Ingenieurbüros für Anlagen der technischen Ausrüstung Kausch, Berlin. der Sicherheit und der Kosteneinsparung schnell möglich, denn diese Diagramme sind wesentlich aussagefähiger, übersichtlicher und informativer als lange Zahlenkolonnen. Außerdem können die Abhängigkeiten der interessierenden Größen von den Einflussparametern in einer grafischen Darstellung besser verfolgt werden. 2.3 Editierbare Impedanzen in erweiterter Software-Version Oftmals sind noch alte, abnorme 3½-Leiter-Kabel mit Bleimantel u. Ä. in vorhandenen Starkstromanlagen von Industriebetrieben vorzufinden, deren Impedanzen von heute gebräuchlichen Impedanzen mehr oder weniger stark abweichen. Um zu genauen Ergebnissen zu kommen, müssen dann die bisher verwendeten Impedanzen für die handelsüblichen Kabel ausgetauscht bzw. editiert werden. Dazu dient eine Tabelle der CD ROM 3. Sie enthält alle bisher verwendeten Impedanzen, die aber auch mit den tatsächlich vorhandenen, neuen Impedanzen überschrieben werden können. Damit wird es möglich, das Verfahren auch überschlägig für das Berechnen von Mittelspannungsleitungen (Kabel/Freileitung) zu verwenden, wenn deren Impedanz-Werte eingegeben werden. Schließlich macht [1] bei der Berechnung von Kurzschlussströmen keinen Unterschied zwischen Niederspannung und Mittelspannung. Zusammenfassung Die fünf beschriebenen neutralen bzw. herstellerunabhängigen Planungshilfen dienen als nützliches Werkzeug für den in der Planung, Projektierung, Errichtung, Instandhaltung sowie in Überwachungseinrichtungen von Starkstromanlagen tätigen Praktiker. Die jeweils vorliegende Arbeitsaufgabe bestimmt dabei das einzusetzende Planungswerkzeug. Je nach Arbeitsplatzausstattung, vorhandenen Bedingungen und Ansprüchen kann man mit diesen Verfahren in kurzer Zeit für die meisten praktischen Fälle in Niederspannungsnetzen bzw. -anlagen der Netzbetreiber, der Industrie sowie des Gesellschafts-und Wohnungsbaus Nachweise erbringen über: · Kurzschlussstromfestigkeit, · Selektivität, · automatische Abschaltung im TN-Netz, · Spannungsfall, · Leistungsverlust und · Grenzlängen. Anhand dieser Nachweise lässt sich dann die optimale und kostengünstigste Variante auswählen. Literatur [1] DIN EN 60909-0 (VDE 0102):2002-07 Kurzschlussströme in Drehstromnetzen; Berechnung der Ströme. EP0807-694-701 20.07.2007 15:06 Uhr Seite 696 Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 8 nung des Risikos ermittelt werden. Die Schutzmaßnahmen selbst wurden nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik sowie dem aktuellen Erkenntnisstand bestimmt. Derzeit ist der aktuelle Erkenntnisstand in der europäischen Norm, deutschsprachiger Fassung, DIN EN 62305-1 bis 4 Blitzschutz niedergeschrieben [1], [2], [3], [4]. Das betraf sowohl den äußeren Blitzschutz sowie den inneren für die SPD in Abhängigkeit von den LPZ. Aus der Ist-Stand-Erfassung sowie dem Ergebnis der Risikoberechnung ließen sich die Maßnahmen für äußeren Blitzschutz, Erdungssystem, Blitzschutz-Potentialausgleich und Überspannungsschutz treffen. Risiko-Management Um ein kostengünstiges und wirksames LPMS zu erreichen, kann die Abschätzung des Risikos über das Risiko-Management nach [2] durchgeführt werden. Dort heißt es : „Das in dieser Norm beschriebene Risiko-Management verwendet eine Risikoanalyse, um zuerst die Notwendigkeit des Blitzschutzes zu ermitteln und dann die technisch und wirtschaftlich optimalen Schutzmaßnahmen festzulegen,...Abschließend wird das verbleibende Risiko bestimmt“ [2]. Die Berechnung erfolgte mit der Software