Normgerechte Einbindung
Gebäudeverkabelung für IP-fähige Komponenten der Sicherheitstechnik
ep 12/2020 [1802.87kB] 3 Seite(n) I. Kreidler
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In der EN 50173 Informationstechnik – Anwendungsneutrale Kommunikationskabelanlagen Teil 1 bis 6 [1-6] werden Regeln definiert, wie die passive Verkabelungsinfrastruktur für Datennetze in einem Gebäude auszuführen ist. Neben dem allgemeinen Teil 1 [1] wird in den Teilen 2 bis 6 die Umsetzung in Abhängigkeit konkreter Nutzungen/Gebäudetypen beschrieben:
Teil 2 – Bürogebäude [2]
Teil 3 – Industriell genutzte Bereiche [3]
Teil 4 – Wohnungen [4]
Teil 5 – Rechenzentrumsbereiche [5]
Teil 6 – Verteilte Gebäudedienste [6]
Normenlage
ISO/IEC 11801 und TIA/EIA 568 xx
Die Europanorm EN 50173 ist bis auf kleine Details identisch mit der weltweiten Norm ISO/IEC 11801 [7]. Daneben gibt es noch eine weitere Richtlinie der Industrie für den nordamerikanischen Markt: TIA/EIA 568 xx. Diese unterscheidet sich in einigen Punkten von den vorstehend aufgeführten Normen – seien es abweichende übertragungstechnische Grenzwerte für die Übertragungsstrecken oder das Präferieren von ungeschirmten Datenkabeln. Den nachfolgenden Betrachtungen liegt immer die EN 50173 zugrunde.
Weitere wichtige Normen
Im Folgenden noch der Hinweis auf einige wichtige Normen, die bei der Planung von Datennetzen neben weiteren Normen und Richtlinien, die im Teil 1 der EN 50173 nachgeschlagen werden können, zu berücksichtigen sind:
EN 50174 [8]: Informationstechnik – Installation von Kommunikationsverkabelungen (aus drei Teilen bestehend)
EN 50310 [9]: Telekommunikationstechnische Potentialausgleichsanlagen für Gebäude und andere Strukturen
EN 61935 [10] und ISO/IEC 14763: Normenreihen zur Messung der Übertragungseigenschaften von Kupferverkabelung und Lichtwellenleiterverkabelung (aus drei Teilen bestehend)
Grundstruktur nach Teil 1 der EN 50173
Ein häufig realisierter Aufbau ist der im Teil 2 der EN 50173 [2] beschriebene für Bürogebäude. Letztendlich leiten sich aber alle Strukturen, wie sie in den Teilen 2 bis 6 beschrieben sind, aus der Grundgliederung gemäß Teil 1 der Norm ab (Bild 1). Diese Struktur wird nachfolgend am Beispiel des Aufbaus in Bürobereichen gemäß Teil 2 der EN 50173 näher betrachtet.
Begriffe
Zunächst werden Definitionen für wichtige Bezeichnungen gegeben:
Primärbereich: Gelände- oder auch Campusverkabelung zwischen den Gebäudeverteilern (GV) und dem oder den Standortverteilern (SV)
Sekundärbereich: Verkabelung zwischen Gebäude- und Etagenverteilern (EV), auch Steigebereichs- oder vertikale Verkabelung genannt
Tertiärbereich: Etagenverkabelung oder auch horizontale Verkabelung hin zum Teilnehmer
Lichtwellenleiter
Abgesehen von Ausnahmen wie bei Wohnungen oder besonderen baulichen Gegebenheiten, kann der Primär- sowie der Sekundärbereich mit Lichtwellenleitern (LWL) und der Tertiärbereich entweder mit LWL oder Kupfer- bzw. Datenkabeln realisiert werden.
Kupferdatenverkabelungsstruktur
Die strukturierte Verkabelung auf Basis von Kupferdatenkabeln im Tertiärbereich ist in Bild 2 dargestellt. Diese Gliederung wird prinzipiell auch für eine durchgängige LWL-Verkabelung vom Standortverteiler (SV) bis zum Teilnehmeranschluss (TA) angewendet.
Exkurs: Die rund 30-jährige Diskussion, ob eine durchgängige LWL-Verkabelung einer strukturierten Verkabelung im Tertiärbereich vorzuziehen ist, sei an dieser Stelle nicht geführt. Nur so viel: Es kommt immer auf das konkrete Projekt und dessen Randbedingungen an. Hierzu gibt es keine belastbare allgemeingültige Grundsatzentscheidung.
Praxis der Sicherheitstechnik
Bezogen auf die Sicherheitstechnik kann das Teilnehmerendgerät (TE), das an den TA angeschlossen wird, sowohl ein Bedienplatz, z. B. des Gefahrenmanagementsystems, eine beliebige IP-fähige Komponente wie eine Videokamera oder ein Controller einer Zutrittskontrollanlage sein. Das heißt: Datennetze für sicherheitstechnische Einrichtungen lassen sich weitgehend nach den allgemeinen Strukturen von Kommunikationskabelanlagen für Bürobereiche errichten. Aus sicherheitstechnischer Sicht besonders interessant ist der sogenannte Sammelpunkt (SP), ein passiver Zwischenverteiler (ZV), der z. B. in den Kerngebieten der Installation errichtet wird. In einem solchen Zwischenverteiler können Reserveanschlüsse bereitgehalten werden, sodass bei späteren Nachinstallationen beispielsweise von Videokameras der Nach- bzw. Umverkabelungsaufwand geringer ausfällt als beim Nachverkabeln der gesamten Strecke bis zum Etagenverteiler (EV).
