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?Unsere neue LED-Beleuchtung hat einen, für mein Wissen, extrem hohen Ableitstrom. Gemessen habe ich mit einem Stromzangen-Multimeter (Benning CM11) einen Wert von 600 mA (Schutzleiter der Verteilung) für 24 angeschlossene Leuchten. Fremdstrom kommt nicht in Frage, da nichts anderes in Betrieb war und der Schutzleiterstrom mit dem Ausschalten der Leuchten verschwindet. Gibt es eine Normung für den Ableitstrom von Leuchten? Ist dieser Ableitstrom ein Mangel?
!LED-Leuchten werden mit Netzteilen betrieben, die gerne hochfrequente Ableitströme verursachen. Diese können problemlos sogar über 30 kHz liegen.
Die allgemeine Produktnorm für Leuchten DIN EN 60598-1 (VDE 0711-1) [1] kennt natürlich auch Grenzwerte zu Schutzleiterströmen. Demnach darf der Schutzleiterstrom bei Leuchten für den festen Anschluss mit einem Nennstrom bis 7 A maximal 3,5 mA betragen – allerdings ist dies der für den Menschen wirksame Strom, der durch eine standardisierte Prüfschaltung ermittelt wird. Es handelt sich für den niederfrequenten Bereich um die gleiche Schaltung, wie sie auch z. B. in Gerätetestern angewendet wird. Für Ableitströme > 30 kHz wird eine vereinfachte Schaltung verwendet:
Der Schutzleiterstrom wird über einen Widerstand (150 Ω) und einen dazu parallel liegenden Kondensator (1,5 µF) geführt. Der Spannungsfall über diese zwei Bauteile wird gemessen. Der bewerte Schutzleiterstrom errechnet sich aus der gemessenen Spannung dividiert durch die 150 Ω des Widerstandes. Hintergrund ist, dass hochfrequente Ströme für den Menschen nicht so stark spürbar und gefährlich sind, wie Ströme bei 50 Hz. So ist eine Körperdurchströmung mit 30 kHz nur etwa um das 40-fache geringer spürbar als bei 50 Hz. So dürfte der tatsächliche Schutzleiterstrom theoretisch maximal 140 mA betragen.
Leider habe ich nicht alle Regelwerke zur Konstruktion von Leuchten zur Verfügung, es wird mittlerweile auch Grenzen für den hochfrequenten Ableitstrom geben – alleine aus Brandschutzgründen und der EMV.
Die Leckstromzange. Laut Datenblatt ist die Strommessung für das vom Anfragenden eingesetzte Messinstrument Benning CM11 nur im Frequenzbereich 50 – 60 Hz angegeben. Zu einem spezifizierten Verhalten bei anderen (höheren) Frequenzen konnte ich nichts finden. Gewöhnlich nehmen die Leckstromzangen höhere Frequenzen viel geringer war (Bild 1). Es gibt nur sehr wenige Modelle, die überhaupt bis in den Bereich von kHz halbwegs zuverlässig messen können. Über 20 kHz gibt es nur noch Messungen mit Durchsteck-Wandler oder direkte Messungen.
Interpretation der Messwerte. Ich glaube nicht, dass bei 24 Leuchten wirklich ein Ableitstrom von 600 mA fließt. Einen Ableitstrom wird es auf jeden Fall geben, nur wie hoch der tatsächlich ist, das ist fraglich. Es ist technisch hoch anspruchsvoll, die Ableitströme von LED-Leuchten richtig zu messen und zu bewerten – handwerksübliche Messgeräte helfen hier leider nur selten wirklich weiter.
Ein mögliches Indiz, dass es sich um keinen gefährlichen Ableitstrom handelt, ist, wenn ein für Frequenzumrichter tauglicher RCD nicht auslöst. Genaue Messungen sind allerdings nur mit dem Doepke DRCA-1 möglich (Bild 2). Mir sind auch zwei Netzanalysatoren bekannt, die diese Ströme analysieren können.
Der angezeigte Ableitstrom könnte auch durch parallel verlegte Leitungen zwischen LED-Treiber und LED-Leuchtmitteln eingekoppelt werden.
Empfehlung. Um auszuschließen, dass es sich um Einkopplungen handelt, wäre zunächst die Leitungsverlegung zu kontrollieren. Auch die Leitungslängen zwischen LED-Treiber und LED-Leuchtmittel dürfen nicht länger sein, als der Hersteller vorgibt.
Sollte sich der Wert nicht wesentlich ändern, wäre eine direkte Strommessung mit einem TRMS-Multimeter aufschlussreich, das mindestens für Frequenzen bis 50 kHz geeignet ist.
Auch eine Anfrage beim Hersteller der Leuchte kann nicht schaden, er müsste wissen, wie sich die Ableitströme seiner Leuchten verhalten.
Erst wenn all dies nicht zu einem Erfolg führt, würde ich eine Analyse mit dem DRCA-1 empfehlen, bzw. eine Messung mit der Prüfschaltung.
Bilder:

(1) Beispielhafte Messung eines Stroms von 1,6 A bei 38 kHz mit verschiedenen Leckstromzangen. Die Leckstromzangen zeigen Werte zwischen 0,005 mA bis 0,785 A an (Quelle: Lochthofen)

(2) Beispiel für eine Analyse von HF-Ableitströmen mit dem DRCA-1. Bei 50 Hz ist nur ein sehr geringer Strom erkennbar. Der Haupt-Ableitstrom findet sich bei 8, 24, 40 und 56 kHz (Quelle: Lochthofen)
Literatur:
Fachartikel zum Thema
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Anlagen besonderer Art
DIN VDE 0100-711 Berichtigung 1 2020-12 (VDE 0100-711 Berichtigung 1) -
Licht- und Beleuchtungstechnik
DIN EN 60598-2-22 2020-12 (VDE 0711-2-22) -
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DIN EN 50520 2020-12 (VDE 0605-500) -
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DIN EN 50119 Beiblatt 1 2021-01 (VDE 0115-601) -
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VdS 2529 2020-08 -
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E DIN EN IEC 63189-1 2021-01 (VDE 0175-189-1) -
Elektrosicherheit
E DIN EN IEC 55014-1 2021-01 (VDE 0875-14-1)