der Firma Aixthor [5] auf Grundlage der in der Norm beschriebenen Auswahlverfahren. Die Liegenschaft Wasserwerk besteht wie zuvor beschrieben aus einer Vielzahl von funktionell zusammenwirkenden Gebäuden, die untereinander elektrisch vernetzt sind. Ein Blitzeinschlag in ein Gebäude oder in deren Nähe wirkt sich damit unmittelbar auch auf alle Gebäude in Form von Überspannungen aus. Die Funktionsfähigkeit der Wasserversorgung kann aber nur gewährleistet werden, wenn alle Teilbereiche der Liegenschaft in Betrieb sind. Deshalb wurde in der Risikobetrachtung in Abstimmung mit dem Betreiber des Wasserwerks nicht jedes Gebäude einzeln untersucht, sondern für das gesamte Gelände ein Modellgebäude gebildet. Als bauliche Abmessungen sind festgelegt worden: · Länge L = 300 m, · Breite B = 200 m und · durchschnittliche Höhe H = 8 m. Für das gesamte Objekt wurde zur Einordnung in die Risikoanalyse einheitlich die Blitzschutzklasse IV (Schutzklasse des LPS) verwendet, weil die bestehenden äußeren Blitzsschutzsysteme so existieren. Berücksichtigt wurde auch, dass die Gebäudewände keine Raumschirmung besitzen und die Kabel nur teilweise geschirmt sind. Neben den baulichen Gegebenheiten der Anlage haben die externen und internen elektrischen Versorgungsleitungen erheblichen Einfluss auf die Gefährdung der Einrichtungen, insbesondere im Bezug auf Überspannungsschäden. Für die Gesamtliegenschaft wurden aus Gründen der Übersichtlichkeit folgende Versorgungsleitungen gewählt: · 1 · LL = 1000 m), · 2 · extern Niederspannung (LL = 1000 m), · 2 · extern IT (LL = 1000 m), · 3 · intern Niederspannung und · 3 · intern IT. Eine Erhöhung der Anzahl der Leitungen oder der Leitungslänge ergaben keine wesentlichen Änderungen bei den Risikofaktoren. Es wurden nun zwei verschiede Überspannungsschutz-Varianten ausgearbeitet. Bei Variante 1 sind alle Leitungen bis auf eine IT-Leitung mit entsprechendem Überspannungsschutz beschaltet, während bei der Variante 2 alle Leitungen mit Überspannungsschutzeinrichtungen ausgerüstet sind. Folgende Schadensarten wurden für beide Varianten untersucht: Infiltrationspumpwerk 4 Infiltrationsbecken mit Pegelhaus Rohrbruchsicherung RBS 1 Rohrbruchsicherung RBS 2 Rohrbruchsicherung RBS 3 Trafostation 3 Sammelbrunnen SB1 mit Trafo Wasserwerk Briesen mit Pförtnergebäude MSR-Gebäude Sozialgebäude und Garage Maschinen- und Filterhalle Trafostation Öllager und Chlorstation RWZB 1 und RWZB 2 RWZB-Verteilerbau Sauerstofftankanlage Sammelbrunnen SB2 mit Trafo nach Frankfurt Schematischer Überblick des Wasserwerks Briesen mit seinen technischen Stationen EP0807-694-701 20.07.2007 15:06 Uhr Seite 697 Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 8 698 FÜR DIE PRAXIS Blitz- und Überspannungsschutz · SA 1 Verlust von Menschenleben in einer bauliche Anlage, · SA 2 Verlust einer Dienstleistung für die Öffentlichkeit, · SA 4 Wirtschaftliche Verluste. Die Schadensart SA 3, Verlust von unersetzlichem Kulturgut, traf nicht zu und konnte bei den Berechnungen unberücksichtigt bleiben. Für die Schadensart SA 2 ist in Abweichung von den vorgegebenen Werten aus der Norm bei der Bewertung des Risikos „Verlust durch Überspannung“ der Wert 0,005 angenommen worden, da ein Ausfall der elektronischen Regelung keinen Totalausfall der Wasserversorgung zur Folge hat, sondern weiterhin die Möglichkeit der Handsteuerung besteht. Für die Schadensart SA 2 ergeben sich somit Risikofaktoren, die aus Tafel abzulesen sind. Neben der Betrachtung der Risikofaktoren spielt bei der Entscheidung über die