Produktionsbereiche werden oft aus verschiedenen Gründen mit Videokameras überwacht. Sobald sich aber Produktionsabläufe oder -maschinen ändern, müssen die Kamera-standorte in vielen Fällen angepasst werden. In Verbindung mit einem SP vor Ort im konkreten Produktionsbereich sind folglich die erforderlichen Verkabelungsarbeiten weniger aufwendig. Wo genau dann die Kleinverteiler (SPs) installiert werden, hängt vom Planer und den örtlichen Gegebenheiten ab. Folgende Planungsaspekte sind dabei zu berücksichtigen:
Die Zugänglichkeit und die damit verbundene Sicherheit des Kleinverteilers: Aus betrieblichen Gründen muss ein Datenverteiler, egal ob aktiv oder passiv, jederzeit und schnell (z. B. bei Störungen) zugänglich sein. Wenn dieser dann nur über eine lange Leiter und nach Öffnen einer Abhangdecke erreichbar ist, kann ein solcher Montageort nicht empfohlen werden. Andererseits sollte auch nicht jeder Mitarbeiter freien Zugang zu dem Verteiler bekommen. Als Mindestanforderung sollte der SP mit einem Schloss gesichert sein und außerdem eine Öffnungsüberwachung besitzen. Grundsätzlich sind die projektspezifischen Sicherheitsanforderungen bei der Ausführung und Verortung der Verteiler zu berücksichtigen.
Die Anforderungen an Brandlasten, gerade auch bei ZVs mit aktiven Komponenten gemäß Teil 3 der Norm (siehe unten): So kann z. B. bei vorhandenem Platz in Fluren nicht jeder Ort für einen SP oder als ZV genutzt werden.
Des Weiteren ist in Teil 3 der Norm für industriell genutzte Räume anstelle des Sammelpunktes de facto ein Zwischenverteiler vorgesehen. In diesem ZV können auch aktive Komponenten installiert werden, wodurch sich die nachfolgende Übertragungsstrecke bis zum Endteilnehmer auf bis zu 100 m verlängert.
Bei einer durchgängigen LWL-Verkabelung bis zum TA entfällt typischerweise der Etagenverteiler bzw. wird dieser auf einen passiven Spleißverteiler reduziert und wird dann zum SP. Im TA wird ein Miniswitch installiert, an dessen Ausgangsports die Endgeräte mit einem Kupferkabel angeschlossen werden. Diese Übertragungsstrecke heißt Fiber to the Office (FttO). Auch diese Struktur ist für sicherheitstechnische Anlagen komplett nutzbar. Lediglich die Miniswitches müssen dann in der Regel PoE-fähig sein, um Kameras und andere Endgeräte mit der erforderlichen Energie zu versorgen. Eine solche Struktur wird oft bei Videoüberwachungen im Außenbereich eingesetzt, bei denen die Miniswitches, die dann über LWL angebunden sind, in sogenannten Kameraanschlusskästen installiert werden. Der Anschluss der Videokameras über die letzten 2,50 m erfolgt über Kupferkabel.
Kleine Abweichung – trotzdem normkonform
An dieser Stelle gibt es eine kleine Abweichung zu der Struktur in Bürobereichen gemäß Bild 2. Switches in Kameraanschlusskästen werden in der Regel aus Redundanzgründen mit einem LWL-Ring verkabelt. Diese Struktur passt dann formal nicht ganz zu den Vorgaben der EN 50173 Teil 2 [2]. Trotzdem verstößt eine solche Struktur nicht gleich gegen diesen Normenteil. Es gibt schließlich noch weitere Teile, wie z. B. Teil 3 – industriell genutzte Räume [3]. Dieser ermöglicht den Anschluss von sogenannten Automationsinseln an den TA. Wenn man jetzt den LWL-Ring der Videoverkabelung als eine in sich geschlossene Automationsinsel betrachtet, und diesen Ring dann wieder über den zentralen Ringswitch oder Ringmanager am Zwischenverteiler in das Gesamtnetz einbindet, ist die Normenkonformität wiederhergestellt.
Fazit
Auch wenn die Verkabelungsnorm nicht explizit auf die Einbindung von sicherheitstechnischen Anlagen und Komponenten in die Verkabelungsstruktur eingeht, lassen sich sicherheitstechnische Anforderungen und Besonderheiten aus den normativen Ansätze ableiten.
Literatur
Lichtwellenleiter – LWL
Gebäudeverteiler – GV
Standortverteiler – SV
Etagenverteiler – EV
Teilnehmeranschluss – TA
Teilnehmerendgerät – TE
Zwischenverteiler – ZV
Sammelpunkt – SP
Fiber to the Office – FttO
Bilder:

(1) Allgemeine Struktur anwendungsneutraler Kommunikationskabelanlagen (Quelle: I. Kreidler/VZM GmbH auf Basis EN 50173)

(2) Struktur einer Kommunikationskabelanlage in Bürobereichen (Quelle: I. Kreidler/VZM GmbH auf Basis EN 50173)
Literatur:
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