Errichtung eines koordinierten Überspannungsschutzes die Wirtschaftlichkeit der Gesamtmaßnahme eine erhebliche Rolle. Deshalb wurde diesem Aspekt besondere Aufmerksamkeit gewidmet und untersucht, wie sich die Einsparungen beim Überspannungsschutz auf die Gesamtkosten auswirken. Dabei sind Investitionskosten von insgesamt 50500 Euro für den Blitzschutz der Liegenschaft angesetzt worden. Die Tafel zeigt die wirtschaftlichen Ergebnisse. Der Vergleich beider Varianten macht deutlich, dass die Einsparungspotentiale in keinem ausgewogenen Verhältnis zur Höhe der möglichen Schadenskosten stehen. Daraus ergab sich also die Schlussfolgerung, dass ein koordinierter Überspannungsschutz für alle Leitungen vorgesehen wird. Die durch die Bestimmung des Risikos gewonnenen Erkenntnisse aus dem Wasserwerk wurden nunmehr auch zur Grundlage für die Risikoabschätzung der im Außenbereich abgesetzten Funktionseinrichtungen gemacht. Prinzipiell ergaben sich hier erwartungsgemäß gleiche Tendenzen wie beim Wasserwerk. Somit konnte für die verschiedenen Objekte des Wasserwerkes und für seine zuhörigen abgesetzten Funktionseinheiten folgendes Ergebnis festgehalten werden: · Vorhandene äußere Blitzschutzanlagen genügen zum Erreichen der Schutzziele. Eine Erhöhung der Blitzschutzklasse (bisher durchgängig IV) ist nicht notwendig. Für Gebäude ohne äußeren Blitzschutz müssen keine Blitzschutzanlagen errichtet werden. · Zur Beherrschung des Risikos von Überspannungsschäden ist die durchgängige Umsetzung des LPMS notwendig. Das bedeutet, die Einbeziehung aller Leitungen in den koordinierten Überspannungsschutz und die Einbeziehung der Schirme von Kabeln und Leitungen in den EB - direkt oder mit Hilfe von SPD. Festlegen der Blitzschutzzonen Gebäudeüberschreitende elektrische Leitungen und auch metallene Installationen können Blitzströme führen und/oder mit Blitzüberspannungen belastet sein. Diese zerstörerischen elektrischen Größen können über diese Medien in das Innere der baulichen Anlage gelangen und verheerende Folgen an den Betriebsmitteln auslösen. Derartigen Gefahren wird im BSZK wirksam mit einem LPMS und dessen Blitzschutzzonen LPZ begegnet. Die Blitzschutzzone beschreiben [1] und [4] als: „Zone, in der die elektromagnetische Umgebung hinsichtlich der Blitzgefährdung festgelegt ist.“ Solche fachlich begründeten (erforderlichen) LPZ sind dann Raumvolumina, in denen die vom Blitz ausgehenden Gefährdungsgrößen (LPL) durch Eigenstörfestigkeit der Betriebsmittel oder durch die an den Übergängen von einer in die andere LPZ eingesetzten zusätzlichen Schutzmaßnahmen (EB und/oder SPD) verträglich sind. Das allgemeine Prinzip der Schutzzonenbildung nach [4] ist im Bild dargestellt. Die im Modellgebäude des Wasserwerks erfassten einzelnen Gebäude und technischen Anlagen befinden sich zwangsläufig zunächst alle in der LPZ 0A. Da einige Gebäude bereits mit äußerem Blitzschutz ausgestattet waren, konnte diesen sofort die LPZ 0B zugeordnet werden. Die Übergänge in das Innere der Ge- BM 2 BM 3 BM 4 Betriebsmittel BM 1 Metallrohr Informationskabel Sensorleitung Elektrokabel LPZ 1 LPZ 2 LPZ 3 Grenze von LPZ 1 Grenze von LPZ 2 Grenze von LPZ 3 LPZ Grenzübergang, erfordert EB bzw. SPD BM Betriebsmittel Prinzip der Einteilung von Blitzschutzzonen Tafel Risikofaktoren Variante 2 Variante 1 berechnetes Risiko 723,73 4963,20 akzeptables Risiko 1000 1000 Tafel Wirtschaftliche Ergebnisse Variante 2 Variante 1 Kosten Blitzschutz/ÜSS 5555 6105 Jährliche Kosten durch Blitzschäden 2494 16910 Verwendete Abkürzungen LPS - Blitzschutzsystem (engl. lightning protection system) BSZK - Blitzschutzzonen-Konzept EB - Blitzschutz-Potenzialausgleich (engl. lightning equipotential bonding) DA - Doppeladern ESD - elektrostatische Entladung (engl. electro static discharge) LEMP - elektromagnetischer Blitzimpuls (engl. lightning electromagnetic puls) LPMS - LEMP-Schutzsystem (engl. LEMP protection measures system) LPL -- Gefährdungspegel (engl. lightning protection level) LPZ - Blitzschutzzone (engl. lightning protection zone) LV - Leistungsverzeichnis PAS - Potenzialausgleichsschiene RBS - Rohrbruchsicherung RV - Rangierverteiler SB - Sammelbrunnen SEMP - Schaltüberspannung (engl. switching electromagnetic puls) SPD - Überspannungsschutzgerät (engl. surge protective divice) TAS - Trennungsabstand ÜsAg - Überspannungsableiter, gasge-- füllt (SPD für Fernmeldekabel) EP0807-694-701 20.07.2007 15:06 Uhr Seite 698 bäude waren die nächsten Schritte bis hin zur eigentlichen elektronischen Einrichtung. Dabei handelt es sich also um die Übergänge LPZ 1 bis LPZ 3. Genau so betraf dies die im Außenbereich zugehörigen Funktionsgebäude mit ihren elektronischen Einrichtungen. Für die Ausgestaltung der Übergänge an den LPZ mussten alle gebäudeüberschreitenden und internen elektrischen Leitungen sowie metallenen Installationen des Wasserwerks ebenso wie auch die Trennungsabstände (TAS) zum äußeren LPS gelistet werden. Mit den zuvor beschriebenen Schritten wurden alle Gebäude einschließlich ihrer einlaufenden oder abgehenden Medien (Kabel, Leitungen, metallene Rohre) und TAS untersucht. Für jedes dieser Gebäude sind die Lösungen in Plänen festgeschrieben worden (Bilder und ). Trennungsabstand Der Trennungsabstand ist in [3] definiert als der „Abstand zwischen zwei leitenden Teilen, bei dem keine gefährliche Funkenbildung eintreten kann.“ Dieser Abstand stellt also die elektrische Isolierung zwischen dem äußeren LPS und den nicht Blitzstrom ableitenden, elektrisch leitfähigen, geerdeten Teilen dar. Er ist eine sicherheitsrelevante Schutzmaßnahme, die den gefährlichen Funkenüberschlag verhindern soll und vor allem aus Sicht des Brandschutzes gefordert wird. Bezüglich der Beschaltung mit SPD am Übergang von LPZ 0B zu LPZ 1 hat der TAS maßgebliche Auswirkung auf den einzusetzenden Typ des SPD. Hier kann nämlich auf elektrischen Leitungen, die die LPZ 0B/LPZ 1 durchlaufen, anstelle von Typ 1 ein SPD des Typ 2 eingesetzt werden, da direkte Blitzströme nicht mehr das Schutzgerät belasten (trifft auch für Schutzgeräte der Informationstechnik zu). Dieser Vorteil konnte u. a. für die Trafostatation genutzt werden. Voraussetzung für eine derartige Beschaltung ist natürlich die Einhaltung des TAS. Blitzschutz-Potentialausgleichs-Netzwerk Der Potentialausgleich ist bekanntlich eine der wirksamsten Maßnahmen zur Minimierung auftretender Differenzspannungen zwischen zwei örtlich voneinander entfernten Punkten in einem elektrisch leitfähigen Medium. Dies trifft nicht nur im Erdreich zu, sondern auch bei in Gebäuden installierten elektrischen Netzen (Energie-, Telekommunikations-, Datenübertragungsnetze) sowie auch bei metallenen Installationen (Bewehrungen in Wänden, Heizungs- und Sanitäranlagen). Aus diesem Grund werden Potentialausgleichs-Netze und Erdungsanlagen errichtet. Beide Systeme dienen der Betriebssicherheit der Elektroenergie-Versorgungsanlagen. Besonders Erdungsanlagen sind für ein Blitzschutzsystem (LPS) eine zwingende Voraussetzung zur Einleitung von Blitzströmen in die Erde. Dadurch entstehen zwangsläufig Spannungstrichter (Potentialtrichter) im Erdreich, die gefährliche Zustände für Mensch und Blitz- und Überspannungsschutz FÜR DIE PRAXIS KLV4 E 31.1 230 V E 31.2 230 V E 32.1 42 V E 32.2 42 V NYY Notbel. 4 E 51 220 V von Trafo E 11.1 E 11.2 nach RWZB 1+2 nach NSHV Machinenhalle E 29.1 E 29.2 E 30.1 E 30.2 je 10 DA RWZB 1 je 10 DA RWZB 2 E 28 50 DA 20 DA von Warte beschaltet Behälter Messung 3 4 Ü Ü Zone 2 Zone 1 äußeres LPZ PAS Einteilung von Blitzschutzzonen am Beispiel Verteilerbau EP0807-694-701 20.07.2007 15:06 Uhr Seite 699 Technik zur Folge haben können. Mit Hilfe eines Blitzschutz-Potentialausgleichs-Netzwerks kann diesen Bedrohungen entgegengewirkt werden. Bei Industrieanlagen, in denen mehrere funktionell zusammengehörige bauliche Anlagen durch Energieversorgungs- und Informationsleitungen verbunden sind, muss daher eine vermaschte Erdungsanlage bzw. ein Potentialausgleichs-Netzwerk vorgesehen werden. Je enger die Maschengröße eines solchen Netzwerkes ist, desto geringer sind die verbleibenden Bedrohungsgrößen. Ein vermaschtes Erdungsnetz führt zu einer niedrigen Impedanz zwischen den Gebäuden und hat bedeutende LEMP-Schutz-Vorteile. Dies läßt sich bei der Risikoabschätzung und im Blitzschutzzonen-Konzept positiv anrechnen. Unter Berücksichtigung alter Bestandsunterlagen, Freigrabungen und Ausmessungen ist vorgesehen, das vorhandene und augenscheinlich noch gut gegen Korrosion geschützte Erdungsnetz zu nutzen und durch Ergänzungsmaßnahmen zu einem wirksamen Blitzschutz-Potentialausgleichs-Netzwerk zusammen zu fügen. Dieses Netzwerk soll, wie in Bild dargestellt, in der Praxis im Außenbereich errichtet werden. Damit wird es eine fundamentale Maßnahme für das LPMS des Wasserwerks. Das Netzwerk für den Blitzschutz-Potentialausgleich innerhalb der Gebäude ist bei der Ausgestaltung der Zonenübergänge mit behandelt worden. Ausgestaltung der Zonenübergänge Zur Ausgestaltung der LPZ wurden folgende Festlegungen getroffen: · Die metallenen Konstruktionen sind an allen Grenzen der LPZ direkt galvanisch mit dem Erdungssystem bzw. Hauptpotentialausgleich zu verbinden. · Die hinzukommenden Potentialausgleichschienen (PAS) sind blitzstromtragfähig mit dem Erdungssystem bzw. Hauptpotentialausgleich zu verbinden. · Schirme von Kabeln und Leitungen sind an allen Grenzen der LPZ direkt galvanisch oder bei Notwendigkeit zur galvanischen Entkopplung über Funkenstrecken mit dem Erdungssystem bzw. Hauptpotentialausgleich zu verbinden. · Alle betriebsmäßig beschalteten Leiter/ Adern von Kabeln und Leitungen sind an den Übergängen der Grenzen der LPZ mit SPD zu beschalten. · Alle nicht betriebsmäßig beschalteten Leiter/Adern von Kabeln und Leitungen sind am Übergang der Grenze LPZ 0/LPZ 1 zu erden. Dabei ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu entscheiden, ob direkt oder über Funkenstrecken zu erden ist. · Die an den Grenzen der LPZ einzusetzenden Schutzgeräte müssen für diesen Übergang ausgewiesen sein und den Nachweis über energetische Koordinierbarkeit besitzen. · Die Übergänge LPZ 0A nach LPZ 1 sind grundsätzlich mit blitzstromtragfähigen Überspannungsschutzgeräten (in der Regel vom Typ 1) zu beschalten. · Jede Schutzkaskade innerhalb eines Stromversorgungs- oder Übertragungssystems ist einheitlich mit SPD des gleichen Herstellers zu realisieren. · Im Wasserwerk bereits vorhandene eingesetzte Schutzgeräte älterer Generation, für die keine energetische Koordinationsfähigkeit nachgewiesen werden kann, müssen gegen neue Schutzgeräte mit Koordinationsnachweis ausgetauscht werden. Einige dieser aufgeführten Festlegungen sind eigentlich Grundregeln des Überspannungsschutzes. Es war aber unvermeidbar, den Bestand von äußerem und innerem Blitzschutz in das geschaffene BSZK zu integrieren. So bestand eine der dringlichsten Aufgaben darin, vorhandene und neue Schutzgeräte in der Schutzkette bezüglich ihrer energetischen Koordinierungsfähigkeit aneinander anzupassen. Energetische Koordination stellt sicher, dass aufeinander folgende SPD nicht überlastet werden. Sie lässt sich nachgeweisen durch: Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 8 700 FÜR DIE PRAXIS Blitz- und Überspannungsschutz RWZB SB 1 SB 2 Master SPS Zone 1 Zone 2 Zone 2 Zone 2 SPS SB 1 SPS SB 2 Phoenix NS 230 V NS 230 V 230 V L1-Bus L1-Bus L2-Bus L2-Bus SPS Warte Infiltration Modem L1-Bus Dehn SFK Modem Pegelhaus Entrelec Trafo Spreebogen aus USV 21 NS-HVL intern zu 18 Übergabeschrank Fm-RV (E 34) intern zu 9 Steuerschrank DEA ländl. Gebiete L2-Bus E 28 RWZB VT Bau E 36.1 SB 1 L1-Bus E 36.2 SB 2 L1-Bus RV 1 Master SPS SPS 1+2 SB 1/SB 2 SPS 3 Infiltration und Pegelhaus Einteilung von Blitzschutzzonen am Beispiel der Maschinenhalle-Warte Verteilerbau RBS Filterhalle Garage und Werkstatt Büro und Sozialgebäude IDM Pförtnergebäude MSR-Gebäude Maschinenhalle Trafostation IDM Chloranlage Erdunsanlage vorhandene genutzte ergänzte neue Vermaschte Erdungsanlage mit bereits vorhandenen und ergänzten Teilen EP0807-694-701 20.07.2007 15:06 Uhr Seite 700 · experimentelle elektrische Prüfung der Schutzkette, · Berechnung der Energiefestigkeit oder · Erklärung des Herstellers, dass seine Produktfamilie untereinander koordinierbar ist. Im vorliegenden Fall ist u. a. auch aus Gründen der Gewährleistung entschieden worden, nur koordinierbare SPD-Familien einzusetzen. Experimentelle Nachweise zu erbringen oder Berechnungen durchzuführen, wäre sehr aufwendig geworden und war somit wirtschaftlich nicht zu vertreten. Damit ist auch die Entscheidung für den teilweisen Austausch vorhandener gegen koordinierbare Schutzgeräte zu begründen. Die Entscheidung, mit welcher SPD-Familie die Schutzkaskade bei Bedarf vervollständigt wird, fiel meist zu Gunsten des Herstellers, dessen koordinierbares SPD bereits als Schutzmaßnahme im Wasserwerk eingesetzt war. In Fällen der hochpaarigen Fernmeldekabel (z. B. 50 DA) wurde mehrfach entschieden, auch die nicht betriebsmäßig beschalteten Adern aus wirtschaftlichen Gründen ebenfalls über Schutzgeräte zu erden. Ein Beispiel dafür ist der in Bild abgebildete Rangierverteiler (RV) ohne Überspannungsableiter (ÜsAg) mit LSA Plus Leisten. Hier wäre es erforderlich gewesen, neben dem vorhandenen RV noch ein weiteres Gehäuse mit Erddrahtleisten aufzubauen und etwa 120 Adern vom bestehenden auf den neuen RV zu schalten. Abgesehen von den Montage- und Schaltarbeiten stellt jede weitere Schaltverbindung eine mögliche zusätzliche Fehlerquelle dar. Ein weiteres Beispiel für einen akzeptablen Kompromiss betrifft das L2-Bus Übertragungssystem. In diesem System waren in den einzelnen Schaltpunkten der Bus-Leitung Schutzgeräte des Herstellers A vorhanden, jedoch kein örtlich zugeordneter Schutz auf der Stromversorgungsseite (Bild ). Doch das BSZK umfasst nunmehr auch den Schutz der örtlichen Stromversorgung, wobei hier SPD Typ 2 des Hersteller B vorgeschrieben wurden, da in der vorgeschalteten Schutzstufe bereits SPD Typ 1 vom Hersteller B eingebaut waren. Die zuvor beschriebenen Beispiele kamen auch in ähnlich gelagerten Fällen im Wasserwerk selbst sowie ebenfalls in außen liegenden Funktionseinheiten zur Anwendung. Prüfungen Zu einem BSZK gehören auch Aussagen zur Dokumentation und zu Prüfungen von LPMS. Deshalb wurde Im BSZK festgeschrieben, dass die vorgesehenen Eingriffe in die bestehenden und zusätzlich zu installierenden Schutzmaßnahmen zu dokumentieren sind. Das bedeutet, dass die vorhandene Dokumentation zu aktualisieren bzw. eine neue zu erstellen ist. Desweiteren ist im BSZK verankert worden, dass dieses neue LPMS nach [3] oder [4] regelmäßig zu warten und prüfen ist. Das trifft auch auf die Erdungssysteme zu. Schon während der Erarbeitung des BSZK sind am äußeren Blitzschutzsystem Sichtprüfungen erfolgt. An einigen Stellen ist auch gemessen worden. Bezüglich des inneren Blitzschutzsystems hat einer Sichtprüfung der vorhandenen Schutzgeräte auf ihre Funktionstüchtigkeit stattgefunden. Die SPD mit vorhandenen Kennmeldern wurden nach dem Stand ihrer Anzeige beurteilt. Für Prüfungen bieten Schutzgerätehersteller entsprechende Prüfgeräte für ihre SPD an. Fazit Nach Auswertung aller Voruntersuchungen unter den örtlichen Gegebenheiten konnte ein Blitzschutzzonen-Konzept (BSZK) entworfen werden, das für das Wasserwerk Briesen die relevanten Bedingungen eines zeitgemäßen LEMP-Schutzsystems erfüllt. Dieses BSZK beruht auf aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen, wurde unter Anwendung der europäische Blitzschutznorm erarbeitet und enthält nur ein mit Hilfe des Risiko-Managements ermitteltes, akzeptierbares Risiko. Beginnend mit der Abschätzung des Risikos sowie der Festlegung der Schutzklasse und Blitzschutzzonen wurden die bestehende Schutzmaßnahmen um weitere ergänzt und zu einem einheitlichen funktionellen Ganzen zusammengefügt. Es wurde festgestellt, dass die vorhandenen äußeren Blitzschutzsysteme für das Erreichen der Schutzziele genügen. Für alle Übergänge an den Blitzschutzzonen konnten sicherheitsrelevante Lösungen mit vertretbaren wirtschaftlichen Aufwendungen angeboten werden. Der wichtige Aspekt eines energetisch koordinierten Stufenschutzes wurde auf koordinierbare Produktfamilien ausgerichtet. Im Anschluss ist das Leistungsverzeichnis (LV) und die Ausführungsplanung erarbeitet worden. Die praktische Umsetzung des erarbeiteten Blitzschutzzonen-Konzeptes ist sukzessiv geplant und teilweise bereits begonnen worden. Literatur [1] DIN EN 62305-1 (VDE 0185-305-1):2006-10 Blitzschutz-Teil 1: Allgemeine Grundsätze. [2] DIN EN 62305-2 (VDE 0185-305-2):2006-10 Blitzschutz-Teil 2: Risiko-Management. [3] DIN EN 62305-3 (VDE 0185-305-3):2006-10 Blitzschutz-Teil 3: Schutz von baulichen Anlagen und Personen. [4] DIN EN 62305-4 (VDE 0185-305-4):2006-10 Blitzschutz-Teil 4: Elektrische und elektronische Systeme in baulichen Anlagen. [5] Abschätzung des Schadensrisikos für bauliche Anlagen, Version 1.01 [10-2006]; Aix Thor Ingenieurgesellschaft mb H, Aachen, Deutschland. [6] E DIN IEC 60364-5-53/A2 (VDE 0100-534): 2001-06 Errichten von Niederspannungsanlagen, Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel - Schaltgeräte und Steuergeräte - Überspannungs-Schutzeinrichtungen. Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 8 701 Blitz- und Überspannungsschutz FÜR DIE PRAXIS Fernmelde-Rangierverteiler ohne Schutzgeräte Steuerschrank der Filteranlage mit Schutzgerät auf der L2-BUS-Leitung Kein Schutzgerät auf Stromversorgungsleitung EP0807-694-701 20.07.2007 15:06 Uhr Seite 701
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- W. Weigt
- F. Rusch
- C. Kausch
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